Der Doppelmordversuch von Salisbury 18.03.2018 23:16
d.a. Nach all den marktschreierischen Meldungen zu dem Anschlag auf
Skripal, die sich unmittelbar danach in
ihrer Mehrheit dadurch ›auszeichneten‹, dass sie diesen Russland resp.
Putin anlasteten, sind den Darlegungen, wie sie dem folgenden Bericht von ›German Foreign Policy‹ zu entnehmen sind, im Gegensatz
hierzu eine ausnehmende Sachlichkeit zuzubilligen:
Mit Rückendeckung aus Berlin hat Großbritannien
23 russische Diplomaten des Landes verwiesen und weitere Maßnahmen gegen Moskau
in Aussicht gestellt. Offizieller Anlaß ist der Doppelmordversuch von
Salisbury; zwei Opfer eines Giftanschlags kämpfen dort weiterhin um ihr Leben.
Zahlreiche Unklarheiten prägen den Fall; dazu zählt, daß bereits 1995
ein Mord mit dem Nervengift Nowitschok begangen wurde - nicht von
staatlichen Stellen, sondern im Umfeld des russischen
Oligarchenmilieus. Wie Scotland Yard erklärt, ist eine Lösung des Falls nicht
in Sicht und kann noch ›viele
Wochen‹
dauern. Obwohl also belastbare Erkenntnisse nicht vorliegen, hat auch
Bundeskanzlerin Merkel ein gemeinsames Vorgehen des Westens gegen Rußland
gefordert. Tatsächlicher Hintergrund ist, daß Moskau, wie eine deutsche
Außenpolitikexpertin konstatiert, ›als Akteur
zurück auf der Weltbühne‹ ist.
Dagegen richte sich die jüngste westliche Aggression.
Ungereimtheiten Im Fall der Vergiftung des Doppelagenten
Sergej Skripal und seiner Tochter Julja in Salisbury nehmen die Unklarheiten
zur Zeit eher zu als ab. Laut britischen Angaben ist der Mordversuch mit dem
Nervengift Nowitschok, das einst in der Sowjetunion entwickelt
worden ist, begangen worden. Rußland
dringt weiterhin darauf, endlich Zugang zu der polizeilichen
Untersuchung des Falles bzw. zu dem Gift zu erhalten, um selbst Nachforschungen
anstellen zu können. Außenminister Sergej Lawrow begründet dies mit
Vorschriften der internationalen Chemiewaffenkonvention, aber auch damit, daß Skripals
Tochter eine Bürgerin von Rußland ist. Moskaus Forderung kann sich auch darauf
stützen, daß westliche Experten über die sich in
diesem Fall ergebenden Ungereimtheiten öffentlich diskutieren; so weist Gwyn
Winfield, ein Publizist, der sich unter anderem auf Chemiewaffen spezialisiert
hat, darauf hin, daß Symptome, wie sie Skripal laut Berichten zeigt,
den gängigen Kenntnissen über die Wirkung von Nowitschok nicht entsprechen. Man
müsse demnach womöglich von der Nutzung eines eigentümlichen Giftcocktails
ausgehen. International sprechen selbst Kommentatoren von Medien, die über die
russische Politik gewöhnlich ablehnend berichten, von Zweifeln, daß
russische Dienste - zumal kurz vor den Wahlen und der prestigeträchtigen
Fußball-WM - im Ausland ausgerechnet ein Gift einsetzen würden, das sich
unweigerlich als Spur nach Moskau interpretieren ließe. Beobachter weisen nicht
zuletzt darauf hin, daß es eine der ›ungeschriebenen Regeln im
Spionagemetier sei, daß ausgetauschte Agenten wie Skripal Immunität genießen‹; ein Staat, der sich nicht strikt
daran halte, beraube sich für die Zukunft der Möglichkeit, inhaftierte Spione
per Austausch zurückzuholen. Dies entspreche nicht der bisherigen russischen
Politik.
