Zum Thema Abschiebung von Ausländern

d.a. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ausweisung der Roma, ob aus Frankreich oder der BRD, hat die Zeitungsspalten

sozusagen zum Überquellen gebracht. Selbstverständlich wurde der Begriff Rassismus an vorderster Front eingesetzt. Das sind wir gewohnt. Wie so oft bei Demonstrationen, wurde auch diejenige, die am 4. September in französischen Städten über die Bühne ging und deren Zweck der Protest gegen die Abschiebung der Roma war, von höherer Hand in die Wege geleitet, nämlich von Human Rights Watch 1. Von den Menschenrechten all derer, die unter den Einbrüchen der Roma zu leiden haben, war natürlich kein Wort zu vernehmen, auch nicht von den Bürden, die der Steuerzahler trägt, indem er für mittellose Roma sozusagen täglich mitarbeiten muss. Auch war keiner der beiden Aspekte Gegenstand der Erklärung von Navi Pillay von der Menschenrechtskommision der UNO. Hingegen beeilte sich dieser, im Fahrwasser von HRW zu bleiben und die Auflösung der Lager anzuprangern, die zur Stigmatisierung der Roma beitrügen, ebenso zur Armut, in der sie leben. Was letztere betrifft, so sind folgende Fakten keineswegs négligeable:
 
Für die Periode 2007 bis 2013 hat die EU 17,5 Milliarden € für Massnahmen bereitgestellt, die in 12 EU-Staaten zugunsten der Roma und anderer minderbemittelter Ethnien eingesetzt werden können. Das Resultat, schreibt Le Figaro 2, wird als enttäuschend betrachtet. Um hinsichtlich letzteren Umstands klarer zu sehen, hat die EU-Kommission am 7. September dieses Jahres eine task force gebildet, die beauftragt ist, die Verwendung der Fonds zu überprüfen und festzustellen, auf welche Weise die eingesetzten Summen besser zur Wirkung kommen können. Es geht vor allem darum, nachzuweisen, dass die Gelder auch wirklich für die Roma verwendet werden. Der als Zahlstelle fungierende EU-Bürger kann sich hier nur noch fassungslos die Frage stellen, wie viele bürokratische Auswüchse noch zu seinen Lasten entstehen, wenn die für die Verteilung zuständigen Behörden offenbar nicht einmal in der Lage sind, von sich aus den Beweis zu erbringen, dass die Roma in den Genuss der Gelder gelangt sind, sondern nun ihrerseits einer zusätzlichen Prüfung unterzogen werden müssen. Soviel für die Effizienzder Arbeitsweise unserer Beamten. Wieso also bleiben die Roma immer arm, wenn derart exorbitante Summen für sie eingesetzt werden? In welchen Kanälen versickern auch diese Gelder? Was die HRW betrifft, so kann diese ihre Aktivitäten beruhigt ausweiten, da der Finanzspekulant George Soros ihr laut einer Meldung vom 8. 9. dieses Jahres 100 Millionen $ aus seinem Vermögen zukommen lässt.  
 
Sollte noch jemand daran zweifeln, dass nationale Entscheidungen innerhalb der EU weitgehend verunmöglicht werden, so sollte er folgendes verinnerlichen: Für den Fall, dass Frankreich der Forderung der EU nach einer Anpassung seines nationalen Rechts nicht nachkommt, droht die EU-Kommission mit der Eröffnung eines Strafverfahrens; Strafen gehören längst zu den Drohungen, die die Mitgliedstaaten zu vergegenwärtigen haben. »Bei der infolge der Ausweisung der Roma entstandenen Konfrontation zwischen Brüssel und Paris, geht es«, so Jürgen Elsässer 3, »nur vordergründig um die Roma. Im Kern geht es um einen Vorstoß der Eurokraten, die Nationalstaaten zu zerbrechen, und dabei am einst  mächtigen Frankreich ein Exempel zu statuieren. Dabei ist die Abschiebung aus Frankreich per Flugzeug [plus 300 € Handgeld] ohnedies keine Lösung, weil die Abgeschobenen kurz darauf wieder zurückkommen, die Freizügigkeit in der EU macht’s möglich. Die einzige saubere Lösung, das heißt eine Lösung, die die ethnische Diskriminierung vermeidet, besteht darin, daß Rumänien, Bulgarien und andere Staaten die EU wieder verlassen. Die EU-Mitgliedschaft hat deren Industrie und Landwirtschaft zerstört und führt dazu, daß die Entwurzelten gar keine andere Chance haben, als nach Westen zu wandern. Dort nehmen sie als Billiglöhner den Einheimischen - oft genug den im Niedriglohnsektor arbeitenden, schon länger eingesessenen Immigranten - die Arbeitsplätze weg oder, wenn das nicht klappt, rutschen sie in die Kriminalität ab. Nicht die Roma sind schuld, sondern die idiotische Ausdehnung der EU auf Staaten, die nicht konkurrenzfähig sind. Werden Rumänien und Bulgarien wieder durch eine Zollmauer vor dem gefräßigen EU-Binnenmarkt geschützt, können diese Staaten wieder ihre Industrie und Landwirtschaft, also Arbeitsplätze aufbauen, so daß der Emigrationsdruck sinkt. Wer dann noch nach Deutschland oder Frankreich kommen will, braucht ein Visum, und das bekommt er, egal ob Roma oder nicht, nur dann, wenn er die u.a. wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür erfüllt.«
 
