Der »Supergipfel« der G-20

vom 3. bis 4. November in Cannes, schreibt »Strategic Alert«, war ein Fehlschlag im doppelten Sinn:

Erstens sind die beteiligten Nationen unfähig, wirkliche Alternativen (wie ein Trennbankensystem) zu dem kollabierenden alten Finanzsystem zu beschliessen. Zweitens kann das System selbst die für die schlecht durchdachten Rettungsaktionen nötigen Mittel nicht mehr aufbringen, da die massgeblichen Regierungen zerstritten sind. Lyndon LaRouche bezeichnet sie als bankrott und ohne Reserven: »Ihre einzige Politik dagegen ist ein dritter Weltkrieg und ein von Barack Obama  ausgehender hitlerartiger Putsch in Amerika.« Die Bemühungen des Geldimperiums der Londoner City, sich von den europäischen Regierungen, der Federal Reserve und den BRIC-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China) Milliarden an Dollars und Euros zu holen, sind damit schon zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit gescheitert: Das erste Mal, als der zuvor abgehaltene Gipfel von EU-Rat und Eurozone am 27. 10. trotz des Geredes über die notwendige zukünftige Struktur des Euro-Rettungsfonds EFSF ohne finanzielle Zusagen endete; zum zweiten Mal, als bei der Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed (FOMC) vom 1. bis 2.11. in der USA nicht ein Dollar bewilligt wurde und zum dritten Mal jetzt in Cannes, wo man weder über eine grössere Unterstützung für den EFSF, noch hinsichtlich einer Erhöhung der IWF-Mittel um 250 Mrd. $ als Munition für neue Rettungspakete, oder über eine finanzielle Beteiligung der BRIC-Staaten eine Einigung erzielte. Die Entscheidungen sind vielmehr auf Februar vertagt. Und der neue EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, dass die EZB (zumindest vorerst) nicht als Kreditgeber letzter Instanz für die Banken dienen wird. Der britische Finanzminister George Osborne hatte den Gipfel enttäuscht verlassen und angekündigt, sein Ministerium werde nun Notpläne für den Fall eines Scheiterns der Eurozone ausarbeiten. [1]

 

In Cannes hatte Obama den Iran angegriffen und auf den zu jenem Zeitpunkt erwarteten Bericht der IAEA über das iranische Nuklearprogramm hingewiesen, der dem Vernehmen nach Vorwürfe gegen den Iran enthalten sollte. Dieser Bericht wurde nun am 8.11. vorgelegt; die angeblich neuen Detailserinnern an die berüchtigten Schwindel über angebliche Urankäufe und mobile Waffenlabors, die ausgekocht wurden, um den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen. Tatsächlich wird in der nationalen Geheimdienst-Einschätzung des Nationalen Geheimdienst-Rats, der die Bewertung der 16 amerikanischen Geheimdienste zusammenfasst, bestritten, dass der Iran eine Bedrohung darstellt. Trotzdem wurden vermutlich zwischen den gleichen Staats- und Regierungschefs, die schon den illegalen Krieg gegen Libyen und die Hinrichtung Gaddafis vereinbart haben, neben Wirtschaftssanktionen auch Pläne für Militäraktionen gegen Teheran abgesprochen. Grossbritannien, das schon eine entscheidende Rolle als Anstifter zum Krieg gegen den Irak gespielt hat, steht jedenfalls wieder an vorderster Front. Nach einem Artikel, der am 2. 11. auf der Internetseite des Guardian erschien, glaubt das britische Verteidigungsministerium, »dass die USA beschliessen könnte, die Pläne für gezielte Raketenangriffe auf wichtige iranische Einrichtungen voranzutreiben. Britische Vertreter sagen, wenn Washington voranpresche, werde es den militärischen Beistand des britischen Militärs für solche Missionen anfordern und erhalten, trotz einiger grosser Vorbehalte in der Koalitionsregierung.« Aber London scheint eine zentrale Rolle bei der Planung zu spielen. So machte der Chef des britischen Verteidigungsrates, General Sir David Richards, Anfang November einen Geheimbesuch in Israel, um sich dort mit hochrangigen Kommandeuren zu treffen, und Verteidigungsminister Ehud Barak traf am 3. 11. zu Gesprächen mit Aussenminister William Hague, Verteidigungsminister Philip Hamond und dem Nationalen Sicherheitsberater Sir Peter Rickets in London ein. Während Baraks Besuch veröffentlichte das Büro des Premierministers eine Erklärung, der Iran werde schon in 12 Monaten alle Komponenten für den Bau einer Atombombe besitzen. Tony Blair, schon immer ein entschiedener Befürworter von Angriffskriegen, traf sich am 1. 11. im Weissen Haus zu vertraulichen Gesprächen mit Präsident Obama. Der aussenpolitische Ausschuss des Repräsentantenhauses unterstützt diese Kriegsvorbereitungen, indem er am 2. 11. einstimmig für umfassende neue Sanktionen gegen Teheran stimmte. Eine der beschlossenen Massnahmen würde die amerikanischen Häfen für alle Schiffe sperren, die in den letzten beiden Jahren den Iran, Syrien oder Nordkorea angesteuert haben. Eine weitere würde es US-Diplomaten oder US-Militärs untersagen, irgendwelche Kontakte mit iranischen Vertretern oder Agenten zu haben, wenn der Präsident den Kongress nicht mindestens 15 Tage im voraus darüber informierte, was praktisch jede diplomatische Arbeit unmöglich machen würde. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Ron Paul verurteilte diese Vorschriften als einen definitiven Schritt hin zu einem amerikanischen Angriff auf den Iran.Gleichzeitig betreibt Obama selbst einen gewaltigen Militäraufmarsch im Nahen Osten und im Indischen Ozean. Neben der Verstärkung der US-Truppenpräsenz von derzeit 23.000 Soldaten in Kuwait plant er eine grössere Präsenz der US-Marine im Persischen Golf, weitere Stütz- und Anlaufpunkte für die Luftwaffe und die Marine und eine verstärkte militärische Koordination mit den sechs Staaten des Golfkooperationsrates. Vertreter des Irans machten deutlich, dass jeder Angriff auf den Iran Vergeltungsmassnahmen gegen die amerikanischen, britischen und israelischen Militäreinrichtungen in der Region nach sich ziehen würde. Die USA hat derzeit etwa 100.000 Soldaten in Afghanistan, 30.000 im Irak und 27.000 in den Golfstaaten. [2]

