Europas hoffnungsloser Kampf gegen die Spekulanten - Von Wolfgang Effenberger

Bundeskanzlerin Angela Merkel nennt den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm alternativlos, um die Zukunft des Euros zu sichern

und das Geld der Menschen in Deutschland zu schützen. Ende der vergangenen Woche sei deutlich geworden, dass es »breite Angriffe auf den Euro insgesamt« gebe, sagte Merkel.
 
Wer spekuliert gegen den Euro und warum?
Die Regierenden fürchten ein Finanzkomplott britischer und amerikanischer Hedgefonds sowie internationaler Investmentbanken. Hedgefonds sind Investmentfirmen, die in der Lage sind, kurzfristig mit Summen zu operieren, die um ein vielfaches über das Eigenkapital hinausgehen. Sie spekulieren auf steigende/fallende  Preise (Hausse/Baisse-Spekulation). Dazu brauchen nur Kaufpositionen erworben zu werden. Für diese Manipulationen erschien Griechenland als ein gefundenes Fressen. Schon im November 2009 verabredeten sich Hedgefonds-Inhaber zur großen Wette gegen den Euro. Der Euro gilt ihnen als nicht lebenstüchtiges Konstrukt in Krisenzeiten. Schon frühezeitig sah der legendäre Investor George Soros die Krise heraufziehen. Zu Jahresbeginn warnte er, dass ein Zusammenbruch der Euro-Zone möglich sei. Soros präsentiert sich gern als Kritiker enthemmter Marktmacht, dabei ist er bis heute einer der erfolgreichsten Spekulanten der Welt. Währungsgeschäfte sind seine Spezialität.
 
Am 8. Februar 2010 hatte die kleine Investmentbank Monness, Crespi, Hardt & Co einen erlesenen Zirkel von Hedgefonds-Managern 1 in ein New Yorker Stadthaus eingeladen. Zentrales Thema war die Überschuldung Athens. Am Ende des Treffens war eine  Investmentstrategie geboren, welche die Welt erschüttern sollte: Es begann die große Wette gegen den Euro. Drei Tage nach dem Dinner fiel der Kurs des Euros auf unter 1,36 $; im Dezember hatte er noch bei 1,51 $ gestanden 2. Nur zwei Tage nach dem Aufspannen des Rettungsschirmes war der Euro wieder auf 1,27 $ gesunken. Mit ihren Wetten  trieben die Spekulanten die Zinsen für griechische Anleihen immer weiter nach oben, zum Schluß auf mehr als 20 %. Während Griechenland dadurch in den Bankrott getrieben wurde, kollabierte der Euro-Kurs.
 
Die Wetten auf eine griechische Staatspleite sicherten die Spekulanten über Kreditversicherungen ab (Credit Default Swaps (CDS)). Mit dem erhöhten Risiko stiegen die Kosten für diese Versicherungspolicen im Zuge der Spekulation immer weiter an und verfünffachten sich in den letzten sechs Monaten 3. Auch auf diesen Gewinn waren die Spekulanten aus. An dieser Stelle muß an die erfolgreichen Währungsangriffe durch den Spekulations-Mogul George Soros erinnert werden. Mit seinem Quantum-Fund hatte er Anfang der 1990er erfolgreich gegen das britische Pfund gewettet und das europäische Währungssystem erschüttert. Einen Gewinn von 1 Milliarde $ soll Soros damals eingestrichen haben. Es folgte die Malaysiakrise, die Attacke auf Hongkong, die Rubelkrise. Vor der  Pfund- und Rubelkrise ließ Soros verlauten, daß Pfund- bzw. Rubel abgewertet werden sollten. Es folgte ein Ansturm auf die Währungen. Trotz Stützkäufen konnte eine Abwertung nicht verhindert werden. Diese weltweiten Angriffe auf Währungen brachten dem Quantum-Fund von Soros eine Rendite bis zu 30 %! Auch dieses Mal dürfte er hohe Margen erzielt haben. Die Manager seines Hedgefonds Soros Fund Management setzten früh auf einen fallenden Euro 4.
 
