Mubaraks Partei wird aufgelöst

d.a. Ein Verwaltungsgericht in Kairo hat am 16. April die Auflösung der früheren Regierungspartei Mubaraks, der Nationaldemokratischen Partei,

angeordnet; ihr Vermögen soll beschlagnahmt und ihr Hauptsitz sowie ihre Gebäude der Regierung übereignet werden. Inzwischen ist Hosni Mubarak bekanntlich für zunächst 15 Tage in Untersuchungshaft genommen worden, die er im Krankenhaus des Badeorts Scharm al Scheich verbringt. Als Grund hierfür gelten Herzprobleme, über die Mubarak während der ersten Vernehmung geklagt hatte. Die Anklage lautet auf Gewalt gegen Demonstranten, Korruption, Verschwendung öffentlicher Mittel und Missbrauch staatlicher Macht für persönliche Zwecke. Die Söhne Gamal und Alaa Mubarak sind ebenfalls in Haft genommen und in ein Gefängnis in der Nähe von Kairo gebracht worden. »Die amerikanische Außenministerin Clinton«, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, »rief die Führer der arabischen Staaten zu raschen politischen und wirtschaftlichen Reformen auf. ›Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es eine reale Möglichkeit zu einem Wandel‹, sagte Clinton in der Nacht zum 13. 4. vor dem amerikanisch-islamischen Weltforum in Washington. Der Übergang zur Demokratie könne nicht erreicht werden, wenn lediglich die Herrscher ausgewechselt würden. Die Führungen müssten vielmehr die ›Stimme des Volkes hören und auf seine Forderungen eingehen‹ sowie die Bürgerrechte und die Rechte von Minderheiten und Frauen achten, sagte Frau Clinton.« 1 Kennt man die Hintergrundagitationen der USA gerade auch bei der Revolution in Ägypten und die von Washington in Wirklichkeit angestrebten Ziele, so sieht man sich ausserstande, diesen Worte irgendeine Glaubwürdigkeit zuzubilligen; insofern überwiegen die Zweifel hinsichtlich der Frage, wo sich die USA eine echte Demokratie wünschte, wenn es um die Ressourcen geht. Was den Jemen, Bahrain oder Syrien betrifft, so rief Clinton laut FAZ die Staatschefs dazu auf, keine Gewalt anzuwenden und mit ›ausgestreckter Hand auf die Proteste zu reagieren.‹   
 
Offensichtlich vergass Clinton zu erwähnen, dass der treue Verbündete der USA, Saudi-Arabien, nicht unbeteiligt war, als der Einmarsch von Soldaten des Golf-Kooperationsrates in Bahrain Mitte März erfolgte, denn mehr als 1.000 saudi-arabische Soldaten wurden nach Bahrain entsandt, um die lokalen Sicherheitskräfte bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung zu unterstützen. Letztere bestehen zu einem grossen Teil aus in Pakistan und anderen sunnitischen Staaten angeworbenen Söldnern. »Während es die vom saudischen Königshaus angeführte arabische Reaktion in Libyen mit den Aufständischen hält«, so  Werner Pirker, »schickt sie nach Bahrain Truppen, um die dortige Volksbewegung militärisch niederzuschlagen. Obwohl deren Forderungen bisher nur auf die Durchführung von Reformen und nicht auf einen Regimewechsel gerichtet waren. Die dem monarchistischen Regime des Inselstaates von den Golf-Reaktionären geleistete brüderliche Hilfe dürfte wohl kaum ohne Absprache mit Washington erfolgt sein. In Bahrain ist immerhin die 5. US-Flotte stationiert, was zwingend ein US-höriges Regime voraussetzt. Versuche, die Rebellion wie in Libyen in eine prowestliche Richtung zu drehen, hätten dort kaum Erfolgsaussichten. Die USA hat die Invasion des Golf-Kartells deshalb auch keineswegs verurteilt, sondern nur um Zurückhaltung gebeten. Die Rechte des Volkes von Bahrain sollten respektiert werden, heisst es aus dem State Department. Während gegen das Ghaddafi-Regime die schwersten Verbalgeschütze, bis hin zum Vorwurf des Völkermordes, aufgefahren werden, behandelt man die Massaker vor den Toren der US-Marinebasis dezent als innere Angelegenheit. ….. Der iranische Fernsehsender Press TV hatte Aufnahmen saudischer Militärs gezeigt, die offenbar bei ihrem Vormarsch ins Landesinnere die Ortschaft Boori stürmten und dabei mehrere Menschen töteten.« 2 Wie die FAZ weiter berichtete, könnte die Liste der Anklagen gegen den verhassten Gamal Mubarak noch länger werden als die gegen seinen Vater. Denn ersterer ist für die Ägypter vor allem zum Inbegriff dafür geworden, wie die Teilhabe an der Macht zu persönlicher Bereicherung missbraucht wurde. Der frühere Investmentbanker war der Architekt der wirtschaftlichen Liberalisierung, die Ägyptens Reiche reicher und die vielen Armen noch ärmer gemacht hat. Er umgab sich mit neureichen Unternehmern, die das Regime zu seiner Stabilisierung kooptiert hatte und denen es privilegierten Zugang zu öffentlichen Ressourcen schuf, insbesondere zu Immobilien und zu privatisierenden Staatsbetrieben. 3
 
