War zu erwarten: Militarisierungsforderungen nach dem JA von Irland

politonline d.a. Wie einem Bericht von »German Foreign Policy« zu entnehmen ist, fordern Berliner Regierungsberater unmittelbar nach dem irischen Ja neue Schritte zu einer weiteren Militarisierung der EU.

Gelänge es, »den tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus zu einer schnellen Unterzeichnung des Vertrages zu drängen, dann könnten die darin enthaltenen Aufrüstungsvorschriften bald in Kraft treten.« Wie üblich ist auch eine Stiftung mit von der Partie, die SWP, die Stiftung Wissenschaft und Politik, welche zu dem Urteil gelangt, dass der vorgesehene EU-Aussenminister mit seinem europäischen Auswärtigen Dienst »die Fähigkeit zu gemeinsamem auswärtigem Handeln stärken werde«. Die Postenvermehrung ist einmalig, was den EU-Bürgern beträchtliche, zusätzlich zu schulternde Kosten bescheren dürfte, zur Freude aller Arbeitslosen. »Deutliche Verbesserungen der militärischen Schlagkraft der EU - gegen wen? sei hier gefragt - seien jedoch nur durch militärische Aufgabenteilung und Spezialisierung zu erreichen; dazu seien die europäischen Staaten bislang nur unzureichend bereit. Wie die SWP fordert, sollten einzelne EU-Mitglieder mit der Verschmelzung ihrer Armeen voranschreiten und ihre militärische Autonomie preisgeben.« Hinsichtlich ihrer langfristigen Zielsetzung schreiben die Berliner Regierungsberater: »Am wirtschaftlichsten wäre zweifelsohne die Schaffung einer europäischen Armee.« Wie wir schon des öfteren vermerkten, scheint der Begriff Friede getilgt, ausgelöscht und gegenstandslos geworden zu sein.   
 
Dieser jüngste Vorstoss Berlins zur weiteren Militarisierung der EU erfolgt nun unmittelbar nach der irischen Vertragszustimmung. Nur Václav Klaus, heisst es, wäre noch in der Lage, das Projekt zum Scheitern zu bringen: Gelänge es diesem, seine Unterschrift bis zu den britischen Wahlen im kommenden Frühjahr hinauszuzögern, dann könnte der nächste mutmasslich konservative englische Premier ein Referendum anberaumen, von dem geschätzt wird, dass es ein ablehnendes Ergebnis zeitigen könnte. »Deutsche Medien haben bereits vorsorglich angekündigt, man könne Prag den EU-Kommissar entziehen und sei auch anderen Druckmitteln gegenüber Tschechien nicht abgeneigt«.2 Wie derartige Methoden mit einer Demokratie vereinbar sein sollen, bleibt unbegreiflich. Mit dem Inkrafttreten des EU-Reformvertrags gelangen jedenfalls insbesondere dessen Aufrüstungsvorschriften zur Umsetzung, denn die »Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« Nichts wird uns davor retten, heisst es doch in einer jetzt veröffentlichten Studie der SWP, dass »der Vertrag von Lissabon damit in die erwünschte Richtung weist Eine Richtung, die ganz zweifelsohne von der Bevölkerung nicht gewünscht wird, sondern ausschliesslich von denjenigen, die beständig damit beschäftigt sind, die Militarisierung und Aufrüstung voranzubringen, was für meine Begriffe notgedrungen den Kern zukünftiger Kriege in sich birgt. Diese Dinge sind offensichtlich nicht einmal Gegenstand vertiefter Reflexionen von Seiten der EP-Abgeordneten in Strassburg. Ferner wird in der Studie dargelegt, dass »der Versuch, eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ESVP, zu installieren, in den 90er Jahren noch auf erhebliche Widerstände gestossen sei. Irland etwa sah darin [richtigerweise !] die Gefahr, dass dies ein erster Schritt zur Schaffung einer europäischen Armee sein könnte.« * Die folgende Aussage gilt es genau abzuwägen: »Eine solche Idee wird in Irland bis heute kategorisch abgelehnt«, so die obengenannten Regierungsberater; deshalb habe man stets betont, »dass der ESVP-Prozess nicht die Schaffung einer europäischen Armee vorsehe.« Das stellt in meinen Augen eine eiskalt kalkulierte Irreführung dar, will man dieses Vorgehen nicht als glatte Lüge bezeichnen, zumal es beim Kölner EU-Gipfeltreffen im Juni 1999 gelungen war, die ESVP offiziell zu etablieren. An dieser wird nun Irland nach seinem Ja nicht vorbeikommen. Pläne dieser Art, deren Endfassung vermutlich am Bürger vorbei konzipiert werden wird, sollten unsereVolksvertreter eigentlich aufhorchen lassen: So gibt es den Vorschlag, den Luftraum beispielsweise Österreichs oder Tschechiens durch die deutsche Luftwaffe überwachen zu lassen. »Wien und Prag müssten gravierende Einschnitte in ihre Souveränität hinnehmen - zu dem Zweck, etwa das nötige Transportgerät für die Interventionswünsche Deutschlands oder anderer EU-Kernmächte bereitzustellen.«  
 
»In einem ersten Schritt, fordert die SWP, sollten Staaten, die dazu bereit sind, ihre militärische Integration weiter vorantreiben. So könnten das deutsche Flottenkommando und die deutschen Marinebasen in der Ostsee ihre Funktion auch durchaus für andere Nationen wahrnehmen. Auf lange Sicht gesehen plädiert die SWP eindeutig für den Aufbau einer EU-Armee. Diese sei zwar für die meisten EU-Staaten ein Reizwort, weil sie nicht bereit seien, ihre nationale Eigenständigkeit in einem ganz zentralen Bereich aufzugeben. Doch auf Dauer sei die EU-Armee unverzichtbar. Weiterhin 27 nationale Streitkräfte zu unterhalten, wird erklärt, stellt eine deutliche Verschwendung der knappen finanziellen Ressourcen dar. Gewinner einer Verschmelzung der nationalen Streitkräfte zu einer EU-Armee wäre derjenige Staat, der innerhalb der EU über den stärksten Einfluss verfügt.« Laut den Abstimmungsregeln, schreibt GFP, die gemäss dem jetzt in Irland abgesegneten Vertrag in Zukunft Anwendung finden sollen, ist dies auch formal das Land, das bereits jetzt ökonomisch und politisch in Europa dominiert - Deutschland.
 