Der erste Nowitschok-Mord Hinzu kommt, daß die angeblich
exklusive Verfügung des russischen Staates über das Gift Nowitschok nicht
gegeben ist. So berichtet Séamus Martin,
einstmals Rußland-Korrespondent der ›Irish
Times‹,
ihm gegenüber habe ein renommierter Fachmann des ›International
Peace Research Institute‹
SIPRI in Stockholm bereits im Herbst 1993 auf die
Gefahr hingewiesen, daß in der damaligen Lage - der russische Staat war dem
Kollaps nahe - Gifte wie Nowitschok in den Besitz krimineller Banden gelangt
sein könnten. Der SIPRI-Experte habe verlangt, Moskau schnellstmöglich beim
Versuch, seine Kontrolle über die Bestände zu sichern, finanziell zu
unterstützen. Die Unterstützung blieb aus. Tatsächlich wurde in Rußland
schon 1995 ein Mord mit Nowitschok verübt: Ein Bankier und seine Sekretärin
wurden im Auftrag eines Geschäftspartners mit dem Nervenkampfstoff umgebracht.
Der Mörder hatte es bei einem Mitarbeiter des Instituts, das Nowitschok
entwickelt hatte, gekauft. Dies weist ins Milieu russischer Oligarchen, von
denen viele, die mit der russischen Regierung im Streit liegen, nach London
ausgewandert sind. Zudem treffe es nicht zu, daß nur Rußland
Nowitschok produzierte: Im August 1999 begannen US-Experten mit dem Abbau einer Chemiewaffenfabrik in Usbekistan, in der das Gift
hergestellt wurde. Abgesehen davon hat der Nowitschok-Erfinder Vil Mirzayanov mehrfach darauf hingewiesen, daß die Chemikalie einfach zu
produzieren sei: Man könne sie aus handelsüblichen Düngemitteln und Pestiziden
mixen. Mirzayanov floh in den 1990er Jahren in die Vereinigten Staaten und
packte dort seine Kenntnisse über Nowitschok aus.
›Keine
Hinweise auf Verdächtige‹ Mit Blick auf die zahlreichen Unklarheiten in dem Fall haben die britischen Polizeibehörden eine
womöglich lang andauernde Fortsetzung ihrer Untersuchung angekündigt. Es sei ›eine mühsame Operation‹, alle zu identifizieren, die in
Zusammenhang mit dem versuchten Giftmord stehen könnten, äußerte ein
Polizeisprecher am 13. März. Die Untersuchung könne eventuell sogar viele
Wochen dauern; man wisse noch nicht einmal, auf welche Weise den Opfern das
Gift verabreicht worden sei. Gegenwärtig könne man keinerlei Hinweise auf
Verdächtige geben.
Ausweisungen und der Bündnisfall Das hat die britische Regierung nicht daran gehindert,
ihre Polizei offen zu brüskieren und sich auf die
Täterschaft des russischen Staates festzulegen: Es gebe ›keinen anderen Schluß‹ als den, daß dieser ›die Schuld‹ an dem Mordversuch trage,
behauptete Premierministerin Theresa May am 14. 3. Bereits am 13. März
hatten Merkel und May gemeinsam erklärt, man müsse jetzt geschlossen gegen Rußland
vorgehen; Beweise für die angebliche russische Täterschaft vorzulegen hielt
auch die Bundesregierung für überflüssig. May
forderte am 14. März 23 der 58 in Großbritannien akkreditierten russischen
Diplomaten auf, binnen 7 Tagen das Land zu verlassen; die Quote von 40 % gilt
als ungewöhnlich hoch. Hinzu kommen weitere Maßnahmen wie die Ausweitung der
Kontrollen russischer Privatflieger und die Einstellung aller hochrangigen bilateralen
Beziehungen. Indem May den Mordversuch freihändig als ungesetzliche Gewalthandlung des russischen Staates
eingestuft hat, kommt sogar eine Berufung auf Artikel 5 des Nordatlantikvertrags,
mithin die Ausrufung des Bündnisfalls, in Betracht.
