Griechenland im Griff der Spekulanten - Banken und Hedge-Funds haben kein Interesse an Beruhigung - Von Birgit Voigt

Banken und Hedge-Funds profitieren von der griechischen Krise. Sie haben kein Interesse an einer Beruhigung.

Ein Insider erklärt die Mechanismen und leuchtet die fragwürdige Doppelrolle aus, die etwa Goldman Sachs spielt. James Rickards ist ein Veteran in der amerikanischen Hochfinanz. Der gelernte Anwalt hat auf höchstem Level als Hedge-Fund-Manager und Investmentbanker gearbeitet. Heute berät er grosse Pensionskassen ebenso wie US-Regierungsstellen. Letzte Woche brach Rickards das Gesetz des Schweigens, unter Bankern ebenso verpönt wie bei der Mafia. Er publizierte in der Financial Times eine Kolumne, die in groben Zügen erklärt, wie Griechenlands Schwäche von verschiedenen Akteuren auf mehreren Ebenen benutzt wird. Rickards hat der NZZ am Sonntag auf Anfrage weiter ausgedeutscht, welche Mechanismen im Falle der griechischen Finanzkrise spielen. Eine besondere Rolle kommt Goldman Sachs zu. Die einflussreichste Investmentbank der Welt berät die griechische Regierung. Ende Januar placierte die griechische Nationalbank mit Hilfe von Goldman Sachs eine erste Staatsanleihe in Höhe von 8 Mrd. €. Die Anleihe wurde mehrfach überzeichnet, dank einer hohen Verzinsung von 6 %. Ende Januar hielten sich die Zweifel an der griechischen Bonität also noch in Grenzen. Griechenland muss dieses Jahr 52 Mrd. € umschulden, den Löwenanteil davon im 2. Quartal.
 
Beide Seiten bespielen
Während die Griechen die Anleihe vorbereiteten, empfahlen Investmentbanker grossen Pensionskassen, für die griechischen Schulden Kreditausfall-Versicherungen, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), zu verkaufen. Die Pensionskassen bieten damit eine Ausfallversicherung an, falls Griechenland nicht zahlen könnte. Dafür erhalten sie eine Prämie. »Das scheint einfach verdientes Geld und hilft den Pensionskassen-Managern, ihre hohen Renditevorgaben zu erfüllen«, erklärt Rickards. Auch Goldman Sachs sei in diesem Geschäft tätig. »Die Banker versichern den Pensionskassen, dass es für Griechenland im Notfall einen Rettungsplan geben werde. Sie müssten keinen Schadensfall befürchten«, lautet gemäss Rickards die Botschaft. Die CDS vermitteln die Banker weiter. Einige Käufer halten griechische Staatsanleihen und wollen sich tatsächlich absichern. Andere spekulieren nur auf einen Anstieg der Preise für CDS. Diesen Anstieg gibt es allerdings nur, wenn die Angst vor einer Staatspleite aufkommt. »Nichts von dem, was ich beschreibe, ist illegal«, betont Rickards. »Aber die Frage stellt sich, ob es legal sein sollte. Die betroffenen Märkte sind intransparent und von wenigen Akteuren dominiert. Ich halte nichts von solchen Märkten. «
 
Die Webseite http://www.zerohedge.com/ beschrieb letzte Woche ein Gerücht, das als Puzzleteil ins Bild passt: Vor der Vergabe der griechischen Anleihe hätten sich zwei grosse Hedge-Funds massiv mit CDS eingedeckt. Sie seien aber bei der Obligationen-Verteilung leer ausgegangen. Statt die CDS zu verkaufen, trieben sie mit Gerüchten um den griechischen Bankrott die Preise hoch und verdienten am Weiterverkauf ihrer CDS. Bestätigt ist das natürlich nicht. Jan Poser, Chefökonom der Bank Sarasin, vertritt die Ansicht, dass Griechenland sein Schuldenproblem unter »normalen Umständen« durchaus in den Griff bekommen könnte. »Natürlich ist die Explosion der Staatsverschuldung und des  Budgetdefizits bedrohlich. Doch Griechenland und auch Portugal und Spanien haben schon einmal gezeigt, dass sie durch eine scharfe Konsolidierung ihrer Haushalte die Schulden auf einen nachhaltigen Pfad bekommen können.« Poser hat nachgerechnet, dass die Griechen ihr Defizit - zyklisch bereinigt - um 4,5 Prozentpunkte, am Bruttoinlandprodukt gemessen, reduzieren müssen, um die Schuldenquote zu stabilisieren. »Laut OECD-Zahlen schafften sie es in den 90er Jahren, das Defizit gar um 6,5 Prozentpunkte zu senken«, sagt Poser. Die Prämien für die CDS zeugten sicher vom mangelnden Vertrauen der Märkte in die Regierungen der betroffenen Länder. »Aber es gibt eine selbstverstärkende Dynamik«, glaubt auch Poser. »Der griechische Markt für Staatsobligationen ist relativ klein und illiquide. Das Gleiche gilt für die entsprechenden CDS. Da können Akteure mit wenig Volumen viel bewegen«, erklärt der Ökonom.
 
Via CDS den Euro schwächen
Nach dem Versprechen der EU-Staaten, Griechenland im Notfall nicht über die Klippe stolpern zu lassen, gingen die Prämien für CDS etwas zurück. Der Druck auf den Euro hat kaum nachgelassen. In den letzten Wochen flossen parallel zur Entwicklung der griechischen Krise rekordhohe 8 Mrd. $ in Kontrakte, die auf die Abwertung des Euros setzen. Ob es sich dabei um eine koordinierte »Attacke« handelt, wie ein europäischer Investmentbanker meint, ist aber umstritten. Der Genfer Wirtschaftsprofessor Charles Wyplosz berät unter anderem den Präsidenten der EU-Kommission. Wie sein Kollege Peter Bofinger hält er folgendes fest: »Eine Abschwächung des Euros ist im wirtschaftlichen Interesse der Euro-Länder.« Klar ist für ihn aber auch, dass sich aus dem allgemeinen Pessimismus eine Eigendynamik entwickelt: »Wenn man auf den Niedergang setzt, will man auch, dass es in diese Richtung geht. Wyplosz begrüsst, dass die Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer den Griechen einerseits verbal Unterstützung versprochen haben, andererseits aber keinen fixfertigen Rettungsplan angeboten haben: »Das wäre das falsche Signal gewesen.« Um die Lage weiter zu entschärfen, könnte die Europäische Zentralbank laut Wyplosz griechische Anleihen kaufen. »Das würde den Euro stützen und den Spekulanten massive Verluste bescheren.«
 
Nächstes Opfer Dubai
Die Karawane der CDS-Spekulanten ist derweil weitergezogen. Am Freitag schnellten die Prämien für Kreditausfall-Swaps in Dubai ohne relevante Neuigkeiten auf Rekordhöhe. Die Börsen in den islamischen Finanzzentren sind freitags geschlossen, und in der USA wird morgen Montag nicht gehandelt. Zeit genug, damit sich die Panik verbreiten kann. Alles Zufall?
 
 
Quelle:
http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/griechenland_im_griff_der_spekulanten_1.4951750.html   13. 2. 10