An was wir sonst noch schuld sind

politonline d.a. Wie uns die »Süddeutsche Zeitung«, dankenswerterweise, möchte man hinzufügen, wissen lässt, kritisiert Obama Europa. In einem Interview mit der »New York Times« hat der neue US-Präsident an der Reaktion europäischer Länder auf die Wirtschaftskrise Kritik geübt.

Von den Schritten anderer Staaten hänge es ab, wie schnell sich eine Erholung der Konjunktur auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt niederschlage. »Denn zum Teil geht das, was wir zur Zeit beobachten, auf Schwächen in Europa zurück, die größer sind als einige unserer eigenen, und die sich in der Rückkoppelung auf unsere Märkte auswirken«, sagte Obama, ohne konkreter zu werden. Man staunt nicht schlecht, und all das wird offenbar unreflektiert verbreitet. Inzwischen haben sich allerdings sowohl Sarkozy als auch Merkel ablehnend zu den Forderungen aus der USA und Grossbritannien nach weiteren Staatsausgaben zum Ankurbeln der Konjunktur in Europa geäussert. Wie es in der NYT weiter heisst, würden die Grundpfeiler für eine Erholung in der USA bis zum Jahresende stehen. Die 250 Milliarden $ zur Stabilisierung des Finanzsektors seien eine realistische Größe 1.
 
Nun ist es eigentlich hinlänglich bekannt, dass die aktuelle Weltwirtschaftskrise ihren Ursprung in der USA und deren »Kultur«, durch Schulden reich zu werden, hat. Die Banker und Bankster in den Hedgefonds und in anderen Mutanten des undurchsichtigen und unregulierten Gewerbes der Finanzdienstleister, führt Rainer Rupp aus, drehten fleissig am riesigen Rad des globalen Kasinos. Der Kollaps war programmiert, nur das »wann« war die Frage. Mit Barack Obama und seinem Versprechen von »Change« machten sich viele Hoffnungen, dass es tatsächlich anders würde. Aber womit will der neue Präsident die Krise beenden? Sein Heilmittel ist: Mehr vom Bisherigen. Kaum im Amt, dreht er weiter am Schuldenrad. Neu ist, daß er nicht kleckert, sondern klotzt 2. Wie der nun gewissermassen hinübergerette US-Finanzsektor  mit seinem mehr als zweifelhaften Grundpfeiler allerdings in der Lage sein will, weitere zusätzliche Ausgaben für fremde Länder zu verkraften, ist fraglich. Solche sind Gegenstand eines Artikels von Bill Van Auken 3 in Global Research:
 
Admiral Michael Mullen setzte Präsident Obama am Wochenende des 7./8. März über den Stand des sogenannten Drogenkriegs in Mexiko in Kenntnis und sprach auch die Möglichkeit an, dass die USA militärisch stärker in den an der Südgrenze des Landes tobenden Konflikt hineingezogen werden könnte. Mullen war gerade von einer sechs Tage währenden Reise durch Lateinamerika zurückgekommen, die ihn auch an den wichtigsten Ort, Mexico-City, führte, wo er mit dem Verteidigungsminister und anderen ranghohen Militärs zusammentraf. Diskutiert wurden Vorschläge, Mexiko im Rahmen des Merida‹-Plans schnellstens verstärkte Hilfe zukommen zu lassen. Dieser erstreckt sich über 3 Jahre und sieht 1.4 Milliarden $ für Ausrüstung, Training und weitere Hilfsleistungen für die mexikanische Armee vor. Nicht etwa für die Bevölkerung - fügen wir ein. In einer nach seiner Rückkehr telefonisch abgehaltenen Pressekonferenz erklärte Mullen, dass das Pentagon bereit sei, die mexikanische Armee in die Lage zu versetzen, die gleichen Taktiken anzuwenden, wie sie die US-Streitkräfte bei Operationen gegen die Aufständischen im Irak und in Afghanistan eingesetzt hätten. Mit Unterstützung durch die USA hat der mexikanische Präsident Felipe Calderón die Militarisierung des Landes in steigendem Ausmass vorangetrieben und in Regionen wie beispielsweise Matamoros und Reynosa im Osten resp. Tijuana, Guerrero, Michoacán und Sinaloa im Westen Zehntausende von Soldaten stationiert. Vor Mullens Besuch sind zusätzlich etwa 5.000 Angehörige der Streitkräfte in dem El Paso in Texas gegenüberliegenden Ciudad Juarez aufgebaut worden. Die Patrouillen der für den Kampf ausgerüsteten Einheiten sind verdoppelt worden und die Stadt ist abgeriegelt. Im Frühjahr 2008 waren dort bereits 2.500 Soldaten stationiert worden.
 
Mullen erklärte, dass bei dem Treffen eine Form von US-Hilfe diskutiert wurde, die hauptsächlich auf die kurz mit ISR bezeichnete Geheimdiensttätigkeit, Überwachung und militärische Aufklärung [intelligence, surveillance and reconnaissance] ausgerichtet ist. Geheimdienstliche Erkenntnisse seien zwar bereits Gegenstand gemeinsamer Nutzung, es gäbe jedoch zusätzliche Mittel, die zur Anwendung gebracht werden könnten, um das ganze Spektrum von ISR zum Einsatz zu bringen. Dies könnte zunächst bedeuten, dass von US-Piloten gesteuerte Überwachungsflugzeuge und unbemannte Drohnen über dem mexikanischen Territorium zum Einsatz kommen. Es könnte aber, schreibt Van Auken, gleicherweise bedeuten, dass Spezialeinheiten des Militärs oder sogenannte militärische Sicherheitsdienstleister eingesetzt würden. Mullen weigerte sich, die Frage zu beantworten, ob der Einsatz unbemannter Drohnen über Ciudad Juarez oder anderen Städten Mexikos vorgesehen ist. Nicht namentlich genannten offiziellen US-Militärbeamten zufolge bildete das Thema, wie die US-Militärhilfe für Mexiko verstärkt werden könnte, den Brennpunkt des Gesprächs zwischen Mullen und Obama. »Es war klar, dass zu den Fakten, an denen der Präsident interessiert war, die Erörterung gehörte, was hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Mexiko an militärischen Kapazitäten der USA zur Anwendung gelangen kann oder nicht«, sagte der Beamte.   
 
