Libyen - Sie haben es geschafft: sie bomben - Von Doris Auerbach

Es ist schlechterdings unfassbar, dass die EU-Bürger unter einem Aufwand von Kosten in Millionenhöhe ein Parlament zu finanzieren haben,

das sich für eine Flugverbotszone aussprach, obwohl sich das EP darüber im klaren sein musste, dass eine solche in nichts anderes münden kann als in einen weiteren Kriegsschauplatz. Nun heisst es in der Resolution Nr. 1973, dass es den UN-Mitgliedstaaten erlaubt ist, »alle erforderlichen Massnahmen« zu ergreifen, um Gewalt von libyschen Zivilisten abzuwenden. Aus Militärkreisen in Paris verlautet, dass auch französische Kampfflugzeuge Panzer der regierungstreuen Truppen angegriffen hätten. Und das soll keine Gewalt sein! Tatsache ist, dass jeder militärische Einsatz zivile Opfer fordert!
 
Mitwirkung und Einfluss der Drahtzieher im Hintergrund, denen die Tagespresse, wenn überhaupt, dann nur äusserst verschämt eine Spalte gönnt, haben wir bereits auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1699  aufgezeigt. So schreibt auch der Deutsche Freidenker-Verband: »Das Ziel liegt auf der Hand. Es geht um geopolitische Machtfragen sowie den Zugriff auf die Erdöl- und Erdgasvorkommen des Landes. Die nationalisierte Ölproduktion soll wieder unter die Kontrolle der Ölmultis kommen. Die Propagandamaschine läuft auf Hochtouren, um schnell ein paar ehrenhafte Kriegsgründe vorzuschieben. Die von den Kriegstreibern ausgerüstete monarchistische Rebellenarmee wird als Demokratiebewegung geadelt. Die französischen, britischen und US-Imperialisten haben das Entstehen der echten Demokratiebewegung in der arabischen Welt, die sich gegen westliche Lakaien richtet, ausgenutzt, um den Bürgerkrieg in Libyen zu entfachen, der sich nur scheinbar in die Vorgänge in den Nachbarländern einreiht, denn bei näherem Hinsehen ist die Situation in Libyen, dem Land mit der geringsten Armut auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, eine andere. Die Rebellen kommen nicht von der Straße, sondern sie sind gezielt aufgebaut, bewaffnet und vom CIA trainiert worden, um die Zentralregierung zu destabilisieren. Anders als in Tunesien, Ägypten, Bahrain oder im Jemen schwenken sie nicht die Staatsflagge, welche die nationale Befreiung vom kolonialistischen Joch symbolisiert, sondern die alte Flagge des Königreichs Libyen, die Flagge der kolonialen Sklaverei. Eine humanitäre Intervention ist erfahrungsgemäß die Tarnung für einen imperialistischen Raubkrieg. Die Angriffe, vorgeblich zum Schutz von Zivilisten, werden zuerst zivile Opfer fordern. Nach der aus Jugoslawien, Irak und Afghanistan bekannten Strategie werden die Angriffe auf eine maximale Zerstörung der zivilen Infrastruktur abzielen. Ob die Regierung Muammar al-Ghaddafis zum Wohl des libyschen Volkes handelt, kann das Volk nur in freier Selbstbestimmung entscheiden. Eine vom Ausland unterstützte Rebellenarmee kann niemals die Interessen des libyschen Volkes vertreten, schon gar nicht, wenn sie unter der Deckung von Bombenangriffen kämpft.« 1
                                  
Die Friedensbewegung in Deutschland hat vor einer Kriegseskalation in Libyen im Fall einer NATO-Intervention gewarnt und der Bundesausschuss Friedensratschlag hatte die Bundesregierung am 9. 3. aufgefordert, sowohl in der NATO als auch in der EU sowie im UNO-Sicherheitsrat allen Bestrebungen entgegenzutreten, die ein militärisches Eingreifen in dem nordafrikanischen Land zum Ziel haben. »Was die Bevölkerung in Libyen am dringendsten braucht, sind ein Waffenstillstand und internationale Bemühungen - vor allem von seiten der Afrikanischen Union - um eine neutrale Vermittlung zwischen den Konfliktparteien«, heisst es ihrer Stellungnahme. Die Arabische Liga hatte zunächst Berichten aus Frankreich zufolge, dass sie ein Flugverbot befürworte, widersprochen: »Wir werden kein unilaterales Vorgehen unterstützen, und wir werden keine Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Libyens tolerieren«, sagte Liga-Sprecher Hescham Jussef am 8. März. Voll auf NATO-Interventionskurs ist dagegen der sogenannte Golfkooperationsrat, in dem die reaktionären Regimes Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman zusammengeschlossen sind. Am 12. März erklärte dann jedoch Amr Mussa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, »es gehe darum, dem libyschen Volk in seinem Freiheitskampf gegen ein zunehmend menschenverachtendes Regime mit einer Flugverbotszone beizustehen. Das sei eine humanitäre Aktion. Nach Angaben des ägyptischen Staatsfernsehens einigten sich alle, bis auf Syrien und Algerien, auf eine entsprechende Forderung an den UN-Sicherheitsrat 2. Wie es mit der Humanität in den genannten Regimes steht, wird problemlos übergangen.
 