Wie die sogenannte Privatisierung ablief, geht aus dem Artikel von Emad Mekay hervor:
 
Ausverkauf eines Landes - Privatisierungen als Brandbeschleuniger der Revolution
In Ägypten hat der Ausverkauf staatlicher Betriebe im Zuge eines aggressiven Privatisierungsprogramms den Volksaufstand, der dem ehemaligen Staatspräsidenten Hosni Mubarak im Februar das Amt kostete, beflügelt. So wurden lukrative Unternehmen des Landes in Zusammenarbeit mit internatonalen Finanzorganisationen weit unter Wert verscherbelt - offenbar gegen den Willen der Armee. Wie Generalmajor Mohammed Al-Assar erklärte, gehörte das Militär zu den entschiedenen Gegnern des Privatisierungsprogramms. Diese Haltung habe die Streitkräfte auch dazu bewogen, sich auf die Seite der ägyptischen Öffentlichkeit zu stellen und die Revolution gegen die 30jährige Mubarak-Autokratie zu unterstützen, sagte Al-Asser, ein führendes Mitglied des Obersten Rates der Streitkräfte, der bis zum Antritt der neuen, demokratisch gewählten Führung die Regierungsgeschäfte innehat. Wie Al-Assar unlängst im staatlichen Fernsehen erklärte, hatte Feldmarschall Mohammed Tantawi, der Präsident des Rats und Verteidigungsminister, wiederholt Einwände gegen das Privatisierungsprogramm erhoben. Trotzdem sei es unter der Federführung der US-Entwicklungsbehörde USAID, Weltbank und Internationalem Währungsfonds in den 1990er Jahren zu einem Ausverkauf des nordafrikanischen Landes gekommen, der zwischen 1996 und 1999 mit dem Verkauf von mindestens 30 profitablen öffentlichen Betrieben an in- und ausländische Unternehmen seinen Höhepunkt erreicht habe, sagte Al-Assar. Die Öffentlichkeit durfte ohnmächtig zusehen, wie die Staatsfirmen unkontrolliert und höchst korruptionsverdächtig unter Wert verhökert und Mitarbeiter als überflüssiger Ballast von den neuen Eigentümern abgestoßen wurden. Besonders groß war der Widerstand in der Bevölkerung über den Verkauf der vier Staatsbanken. Dennoch ließ sich Mubarak nicht beirren und verkaufte die kleinste der vier Geldinstitute, die Bank von Alexandria. Nach Angaben von Al-Assar hatte sich Verteidigungsminister Tantawi vehement gegen den Verkauf der Misr-Bank gestemmt, der zweitgrößten Kreditanstalt des Landes. Die Umstrukturierungsmaßnahmen durch Weltbank, USAID und Afrikanische Entwicklungsbank schlugen mit Kosten in Höhe von 8,7 Milliarden US-$ zu Buche.
 
Seit dem Ende der 18tägigen Revolution werden die Befürworter des damaligen Privatisierungsschubes einer genaueren Überprüfung unterzogen. Am 6. April verfügte Generalstaatsanwalt Abdel Megeed Mahmoud, die Vermögenswerte der drei größten Verfechter des Privatisierungsprogramms einzufrieren. Dem Generalstaatsanwalt zufolge werden sich der ehemalige Ministerpräsident Atef Ebeid, der Exminister für öffentliche Unternehmen Mokhtar Khattab und der Vorstandsvorsitzende der Holding der metallverarbeitenden Industrie Mohammed Al-Danaf wegen »Verschwendung öffentlichen Eigentums« und persönlicher Bereicherung am Verkauf der Assiut-Zementfirma gerichtlich verantworten müssen. Der größte Zementhersteller des Landes war 1999 für 373 Millionen $ an den mexikanischen Bieter Cemex veräußert worden. Ehemalige Vorstandsmitglieder können jedoch Dokumente vorlegen, denen zufolge der damalige Wert von Assiut um mindestens das Vierfache oberhalb des Verkaufspreises lag. Der Kaufvertrag wird nun einer genaueren Überprüfung unterzogen.
 