Robert Gates hatte am 1. 3. in einem Fernsehinterview ähnlich geklungen, als er Calderón dafür lobte, den Kampf gegen den Drogenhandel aufgenommen zu haben, indem er die Armee einsetzte. Gates behauptete, dass die alte, gegen eine Zusammenarbeit von Mexiko und Pentagon bestehende Abneigung zur Seite geschoben würde. Von daher gesehen, fügte der Verteidigungsminister hinzu, sei Washington bereit, dem mexikanischen Militär eine Hilfe zukommen zu lassen, die Training, Ressourcen sowie Kapazitäten zur Aufklärung und Überwachung umfasse. Diesen Hinweisen auf eine direktere militärische US-Unterstützung liegt eine zunehmende Anzahl offizieller Berichte sowie Mediennachrichten zugrunde, die Mexiko als möglichen ‚failed state’ und als wachsende Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellen. Es gäbe zwar bezüglich Mexikos Drogenkrieg keine Anzeichen dafür, dass die jetzige Gewaltwelle die Grenze zur USA bereits überschritten hätte, meinte erst kürzlich die für die innere Sicherheit der USA zuständige Janet Napolitano, man müsse jedoch mit aller Entschiedenheit klarmachen, dass es sich hier um einen ernst zu nehmenden Kampf handle, der auf die USA übergreifen könnte. In einem solchen Fall lägen entsprechende Pläne vor, um damit fertigzuwerden.
 
Was in dem Bericht zur Lage in Mexiko absichtlich verdunkelt bleibt, ist der Umstand, dass die Entscheidung Calderóns, auf das seit langem bestehende und im wesentlichen sozio-ökonomische Problem des Drogenhandels militärisch zu antworten, in jeder Weise mit den sich im Land aufbauenden sozialen Spannungen und mit seinem eigenen Präsidentenamt zu tun hat. Letzteres wird von einer beträchtlichen Anzahl der Bevölkerung auf Grund der umstrittenen Wahl von 2006 noch immer als illegal betrachtet. Was Ciudad Juarez betrifft, so ist dies eines der Hauptzentren, in denen billige mexikanische Arbeitskräfte ausgebeutet werden. In vielen der dort ansässigen Industrien sind Entlassungen erfolgt, die zahllose Menschen treffen, die verzweifelt auf Arbeitssuche sind. Und in diesem explosiven Umfeld dient nun der Einsatz der Armee als Mittel zu gesellschaftlicher Kontrolle und Repression.
 
Dieser Einsatz der Truppen hat zu einer wachsenden Zahl von Anzeigen geführt, die schwere Menschenrechtsverletzungen beinhalten, wobei dem Militär Verbrechen angelastet werden, welche Massaker, aussergerichtlich vorgenommene Exekutionen, Folter, Vergewaltigung und illegale Haft einschliessen. Im Zuge dieser Art von militärischer Gewalt schlagen nun Obamas Administration und das Pentagon vor, die im Irak und in Afghanistan gewonnenen Erkenntnisse einzusetzen, während sie die »Hardware und die Berater stellen«, um einen Bürgerkrieg gegen eine unruhige Arbeiterklasse im Süden der US-Grenzen durchzuführen.
 
Anmerkung: Eine vom Wirtschaftsforschungsinstitut der Nationalen Autonomen Universität Mexikos Ende Januar 2008 herausgegebene Studie zeigt, dass etwa 40 Millionen Menschen in Mexiko an irgendeiner Form von Unterernährung leiden. 25 Millionen, die überwiegend in ländlichen Gegenden leben, seien sogar stark unternährt. Ihr Einkommen ist zu gering, um nahrhafte Lebensmittel kaufen zu können. Gleichzeitig schränkt der gesunkene Bildungsstandard die Chancen der Menschen auf gravierende Weise ein. Was die Unterernährung betrifft, so sind mindestens 40 % der Stadtbewohner in einer ähnlichen Situation. Von einer Absicht auf Seiten der US, auf eine Verbesserung dieses Zustands hinzuarbeiten, war dem Bericht von Van Auken nichts zu entnehmen. Umso deutlicher führt dieser vor Augen, dass die Denkweise der an der Spitze stehenden ausser für den Einsatz von Waffen und militärischer Gewalt wenig Raum für Menschlichkeit lässt.
 
 
1 Süddeutsche Zeitung Nr. 56 vom 9. 3. 2009, Seite 19 Obama kritisiert Europa sowie http://bazonline.ch/ausland/europa/Merkel-und-Sarkozy-Drohgebaerde-gegen-die-Schweiz-vor-G20Gipfel/story/19146132 12.3.09
2 http://www.jungewelt.de/2009/02-12/044.php
Wandel durch Stillstand - Obamas Drei-Billionen-Dollar-Paket - Von Rainer Rupp
3 http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=12641  10.3.09 Obama and US commander discuss military intervention in Mexico By Bill Van Auken; von uns übersetzt und leicht gekürzt