Schengen/Dublin: Propaganda-Dampfwalze

Der Bundesrat hat - wie er behauptet - einen aus 9 Dossiers bestehenden, Bilaterale II genannten Vertrag mit der EU abgeschlossen. Die Propagandawalze des Bundes für dieses Vertragswerk ist angelaufen, noch bevor die Parlamentarier die nötigen Unterlagen in Händen hatten. Normalerweise werden Traktanden, die nicht ganz dringend sind, nicht gleichzeitig von National- und Ständerat behandelt. Diese Verträge sind nun wirklich nicht dringend und es macht deshalb den Anschein, dass der Bund vieles zu verschweigen hat, weil sich niemand dazu kritisch äussern darf. Bevor die Verträge unterzeichnet waren, hatte der Bund ein ziemlich fieses Propagandakonzept ausgearbeitet, das weder dem Volk noch dem Parlament Zeit liess, die Vorlagen genau zu studieren. Mir liegt das Konzept vor und kann auf Wunsch eingesehen werden.

Parlament und Bundesrat sind offensichtlich sehr nervös geworden. Herr Deiss will eine CVP, die ganz hinter ihm steht und meint: Fort mit den Betoneuren, Barrikadeuren und Protektionisten. Die FDP-Mitglieder müssen neuerdings Geschlossenheit demonstrieren und es werden keine Abweichler mehr geduldet. Wer das offizielle Parteiprogramm nicht vertritt, muss mit Sanktionen rechnen. Wo sind wir eigentlich? Sieht so eine Demokratie aus? Wen wundert es da noch, wenn die Bevölkerung den Politikern und der Regierung gegenüber misstrauisch wird? Wenn die Schengen/Dublin-Verträge wirklich so gut sind, kann man doch in Ruhe Vor- und Nachteile erörtern, gibt es doch nichts, was nicht zwei Seiten hätte.
 
Der Bundesrat hat versprochen, das Grenzwachtkorps aufzustocken, falls Schengen/Dublin angenommen wird. Das widerspricht der Behauptung, die Schweiz werde mit Schengen sicherer. Das Gegenteil muss der Fall sein, sonst bräuchte es nicht mehr Grenzler. Ausserdem diskutiert man in der EU, die Schleierfahndung als illegal zu erklären, was auch Sinn macht. Entweder werden die Personenkontrollen an den Grenzen abgeschafft oder beibehalten, und zwar sowohl an als auch hinter den Grenzen. Wenn die kleine Schweiz sowieso nicht in der Lage ist, die Grenzen lückenlos zu bewachen, können es dann die EU-Länder mit Meeranstoss. Für ausländische Investoren ist gerade die Tatsache wichtig, dass bei uns Ruhe und Ordnung herrscht. - Ausserdem können sowohl die Schweiz wie auch die neuen EU­-Länder frühestens im Jahre 2007 an die Fahndungsdatenbank SIS angeschlossen werden. Das alte System ist für zusätzliche Länder untauglich und das neue muss erst geboren werden.
 
?89 Prozent der im SIS gespeicherten Personen haben mit Kriminalität überhaupt nichts zu tun"... "um uns den Schengen-Beitritt schmackhaft zu machen, präsentieren die Schweizer Behörden das SIS auch heute noch als Instrument der Fahndung nach Kriminellen - ein Verkaufstrick, der nicht nur den Blick auf die gegenwärtige Realität dieses Systems verstellt, sondern auch den Mantel des Schweigens über die Ausbauplanungen für das "SIS der zweiten Generation" sowie das neue Visuminformationssystem wirft." Bulletin: Juni 2004, www.sosf.ch/bulletins/2004/06.6.html.
 
Es wird verschwiegen, dass die Schengen-Staaten nicht mehr selbständig über ihre Visa­politik bestimmen können. Die Kriterien und Richtlinien zur Visavergabe werden zentral und einheitlich in Brüssel festgelegt. Wer zu einem Schengen-Visum kommt, kann ungehindert und ohne Personenkontrolle frei in alle Schengen-Staaten einreisen. Die Schweiz hat keine Möglichkeit mehr, etwas gegen Missbräuche anderer Länder zu unternehmen. Wenn wir nicht zum Schengenraum gehören, können wir Schengen-Visa für Touristengruppen, so es denn solche sind, autonom anerkennen. Japan will z.B. bilaterale Verträge mit der Schweiz abschliessen, nicht aber mit der EU.
 
Deutschland berichtet laufend über Probleme mit billigen Arbeitskräften aus dem Osten. Sie kommen als Selbständigerwerbende, damit sie die Mindestlöhne unterlaufen können. Die Firmen, für die diese Leute arbeiten, übernehmen keinerlei Sozialleistungen. Wer behauptet, dass mit flankierenden Massnahmen Lohndumping verhindert werde, ist blauäugig. Jedes Gesetz bietet Schlupflöcher, und Übertretungen müssen zuerst bewiesen werden. Es ist anzunehmen, dass die Arbeitslosigkeit der Einheimischen zunehmen wird. Economiesuisse will die billigen Arbeitskräfte hier, das ist kostengünstiger als Betriebe ins Ausland zu verlagern. Damit müssen nur durchschnittlich qualifizierte Arbeitskräfte befürchten, durch die Maschen zu fallen.
 
Wenn wir zu Schengen/Dublin NEIN sagen, haben wir gewisse Nachteile in Kauf zu nehmen, die Vorteile überwiegen jedoch bei weitem. Die Globalisierung, wie sie momentan praktiziert wird, kann auf Dauer nicht funktionieren. Alle müssen diese schwierigen Zeiten durchstehen. Im EU-Raum ist es viel schlimmer, das sagt jeder mit dem man spricht. Freiheit und Eigenständigkeit sind nicht bequem und schon gar nicht gratis, gehören aber zur Schweiz. Hanny Haidvogl-Werder, Gelterkinden