Nur drei Monate nach dem New Yorker Treffen machen EU-Politiker ihrer Empörung Luft. Schwedens Finanzminister Anders Borg vergleicht die Hedgefonds mit Wolfsrudeln, die über die schwächsten Euroländer herfallen. Deutschlands oberster Finanzaufseher Jochen Sanio warnte vor einem Angriffskrieg der Spekulanten, und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte eine Generalmobilmachung5. Wen möchte Sarkozy gegen die virtuellen Angriffsspitzen der Spekulanten mobilisieren? Auch die Raubtier-Rhetorik der EU-Politiker ist hier weder zielführend noch hilfreich. Nur durch entsprechende Gesetzesmaßnahmen im Kongreß könnten diese hemmungslosen Spekulationsmachenschaften gestoppt werden. Hoffnung kam auf, als US-Präsident Obama am 22. April in seiner vielbeachteten Rede im Cooper Union College in der Nähe der Wall Street den Spekulanten den Kampf ansagte: Er forderte die renitenten Geldmanager auf, den Systemumbau zu unterstützen - sonst drohe die nächste große Krise. Es sei »entscheidend, dass wir Lehren aus dieser Krise ziehen, so daß  wir nicht dazu verdammt sind, sie wiederholen zu müssen.« 6 Dazu sollten zukünftig die Banken gebändigt werden. Doch die Banken an der Wall Street sind das geringere Problem. Während die Hedgefonds in letzter Zeit noch mächtiger geworden sind, ächzen die Großbanken der Wall Street unter der Last fauler Kredite. Im Gegensatz zu ihnen befinden sich die Spekulanten im Goldrausch. Das Risiko ist ihr Geschäft.
 
Warum ist von Obama keine Hilfe zu erwarten?
Er ist ein Produkt dieser Finanzelite. Die Unterstützer von Obamas Wahlkampf  kamen aus dem Umfeld der Wall Street, einschließlich JP Morgan Chase & Co., Goldman Sachs, Lehman Brothers und Citigroup. Der in Schande gefallene ehemalige Obama-Berater, der frühere Fannie Mae Direktor (CEO) und erwiesener Washingtonkenner, James A. Johnson, ist Mitglied der »American Friends of Bilderberg«, der »Trilateral Commission« und dem »Council on Foreign Relations«. Die Chicago Sun-Times berichtete am 23. Juni 2008 auf ihrer Titelseite vom doppelten Einsatz des Investmentgurus Warren Buffett für den voraussichtlichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Senator Barack Obama 7. In zwei großen Spendengalas lud Buffett nach Entrichtung einer Eintrittsgebühr von 28.500 $ in das Heim von Obamas Wahlkampf-Finanzchefin Penny Pritzker, Erbin des Billionenvermögens aus der Hyatt-Hotelgruppe, und ihres Gatten, Bryan Taubert 8. Vor dem Dinner ließ Buffett die noblen Spender über 90 Minuten an seinen Investmentweisheiten teilhaben. Am Podium mit ansprechbar: Penny Pritzker, Obamas Beraterin Valerie Jarrett und sein Wirtschaftsguru Austan Goolsbee sowie der milliardenschwere Chef des Hedgefonds »Ariel Capital Management«, John Rogers junior 9.
 
Frau Pritzker, die sich vorwerfen lassen muß, die gegenwärtige Subprime-Hypothekenkrise ermöglicht zu haben, verbinden langjährige Geschäftskontakte mit Buffett. Penny Pritzker hatte fünf Jahre lang die familieneigene Superior Bank in Hisdale, Illinois, geführt, bis diese im Juli 2001 von der Bundeseinlagenversicherung (FDIC) geschlossen wurde. Ende der 90er Jahre hatten ihre Bankmanager die Verbriefung von hochriskanten Hypotheken entwickelt. Zusammen mit Merrill Lynch und deren Buchhaltern bei Ernst & Young LLP entwarf Pritzker den Subprime-Schwindel 10. Damit entstand eine Geld-Luftblase ungedeckter Finanzwerte. Das Handelsvolumen der sogenannten Derivate  - Produkte der Finanzakrobatik ohne konkrete Koppelung an die Realwirtschaft -  beträgt etwa 600.000 Milliarden $, also 100.000 $ je Erdenbewohner. Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt auch dadurch gefördert, daß die 1933 nach der schweren Bankenkrise eingeführte Bankenkontrolle durch das »Glass-Steagall«-Gesetz 1999 unter Präsident Clinton mit dem »Gesetz zur Modernisierung der Finanzdienstleistungen« weitgehend abgeschafft und einer Gruppe privater Großbanken übertragen wurde. Es entstand eine Spaltung zwischen der reellen Arbeit und Produktion und dem virtuellen Geldkapital, wobei das Finanzkapital über das Realkapital der Industrie triumphierte! 11

