Abkommen von Nord- und Zentralamerika - Widerstand gegen Freihandel - von Luzian Caspar

Bis Ende Mai soll der US-Kongress über das Freihandelsabkommen für Zentralamerika (Central American Free Trade Agreement, CAFTA) abstimmen. Kritiker sehen darin allerdings eine fatale Entwicklung.

WASHINGTON Robert Zoellick, bis vor kurzem US-Handelsbeauftragter, sieht es so: «Vor einem Jahr fassten fünf kleine Länder in Zentralamerika den mutigen Entschluss, mit ihrem mächtigen Nachbarn im Norden ein Freihandelsabkommen abzuschliessen. Sie setzten ihr Vertrauen in den freien Markt, in Offenheit, in Demokratie. Wir haben mit ihnen ein Abkommen ausgearbeitet, das den Arbeitern, Bauern und Konsumenten aller beteiligten Länder nützen wird.» Das Abkommen, das letztes Jahr mit Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica ausgehandelt und dann auf die Dominikanische Republik ausgedehnt wurde, soll Zollschranken niederreissen und die Prinzipien des nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) auf Zentralamerika ausdehnen. Mittlerweile bekämpfen jedoch Entwicklungshelfer, Gewerkschafter und kirchliche Gruppen das CAFTA. Das geplante Abkommen werde den betroffenen Ländern mehr schaden als nützen und die Existenz von tausenden von Kleinbauern in Zentralamerika bedrohen, erklärte eine Organisation diese Woche in Washington. Und: Mit einem gerechten Handelsabkommen wäre es zwar möglich, Millionen von Menschen in diesen Ländern zu helfen, CAFTA stelle aber die Interessen der US-Agrokonzerne, der Pharmaindustrie und allgemein der ausländischen Investoren allgemein über jene der betroffenen Bevölkerung.
 
Die Angst der Maisbauern
Besonders alarmiert sind die Bauern in den zentralamerikanischen Staaten. Denn die Erfahrungen, die Mexiko mit dem NAFTA-Abkommen machte, wirken abschreckend. Dort führte der Freihandel zu einem Schwall übermächtiger US-Maisimporte. Gegen die massiv subventionierte US-Maisindustrie hatten die mexikanischen Kleinbauern keine Chance. Schätzungsweise 1,5 Mio. Bauern verloren ihre Existenz und leben heute in Slums. In Guatemala leben 38% der Bevölkerung vom Maisanbau; in Honduras und Nicaragua sind es ähnlich viele.
 
Ein anderes Problem sind die verschärften Patentregeln für Medikamente. Unter dem sogenannten «Trips»-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO werden schon heute alle Länder gezwungen, für Medikamente Patente mit einer Laufzeit von 20 Jahren zu beachten - ausser wenn sie besondere Gesetze für die Versorgung der Armen erlassen. Aber unter dem CAFTA und anderen neuen Handelsabkommen versuchen die USA jetzt, neue Regeln für Testdaten durchzudrücken, die es den betroffenen Regierungen praktisch verunmöglichen würden, Hersteller für generische Produkte zu finden.
 
Die Rechte der ausländischen Investoren generell bilden vielleicht den Kern des geplanten Abkommens. In El Salvador zum Beispiel machten sich vor zwei Jahren US-Spitalkonzerne daran, dem staatlichen Gesundheitswesen den Garaus zu machen. 250 000 Krankenschwestern, Ärzte und andere Demonstranten gingen deswegen auf die Strasse und erzwangen einen vorübergehenden Privatisierungsstopp. CAFTA würde einen solchen verbieten. In Nicaragua, wo die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu fliessendem Wasser hat, ist die Opposition über die geplante Privatisierung des Trinkwassers besorgt. Und in Costa Rica soll CAFTA unter anderem der Privatisierung des Telekommunikationswesens dienen. Heute bedient das Telefonsystem von Costa Rica 97% der Bevölkerung mit hoher Qualität und zu Preisen, die tiefer als in jedem anderen Land Lateinamerikas sind. Dank dem CAFTA soll der Sektor den ausländischen Grosskonzernen geöffnet werden. Die lukrativen Internet- und Mobilfunk-Dienste sollen dadurch privatisiert werden, während die defizitäre konventionelle Telefonversorgung beim Staat bleiben soll.
 
