Christoph Blocher - Die Schweiz darf nicht der EU geopfert werden

Selbst eine wie auch immer geartete »Weiterentwicklung der bilateralen

Verträge« rechtfertigt nicht, die Souveränität der Schweiz preiszugeben. In verdankenswerter Weise nimmt der Chefredaktor Eric Gujer die längst notwendige Debatte über das Verhältnis der Schweiz zur EU auf. In seinem Leitartikel »Die Schweiz muss mehr Selbstbewusstsein zeigen« spricht er sich dann allerdings für den Abschluss eines Rahmenabkommens mit der Europäischen Union aus, also für ein Abkommen, das die Schweiz verpflichtet, in weiten Rechtsbereichen auf die Selbstbestimmung zu verzichten, diese der EUabzutreten und auch die Streitbeilegung dem EU-Gerichtshof zu übertragen. [1] 

Oder, wie es der damals für dieses Dossier zuständige Staatssekretär, Yves Rossier, in der NZZ am Sonntag ausdrückte: »Ja, es sind fremde Richter, es geht aber auch um fremdes Recht.« 

Debatten im Halbdunkeln 
Gujer stört die frühzeitige Stellungnahme zu diesem noch nicht bis ins Detail vorliegenden Rahmenvertrag. Besonders hart geht er mit der SVP ins Gericht, die nicht nur den Vertrag, sondern schon das Verhandlungsmandat ablehnte: Die SVP sei
»aussenpolitisch irgendwo zwischen Tells Apfelschuss und dem Jahr 1291 stehengeblieben«. Nun, was zwischen Tells Apfelschuss und 1291 passiert ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber soviel steht fest: Wer für die Schweiz ein Rahmenabkommen abschliessen will, das so grundlegende Werte des Landes preisgibt, fällt weit ins Mittelalter und weit vor 1291 zurück. Zumindest haben die einfachen Bauern damals gerade das fremde Recht und diese Art fremder Herrschaft beseitigt.

Die Delegation der Rechtssetzung an eine fremde Macht und der Rechtsprechung an fremde Richter ist unhaltbar
Gujer bedauert, dass die Debatte beendet sei, bevor sie begonnen habe. Er glaubt, dies sei das Ergebnis »beträchtlicher Denkfaulheit«. Tatsächlich wäre genügend Zeit vorhanden gewesen. Allzu viele scheuten sich aber, über die Absicht und das Ziel dieses Vertrags zu diskutieren, weil dessen Verwerflichkeit sonst allzu rasch erkennbar gewesen wäre. Darum sind der Bundesrat und die Vertragsbefürworter in Parlament, Verwaltung und Medien bis heute dem Grundsätzlichen ausgewichen. Die Bereitschaft, unser Selbstbestimmungsrecht, die Rechtssetzung und Rechtsprechung der EU zu überlassen, war von Beginn weg nicht zu leugnen. Aber dazu stehen, das wollte man nicht.

Schon zu meiner Bundesratszeit, also vor 2007, war der Rahmenvertrag ein Thema, das aber glücklicherweise damals noch keinen Anklang fand. Am 7. Juli 2011 legte der vom Bundesrat bestellte Zürcher Staatsrechtler Daniel Thürer ein Gutachten über mögliche Formen der Umsetzung und Anwendung der bilateralen Abkommen vor. Dieses Gutachten ist eine Anleitung, wie man die Schweiz ohne Volksabstimmung in die EU führt, nämlich dadurch, dass das EU-Recht über das schweizerische Recht gestellt wird, wie es ja das angestrebte Rahmenabkommen vorsieht. Dieses Gutachten sollte streng geheim bleiben. Nicht zuletzt unter dem Druck der SVP stellte es der Bundesrat dann am 20. Dezember 2012 nach 18 Monaten doch noch still und leise ins Internet.

»Anleitung zum Staatsstreich« 
Die Auffassung des Gutachters, in dieser Weise Volk und Stände zu entmachten, kritisierte ich anlässlich der Albisgütli-Tagung 2013 und bezeichnete das Vorgehen als »Anleitung zum Staatsstreich«. Am 10. November 2013 richtete der Präsident der EU-Kommission ein Schreiben an die Schweiz, in dem er klar und deutlich die institutionelle Integration bei Rechtssetzung und Rechtsprechung verlangte. Dies war eine klare Aufforderung zum »EU-Beitritt auf Samtpfoten«.  Der Bundesrat erklärte sich hierauf in einem Verhandlungsmandat bereit, der Forderung aus Brüssel zu entsprechen. Doch der genaue Wortlaut des bundesrätlichen Verhandlungsmandats blieb im Dunkeln.