Der Schwindel hätte schon früh erkannt werden können. Etwa 1.400 Kunden der Pritzker-eigenen Superior Bank of Chicago verloren im Jahr 2001 fast ihre gesamten Ersparnisse, als die Familienbank mit über einer Milliarde $ gesicherter und ungesicherter Einlagen bankrott ging. Trotzdem erklärte sich Buffets Investmentfonds Berkshire Hathaway im Dezember 2008 bereit, 4,5 Milliarden $ für 60 % der Anteile von Pritzkers Firma »Marmon Holdings« - ein Konglomerat mit einem Jahresgewinn von etwa 7 Milliarden $ - zu bezahlen. Und heute verteidigt der berühmte Investor Warren Buffett das wegen einer Betrugsklage in Bedrängnis geratene Bankhaus Goldman Sachs. Goldman Sachs kann seiner Meinung nach nicht für den Verlust von Bankkunden beim Hypothekengeschäft verantwortlich gemacht werden. Er stehe auch nach der Betrugsklage der US-Börsenaufsicht SEC hundertprozentig hinter Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein 12.
 
»Soros gewinnt das Weiße Haus«
Einen Tag nach Obamas Wahlerfolg überschrieb der New York-Times-Bestsellerautor Richard L. Poe einen Artikel mit Soros Wins the White House 13. »Soros ist Obamas wichtigster Förderer«, stellt Poe fest, mit David Horowitz Co-Autor von »Shadow Party, wo ein kritischer Blick auf die Netzwerke linker, von der Steuer befreiter und von Investoren gesponserter Gruppen geworfen wird. Von diesen Organisationen flossen im Gegenzug Gelder zu liberalen Kandidaten wie Barack Obama. Die Rolle des Hedgefonds-Milliardärs und Patrons der Open-Society-Stiftungen, George Soros, kann beim Sieg Obamas nicht hoch genug eingeschätzt werden.
 
Vor diesem Hintergrund macht die erste von Obama bei Amtsantritt getroffene Personalentscheidung durchaus Sinn. Mit der Ernennung des Hitzkopfes Rahm(bo) Emanuel zum Chief of Staff, dem allmächtigen Büroleiter des Präsidenten, wacht im Machtzirkel um Obama ein Clinton-Freund. Als Chief of Staff  entscheidet er über den Zugang zum Staatschef und formuliert die Grundzüge der Regierungspolitik mit. Unvergessen scheint Emanuels Auftritt bei einem Galadinner in der Wahlnacht von 1992. Dort  soll er sich sehr laut über all jene Demokraten empört haben, die Bill Clinton nur halbherzig unterstützt hätten: »Tot, sie sind alle tot!«, soll er in den Saal gebrüllt haben. Und dann stach er mit dem Steakmesser in den Holztisch - bei jedem Namen ein weiteres Mal 14. Emanuel, der einst Bill Clintons Wahlkämpfe antrieb und dann als Berater diente, hatte 1998 wegen seiner ruppigen Art auf persönlichen Wunsch von Hillary Clinton das Weiße Haus verlassen. Er ging zurück nach Chicago und verdiente sich binnen drei Jahren ein 18 Millionen-Dollar-Vermögen als Investment-Banker bei Wasserstein Perella und als Vorstandsdirektor der insolventen Investmentbank Freddie Mac. 2001 gelangte Rahm Emanuel wieder als Abgeordneter des Repräsentantenhauses in den Kongreß. Daß ausgerechnet ein solcher Hitzkopf und Spekulant in das Machtzentrum des Weißen Hauses einziehen soll, dürfte die Millionen Wähler, die in der Krise ihre Rente oder ihr Häuschen verloren haben, nicht besonders hoffnungsfroh gemacht haben. Obama kennt diesen aus vielen Jahren gemeinsamer Polit-Manöver in Chicago. Angeblich verbindet Emanuel, 50, Sohn wohlhabender Juden aus dem feineren Norden der Stadt, eine wunderbare Freundschaft mit dem schwarzen Ex-Streetworker von der rauhen South Side. Freunden, die sich entsetzt bei ihrem Idol erkundigten, ob das Gerücht über Emanuels Beförderung stimme, versicherte Obama: »Rahm ist enorm gereift.« 15
 