Auf der Weltbühne zurück Tatsächlicher Auslöser für die von
Deutschland und anderen westlichen Staaten im Grundsatz mitgetragene Aggression
ist nicht der Mordversuch von Salisbury; wäre er es, hätte London der
Aufklärung des Falles Vorrang gegeben. Hintergrund ist vielmehr der
Machtkampf des Westens gegen Rußland. Moskau sei ›als Akteur auf der Weltbühne zurück‹, hat Liana Fix, Programmleiterin
für Internationale Politik der einflußreichen Hamburger Körber- Stiftung mit Blick
auf die russischen Aktivitäten in Syrien, Nordafrika, Afghanistan und weiteren
Staaten vor kurzem geäußert: ›2018 ist
das Jahr, in dem sich Rußland endgültig als globaler Player etabliert haben
wird.‹ Dabei
trete Moskau ›gegenüber
Europa und den USA ... mit neuem Selbstbewußtsein
auf‹:
Dies sei eine ›geopolitische
Realität‹.
Die westlichen Aggressionen seit 2014 sind der im Wesentlichen erfolglose Versuch,
Rußland
in die Schranken zu weisen.
Mittlerweile genügt ein ungeklärter
Mordversuch mit unbewiesenem Rußland-Bezug, um im Machtkampf gegen Moskau
die nächste Runde der Aggressionen einzuleiten. Dabei wird der globale
Machtkampf von innerwestlichen Rivalitäten begleitet. Indem es den
NATO-Bündnisfall in den Blick nimmt, strebt London auch eine Führungsrolle
unter den NATO-Staaten Europas an. Damit beißt es allerdings in Berlin auf
Granit. Tatsächlich wurde in London zunächst diskutiert, nicht nur russische
Diplomaten des Landes zu verweisen, sondern auch neue Wirtschaftssanktionen zu
verhängen und zur Vergeltung womöglich sogar noch einen Cyberangriff auf Rußland
zu starten. Der innerwestliche Machtkampf verkompliziert die eskalierende Lage
noch mehr - und erhöht die Kriegsgefahr.«
[1]
Anmerkung politonline Wie Igor Nikulin, ein vormaliges
Mitglied der UNO-Kommission für Bio- und Chemiewaffen ›sputniknews‹ gegenüber
ausführte [2], »hat Russland das Nervengift Nowitschok
auf seinem Territorium niemals produziert«, dies
immerhin im Gegensatz zu obiger Feststellung von ›GFP‹,
laut der »es nicht zutreffe, daß
nur Rußland Nowitschok
produzierte«.
Ob überhaupt resp. unter welchen Umständen
womöglich doch eine Produktion des Nervengifts in Rußland erfolgte, wird sich vermutlich
nie mehr konkret nachweisen lassen. Um dieses Gift geht es auch in einem
Artikel der ›New
York Times‹
vom 25. Mai 1999 [3],
in dem sich diese auf Worte des bereits genannten sowjetischen Erfinders und
Überläufers Vil Mirzayanov beruft; gemäss der ›NYT‹ wurde »das
Gas Ende der 1980er Jahre entwickelt. Es ist ein binärer Kampfstoff und besteht
aus zwei Komponenten, die, voneinander getrennt, ungefährlich sind.« Wie Nikulin seinerseits
hierzu festhält, »verwandeln sich diese,
sobald sie in Reaktion treten, in ein tödliches Gas«; der Militärexperte spricht für diese im Jahr
1991 gemachte Entdeckung von zwei Erfindern,
die dafür eine Staatsauszeichnung
erhielten. »Danach floh einer derselben, nämlich Vil
Mirzayanov, nach Amerika.«
»Das Gas«, so Nikulin ferner, »sei
in der Stadt Nukus in Usbekistan hergestellt worden. 1992 sei das
Unternehmen unter der Kontrolle der Amerikaner demontiert worden. Demnach würde
die USA über Proben dieses Stoffes verfügen. Im Fall
der Nutzung von Nowitschok würde ich nach keiner russischen Spur suchen, sondern
nach einer usbekischen, oder besser, nach einer US-amerikanischen. Das wird
näher an der Wahrheit sein.« Dabei betonte
er, dass dieses Nervengift niemals im Dienst der russischen Armee
verwendet worden sei. Was die Produktion des Gases auf dem Territorium
von Usbekistan betrifft, so zitiert die ›NYT‹ ihrerseits Aussagen Mirzayanovs. Wie daraus
hervorgeht, »hatten sich die USA und die
Regierung von Islam Karimow auf eine Dekontaminierung
und den Abbau des sowjetischen Forschungs- und Testgeländes in der Stadt Nukus
geeinigt. Demnach sollen die Amerikaner den Zugang zu den Anlagen, die in
Usbekistan von 1986 an für alle Wissenschaftler außer für sowjetische gesperrt
gewesen seien, 1992 bekommen haben. Alarmiert durch die gesundheitlichen und
ökologischen Auswirkungen der sowjetischen Aktivitäten zur Produktion und