Die Entscheidung Aussenminister Westerwelles
»Wir haben das sehr gründlich erwogen und eine grundsätzliche Entscheidung getroffen«, lautete die Erklärung Guido Westerwelles gegenüber dem Spiegel zum Stimmverhalten Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat. Er sehe sich in einer Tradition der militärischen Zurückhaltung, sagte er dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Es sei verständlich, dass die Aufständischen um Unterstützung gebeten hätten. »Aber wieso hat der Westen die primäre Verantwortung und nicht die Staaten der Region, vor allem die Arabische Liga?«, fragte der Aussenminister. Gegenüber dem Münchner Magazin Focus sagte Westerwelle, dass die Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi «noch lange nicht ausgeschöpft seien.«. Auch fügte er hinzu, dass man dabei bedacht habe, dass jeder Militäreinsatz auch zivile Opfer fordert. Merkel indessen erklärte, dass man die Ziele der Resolution aber dennoch uneingeschränkt teile, was im Klartext nichts anderes bedeuten kann, als dass sie die Folgen, die bereits eingesetzte Bombardierung, wohl in Kauf genommen hat. Und gerade die werden die meisten zivilen Tote fordern. 3  
 
Zumindest ich bin fassungslos, wenn ich lesen muss, dass die SPD und das Bündnis 90/Die Grünen die Kriegsresolution des UNO-Sicherheitsrats begrüsst haben und die Sozialdemokraten die »Zurückhaltung« und »Mutlosigkeit« der Bundesregierung, weil sie sich bei der Abstimmung im UN-Gremium enthalten hatte, kritisierten 4. Wie viele Kriege, wie viele Massaker, Migrationsströme und irreversible Zerstörungen müssen sich eigentlich noch ereignen, bevor diese Parteien erkennen, dass uns all dies einen weiteren Schritt näher an den Abgrund bringt? Offenbar haben die Grünen nichts dazu gelernt: Waren sie es doch,  die für den Jugoslawienkrieg eintraten, in dessen Verlauf die Bundeswehr die Serben bombardierte und die NATO die Lebensgrundlagen der Bevölkerung, indem Schulen, Krankenhäuser, Geburtskliniken, Wohnhäuser, Fabriken, Wasser- und Elektrizitätswerke ihr bevorzugtes Ziel waren. Soll ein jetzt einsetzender Bombenterror der westlichen Wertegemeinschaft  - die diese Bezeichnung in meinen Augen längst verspielt hat - der zum Jahrestag der US-Invasion im Irak beginnt, die gleichen Folgen zeitigen? Genau 8 Jahre nach der Bombardierung von Bagdad wird nun Libyen ins Visier genommen und mit einer Seeblockade bedacht. Eigentlich sollte an die Vertreter obiger Gesinnung die Aufforderung ergehen, sich als Freiwillige auf das Nachkriegsschachtfeld zu begeben, was ihnen durchaus die Augen öffnen könnte, da ihnen dies in ihrer wohlabgesichertern Umgebung zu Hause offensichtlich nicht möglich ist. Im Prinzip könnte man auf Parteigänger dieser Art verzichten, denn jede Kriegsgurgel weniger wäre ein Segen für die Menschheit. Leider hatten auch einzelne CDU-Politiker die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat zu Libyen kritisiert.
 