An dieser Stelle lohnt es sich, die Botschaft von Gore Vidal, Enkel der US-Politiker-Legende Thomas P. Gore, Cousin des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore und guter alter Freund der Kennedys, in Erinnerung zu bringen: »Nehmen Sie die offizielle Politik der USA nicht ernst!« ruft das enfant terrible unter den amerikanischen Intellektuellen 1997 den Lesern deutscher Tageszeitungen mit schneidender Ironie zu: »Vielleicht nicht mal die in Ihrem eigenen Land. Es macht keinen Unterschied, wer gewählt wird. Das Land wird bereits von den  Großkonzernen geleitet. Die entscheiden, wer auf den verschiedenen Ebenen der Regierungsgewalt dienen darf. Und sie sind niemanden auf Erden verantwortlich16
 
Heute müßte Vidal die virtuellen Geldvermehrer noch vor den Großkonzernen nennen.
  
 
(1) Unter ihnen Donald Morgan von Brigade Capital, David Einhorn von Greenlight Capital und Aaron Cowen von SAC Capital Advisors
(2) Koch, Moritz: Gefundenes Fressen. Treffen sich ein paar Hedgefonds-Manager in New York zum Abendessen: Wie eine Idee geboren wurde, die die Welt erschüttert, in: SZ vom 11. Mai 2010, S. 3
(3) Verdammt sei jede Schuld, in SZ vom 11. Mai 2010, S.2
(4)  Hoffmann, Christine/Koch, Moritz: Auf der Suche nach dem Monster, in SZ vom 11. Mai 2010, S. 17
(5) Koch, Moritz: Gefundenes Fressen. Treffen sich ein paar Hedgefonds-Manager in New York zum Abendessen: Wie eine Idee geboren wurde, die die Welt erschüttert, in: SZ vom 11. Mai 2010, S. 3
(6) Obamas Fünf-Punkte-Plan soll Banken bändigen, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,690655,00.html vom 22. April 2010
(7) Sweet, Lynn: Hot ticket - Warren Buffett booked for two back-to-back $28.500 Obama fund-raisers, in Chicago Sun-Times vom 23. Juni 2008
(8) Im 10 Hektar großen Millennium Park von Chicago zählt der von Frank Gehry entworfene Jay-Pritzker-Pavillon zu den bedeutendsten Einrichtungen. Der Pavillon gilt als der modernste Veranstaltungsort für Open-Air-Konzerte in den USA.
(9) Penny Pritzker (Obama for America National Finance Chair), Valerie Jarrett (Obama for America Senior Advisor), Austan Goolsbee (Obama for America Senior Economic Advisor) und John Rogers Jr. (Obama for America Illinois Finance Co-Chair).
(10) Zitiert aus William F. Engdahl: Barack Obama: »Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’« vom Sonntag, 10. 8. 2008 unter http://info.kopp-verlag.de/news/barack-obama-wes-brot-ich-ess-des-lied-ich-sing.html (aufgerufen am 28. Februar 2009)
(11) Die Welt-Geldmenge in ihren unterschiedlichen Formen hat sich in den vergangenen 3 Jahrzehnten vervierzigfacht (!)‚ die Gütermenge jedoch (auch nominell) nur vervierfacht.
(12) Betrugsklage gegen Bankhaus Börsen-Guru Warren Buffett stellt sich hinter Goldman Sachs, unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,692541,00.html vom 2. Mai 2010
(13) Richard L. Poe: Soros Wins the White House vom 5. November 2008, unter http://www.poe.com/2008/11/05/soros-wins-the-white-house/ (aufgerufen am 10. März 2009); vgl auch Poe, Richard L./ Horowitz, David: The Shadow Party: How George Soros, Hillary Clinton, and Sixties Radicals Seized Control of the Democratic Party. Nelson/Word Pub Group 2007
(14) Zitiert aus Wernicke, Christian: Rahm Emanuel - Hitzkopf und Clinton-Freund im Machtzirkel um Obama, SZ vom 7. November 2008, S. 7
(15) ebenda
(16) Dorschel, Ralf: Ein Gespräch mit dem amerikanischen Schriftsteller Gore Vidal über Wirtschaftsmacht, Staat, Intimität und Literatur, in Berliner Zeitung vom 3. Januar 1997, S. 25