großangelegter Erprobung illegaler chemischer und keimtötender Waffen in
Usbekistan, verzichtete Präsident Karimow auf Massenvernichtungswaffen.« »Seitdem«, so die ›NYT‹ ferner, »arbeitete seine Regierung eng mit
amerikanischen Verteidigungsbeamten zusammen und gewährte ihnen den Zugang zu
den Lokalitäten.«
John Laughland zu einer Stellungnahme von Craig
Murray
Laughlands Ausführungen sind mit dem Titel versehen: »Blaming Russia for Skripal attack is
similar to ›Jews
poisoning our wells‹
in the Middle Ages - Russland die Schuld an dem Anschlag auf Skripal
zuzuweisen, ähnelt der im Mittelalter vorgebrachten Behauptung, die Juden
hätten unsere Brunnen vergiftet.« Es gibt keinen Beweis dafür, schreibt der Historiker und Politwissenschaftler Laughland, seit 2008
Studiendirektor des ›Institute
of Democracy and Cooperation‹ in Paris und Autor mehrerer
Bücher, dass Russland im Fall der Vergiftung von Skripal eine Schuld trifft. Das
Ganze erinnert an frühere Verdächtigungen, die sich entweder als unbewiesen
oder als falsch herausstellten. Laughland gratuliert
Craig Murray, der der erste war, dies anzusprechen. Murray, vormals
schillernder Botschafter Grossbritanniens in Usbekistan, wendete sich, als ihn
das Aussenministerium 2004 entliess, vom Establishment ab. Auf seinem Blog hat
er wichtige Stellungnahmen massgebender Wissenschaftler veröffentlicht, die die
Inkriminierung Russlands von Seiten der britischen Regierung hinsichtlich
Sergei Skripals schwer in Zweifel ziehen. Murray hat
mit letzteren zusammen Texte ›ausgegraben‹, die aus den Jahren 2016, 2013 and 1995 stammen und von einem Wissenschaftler
in Porton Down in Wiltshire, die geheime Einrichtung für chemische Waffen des
britischen Militärs, herrühren. Porton Down ist 20 Minuten von Salisbury
entfernt, wo Skripal vorgefunden wurde. Wie des weiteren dargelegt wird, hat
die Regierung in London in ihrem Streit mit Moskau nicht nur das UNO-Abkommen
zum Verbot von Chemiewaffen von 1997 übergangen, sondern auch die Aussagen von Vil
Mirzayanov zu Nowitschok, das nun angeblich benutzt worden ist, um Skripal zu
vergiften. [4]
Der ›Bürgerrechtsbewegung
Solidarität‹
zufolge hat Murray darüber hinaus erklärt,
»es handle sich seiner Ansicht nach um den
gleichen Versuch wie vor dem Irakkrieg: Eine Lüge zu erfinden, damals das ›Massenvernichtungswaffen-Dossier‹, wobei dieses Mal Putin
persönlich für den Giftgasanschlag verantwortlich gemacht werden solle. Ferner,
»daß sich Grossbritannien geweigert
habe« - was ja auch die Tagespresse so berichtet
- »Proben
des angeblich verwendeten Nervengases, dessen Existenz im übrigen bislang sowohl
von der ›Organisation
für das Verbot chemischer Waffen‹,
eine unabhängige internationale Organisation, die durch die Vertragsstaaten der
Chemiewaffenkonvention begründet wurde, als auch von Porton Down angezweifelt
worden sei, zu übergeben.« [5]
Im weiteren Verlauf hat Moskau seinerseits angeordnet,
dass 23 britische Diplomaten das Land verlassen
müssen. Zudem verbietet Moskau den Betrieb des britischen Generalkonsulats in
St. Petersburg und des Kulturinstituts ›British
Council‹
im Land. Moskau pocht bei der Aufklärung des Skripal-Falls auf eine eigene
Untersuchung durch russische Ermittler und verlangt, wie bereits vermerkt, Zugang zu Proben
und den Opfern. Aus russischer Sicht gibt es nicht genügend Beweise, um eine
Beteiligung Moskaus festzustellen. »Die westliche
Propaganda wird leider immer primitiver und unverschämter«, sagte Außenminister Sergej Lawrow einer Mitteilung seines Ministeriums
zufolge. [6]
Nach dem Mord an dem russischen Kremlkritiker und Geschäftsmann
Nikolai Gluschkow hat die Polizei in Grossbritannien jetzt eine Reihe von
Exil-Russen kontaktiert; ihnen wurde zu Vorsicht geraten. Damit hätten die
Sicherheitsbehörden ihre bisherige Einschätzung vom geringen Risiko für
Exil-Russen im Land geändert, so BBC in der Nacht zum 17. 3. Allerdings gebe es
weiterhin keinen Zusammenhang mit dem Tod Gluschkows und der Giftattacke auf Skripal
und dessen Tochter.