 

Was Syrien betrifft, so wird dort die Gefahr einer westlichen Militärintervention für einen Regimewechsel oder eine Teilung des Landes sehr ernst genommen. Ein einsichtsreicher Kommentar kam vom syrischen Professor Imad Fawzi Shueibi am 6. 0. auf der Webseite des von ihm geleiteten Syrischen Zentrums für Daten und Strategische Studien in Damaskus. Hinter dem Veto Russlands und Chinas gegen weitere Sanktionen gegen Syrien im UN-Sicherheitsrat stehe der Machtkampf um die Gestaltung der Weltpolitik in der nahen Zukunft, so Shueibi. Europa und die USA, beide bankrott, sähen neidisch das Anwachsen der wirtschaftlichen und politischen Macht Asiens unter der Führung von Russland, China und Indien. Die Konfrontation im Sicherheitsrat erinnere an die Kubakrise; sie habe wenig mit Syrien zu tun, dafür umso mehr mit Weltpolitik. In diesem Kampf gehe es um eine post-bipolare Weltordnung, wobei die USA, Grossbritannien und Frankreich das Ziel verfolgten, erstens das Prinzip der nationalen Souveränität abzuschaffen und zweitens dieses durch ein Prinzip der sogenannten humanitären Intervention zu ersetzen, als Deckmantel für ein neokoloniales System mit Regimewechseln im Interesse der ehemaligen Kolonialmächte. So hätten nicht zufällig England und Frankreich diese UNO-Resolution beantragt, weil sie immer noch der imperialen Illusion des Sykes-Picot-Abkommens anhingen, gemäss dem Südwestasien ihre Einflusszone sei. Shueibi verweist besonders auf Ex-Premier Tony Blair als Architekt der britisch-französischen Allianz gegen die nationale Souveränität und wirft dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vor, er verrate das republikanische Frankreich von Charles de Gaulle. [3]

 

 

[1]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 45 vom 9. November 2011

G20-Gipfel: schlechte Nachrichten für Londons monetaristisches Europa 

[2]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 45 vom 9. November 2011

Trommeln für einen Krieg gegen den Iran

[3]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 45 vom 9. November 2011

Syrien: USA-England-Frankreich gegen Russland-China-Indien