Die Schlacht um Huawei

Unter heftigem Protest der Wirtschaft, schreibt »German Foreign Policy«,

bereitet die Bundesregierung den Ausschluß des chinesischen Huawei-Konzerns vom Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland vor. Wie es in einem Medienbericht heißt, soll die Ausschreibung für 5G so formuliert werden, dass Huawei sich nicht bewerben kann. Grundlage sind Spionagevorwürfe von US-Geheimdiensten, für die bislang weltweit kein einziger Beleg vorgelegt worden ist. Die Trump-Administration sucht den US-Markt gegen den Konzern und weitere chinesische High-Tech-Unternehmen abzuschotten, um sie in den Ruin zu treiben. Von ihren Verbündeten verlangt sie, sich anzuschließen. Mitte Dezember hat eine US-Delegation im Auswärtigen Amt diesbezüglich Druck gemacht. Die Aggression soll Chinas Aufstieg stoppen. Protest kommt aus der Industrie: Huawei gilt als führend bei 5G; ein funktionierendes 5G-Netz wiederum wird zwingend benötigt, um die modernsten Zukunftstechnologien anwenden zu können. Manager warnen, ein Ausschluß von Huawei sei mit höheren Kosten und einem schmerzlichen Rückstand bei 5G verbunden. 

Embargopläne 
Die Vereinigten Staaten starten ihre nächste Offensive im Kampf gegen Huawei. Am 16. Januar hat eine überparteiliche Gruppe von Kongreßabgeordneten ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Ausfuhr von US-Komponenten an chinesische Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche verbieten soll, sofern diesen Verstöße gegen US-Sanktionen vorgeworfen werden. Das Gesetz zielt vor allem auf ein Embargo gegen Huawei und den ebenfalls chinesischen Konzern ZTE. Beide Unternehmen stellten ein signifikantes Risiko für nationale Sicherheitsinteressen Amerikas dar und müßten nun zur Rechenschaft  gezogen werden, behauptet der demokratische Senator Chris Van Hollen. [1] Die Embargodrohung wiegt schwer; die beiden chinesischen Konzerne sind - wie sämtliche Firmen der Branche - eng in multinationale Lieferketten eingebunden. ZTE etwa war bereits im Frühjahr 2018 nach einem mehrwöchigen US-Lieferboykott fast kollabiert. Allerdings hatte das Embargo auch US-Konzernen schwer zu schaffen gemacht: Der US-Halbleiterhersteller Qualcomm etwa hatte vor dem Embargo mindestens die Hälfte der Chips geliefert, die ZTE für seine Smartphones nutzt; durch den Boykott ging ihm ein strategisch wichtiges Milliardengeschäft verloren. Dementsprechend hat der US-Präsident bereits Anfang Juni das Lieferverbot gegen Zahlung eines drastischen Strafgelds durch Huawei zurückgezogen. Milliardenverluste drohen Qualcomm und weiteren US-Unternehmen im Fall eines künftigen Embargos nun aber erneut. 

Solaranlagen als Sicherheitsrisiko 
Daneben sind in den vergangenen Tagen weitere Vorwürfe gegen Huawei bekannt geworden. US-Regierungsstellen insinuieren seit Jahren, der Konzern arbeite staatlichen Behörden in Beijing zu und ermögliche damit chinesische Spionage in den USA. Laut einhelliger Auskunft von Experten liegt bislang weltweit kein einziger Beleg dafür vor. Im Gegenteil: Huawei arbeitet seit 2010 systematisch mit britischen Regierungsstellen zusammen, um den Verdacht zu entkräften, seine Telekommunikationsausrüstung weise offene Hintertüren für chinesische Agenten auf. Involviert in die Kooperation ist auch das britische Government Communications Headquarters (GCHQ), das in der weltweiten Internetspionage mit der NSA kooperiert. Die beteiligten Stellen in Großbritannien bestätigten zuletzt im Dezember, nicht den geringsten Hinweis auf unlautere Tätigkeiten von Huawei gefunden zu haben. [2]  US-Stellen weiten ihre Vorwürfe nun dennoch aus. So behaupten republikanische und demokratische Kongreßabgeordnete, Huawei-Elektronikteile, die in US-Solaranlagen genutzt würden, könnten gehackt werden und stellten ein nationales Sicherheitsrisiko dar. [3] Belege liegen, wie immer, nicht vor; Huawei hat angeboten, zum Beweis seiner Unschuld mit US-Stellen zusammenzuarbeiten. Allerdings hielte dies, wie das britische Beispiel zeigt, Staatsstellen in den USA und anderen westlichen Ländern wohl kaum von weiteren unbewiesenen Vorwürfen ab.