Kommentare Zunächst ein solcher von Klaus-Dieter
Frankenberger in der ›FAZ
online‹,
den ich mir erlaube, als besonders hässlich und irregeleitet zu bezeichnen:
»Gemeinsam«, schreibt er u.a. »haben die Staats- und Regierungschefs der
führenden Mächte des Westens, der Vereinigten Staaten, Deutschlands,
Frankreichs und Britanniens, Rußland für diesen Angriff verantwortlich
gemacht. Daß
die gemeinsame Reaktion der Vier so scharf ausgefallen ist, liegt zum einen an
der Tat selbst: ›Der
Einsatz eines militärischen Nervenkampfstoffs eines Typs, wie er von Rußland
entwickelt wurde, stellte die erste offensive Anwendung eines solchen
Nervengifts in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dar.‹ Das ist
beispiellos.« Bezüglich des ›beispiellos‹ kann man Frankenberger nur recht geben: Denn es ist beispiellos,
die Anwendung von Nowitschok als Fakt darzustellen, ohne den geringsten Beweis
dafür antreten zu müssen. Und natürlich gilt es, nur die russische Reaktion
anzuprangern, »denn aus ihr sprechen
Sarkasmus, Häme, Leugnen, Zynismus. All das hat Moskau auch bei anderer
Gelegenheit an den Tag gelegt.« Die weiteren Ausführungen kann man sich ersparen, sie
gleichen der üblichen primitiven Hetze, wie sie Russland seit langem vom Westen
zu ertragen hat. [7]
Auch sonst scheinen dem Fabulieren
offensichtlich kaum Grenzen gesetzt zu sein: Unter dem Titel ›Britisch-russische Krise: Ein
Angriff auf den ganzen Westen‹
lässt uns Peter Sturm, ebenfalls in der ›FAZ
online‹,
wissen: »Die Tat geschah in
Großbritannien. Gemeint aber waren alle im Westen.« Dies, obwohl das Motiv für die Tat, die
durchaus rein privater Natur und daher ein Racheakt sein kann, noch gar nicht
eruiert ist…… »Und da es sich bei dem Anschlag von
Salisbury um den, wie die NATO festgestellt hat, ersten offensiven Einsatz von
Nervengift in der Geschichte des Bündnisses handelt, ist auch klar, daß
es nicht bei papiernen Protesten bleiben kann.« Nun habe ich nirgendwo gelesen, dass die NATO die Attacke als
einen offensiven Einsatz von Nervengift kundgetan hätte, es war lediglich die
Rede davon, dass, wie ›GFP‹ schreibt, eine Berufung auf Artikel 5 des Nordatlantikpakts, mithin die Ausrufung
des Bündnisfalls, in Betracht käme, da May den Mordversuch freihändig
als ungesetzliche Gewalthandlung des russischen Staates eingestuft hat, ohne
Beweise.
Was also wünscht sich hier Herr Sturm?