Kaum hatte Westerwelle seinen den Bestrebungen der Angriffswilligen entgegenstehenden Standpunkt dargelegt, sah er sich - wie dies zu erwarten war - mancherlei Anfeindungen ausgesetzt: So hiess es beispielsweise, die Stimmenthaltung Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat sei ein Fehler mit unabsehbaren politischen Kosten, so ein hoher französischer Diplomat in Le Figaro. Sie drohe, eine Krise der EU-Aussenpolitik heraufzubeschwören. Eine solche ist allerdings nirgendwo in Sicht, zumal die führende Rolle von Frankreich selbst übernommen worden ist - dies im Zusammengang mit Grossbritannien - und die Militäraktion nicht von der NATO geführt werden soll. Auch die USA erklärte, die führende Rolle Frankreich und England überlassen zu wollen. Alain Juppé, der französische Aussenminister meinte, er könne sich nicht daran erinnern, wann Deutschland und Frankreich zuletzt in einer entscheidenden aussenpolitischen Frage so grosse Divergenzen aufwiesen. »Es gibt Augenblicke, in denen man sich seiner Verantwortung stellen muss. Nichtstun hätte für die Bevölkerung in Benghasi und in anderen libyschen Städten katastrophale Folgen. …... Nichtstun hätte auch verheerende Folgen für die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen und der Demokratien. Es wäre ein Signal an alle Diktatoren dieser Erde, dass sie ihre Arbeit ohne Risiko fortsetzen können«, sagte Juppé. »Politisch-philosophische Erwägungen über Gefahren von militärischen Einsätzen würden dieser Frage nicht gerecht.«
 
Was nun das Nichtstun betrifft, so kann man den Verantwortlichen durchaus anlasten, dass sich dieses Nichtstun gerade auf der Ebene der Friedensstiftung manifestiert, was das Gefühl hinterlässt, dass man die Kriegshandlungen nicht schnell genug eröffnen konnte. Vielleicht könnte sich Herr Juppé eingestehen, dass die UNO infolge ihrer immer wieder zutage tretenden totalen Unfähigkeit, einen Krieg zu verhindern, ihre Glaubwürdigkeit bei allen Friedliebenden längst restlos eingebüsst hat. Was die politisch-philosophischen Erwägungen im Zusammenhang mit Angriffskriegen betrifft, so kann ich diese leider nur in die Kategorie des mich verdummenden Geschwätzes einreihen. Und ganz sicherlich ist sich Juppé - ohne dies auszusprechen - durchaus im klaren darüber, dass sich die von ihm zitierten Diktatoren, mit denen die EU-Wertegemeinschaft in den zurückliegenden Jahren so glänzend geschäftet hat - sei es auf dem Gebiet der Rüstung oder des Einstiegs in EU-Konzerne - auch in Zukunft keineswegs bedroht zu fühlen brauchen, fahren sie damit fort, den westlichen Interessen zu Diensten zu sein. Es war übrigens Martine Aubry, die sozialistische Parteivorsitzende, die nach den ergebnislosen Verhandlungen der Aussenminister der G-8 am 15. 3. am lautesten ein militärisches Eingreifen zugunsten der libyschen Bevölkerung gefordert hatte: »Wir haben es vermasselt, einem gepeinigten Volk beizustehen, das nun auf Grund der Unfähigkeit der Mächtigen dieser Erde, sich zu einigen, noch mehr gemartert wird.« Auch die franzöischen Grünen, Kommunisten und die Linkspartei unterstützen die Flugverbotszone. Man muss sich einmal vor Augen halten, was uns die Regierenden an Ungereimtheiten bieten! Nur die extreme Rechte unter Marine Le Pen lehnte ein militärisches Vorgehen gegen Libyen ab. Es sei an den arabischen Staaten, »innerhalb ihres zivilisatorischen Gebiets« zu intervenieren, erklärte sie, worin ich ihr voll beipflichte, rechtsextrem hin, rechtsextrem her. 5  
 