Diesem Artikel fügen wir die Aussage des Bilderbergers Henry Kissinger zum NAFTA an, die sich so ganz anders als die von Zoellick ausgesprochenen Worte liest. Er schrieb am 18. 7. 1993 in der Los Angeles Times: <Das, was der Kongress vor sich haben wird, ist kein konventionelles Handelsabkommen, sondern die Architektur eines neuen internationalen Systems...., ein erster Schritt in Richtung einer neuen Weltordnung.> Bis kurz vor der Ratifizierung des Abkommens am 17.11.1993 durch den Kongress schien es, als würde sich auf Grund der ablehnenden Stimmen in der US-Öffentlichkeit eine Mehrheit dagegen aussprechen. In nahezu letzter Minute gelang es dem De-Molay-Freimaurer Bill Clinton 12 Abgeordnete zur Änderung ihres angekündigten Stimmverhaltens zu >bewegen<, indem ihnen >perks< [Vorteile] in Milliardenhöhe versprochen wurden. Zu diesen Vorteilen gehörten laut Ralph Nader, dem früheren Vertreter der Verbraucherschutzbewegung, unter anderem die Aussetzung eines geplanten Verbots, Gemüse mit krebserzeugendem, die Ozonschicht zerstörenden Methylbromid zu bespritzen. Für die amerikanische Öffentlichkeit war die Ratifizierung ein weiteres Anschauungsbeispiel dafür, wie nachhaltig der >demokratische< Prozess in der USA gestört ist.
 
Das 1994 zwischen der USA, Kanada und Mexiko in Kraft getretene NAFTA ermöglicht    supranationalen Monopolisten, sich frei auf den Gebieten der Mitgliedstaaten auszubreiten; dies umfasst die Befreiung von nationalen Leistungsauflagen oder die Freiheit, Profite uneingeschränkt ausser Landes zu schaffen. Es befreit sie ferner von der Auflage, ihre Unternehmungen auf die spezifischen Bedürfnisse der Nationen abzustellen oder diesen Rechenschaft ablegen zu müssen. Damit können die supranationalen Monopolisten in einem politikfreien Raum ohne Handelshemmnisse und -zölle operieren. Sie sind in ihren Entscheidungen hinsichtlich des Standorts ihrer Produktionsstätten völlig frei. Für sie gilt keine Rücksichtnahme auf die sozialen und sonstigen Belange von Gemeinschaften und der in ihnen lebenden Menschen. Zum NAFTA selbst gehört eine nordamerikanische Freihandelskommission, die bezüglich der Auslegung und Anwendung des Abkommens umfassende Rechte hat; dazu gehört auch das Recht, allgemeine Rechtsverordnungen und Anwendungsrichtlinien für den Handel und die ökonomische Entwicklung Nordamerikas in Kraft zu setzen. Die Freihandelskommission operiert wie eine Regierung, jedoch weitgehend im geheimen und ohne demokratische Rechenschaftspflicht. Eine Studie des >Economic Policy Institute< kam zu dem Ergebnis, dass durch das NAFTA mittlerweile etwa 90 000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind und die Löhne weiter sinken werden. Das NAFTA öffnet die nationalen Telekommunikations- und Datenübertragungsmärkte und liefert sie den supranationalen US-Monopolen, allen voran AOL-Time Warner, wehrlos aus.
 
Die globale Kontrolle der Luft, des Wassers und des öffentlichen Gesundheitswesens war schon das Thema auf der Bilderberger-Konferenz vom 30. Mai bis 2. Juni 1996 in Toronto, Kanada. Gegen die eine solche Kontrolle ermöglichende Liberalisierung der Dienstleistungen, wie sie in GATS [General Agreement on Trade in Services; Allgemeines Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen] vorgegeben ist, zeichnet sich heute vermehrter Widerstand ab. Auch wenn den Bevölkerungen, vor allem in Europa, immer wieder eingeredet wird, dass die Demokratie die Grundlage ihres Staatswesens bilde, so ist dies in wesentlichen Teilen eine krasse Unwahrheit, denn das GATS-Abkommen ist in keiner Form als demokratisch legitimiert zu betrachten.Dessen Kernbestreben liegt in der grenzüberschreitenden totalen Privatisierung aller Sektoren. 
 
 
Quelle:
Conrad C. Stein, Die Geheime Weltmacht. Die schleichende Revolution gegen die Völker.Hohenrain-Verlag 2001  ISBN 3-89180-063-0