Ein schwarzer Tag für Europa - Am 1. Dezember tritt der Vertrag von Lissabon in Kraft - Von Charly Kneffel

Man wird sich diesen 1. Dezember 2009 merken müssen. Er ist ein schwarzer Tag für Europa, auch wenn die meisten das Ereignis im Alltag noch gar nicht registrieren mögen.

An diesem 1. Dezember haben die nationalen Parlamente de facto abgedankt, die Einflußmöglichkeiten der Menschen wurden weiter eingeschränkt und die tatsächliche Souveränität einer kleinkarierten, dem Neoliberalismus huldigenden Brüsseler Bürokratie übertragen. Seltsam genug, daß es ausgerechnet der stockreaktionäre tschechische Präsident Vaclav Klaus war, der die richtigen Worte fand, als er sagte, von nun an habe Tschechien seine Souveränität aufgegeben. Genauso ist es. Leicht überspitzt könnte man sagen, an diesem Tag sei die Demokratie in Europa abgeschafft worden. Was bleibt, ist selbst Spezialisten kaum noch verständlich. Justiz- und Innenpolitik der Einzelstaaten werden jetzt, wie auch die bürgerliche Presse unumwunden einräumt, weitgehend in Brüssel gemacht. Richtlinien, die von dort ausgehen, sind für alle Staaten verbindlich. Den nationalen Parlamenten bleibt nur noch, die entsprechenden Gesetze zur Umsetzung zu formulieren. Den Zeitrahmen dafür bestimmt aber ebenfalls Brüssel. Lediglich in den Bereichen Steuern, soziale Sicherheit, EU-Haushalt und Außenpolitik haben die einzelnen Länder noch ein Veto-Recht. Dazu trug auch bei, daß die Regierungen bei der Bestellung eines ständigen Ratspräsidenten und einer Außenkommissarin wohlweislich ausgesprochen schwache Kandidaten benannt haben, Herrn van Rompuy und Frau Ashton. Doch das ist - wie auch die anderen Souveränitätsrechte - nur noch ein Relikt. Auch in diesen Bereichen mischt sich die EU immer weiter ein: so sollen in Deutschland Hartz-IV-Anhänger nicht mehr Regelunterhalt bekommen dürfen als Asylbewerber - wegen der Gleichbehandlung. So ist Gender Mainstreaming als verbindliches Staatsziel festgeschrieben. So wird wegen der Defizitregelung auch in die Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Staaten eingegriffen. Am schlimmsten aber ist der verbindlich festgelegte Zwang zur Aufrüstung (Modernisierung) der Armeen. Konsequenterweise könnte man den Bundestag gleich auflösen.
 
Vor allem aber geschieht diese Souveränitätsübertragung ohne und - wo sie denn gefragt wurden - gegen den Willen der betroffenen Menschen. Wo sie gefragt wurden, in Irland, den Niederlanden und Frankreich, sagten sie, trotz des Trommelfeuers der Politik, der Wirtschaft und der Medien, Nein. Teilweise mehrmals. Mit Erschrecken hat das europäische Establishment dies registriert. Es überlegt nun aufgeregt, wie man die eigene Propaganda verbessern könne. Die Menschen seien halt nicht genügend aufgeklärt, heißt es. Selten hat man soviel Arroganz und Hohn gegenüber dem Souverän erlebt. Und genau das ist der Pferdefuß des Vertrages. Ein Staat gegen den Willen des Souveräns ist kein demokratischer Staat; ein Staat gegen den Willen des Souveräns kann aber auch auf Dauer kein stabiler Staat sein. Revolutionen kann man nicht wirklich verbieten, könnte man es , gäbe es keine. Man muß es immer wieder klar machen: Der Vertrag von Lissabon hat keine Legitimation. Keine Regierung, die im Interesse ihres Souveräns handeln will, ist an dieses Vertragswerk oder die Entscheidungen von Europa-Parlament, Kommission oder auch des Europäischen Gerichtshofs gebunden. Objektiv ist der Vertrag null und nichtig.
 
Also: feiert mal schön in Lissabon! Noch ist nicht aller Tage Abend und die Brüsseler Bürokraten werden sich wohl in gar nicht allzu weit entfernter Zukunft neue Arbeitsplätze suchen müssen. Aber bitte nicht in Politik oder Verwaltung.
 
http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=01122009ArtikelKommentarKneffel2   1. 12. 09