In der Basler Zeitung vom 19. 3. liess uns Stephan Israel folgendes wissen: »Eine Koalition der Willigen zieht in den Krieg. Die EU und die Nato geben ein trauriges Bild dabei ab. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen machte gestern im Brüsseler Hauptquartier der Allianz eine unglückliche Figur. Er begrüsste die UNO-Resolution zu Libyen als starke und deutliche Botschaft an das Gaddafi-Regime. Doch während eine Koalition der Willigen aus Franzosen, Briten und Amerikanern sich anschickt, in den Krieg gegen Gaddafi zu ziehen, sind dem Chef der mächtigsten Militärallianz der Welt vorerst die Hände gebunden.« Erstens hat letzteres sicherlich ganz bestimmte Gründe, die im Moment nicht weiter offengelegt werden - wenn wir sie denn je erfahren - da Rasmussen am 7. März in Brüssel erklärt hatte, die NATO hätte ihre Planungen für militärische Interventionen in Libyen abgeschlossen und der Militärpakt sei zu einem Eingreifen bereit, man habe jedoch nicht vor, ohne Mandat der UNO zu operieren. Zweitens ist unbegreiflich, wieso die EU ein trauriges Bild abgeben sollte. Könnte sich Herr Israel vielleicht einmal vergegenwärtigen, was auf die EU-Staaten, von denen einige nachweislich am Rande des Staatsbankrotts stehen - bei einem Gesamteintritt in diesen erneut völkerrechtswidrigen Krieg an militärischen Kosten zukäme?  Und möchte sich der Autor einmal überlegen, was durch diesen unseligen Angriff an kostenverschlingenden Asylantenströmen auf uns wartet? Darüber hinaus empfinde ich den Tenor beider Feststellungen eher als untragbar: Wir sind kriegsmüde, Herr Israel, sollten Sie das noch nicht realisiert haben. Wenigstens hat die Türkei grundsätzliche Bedenken gegenüber einer militärischen Intervention geäussert, wie der Autor festhält; letzteres möchte ich durchaus als dankenswert hervorheben, da dieser nicht unerhebliche Hinweis sonst in keiner anderen Presse zu finden war. 6  
 
Auch Dieter Ruloff, Professor für internationale Beziehungen an der Uni Zürich, fiel offenbar nichts Besseres ein, als die deutsche Politik der letzten Tage als Desaster zu bezeichnen 7. Auf die Frage, warum sich die Russen und die Chinesen der Stimme enthalten haben, lautet seine Erklärung: »Die beiden Staaten berufen sich immer wieder auf Artikel 2 der UNO-Charta. Da heisst es, dass man sich nicht in innere Angelegenheiten anderer Staaten einmischt. Sowohl China als auch Russland sind darauf bedacht, dass dies eingehalten wird. Hintergrund sind natürlich die Konflikte, welche den beiden Staaten zu schaffen machen. Ich spreche vom Kaukasus einerseits und dem Tibet sowie den Uiguren-Gebieten in China andererseits.« Ob das nun der wirkliche Grund war, bleibt offen. Die vor sich gehenden Unruhen brauchen durchaus nicht ausschlaggebend zu sein, zumal man sich eingestehen muss, dass von den wirklichen Beweggründen in der Regel nichts zu uns dringt, allenfalls nach dem Geschehen, wie dies auch im Irakkrieg der Fall war. »Peking und Moskau«, so Ruloff ferner, »sagen zwar, sie machten bei einer gemeinsamen Aktion in Libyen nicht mit. Aber sie sperren sich auch nicht dagegen.« Solches wäre ihnen auch gar nicht möglich: es sei denn, sie wollten es auf eine direkte Konfrontation mit dem British Empire ankommen lassen. »Die Enthaltung der Deutschen«, erfährt man ferner, »wird noch zu reden geben. Bei Franzosen und Briten kommt das sicher gar nicht gut an, um es einmal milde zu sagen. In Paris und London wird man sich fragen, warum Berlin ihnen in den Rücken fällt.« Zu reden gibt sie bereits. Seit wann bedeutet im übrigen die Nichtbeteiligung ein einem Krieg, dass man den anderen in den Rücken fällt? Letztlich ist das Arsenal der Briten und Franzosen, die ja inzwischen die führende Rolle übernommen haben, wahrhaftig gross genug, um ohne die Deutschen auskommen zu können. Italien hat sich bereits eingeschaltet; die USA ihrerseits hat zwar erklärt, sie werde keine Bodentruppen in das nordafrikanische Land entsenden, »vielmehr würde das amerikanische Militär seine speziellen Fähigkeiten zur Verfügung stellen, um der Weltgemeinschaft bei der Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen zu helfen.« Zu letzteren waren zwar keine Details zu erfahren, dennoch können sie für meine Begriffe nichts, aber auch gar nichts Gutes bedeuten. Und was die Weltgemeinschaft angeht, so besteht diese im vorliegenden Fall in Tat und Wahrheit einzig und allein aus denjenigen, die diesen Krieg wollen, nicht aber aus den Völkern dieses Globus. Insofern kann von einer Gemeinschaft auch nicht der Hauch einer Rede sein. Eine weitere Frage in dem mit Ruloff geführten Interview lautete, ob sich die arabischen Staaten am Militärschlag gegen Libyen beteiligen werden. Die Antwort: »Es ist wünschenswert, und ich gehe auch davon aus. Die Arabische Liga hat ein Flugverbot befürwortet. Damit senden die Regierungen der Länder in der arabischen Welt Signale an ihre Völker. Man will zeigen, dass man die Unzufriedenheit versteht. Und es soll absolut klar werden, dass Gaddafi nicht mehr gestützt wird.« Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie man anschliessend an den unter unglaublichen Lügen und Täuschung der Öffentlichkeit durchgeführten Irakkrieg des Jahres 2003, der das Land der totalen Zerstörung preisgeben hat - die 14 Regionen, die durch den Einsatz von DU-Munition für immer unbewohnbar geworden sind, nicht eingerechnet - und neben dem seit Jahren tobenden Inferno in Afghanistan eine Stellungnahme veröffentlichen kann, die  - zumindest empfinde ich das so -  einem Flächenbrand in Nordafrika das Wort redet. Auch die Beurteilung der  Bundesrepublik kann ich nicht billigen: dieses Land sieht sich trotz seiner nie mehr tilgbaren Verschuldung gezwungen, Milliardenkredite für halbwegs bankrotte EU-Länder zu garantieren, hat einen Anteil von 47 % Migranten, die ausschliesslich von Hartz IV leben, eine auf Grund leerer Kassen nachweislich zerfallende Infrastruktur, und dann soll es sich noch Vorhaltungen machen lassen, weil es nicht in den Krieg zieht? Wie wäre es einmal mit einem Interview, das sich klar für Frieden ausspräche? Als völlig unverständlich betrachte ich ferner den Fakt, dass Ruloff mit keinem Wort darauf eingeht, in welcher Weise die USA und die CIA an der Auslösung der Aufstände beteiligt sind. Und gerade dies wird auffälligerweise versäumt, in der Tagespresse darzulegen.
 