Etwa einen Krieg, der uns dem entfesselten Wahnsinn preisgäbe, oder die
Verschärfung von Sanktionen gegen Russland, die ohnedies die EU weitaus mehr
als Russland selbst treffen. Danach fällt Sturm dem uns von der Presse so oft
gebotenen Röntgenblick anheim: »Dinge wie in Salisbury
können jederzeit überall passieren.« Und schon treten,
wie erwartet, die Sanktionen ins Spiel. Ȇber die wahrscheinlich
wirkungsvollste Sanktion wird einstweilen nur verhalten gesprochen. Wieso
eigentlich sollten in drei Monaten Fußballspieler aus England, Frankreich,
Deutschland und anderen Ländern die Kulisse für das Spektakel Weltmeisterschaft
abgeben? Ein Boykott wäre für den prestigebewußten Wladimir Putin die schwerste
denkbare, aber hochverdiente Strafe.« [8]
Wie tief muss eigentlich die Häme in
Journalisten verankert sein, um sich mit derart infantilen Vorschlägen der
Lächerlichkeit preiszugeben…..
Während China und Russland wirtschaftlich
erstarken, steht die transatlantische Welt vor der nächsten Finanzkrise. Unter
Bezugnahme auf den Fall Skripal und Theresa Mays Behauptung, Russland sei dafür
verantwortlich, meint Helga Zepp-LaRouche von der ›Bürgerrechtsbewegung
Solidarität‹:
»Tatsächlich könnte der Mordversuch
in Wirklichkeit ein ›schmutziger
Trick‹
der britischen Geheimdienste sein, um Rußland dadurch zu diskreditieren. Dieser
Vorfall sähe nach der ›Erfindung‹ eines weiteren Litwinenko-Falles
aus, als Vorwand für eine weitere anti-russische Eskalation.« Marcello Ferrada de
Noli, Gründer des von Schwedischen Ärzten für Menschenrechte herausgegebenen
Magazins ›Indicter‹, »bezeichnete die Anschuldigung, Rußland
habe einen früheren Spion, der nicht länger eine Gefahr für Rußlands Sicherheit
darstellt, in Großbritannien mit einer aufsehenerregenden Aktion beseitigen
wollen, als ›absurd‹. Auch de Noli erklärt zu Nowitschok, »daß dieses ursprünglich nicht in Rußland,
sondern in Usbekistan produziert worden sei. Nach 1991 habe Usbekistan mit der
USA bei der Reinigung der Labors zusammengearbeitet. Es sei nicht
auszuschließen, daß das Nervengas aus Usbekistan herausgeschmuggelt worden sei.« Laut dem früheren
Direktor des Russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) »sieht es so aus, als seien britische Geheimdienste
darin verwickelt. Überläufer stehen unter einer totalen Überwachung... Die
Geheimdienste verfolgen sie, sie wissen, wo sie sind und kennen ihre Termine.
Und dann gibt es solche eigenartigen Ereignisse [eine Serie von Mordanschlägen]
hintereinander…..« [5]
Wenigstens hat Wolfgang Ischinger, der
Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, am 15. 3. »vor einer Vorverurteilung gewarnt und mit
Blick auf die Vorwürfe gegen Rußland zu Augenmaß aufgefordert. Ich glaube, wir
müssen die Fakten von den Vermutungen trennen. Denkbar
sei, daß versprengte russische Ex-Geheimdienstler hier aktiv geworden seien. ›Das macht die Sache auch nicht
schöner‹.« Da Russland die Vorwürfe zurückgewiesen
hat, meint Ischinger sehr richtig: »Die
Briten sollten der Sache erst auf den Grund gehen, und dann werden wir darüber
diskutieren.« [9]
Bekanntlich hat Aussenminister
Boris Johnson am 16. 3. erklärt, dass es »äußerst wahrscheinlich sei, daß
es seine [Putins] Entscheidung war«, den Nervengas-Einsatz auf Strassen des
Vereinigten Königreichs anzuordnen. Man habe nichts gegen die Russen an sich,
sagte er, man streite aber mit dem Kreml und mit Putin. [10]
Die Antwort Putins ist eindeutig: »Jegliche Anschuldigungen gegen Rußland
zu der Vergiftung des Ex-Agenten seien absolut unbegründet und in ihrer Logik