T-Mobile US 
Drittes Element der neuen US-Offensive sind strafrechtliche Ermittlungen, die Auswirkungen auch auf die Bundesrepublik haben könnten. Dabei wird Huawei vorgeworfen, die Technologie eines Smartphone-Testgeräts gestohlen zu haben; bestohlen worden sein soll die Telekom-Tochterfirma T-Mobile US. Der Fall ist im Jahr 2014 Gegenstand eines zivilrechtlichen Verfahrens in den USA gewesen, in dem T-Mobile US Einbußen in Höhe von hunderten Millionen US-Dollar geltend machen wollte. Tatsächlich hat eine Jury im Jahr 2017 Huawei eines Vertragsbruchs für schuldig befunden und der Telekom-Tochterfirma 4,8 Millionen US-Dollar zugesprochen, während T-Mobile US in einem davon abgetrennten Verfahren, das die angebliche illegale Nutzung von Betriebsgeheimnissen durch Huawei zum Gegenstand hatte, leer ausging. [1] Der Fall wird jetzt von Staatsanwälten als Strafverfahren neu aufgerollt. Dies ist, wie es heißt, Teil einer neuen Offensive des US-Justizministeriums gegen tatsächlichen oder angeblichen Diebstahl geistigen Eigentums durch chinesische Konzerne. Die Rolle von T-Mobile US ist pikant. Das Unternehmen hat im Dezember von den zuständigen US-Stellen die Erlaubnis erhalten, mit seinem Rivalen Smart zu fusionieren. Kurz zuvor hatte die Deutsche Telekom zugesagt, sie werde ihre bewährte Kooperation mit Huawei überprüfen. T-Mobile US will beim Ausbau von 5G auf jegliche Zusammenarbeit mit Huawei verzichten.

Ausschluß geplant 
Im Zusammenhang mit dem Aufbau eines 5G-Netzes in Deutschland hat bereits am 14. Dezember eine US-Delegation im Auswärtigen Amt vorgesprochen. Ziel ist es gewesen, Berlin zu einem Ausschluß von Huawei zu drängen. [4] Die Bundesregierung zieht dies laut aktuellen Berichten inzwischen wohl tatsächlich in Betracht. Demnach hatte der Planungsstab des Berliner Außenministeriums am 17. 1. zu einer internen Diskussionsveranstaltung eingeladen, deren Thema Huawei gewesen sei. [5] In der Bundesregierung werde derzeit intensiv darüber diskutiert, wie man den chinesischen Konzern vom 5G-Aufbau ausschließen könne, heißt es. In Betracht gezogen werde dabei, bestimmte Anforderungen bei der Ausschreibung so zu formulieren, dass Huawei sie nicht erfüllen könne. Alternativ sei eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes denkbar.

Keinerlei Hinweise 
Bemerkenswert ist, dass der Vorstoß der Bundesregierung nicht nur die zuständige Fachbehörde düpiert, sondern auch massive Interessen der deutschen Industrie verletzt. Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, hat mehrmals bestätigt, über keinerlei Hinweise zu verfügen, dass die Spionagevorwürfe gegen Huawei zutreffen könnten. Tatsächlich arbeitet der Konzern in seinem in Bonn neu eingerichteten Security Innovation Lab sehr eng mit dem BSI zusammen und ermöglicht diesem damit die Überprüfung seiner Technologie, darunter 5G - ein Schritt, den andere Branchenunternehmen nicht gehen.

