Ausschaffungspraxis heute - Von Ulrich Schlüer

Goran und Milan, beide aus dem Balkan, leben nunmehr seit einigen Jahren in der Schweiz. Keiner von beiden übt einen ordentlichen Beruf aus.

Sie sind nicht miteinander verwandt, lernten sich jedoch bei ihrem kriminellem Tun mehr oder weniger zufällig kennen. Beide sind »notorische Kunden« der Polizei. Goran, der 31 Jahre alt ist und seit 2004 in der Ostschweiz lebt, ist der Polizei sozusagen als Stammkunde bekannt. Inzwischen sind auf seine Person 47 Vorgängepolizeilich registriert. Vor allem Einbrüche und Diebstahldelikte.
 
Strafverfolgung heute
Goran hat gelernt, wie er sich gegenüber der Polizei zu verhalten hat, damit zulasten seiner Person nichts Ernsthaftes geschieht: Er gibt auf Fragen grundsätzlich nie Antwort, wie es ihm sein vom Steuerzahler besoldeter Anwalt beigebracht hat. Dieser Anwalt besorgt den Verkehr mit den Ermittlungsbehörden, wofür ihn die Öffentlichkeit bezahlt. Abgesehen von seinen krummen Touren hat er keinen Beruf. Für seine Frau und seine zwei Kinder bezieht er Sozialhilfe. Selbstverständlich fährt er ein Auto. Und es gelang ihm, eine Niederlassungsbewilligung zu ergattern. Da für Fälle wie Goran selbst gegenüber Einbürgerungsbehörden streng auf Datenschutz geachtet wird, macht sich Goran gar Hoffnung, in einigen Jahren Schweizerisch Staatsbürger zu werden.
 
Massiv kriminell
Im September 2009 wurde Goran bei einem Delikt erwischt, das die Grössenordnung seiner bis dahin verfolgten Kriminalität sprengt. Er wurde des »bandenmässig begangenen Einbruchdiebstahls« angeklagt und sass sogar einige Wochen in Untersuchungshaft. Im Dezember 2009, das Gerichtsverfahren hatte noch nicht begonnen, kam er erneut auf freien
Fuss; das Fluchtrisiko wurde als gering eingeschätzt, weshalb eine längere Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei. Dies verfügten die Untersuchungsbehörden. Dass bei dem »bandenmässig begangenen Einbruchdiebstahl« auch massive Gewaltanwendung gegen »zufällig anwesende Personen« stattfand, konnte nicht ins Gewicht fallen, da der Nachweis,
welches Bandenmitglied die Gewalt verübt hatte, nicht einwandfrei erbracht werden konnte. Gorans Verteidiger nutzte diese Chance. Er liess Goran markante Worte gegen die Gewaltanwendung, die bedauerlicherweise ein anderer begangen hätte, äussern. Der Verteidiger erachtete eine solche Distanzmarkierung gegenüber der Gewalttätigkeit als erforderlich. Schliesslich droht Goran früher begangener Delikte wegen, für welche eine Probezeit angeordnet worden war, noch eine 20-monatige Gefängnisstrafe.
 
Helfer für Kriminaltouristen
Im Februar 2010 wurde Goran - noch immer auf seinen Prozess wartend - erneut verhaftet. Erneut wegen Beteiligung an bandenmässig begangenem Einbruchdiebstahl. Er war allerdings der einzige seiner Bande, welcher der Polizei in die Fänge geriet. Seine Kumpane waren Kriminaltouristen, unmittelbar vor der Straftat eingereiste Einbruchspezialisten, die nach begangenem Delikt sofort wieder über die Landesgrenze zu verschwinden pflegen. Typische Kriminaltouristen eben, für die Goran wohl die Funktion des Auskundschafters übernommen hatte, selbstverständlich mit Gewinnbeteiligung. Die Verhaftung Gorans hatte für diesen keine gravierenden Folgen: wenige Tage danach war er wieder ein freier Mann, der nunmehr lediglich auf seinen Prozess wartet, der  inzwischen eine verlängerte Deliktliste aufweist.
 