absolut nicht nachzuvollziehen: ›Ich
denke, daß
jeder vernünftige Mensch versteht, daß das völliger Quatsch, Unsinn,
Nonsense ist, daß
sich jemand in Rußland
am Vorabend der Präsidentschaftswahlen und der Fußball-Weltmeisterschaft solche
Aktionen erlauben könnte. Das ist undenkbar‹.«, so Putin diesen
Sonntag. [11]
»Seit Tony Blair«,
erklärt Willy Wimmer, »wissen wir auf
dem Kontinent, daß Lügen an der Themse zum Standard-Repertoire gehören, wenn es
um den nächsten Krieg geht, bei dem britische Generale deutsche Soldaten
befehligen können. Wenn die britische und andere Regierungen in der NATO oder
der EU die europäischen Bürger seit dem verbrecherischen Krieg gegen
Jugoslawien - und damit seit gut zwanzig Jahren - nicht so gnadenlos von einem
Krieg in den nächsten gelogen haben würden, könnte man den Anschuldigungen von
Theresa Bond in London gegen ein anderes Land noch etwas abgewinnen. Die
Glaubwürdigkeit haben die NATO-Regierungen jedoch dauerhaft verspielt und die
verheerende Erkenntnis für uns alle in der NATO und in EU-Europa ist die
Tatsache, daß dies unseren Regierungen auch gleichgültig ist. Sie haben die
Macht zum organisierten Krieg in der Hand und nutzen diese Macht auf Befehl -
von wem auch immer.« [12]
Die EU wird sich nun bei ihrem Gipfel in
der kommenden Woche hinsichtlich des Giftanschlags auf Skripal klar
positionieren. Dies kündigte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitagabend, 17.
März, an. Er teilte über Twitter mit, er habe mit Premierministerin May ein Telefonat
geführt, um ›eine
klare Botschaft der EU zu der ›Attacke
von Salisbury‹,
die am Donnerstagabend, 22. 3., auf der Tagesordnung stehen wird, vorzubereiten.
Jedenfalls darf man gespannt sein, was Brüssel ausbrüten wird….
[1]
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7563/ 15. 3. 16
Auf dem Weg in den Weltkrieg -
auszugsweise – [2]
https://de.sputniknews.com/politik/20180315319934863-skripal-usa-usbekistan-gas-herkunft-russland-spion/ 15. 3. 18
[3] https://mobile.nytimes.com/1999/05/25/world/us-and-uzbeks-agree-on-chemical-arms-plant-cleanup.html?referer= May 25, 1999 The New York Times - U.S. and Uzbeks Agree on
Chemical Arms Plant Cleanup By Judith Miller [4] https://www.rt.com/op-ed/421434-skripal-poisoning-russia-uk/ 15. 3. 18
Blaming Russia for Skripal attack is similar to ›Jews poisoning our wells‹ in Middle Ages [5]
http://www.bueso.de/der-fall-skripal-was-verbirgt-london 17. 3. 18
Der Fall Skripal: Was verbirgt London? [6] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/skripal-affaere-russland-weist-britische-diplomaten-aus-15499648.html 17. 3. 18 [7]
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kommentar-zur-krise-mit-moskau-russisches-muster-15496014.html 15. 3. 18 Streit mit Moskau : Russisches Muster –
Klaus-Dieter Frankenberger [8]
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russlands-krise-mit-grossbritannien-angriff-auf-den-westen-15494571.html 15. 3. 18
Ein Angriff auf den ganzen Westen – Von Peter Sturm
[9] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ursula-von-der-leyen-russland-muss-gift-anschlag-aufklaeren-15495292.html 15. 3. 18 [10]
https://www.focus.de/politik/ausland/fall-skripal-im-news-ticker-krise-um-gift-attacke-weitet-sich-aus-moskau-weist-23-britische-diplomaten-aus_id_8627542.html 17. 3. 18
[11] https://de.sputniknews.com/politik/20180318319977665-putin-kommentiert-nowitschok-vorwuerfe-westen/ 18. 3. 18
[12] https://www.cashkurs.com/wirtschaftsfacts/beitrag/themse-luegner/ 15. 3. 18
Themse-Lügner - Willy Wimmer
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