Es ist dieses Jahr 25 Jahre her, seit das Schweizervolk und die Stände den EWR-Vertrag abgelehnt haben. Dieser Vertrag hätte uns ebenfalls verpflichtet, einen Grossteil des europäischen Rechts zu übernehmen und sich fremder Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Es ging also auch damals um eine Schweiz mit fremdem Recht und fremden Richtern. Die Konsequenzen eines solchen Vertrages legte der Bundesrat damals allerdings noch klar auf den Tisch. Er schrieb in seiner Botschaft ans Parlament: »Unsere Teilnahme am EWR kann nicht mehr als das letzte Wort in unserer Integrationspolitik gelten. Sie ist im Rahmen einer Europastrategie zu sehen, die in zwei Phasen ablaufen soll und den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EG zum Ziel hat.« Das Gleiche soll sich nun mit dem Rahmenvertrag wiederholen.

Es geht um die Grundsatzfrage  
Um die für unser Land enorme Bedeutung dieser Fragen konzentriert aufzuwerfen und um den nun einmal angetretenen Irrweg mit allen Mitteln zu verhindern, bin ich im Mai 2014 aus dem Parlament zurückgetreten. Das von mir präsidierte Komitee gegen den schleichenden EU-Beitritt (EU-No) bereitet sich für den Abstimmungskampf gegen diesen verhängnisvollen Rahmenvertrag vor. Auf Details des Vertrages muss nicht gewartet werden. Aus einer schlechten Absicht und verwerflichen Zielen kann nichts Gutes entstehen! Die Delegation der Rechtssetzung an eine fremde Macht und der Rechtsprechung an fremde Richter ist unhaltbar. Ersteres ist noch tragischer als das Zweite. Doch Eric Gujer behandelt nur die fremden Richter und nennt dies beschönigend ein willkürlich aufgebauschtes Detailproblem; allfällige Streitigkeiten könnten durch Gerichtshöfe von EU oder Efta oder auch durch zusätzliche Schiedsgerichte erledigt werden. 

Schon ein erster Blick auf die offizielle Website der Europäischen Union genügt, um die Problematik zu erkennen. Sie bezeichnet die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs ausdrücklich wie folgt: Gewährleisten, dass EU-Recht in allen EU-Mitgliedsländern auf die gleiche Weise angewendet wird, und dafür sorgen, dass Länder und EU-Institutionen das EU-Recht einhalten.Wir vernehmen die Drohung, ohne Einigkeit mit der EU würde diese ihre Gesetze ohne Mitsprache der Schweiz erlassen. Ja und? Das tun alle anderen Staaten der Welt auch. Die gleiche Drohung bestand schon vor 25 Jahren im Falle eines Neins zum EWR-Beitritt, den die Schweiz dennoch ablehnte. Der von den Beitrittsbefürwortern kleinmütig vorausgesagte wirtschaftliche und gesellschaftliche Niedergang des Landes bei einem EWR-Nein ist ausgeblieben. Ja er hat sich ins Gegenteil gekehrt.

Wie soll im übrigen der Europäische Gerichtshof beispielsweise in einem Streit darüber, ob in einem konkreten Fall schweizerisches Recht oder EU-Recht gelten soll, unparteiisch urteilen können?

Nichts Neues unter der Sonne 
Es ist nicht neu, dass führende Leute in guten friedlichen Zeiten die Grundlagen unseres Staates vergessen oder vernachlässigen, um untergeordnete Anliegen unter Verletzung wichtiger Staatsmaximen durchzusetzen. Auch eine wie immer geartete »Weiterentwicklung der bilateralen Verträge« rechtfertigt nicht, die Souveränität der Schweiz preiszugeben. Die Schweiz sei im Vergleich zu Frankreich, Italien, Deutschland oder Polen »ein Bollwerk der Stabilität und Vertragstreue«, stellt Gujer fest. Doch die Ursache dieser besseren Position liegt in unseren soliden Staatssäulen, nämlich Unabhängigkeit, Föderalismus, Neutralität, direktdemokratische Volksrechte und eine Weltoffenheit, ohne sich in fremde Staatsgebilde einbinden zu lassen. Ich sage dies ausdrücklich als langjähriger, international tätiger moderner Industrieller, der die Zustände unseres Landes international beurteilen kann.