In den ersten Junitagen dieses Jahres erfolgte von Seiten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ein Generalstreik gegen die Entscheidung der Regierung in Bukarest, ihre Gehälter um ein Viertel zu kürzen. Arbeitsminister Mihai Seitan liess das Übliche verlauten - Sparmassnahmen seien erforderlich, um den Staatshaushalt zu konsolidieren, wobei der drastische Kurs der Regierung Bocs sozial Schwache am härtesten trifft. Nun hatte das Land  2009 einen IWF-Kredit in Höhe von mehr als 20 Milliarden € erhalten. Das durchschnittliche Einkommen in Rumänien gehört mit etwa 400 € pro Monat zu den niedrigsten in der EU. Mehr als bedenklich ist in diesem Zusammenhang der Fakt, dass weder die Massnahmen des Kabinetts, noch die Empfehlungen des IWF Kürzungen beim Militär vorsehen. Dabei gibt Rumänien mit rund 2 %  des BIP auf diesem Gebiet anteilsmässig noch deutlich mehr als die BRD aus. Solange ein Land auf diese Art regiert wird, kann niemand, vor allem nicht die EU-Kommission, von einer Demokratie sprechen. Gleichzeitig öffnet der Neoliberalismus in Rumänien der Korruption Tür und Tor und Taschen. Kein Wunder, dass hier Milliarden-Pflaster erforderlich sind und die Armut täglicher Gast bleibt.
  
Dass Washington immer mehr Illegale abschiebt, findet indessen kaum Beachtung. In dem am 30. 9. 10 endenden US-Haushaltsjahr erreichte die Ausweisung illegal Eingewanderter die Rekordzahl von 392 000; im Jahr zuvor war die Zahl mit rund 390 000 praktisch gleich hoch. Laut einer Meldung vom 3. 6. 2008 hatte Frankreich binnen eines Jahres 28 778 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgewiesen. So ist auch - von der Presse ebenfalls kaum beleuchtet - die Ausweisung in Israel kein unbekannter Faktor. Wie Hans-Christian Rößler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 4 schreibt, gehört die in Israel geborene, 7 Jahre alte Esther, deren Vater vor Jahren aus Kinshasa nach Israel geflohen war und als Flüchtling geduldet wird, zu den 400 ausländischen Kindern, denen bald die Abschiebung drohen könnte. Esther spricht nur Hebräisch; ihre Mutter war mit einem Touristenvisum aus Südafrika eingereist. Sie blieb, um zu arbeiten, obwohl sie dafür nicht die vorgeschriebenen Papiere hatte - wie Zehntausende anderer Gastarbeiter, die Israel offenbar dringend braucht. Ohne diese Ausländer können die Alten mittlerweile nicht mehr gepflegt und die Blumen und Tomaten geerntet werden. Die israelische Regierung hat schon vor längerer Zeit angekündigt, hart gegen Ausländer, die illegal im Land sind, durchzugreifen. Aber erst als bekannt wurde, daß unter ihnen auch 1200 Kinder sind, die das Innenministerium des Landes verweisen will, brach ein Sturm der Empörung los. Die meisten dieser Kinder kamen wie Esther in Israel zur Welt, sprechen Hebräisch und fühlen sich dort zu Hause. »Die Mehrheit von ihnen hat Eltern, die aus zwei verschiedenen Ländern mit oft unterschiedlichen Sprachen stammen. In vielen Fällen haben sich auch ihre Eltern getrennt. Wohin und mit welchem Elternteil sollen sie zurückkehren?«, fragt Sigal Rozen, von der Hotline for Migrant Workers, einer israelischen Organisation, die ausländische Gastarbeiter unterstützt und berät. Ausländerinnen, die in Israel ein Kind auf die Welt bringen, haben es besonders schwer; sie verlieren mit der Geburt des Kindes ihre Aufenthaltserlaubnis und müssen erst einmal ausreisen. Aus ihrem Heimatland können sie dann beantragen, auf ihre alte Stelle zurückzukehren - ohne Kinder. Doch das ist nicht sicher. Viele Mütter bleiben deshalb mit ihren Kindern lieber illegal in Israel. Oft müssen sie auch erst die mehreren tausend Dollar verdienen, die sie einem Arbeitsvermittler zahlten, der sie nach Israel brachte. Nach heftigen Protesten beschloß das Kabinett im August zwar großzügigere Vorschriften. 800 der 1200 Kinder sollen nun bleiben dürfen - zum Beispiel, wenn sie mindestens fünf Jahre lang in Israel gelebt haben, Hebräisch sprechen und eine Schule oder die letzte Kindergartenklasse besuchen. Zudem müssen ihre Eltern legal in Israel eingereist sein. Aber bei der Hotline befürchtet man, daß dennoch weit mehr als 400 Kinder von einer Ausweisung bedroht sein könnten: Insgesamt leben derzeit vorsichtigen Schätzungen zufolge etwa 2000 ausländische Kinder in Israel, die nicht die vorgeschriebenen Aufenthaltsberechtigungen vorweisen können. Letztlich könnten nur etwa 300 von ihnen die neuen Voraussetzungen für ein Bleiberecht erfüllen, heißt es bei der Hotline. Die Behörden prüfen immer noch die Anträge der Kinder, obwohl eine letzte Gnadenfrist Anfang Oktober abgelaufen ist. »Die Ungewißheit ist besonders schlimm«, sagt Esthers Vater.
 