Gaddafi selbst hat die UNO-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone in seinem Land als ungültig bezeichnet. In einem Schreiben an den amerikanischen Präsidenten, das Regierungssprecher Mussa vorlas, habe Gaddafi seine Entscheidung gerechtfertigt, von Aufständischen gehaltene Städte anzugreifen. »Wenn amerikanische Städte mit Waffengewalt übernommen würden, sagen Sie mir, was Sie tun würden«, erklärte Gaddafi. In einem weiteren Schreiben an Sarkozy, den britischen Premierminister David Cameron und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon legte er völlig richtig dar, dass die UNO-Resolution gegen die UN-Charta verstosse, die jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedslandes verbiete. Der Westen werde jegliche militärische Intervention bereuen: »Libyen steht nicht euch zu, Libyen steht den Libyern zu«. 8
 
Was die Lage als solche betrifft, so berichtete Hauke Ritz in der Jungen Welt:
»Sollte auch die Stadt Bengasi in die Hände der regierungstreuen Truppen fallen, wäre die Aufstandsbewegung massiv geschwächt. Ghaddafis Offensive stellt deshalb für die USA und die EU ein ernstes Problem dar, was in den hektischen Bemühungen um eine Flugverbotszone seinen Ausdruck findet. Die NATO-Staaten unterstützten im Falle Libyens die Opposition vom ersten Tag an. Damit haben die westlichen Staaten zugleich einen prekären Kompromiß aufgekündigt, der ihre Beziehungen zu Libyen seit 2003 bestimmt hatte. Wurde Ghaddafi über Jahrzehnte mal dem sowjetischen Lager, mal dem der blockfreien Staaten zugeordnet, so hatte er sich unter dem Eindruck des Irakkriegs dazu bereit gefunden, westliche Ölkonzerne ins Land zu lassen. In den letzten Jahren wurde sogar eine neoliberale Wirtschaftspolitik eingeleitet. Zudem ließ sich Ghaddafi zu einem Vorposten zur Abwehr von Flüchtlingen aus Afrika machen. Sollte er die Unruhen als Machthaber überleben, ist eine Wiederaufnahme dieses Kompromisses nicht zu erwarten. Eine Neuausrichtung der libyschen Außenpolitik in Richtung China, Rußland und Iran wäre stattdessen die Alternative und wurde von Ghaddafi auch bereits angekündigt. Die USA und die EU stünden somit mit leeren Händen da. Entscheidend dürfte sein, daß sich die Beziehungen der USA und der EU zur arabischen Welt insgesamt in einer schweren Krise befinden. Zwar haben die Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten bislang nur zur Absetzung der Diktatoren Ben Ali und Mubarak geführt, während die Elite dieser Länder, durch die der Westen seinen Einfluß entfaltet, nach wie vor an der Macht sind. Doch sind die USA und die EU allgemein damit konfrontiert, daß die Revolten in der arabischen Welt einen zunehmend panarabischen Charakter annehmen und zur Entstehung eines länderübergreifenden arabischen Nationalbewußtseins führen könnten. In diesem Fall wäre der westlichen Dominanz der arabischen Welt enge Grenzen gezogen. Denn seit dem 19. Jahrhundert beruht die Strategie europäischer Staaten darauf, die unterschiedlichen Gruppen und Länder der arabischen Welt zu teilen und gegeneinander auszuspielen. Die Entstehung eines panarabischen Nationalbewußtseins stellt daher für die USA und die EU eine ernste Gefahr dar. Vor diesem Hintergrund ist die schnelle Unterstützung der libyschen Aufstandsbewegung zu verstehen. Denn hier richten sich die Proteste gegen einen Diktator, der zumindest bis 2003 gegen den Westen opponiert hatte. Die Unterstützung der Aufständischen zielt darauf ab, die gesamte arabische Protestbewegung auf das europäische Demokratiemodell hin auszurichten. So soll die Entstehung eines panarabischen Nationalbewußtseins verhindert werden. Der Vormarsch von Ghaddafis Truppen scheint diese Kalkulation allerdings zunichte zu machen.« 9
 