Auch gegen den ehemaligen Finanzminister Youssef Boutros-Ghali laufen bereits strafrechtliche Ermittlungen. Dieser war zugleich Leiter des Internationalen Währungs- und Finanzausschusses des IWF, zu dessen Aufgaben es gehörte, die IWF-Gouverneure über internationale Währungsmaßnahmen zu informieren. Ebenso wird die Rolle des ehemaligen Investitionsministers Mahmoud Mohieldin beim Verkauf eines Hotels und einer Einzelhandelskette unter die Lupe genommen. Mohieldin ist inzwischen Weltbankdirektor und befindet sich wie Ghali außer Landes. Wie aus Kairo ebenso zu hören ist, wird ein Gericht Vorwürfen nachgehen, wonach es beim Verkauf des größten ägyptischen Einzelhandelsunternehmens Omar Effendi an das saudische Unternehmen Anwal zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die den Staat um einen Milliardenbetrag gebracht haben dürften. Den Gerichtsunterlagen zufolge haben die 82 Läden von Omar Effendi samt der historischen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, in denen sie sich befanden, für lächerliche 99 Millionen $ den Besitzer gewechselt. Allein schon die Grundstücke waren 670 Millionen $ wert. 4
 
Einem Bericht von Strategic Alert zufolge 5, sucht Ägypten inzwischen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Sudan. Der neue ägyptische Ministerpräsident Essan Sharaf wählte für seinen ersten Auslandsbesuch ein sehr symbolisches Ziel. Sharaf, der nach dem Sturz von Mubarak vom Obersten Rat der Streitkräfte ernannt worden war, reiste in den Sudan, um über Agrar- und Wassergrossprojekte zu verhandeln, was ein wichtiges Zeichen der Vernunft ist. Ägypten wird es zu einer besonderen Priorität machen, einen teilweise gebauten Kanal (Jonglei-Kanal), der einen nicht schiffbaren Abschnitt des Nils im Südsudan überbrückt, zu vollenden, sagte Kabinettssprecher Magdi Radi laut AFP am 27.3. Dieser erklärte bei einer Pressekonferenz in Khartum: Wir wollen mit dem Bau des Jonglei-Kanals beginnen, weil er höchste Priorität hat. Er verspricht jährlich, 4 Milliarden m3 Nilwasser zu liefern. Die Minister für Äusseres, Landwirtschaft und Bewässerung waren Teil der Delegation während des zweitägigen Besuches im Nord- und im Südsudan, die infolge des Referendums vom Januar ab Juni zwei Staaten sein werden. Die ägyptischen Vertreter bekräftigten, dass der Sudan ein wichtiger Verbündeter ihres Landes ist, sowohl hinsichtlich seines landwirtschaftlichen Potentials als auch hinsichtlich der Sicherung lebensnotwendiger Wasserversorgung durch ein faires Abkommen mit den Nationen am Oberlauf des Nils. Eine Fraktion der südsudanesischen Rebellen wendet sich, historisch durch britischen Einfluss bedingt, gegen den Kanal. Ägypten ist der drittgrösste Investor im Sudan, mit laufenden Investitionen von 5,4 Mrd. $, die ausgeweitet werden sollen. So existiert ein Abkommen einer Arbeitsgruppe von Ministerien beider Länder zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung durch Agrarprojekte im Sudan. Das erste Grossprojekt dient der Fleischerzeugung. Nach Angaben sudanesischer Offizieller werden 41 000 Feddan (17 000 ha) Land im Bundesstaat Weisser Nil für das Vorhaben bereitgestellt. Der ägyptische Landwirtschaftsminister Ayman Abu Hadid betonte, einige Projekte seien sehr dringend, und man könne bereits innerhalb von 6 Monaten mit der Erzeugung von Fleisch, Zucker, Weizen und Mais beginnen. Nahrungsmittelerzeugung und Erschliessung neuer Wasser- und Landressourcen sind für Ägypten inzwischen eine Überlebensfrage. Nach 30 Jahren IWF-Reformen und Globalisierung ist das Land heute bis zu 50 % von Nahrungsmitteleinfuhren abhängig.
 
 
 
1 F.A.Z. Nr. 88 vom 14. 4. 2011 Her./rüb. Mubarak und seine Söhne in Untersuchungshaft
Früherer Diktator in Scharm al Scheich verhört / Clinton: Chance auf Wandel ergreifen
2 http://www.jungewelt.de/2011/03-16/035.php   16. 3. 11  Golf-Reaktionäre - Die fast übersehene Militärintervention - Von Werner Pirker
3 F.A.Z. Nr. 88 vom 14. 4. 2011, Seite 7; Bei der Fahrt ins Gefängnis hagelt es Steine
Mubarak und seine Söhne  werden verhört. Es geht um Korruption und Bereicherung auf Kosten des Staates. Von Rainer Hermann
4 http://www.jungewelt.de/2011/04-14/033.php
Ausverkauf eines Landes - Ägypten: Privatisierungen als Brandbeschleuniger der Revolution
Von Emad Mekay, Kairo (IPS)  
5 Strategic Alert Jahrg. 25, Nr. 14 vom 6. April 2011