Robert Kelley attackiert die Propaganda gegen den Iran

Der frühere Chefwaffeninspektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA im Irak hat jetzt in einem ausführlichen Interview

 

mit der Executive Intelligence Review EIR davor gewarnt, heute einen Krieg gegen den Iran unter ähnlich falschen Vorwänden wie beim Krieg gegen den Irak zu beginnen. »Wenn ein Land in den Krieg zieht, wie es die USA 2003 mit verheerenden Resultaten getan hat, sollten einige daraus zu ziehende Lehren auf den Tisch kommen, von denen die wichtigste die »Peer Review«, die Überprüfung durch Fachleute ist: Die Anschuldigungen, die 2003 in Bezug auf Kernwaffen gegen den Irak erhoben wurden, stammten weitgehend aus dem Mund eines einzigen untergeordneten US-Analysten. Er überschritt bei weitem seine Kompetenzen und erhob Anschuldigungen, die in den »Peer Reviews« von wesentlich kompetenteren Leuten völlig verrissen wurden. Aber seine Ansichten gelangten bis nach oben, weil den Fachleuten ein Maulkorb verpasst wurde und weil seine beängstigende Botschaft in hohen Kreisen sehr willkommen war.« Der Bericht der IAEA vom November 2011 über den Iran wirkt Kelly zufolge wie ein Déjà-vu. »Ich denke, der Gouverneursrat sollte eine Untersuchung und eine unabhängige Prüfung verlangen, Zeile für Zeile: Woher kamen die Informationen, und warum wurden sie so einseitig ausgelegt?« Am 21. Februar sprachen Kelley, der seine Funktion im Irak von 2002 bis 2003 wahrnahm, und der frühere IAEA-Generaldirektor und Leiter der UNO-Kommission für die Waffeninspektionen im Irak (UNMOVIC), Hans Blix, bei einer Veranstaltung des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rates (NIAC); beide machten deutlich, dass es keine Beweise für ein iranischen Kernwaffenprogramm gibt und dass ein Krieg eine Katastrophe für die Region und die Welt wäre. Sie forderten eine sofortige Wiederaufnahme von Gesprächen mit dem Iran. In dem EIR-Interview berichtet Kelley als Insider darüber, wie der Schwindel mit den angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen 2003 organisiert wurde, und wie man heute dieselben Methoden wieder anwendet. Am 14. Februar schlug der iranische Unterhändler Saeed Dschalili der EU in einem Brief die Wiederaufnahme der seit mehr als einem Jahr unterbrochenen 5+1-Gespräche vor, was am 6. März auf die Zustimmung der 5 ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland stiess.  [1]

 

Am 11. März sprach sich der Ex-Mossad-Chef Meir Dagan in einem Interview mit dem CNN erneut gegen einen Angriff auf den Iran aus. Dagan gehört zu einem Kreis israelischer Geheimdienst- und Armeevertretern, die ebenso wie ihre Kollegen in den führenden Militärkreisen der USA, einen Angriff auf den Iran ablehnen. Dagan erklärte, die Entscheidung, den Iran anzugreifen, sei »keine militärische Frage. Es ist eine politische Frage, und es geht darum: Wie lange kann man das Projekt aufhalten? Was werden die Konsequenzen sein? Welchen Preis wird Israel als Resultat eines regionalen Krieges bezahlen müssen? Das sind die Fragen, die man sich stellen muss, bevor man die Entscheidung trifft, Ziele im Iran anzugreifen.« Dagan erklärte ferner, dass es mindestens drei Jahre dauern würde, bevor der Iran eine Atombombe hätte. Ein israelischer Angriff hingegen werde einen regionalen Krieg auslösen. Ein israelischer Schlag könne dazu führen, dass der Iran mit Hunderten, möglicherweise Tausenden von Raketen zurückschlagen werde, die eine verheerende Wirkung auf die Fähigkeit Israels haben würden, ein normales Leben zu führen. In der  Vorankündigung des Interviews hatte es geheissen, dass Dagan das iranische Regime als rational bezeichnet habe. Als die das Interview führende Moderatorin Leslis Stahl Dagan darauf ansprach, ob dies auch für Präsident Ahmadinedschad gelte, antwortete er: »Die Antwort lautet ja. Vielleicht nicht ganz nach unseren Begriffen, aber ich denke, er ist rational.« Die iranische Rationalität sei eine andere als die der westlichen Denkweise, aber: »Sie bedenken alle Folgen ihrer Handlungen... Sie würden teuer dafür zu bezahlen haben... und ich denke, dass die Iraner zum jetzigen Zeitpunkt sehr vorsichtig mit diesem Projekt sind. Sie treiben es nicht voran.«  [2]

 

Erfolgsaussichten?