Innenminister Eli Jischai zeigt sich davon unbeeindruckt. Für ihn sind nichtjüdische Ausländer und besonders ihre Kinder eine Bedrohung für den Staat Israel. Sie würden »die jüdische Identität Israels gefährden und stellen eine demographische Gefahr dar«, warnt der Politiker der ultraorthodoxen Schas-Partei. Jischai wirft den Eltern vor, die Kinder zynisch als menschliche Schutzschilde zu mißbrauchen, um zu verhindern, daß sie selbst abgeschoben werden. Doch der Innenminister führt mittlerweile einen einsamen Kampf. Israelis fast aller politischen Lager setzten sich dafür ein, daß die Kinder bleiben dürfen: Die Ehefrau des Ministerpräsidenten Netanjahu ebenso wie Staatspräsident Peres und Holocaust-Überlebende. Mehr als 200 Familien und einige Kibbutzim boten an, die Kinder notfalls vor der Polizei zu verstecken. Eine Deportation stehe im Widerspruch zum jüdischen Glauben, sagte Verteidigungsminister Barak. Die seit Monaten andauernden Proteste scheinen Wirkung zu zeigen; bisher wurden keine Abschiebungen bekannt. Dafür strömen weiter neue Gastarbeiter ins Land. 2009 Jahr erteilte Jischais Innenministerium 120 000 Arbeitsgenehmigungen. Nach einer Übersicht des Parlaments hielten sich 2009 fast 250 000 Ausländer in Israel auf, knapp die Hälfte davon illegal. Anderen Schätzungen zufolge könnte es in Israel mit seinen 7,6 Millionen Staatsbürgern jedoch weit mehr als 300 000 Illegale geben. Unter den Ausländern befinden sich allein bis zu 20 000 afrikanische Flüchtlinge. Diese schiebt Israel meist nicht ab, erkennt sie aber nur in Ausnahmefällen als Asylbewerber an: Nur vier waren es 2009, weniger als 200 waren es insgesamt seit der Staatsgründung.
 
Inzwischen mehren sich die Forderungen nach einem neuen Ausländerrecht in Israel. Nicht nur Erziehungsminister Gideon Saar aus Netanjahus Likud-Partei verlangt zum Beispiel, endlich die Drehtür-Politik, die daraus besteht, neue Gastarbeiter zu holen und gleichzeitig andere abzuschieben, zu beenden. So verliert ein Arbeitsvisum seine Gültigkeit, wenn der alte Arbeitgeber kurz nach der Ankunft eines ausländischen Pflegers stirbt und er nicht binnen kurzer Zeit eine neue Anstellung findet. Saar verlangte auch, die illegale Einwanderung über die ägyptische Grenze schleunigst zu stoppen. Monatelang stritten die Minister darüber, wer für die umgerechnet 200 Millionen € aufkommen soll, die der geplante Hochsicherheitszaun an der ägyptischen Grenze kosten wird. Eigentlich ist Israel ein Einwanderungsland. In dem jüdischen Staat stehen jedoch die Türen nur für Juden weit offen. Im vergangenen Jahr ließen sich dort 18 000 jüdische Neueinwanderer nieder. Doch frühere Regierungen zeigten sich durchaus pragmatisch. Vor vier Jahren erhielten unter Ministerpräsident Olmert 900 Kinder und ihre Eltern in einer einmaligen Ausnahmeregelung ein permanentes Aufenthaltsrecht. Esthers Vater Oscar gibt deshalb die Hoffnung nicht auf. »Als Flüchtling lebt man wie auf einem Teppich, der einem von vielen Seiten unter den Füßen weggezogen werden kann. Aber letztlich weiß keiner, was kommt«, sagt er.
 
 
1http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-11186592   4. 9. 10 
Thousands of people have been attending rallies in Paris and 130 other French towns to protest at the government's policy of deporting Roma people.
2 http://www.lefigaro.fr/politique/2010/09/16/01002-20100916ARTFIG00745-roms-les-milliards-de-l-union-europeenne-sous-employes.php    17. 9. 10
3http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=17092010ArtikelPolitikElsaesser1   17. 9. 10  Von Jürgen Elsässer - Wie die EU die Roma schützen und Frankreich zerstören will
4 Quelle: F.A.Z. vom 13.10.2010, Nr. 238 / Seite 3
Die Angst des Ministers vor den Ausländerkindern Israels Innenminister will rund 400 Kinder abschieben - sie seien eine Gefahr »für die jüdische Identität«  / Von Hans-Christian Rößler