Frust empfanden lediglich die Polizisten, die Goran im September 2009 und im Februar 2010 nach offensichtlich nachweisbaren Einbruchsdelikten, bei denen massive Gewaltanwendung im Spiel war, verhaftet hatten: Was nützt die polizeiliche Ergreifung eines notorischen Einbrechers, was nützt die polizeiliche Aufklärung von Straftaten, wenn Ausländer, die während Jahren hier in der Schweiz ausschliesslich kriminell tätig sind, ihr Handwerk jahrelang weitgehend ungehindert ausüben können, da seitens der Justiz nie irgend etwas Spürbares - zum Beispiel eine Ausweisung - erfolgt? Das Wirken der
Justiz wurde für die Polizei lediglich aus Datenschutz-Anweisungen erfahrbar: Auch der notorische Delinquent, auch der mehrfach bei massiven Verbrechen aufgegriffene ausländische Täter habe das Recht, dass aus seiner amtlich registrierten Biographie sämtliche Angaben über den Antritt und die Beendigung von Gefängnisstrafen gelöscht werde. Die Gesellschaft darf, damit Goran unbelastet in ihr zirkulieren kann, nichts von den 47 polizeilich registrierten Straftaten erfahren, die er auf dem Kerbholz hat.
 
Der Fall Milan ist mit dem Fall Goran verbandelt. Die beiden, sie sind beide notorische Einbrecher, lernten sich im Gefängnis kennen. Ob die Bekanntschaft schon früher, als sie noch im Balkan wohnhaft waren, bestand, war den nicht nachzuweisen. Als unwahrscheinlich erscheint indessen eine solche alte Bekanntschaft nicht. Milan ist fünf Jahre älter als Goran. Auch er besitzt eine Niederlassungsbewilligung für die Schweiz. Als notorischer Einbrecher wurde die erste Polizeiakte über Milan im Jahr 2002 eröffnet. Seither ist auch er Stammkunde bei der Polizei. Einem ordentlichen Beruf geht er seit Jahren nicht mehr nach. Mit seiner Familie lebt er in der Schweiz. Für die Familie bezieht er Sozialhilfe. Er fährt einen grossen BMW. Die Polizisten, die regelmässig mit ihm zu tun haben, betrachten ihn als Schwerverbrecher. Milan operiere meist zusammen mit andern Ausländern und gilt  polizeilich als Organisator von Diebestouren bandenmässig operierender Kriminaltouristen
aus dem Balkan. Deren Tätigkeit ist fast immer mit Gewalt verbunden. Milan wird als brutal eingeschätzt.
 
Sowohl der Fall Goran als auch der Fall Milan sind authentisch. Der sifa sind die tatsächlichen Namen, die Wohn- und Wirkungsfelder der beiden notorisch kriminellen Ausländer bekannt. In Respektierung der schweizerischen Datenschutzbestimmungen dürfen präzise Angaben zu beiden Tätern nicht veröffentlicht werden. Die Biographien von Goran und Milan wurden uns von Polizisten zur Kenntnis gebracht, die mit den beiden intensiv zu tun hatten und wohl weiter zu tun haben werden. Diese Polizisten lesen die gegenwärtigen, im Vorfeld der Volksabstimmung über die Ausschaffungsinitiative häufig abgegebenen
behördlichen Beteuerungen, wonach gemäss geltendem Recht »schon heute« viele Ausweisungen erfolgen würden. Mittels Goran und Milan als Beispiele äussern sie ihre Empörung angesichts der von blinden oder die Kriminalität beschönigenden Politikern geäusserten Behauptungen zur heutigen Ausschaffungspraxis. Auch diese Polizisten wissen, dass auf Grund der heutigen Rechtslage die fremdenpolizeiliche Wegweisung notorischer ausländischer Krimineller theoretisch möglich wäre. Sie wissen aus bitterer Erfahrung aber auch, dass eine solche Wegweisung tatsächlich nur höchst selten erfolgt. Und vor allem wissen sie bis zum Überdruss, dass gegen verfügte Wegweisungen regelmässig alle Rekurs- und Einsprachemöglichkeiten buchstäblich bis zum Geht-nicht-Mehr ausgenützt werden, womit nicht selten eine derartige Verzögerung der verfügten Ausschaffung eintritt, dass die tatsächliche Ausschaffung - obwohl rechtsgültig über alle Instanzen verfügt - schliesslich »aus Gründen der Verhältnismässigkeit« nicht mehr erfolgt - weil sich die armen Verbrecher in jenem Land, aus dem sie zwar herkommen, wegen allzu langer Abwesenheit möglicherweise nicht mehr zurechtfinden könnten…
 
Diese Ausschaffungspraxis bleibt uns erhalten, wenn am 28. November 2010 der SVP-Ausschaffungsinitiative nicht zugestimmt werden sollte.