Sarkozy sieht das naturgemäss etwas anders: »Weitere französische Flugzeuge stehen bereit, um gegen Panzer zu intervenieren, die Zivilisten bedrohen. Es gehe darum, die Libyer zu verteidigen, damit sie selbst ihr Geschick in die Hand nehmen könnten.« Man wird sehen, ob sich diese Worte je erfüllen, hält man sich den Einfluss Washingtons und der CIA auf die gegenwärtigen Revolutionen vor Augen; und es ist kaum anzunehmen, dass dieser nach dem Sturz der Diktatoren ein Ende nähme. Und dies alles im Namen der internationalen Gemeinschaft, zu der ich mich lediglich dann zu zählen habe, wenn es an die Übernahme der Kriegs- und Kriegsfolgekosten geht, aber nie, wenn es um die Entscheidung über Krieg und Frieden geht: dann bin ich jeweils restlos ausgeschlossen.
 
 
 
1 http://www.freidenker.org/cms/dfv/ Hände weg von Libyen!
ViSdP: Deutscher Freidenker-Verband, Klaus Hartmann, Schillstr. 7, 63067 Offenbach am Main, vorstand@freidenker.de   vom 18. März 2011
2 http://www.bz-berlin.de/archiv/arabische-liga-will-flugverbot-ueber-libyen-durchsetzen-article1138976.html   13. 3. 11 Generalsekretär Amr Mussa: Eine humanitäre Aktion Arabische Liga will Flugverbot über Libyen durchsetzen
3http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=13053&title=Merkel+und+Westerwelle+verteidigen+Libyen-Enthaltung&storyid=1300467808806   18. 3. 11 und http://bazonline.ch/ausland/die-arabische-revolution/Franzoesische-Kampfjets-ueberfliegen-libysches-Gebiet/story/21947515?dossier_id=852  19. 3. 11
4 http://www.jungewelt.de/2011/03-19/061.php  NATO eröffnet neue Front - Von Rüdiger Göbel
5http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~E2DC42D7B00E04770B176B74E2A8D4054~ATpl~Ecommon~Scontent.html  18. 3. 11
6 http://bazonline.ch/ausland/die-arabische-revolution/Die-Nato-hat-eine-Statistenrolle-/story/21184856?dossier_id=852   19. 3. 11  Von Stephan Israel
7 http://bazonline.ch/ausland/Die-Enthaltung-der-Deutschen-wird-noch-zu-reden-geben/story/24464227?dossier_id=852  18. 3. 11  Von Matthias Chapman.  Nach langem diplomatischem Hickhack und politischem Gezerre ist der Weg für einen Angriff auf Ghadhafi frei. In dem Poker sei Berlin den Briten und Franzosen in den Rücken gefallen, sagt der Politologe Dieter Ruloff
8http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~E6962B8D36C7448058171D5A7B8C4641F~ATpl~Ecommon~Scontent.html   18. 3. 11
9 http://www.jungewelt.de/2011/03-18/010.php  Angst vor Ghaddafis Sieg - Von Hauke Ritz