Vom Zurückfallen bedroht
Die deutsche Industrie ist doppelt alarmiert. Zum einen nutzen alle drei deutschen Netzbetreiber, Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica, Huawei-Technologie. Mit Ausnahme der Telekom-Ankündigung von Mitte Dezember, ihre Zusammenarbeit mit Huawei zu überprüfen, haben alle drei stets Huawei das Vertrauen ausgesprochen. [6] Müßten sie die bisherige Zusammenarbeit einstellen, wäre das mit Kosten und spürbaren Zeitverlusten verbunden. Hinzu kommt, dass in der Branche Huawei als nicht nur preisgünstig, sondern auch bei 5G technologisch als führend eingestuft wird. Ein namentlich nicht genannter Manager eines der drei Netzbetreiber wird mit der Äußerung zitiert: »Wir können nicht auf Huawei verzichten, wenn wir beim globalen Wettrennen um 5G nicht zurückfallen wollen«. Ein Rückstand bei 5G träfe nicht nur Netzbetreiber und Verbraucher, sondern auch die Industrie, denn 5G gilt als Voraussetzung, um die fortgeschrittenste Technologie von Künstlicher Intelligenz bis zu autonomem Fahren nutzen zu können. Fiele die Bundesrepublik bei 5G zurück, dann wäre die Spitzenstellung der deutschen Wirtschaft bedroht.  

Gegen die Interessen der Industrie 
Hinzu kommt, dass führende deutsche Konzerne in zentralen Entwicklungsbereichen auf eine enge Kooperation mit Huawei setzen. Jüngstes Beispiel ist Audi. Audi und Huawei haben am 10. Juli in Berlin eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine strategische Zusammenarbeit bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge vorsieht. [7] Bereits 2017 waren Audi und Huawei in der chinesischen Metropole Wuxi am ersten Einsatz einer Technologie beteiligt, die eine Kommunikation von Fahrzeugen mit ihrer Umwelt ermöglicht.

Maßnahmen gegen Huawei treffen damit auch Audi sowie weitere deutsche Unternehmen, die ihrerseits mit chinesischen High-Tech-Unternehmen kooperieren. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat sich deshalb in einem kürzlich publizierten Grundsatzpapier gegen Maßnahmen verwahrt, die darauf abzielen, chinesische High-Tech-Konzerne auszuschließen und zu isolieren. Die Bundesregierung bewegt sich nun offenbar auf einen ebensolchen Ausschluß zu.

 

Quelle:  
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7834/   18. 1. 20 
Die Schlacht um Huawei (II)  -  Eigener Bericht)

[1] Dan Strumpf, Nicole Hong, Aruna Viswanatha: Huawei Targeted in U.S. Criminal Probe for Alleged Theft of Trade Secrets. wsj.com 16.01.2019
[2] David Bond, Nic Fildes: Huawei caves in to UK security demands. ft.com 07.12.2018
[3] Kiran Stacey: Huawei solar gear could threaten US grid, warn lawmakers. ft.com 17.01.2019
[4] Patrick Donahue: U.S. Steps Up Pressure on Germany Over Huawei Security Concerns. bloomberg.com 18.12.2018
[5] Dana Heide, Stephan Scheuer: Sorge um Datensicherheit - Berlin erwägt Huawei beim Netzwerkausbau auszusperren
[6] Achim Sawall: Bundesregierung erwägt Ausschluss von Huawei bei 5G. golem.de 17.01.2019[7] Huawei und Audi kündigen gemeinsame Innovation im Bereich L4 Automatic Driving an. presseportal.de 12.10.2018