Es ist doch nicht einzusehen, warum man die erfolgreichen schweizerischen Staatssäulen dieser EU – laut Gujer »voller Selbstzweifel und Probleme« – opfert.

Anmerkung politonline d.a.  
In seinem im Juli letzten Jahres erschienenen Buch Beuteland: Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945 schreibt der Autor, Dr. Bruno Bandulet, dass »der Europäische Gerichtshof das Recht deformiert, anstatt es zu schützen. Das Überleben des Euros beruht seit 2010 auf fortgesetzten Rechtsbrüchen. Die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative, eine der großen Errungenschaften der europäischen Zivilisation, wird unterlaufen. Und mit der Demokratie hätte die EU selbst bei bestem Willen ihre Probleme, weil sich Demokratie umso schwerer realisieren läßt, je größer ein Staat oder ein staatsähnliches Gebilde ist. Die unverhohlene Abneigung der tonangebenden EU-Kreise gegen die Schweiz ist kein Zufall: Allein das Recht der Schweizer, in Volksabstimmungen das letzte Wort zu haben  - ein Attribut echter Demokratie -  macht eine EU-Mitgliedschaft unmöglich. Denn der europäische Zentralismus könnte nicht funktionieren, wenn auch nur ein Mitglied das Recht hätte, in Brüssel beschlossene Gesetze zurückzuweisen.«  [2]

Wie die Deutschen Wirtschafts Nachrichten im Februar 2014 schrieben, unterläuft Brüssel nationale Gerichte mittels EU-Staatsanwälten. So will die nach Altiero Spinelli (1907–1986), einem historischen Vordenker der europäischen Integration benannte Spinelli-Gruppe nach eigener Aussage »…. ein Netzwerk von Personen sein, die das Europäische Interesse über das Nationale stellen und dazu bereit sind, ein föderalistisches Projekt auch in ihrem jeweiligen Umfeld zu verteidigen.« Ebenfalls im Februar 2014 hielt Inter Info Linz in seiner Ausgabe Nr. 422 fest, daß der Europäische Gerichtshof nationale Vorschriften immer wieder mit dem Hinweis auf höherrangiges Europarecht gekippt hat, während Beatrix von Storch diesen Februar erklärte, »daß sich der EuGH nicht als unabhängiges Gericht versteht, sondern als Motor der EU-Zentralisierung und daß sich das deutsche Bundesverfassungsgericht nicht traut, die Reißleine zu ziehen.«

Der italienische EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi, einer der 11  Generalanwälte beim Europäischen Gerichtshof, forderte beispielsweise im März dieses Jahres: »Jeder Mensch auf der Welt – dem Folter oder auch nur erniedrigende Behandlung droht – soll das Recht haben, ein Visum für ein EU-Land seiner Wahl zu erhalten. Damit könne er legal in sein Wunsch-EU-Land einreisen, dort Asylwerber werden – und bleiben.« Ferner: »Alle EU-Botschaften hätten künftig für jedermann weltweit humanitäre Visa auszustellen.« Das muss man sich einmal konkret vorstellen; dies würde zweifelsohne auf die finanzielle Zerstörung der EU-Staaten hinauslaufen, von den ethnischen Implikationen ganz abgesehen.  [4]  

 

Quelle:  
https://www.nzz.ch/meinung/europapolitik-die-schweiz-darf-nicht-der-eu-geopfert-werden-ld.1314601  6. 9.17 Christoph Blocher

[1]  https://www.nzz.ch/meinung/verhandlungen-mit-der-eu-die-schweiz-muss-mehr-selbstbewusstsein-zeigen-ld.1312015  25. 8. 17   
Die Schweiz muss mehr Selbstbewusstsein zeige – Eric Gujer   
[2]  Bruno Bandulet. Beuteland. Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945, Seite 206  
[3] 
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/02/13/bruessel-unterlaeuft-nationale-gerichte-mit-eu-staatsanwalt/   13. 2. 14  
[4] 
http://www.epochtimes.de/politik/europa/der-eugh-muss-gestoppt-werden-visa-fuer-alle-fluechtlinge-wuerde-deutschland-schweden-und-oesterreich-zerstoeren-a2062338.html   5. 3. 17