Wie GFP Ende September berichtete, war die Unterzeichnung des Lissabon-Vertrags durch Bundespräsident Köhler wenige Tage vor dem Referendum auch als ein Signal an die Iren zu verstehen, ihr Nein vom Juni 2008 zurückzuziehen 3. Die Wiederholung der Abstimmung verlief wie bekannt unter starkem Druck aus Brüssel und Berlin. So hatte Dublin auf den Druck des europäischen Festlands hin eine intensive PR-Kampagne lanciert, die exakt auf die Gegner des Elitenprojektes ausgerichtet war und die insbesondere die städtischen Unterschichten sowie die ländlichen Milieus umstimmen sollte. Diese beinhaltete u.a. die Behauptung, das vorhergehende Nein sei nur durch Unwissen der Bevölkerung verursacht worden. Bei der jetzigen Abstimmung intervenierte die EU-Kommission auch insofern, als sie etwa mit kostspieligen Zeitungsbeilagen für den Vertrag warb. Zu den Mitteln, die Anwendung fanden, gehörten z. B. der Strassenwahlkampf sowie Hausbesuche. Die Kampagne war soziologisch präzise ausgerichtet. Gemäss den nach dem Referendum vom Juni 2008 durchgeführten Analysen hatte es sich gezeigt, dass sich das Ja konkret verorten  liess: Mehrheiten für den Vertrag von Lissabon waren vor allem in den bevorzugten Wohngebieten Dublins, in wohlsituierten Milieus, die politisch oder ökonomisch Nutzen aus dem Elitenprojekt EU ziehen, erzielt worden. Das Nein kam von den Unterschichten in den irischen Städten, aber auch aus ländlich-katholischen Kreisen, die sich von den Weltmachtgelüsten der EU-Eliten offenbar wenig Vorteile erhofft hatten. Um dennoch ein Ja zu erzwingen, nutzte Dublin dieses Mal in der aktuellen Kampagne Schlüsselgruppen, denen es zugetraut wurde, sich in den Milieus der Vertragsgegner Akzeptanz zu verschaffen: So hatten die Vertragsbefürworter prominente Sportler und Grössen aus dem Showbusiness, die in den Unterschichten bekannt und beliebt sind, für ihre Kampagne engagiert. Jedenfalls brachte dieses Gesamt-PR-Paket das erwünschte Resultat. Somit kann das jetzige Referendum durchaus als Gradmesser für die Fähigkeit der EU-Eliten gelten, wie man demokratischen Widerstand gegen ihr Herrschaftsprojekt mit einer simplen PR-Tätigkeit ausschalten kann.
 
»Die ungewöhnlich hohe Beteiligung, die chaotischen Umstände bei der Ablieferung sämtlicher Stimmzettel an eine zentrale Auszählstelle in Dublin, dokumentierte Fälle der Versendung von Stimmzetteln an nicht Wahlberechtigte und die Einschüchterung von Beobachtern in Wahllokalen - all dies«, schreibt Strategic Alert »trägt zu dem Verdacht des Wahlbetrugs bei 4. In Wirklichkeit sei dieses Abstimmungsergebnis aber ein grosser Schritt auf den ›Tod Europas‹ zu. Der Lissabon-Vertrag ist die Verfassung eines europäischen Imperiums als Unterabteilung des weltweiten Empire. Es sei damit vergleichbar, sein Boot an der sinkenden Titanic zu vertäuen. Die europäischen Nationen müssten diese Zwangsjacke ablegen, indem sie sich für ….. ein Bündnis mächtiger souveräner Nationalstaaten zum Aufbau eines anti-oligarchischen Weltwirtschaftsystems einsetzen. Die britische Boulevardzeitung The Sun berichtete am 2.10., wenn die Iren Ja sagten, würde Ex-Premier Tony Blair bereits im Oktober ständiger Präsident Europas. Das Mandat ist von zweieinhalb Jahren Dauer und einmal verlängerbar, wodurch Blair auf eine Amtszeit von 5 Jahren käme. Sich Blair, den Architekten des Irakkriegs, als Präsidenten von Europa vorzustellen, ist eine abschreckende Perspektive, die einen breiten Widerstand rechtfertigen würde.« Ein solcher, das kann man ruhig schon jetzt hinzusetzen, wird selbstredend ausbleiben 5.
 
 
1  Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57642
Die Armee des Hegemons vom 9. 10. 09
2 Nach dem Ja der Iren Druck auf Prag und Warschau; FAZ vom 05.10.2009
3 Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57630
No means Yes  30.09.2009
4 Strategic Alert, Jahrg. 23, Nr. 39 vom 23. September 2009
5 Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=845
Zur Frage eines EU-Präsidenten - Von Doris Auerbach
* Siehe Volker Heise: Zehn Jahre Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Entwicklung, Stand und Probleme; SWP-Studie S 25, Oktober 2009