Es bleibt unbegreiflich, wie bei der tödlichen Brandspur, die die jüngsten Kriege hinterlassen haben, überhaupt noch jemand für ein weiteres Inferno eintreten kann. Von einem geradezu ungeheuren Zynismus mutet daher die Meldung von German Foreign Policy an, dass es in konservativen Medien heisst, »Luftangriffe auf iranische Atomanlagen seien zwar riskant, hätten jedoch gute Erfolgsaussichten.« Wenigstens haben jetzt zwei einflussreiche Politiker aus den inneren Zirkeln des transatlantischen Establishments, Wolfgang Ischinger und Horst Teltschik, entschieden gegen einen Irankrieg Position bezogen. Ischinger, dessen Karriere den Posten des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt und eine fünfjährige Tätigkeit als Botschafter in der USA beinhaltete, und der heute als Nachfolger von Teltschik die Münchner NATO-Sicherheitskonferenz leitet, warnt vor einem Militärschlag: »Jeder sollte inzwischen gelernt haben, dass Kriege immer anders verlaufen als geplant«; für den Fall, dass der Iran eine Atombombe entwickeln sollte, rät er zu einer Politik der Eindämmung, selbst wenn sie teuer sei und keine Patentlösung biete. Besser als ein militärische Angriff gegen Teheran wäre das aber allemal. Teltschik, der die Sicherheitskonferenz von 1999 bis 2008 leitete, sagt für den Fall eines Krieges gegen Iran - wie viele andere auch - einen Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten voraus, ein Alptraum; er hält eine militärische Intervention für völlig falsch und fordert, dass der Westen alles tut, um die Gespräche mit dem Iran erneut in Gang zu bringen.  [3]

 

Gänzlich verschieden hinzu verhält sich das Pentagon, wie dies erschreckenderweise aus den nachfolgenden Darlegungen von Michel Chossudovsky und Finian Cunningham hervorgeht.  [4]

 

Der stellvertretende Operationschef der amerikanischen Air Force, Generalleutnant Herbert Carlisle, erklärte vollmundig, der stärkste konventionelle Sprengkopf, die bunkerbrechende Bombe GBU-57A/B, Massive Ordnance Penetrator, MOP [5] sei bestens für einen Militärschlag gegen den Iran geeignet. Diese leichtfertige und oberflächliche Aussage über eine Massenvernichtungswaffe erfolgte in der gleichen Woche, in der sich US-Präsident Barack Obama gegen »leichtfertiges Gerede« über einen Krieg im Persischen Golf aussprach. »Der MOP mit einem Gewicht von 13.6 Tonnen ist eine großartige Waffe«, erklärte Carlisle, die  Bombe werde wahrscheinlich bei einem von Washington befohlenen Angriff auf den Iran zum Einsatz kommen; er soll bis zu 60 m dicken Stahlbeton durchschlagen können, bevor der Sprengkopf detoniert. Er gilt als die stärkste konventionelle nichtnukleare Waffe im US-Arsenal: was die Zerstörungskraft angeht, so kann man mit Fug und Recht behaupten, daß es sich um den fürchterlichsten Sprengkörper der gesamten Reihe extrem schwerer Bomben handelt, die vom Pentagon in den letzten zehn Jahren entwickelt wurden. Sie ist eine hervorragend geeignete Waffe, die von den amerikanischen Streitkräften eingesetzt werden könnte, sollte es im Streit um das iranische Atomprogramm zu einem militärischen Schlagabtausch kommen, erklärte ein Luftwaffengeneral am 13. März.  

 

Das Pentagon hat damit begonnen, die militärischen Optionen auszuarbeiten, sollten die Sanktionen und die diplomatischen Bemühungen den Iran nicht davon abhalten, Atomwaffen zu bauen. Verteidigungsminister Leon Panetta erklärte ebenfalls am 13. 3. in einem Interview mit dem National Journal, man habe mit den Planungen bereits vor geraumer Zeit begonnen. Im Pentagon bediente man sich dieser aggressiven Rhetorik, obwohl sich Präsident Barack Obama in der gleichen Woche im Zusammenhang mit einem möglichen militärischen Vorgehen gegen dieses ›leichtfertige Gerede‹ und waffenklirrende ›Getöse‹ ausgesprochen und hervorgehoben hatte, es gebe noch Spielraum und Chancen für eine diplomatische Beilegung. Carlisle erklärte darüber hinaus vor der Credit-Suisse-McAleese-Sicherheitskonferenz [am 8. 3. in Arlington, Virginia], im Falle eines militärischen Konflikts mit Syrien oder dem Iran könnte eine neue militärische operationelle Vorgehensweise der USA zum Tragen kommen, die durch eine neue taktische Denkweise des Pentagons, die sogenannte Air-Sea-Battle, geprägt sei. Bei dieser setzt man auf die Vorteile stark vernetzter und aufeinander abgestimmter Streitkräfte. Die neue Taktik, so Carlisle, lege das Schwergewicht darauf, gleichzeitig in vielen unterschiedlichen Bereichen [Luftraum, Meer, aber auch Weltraum und Cyberspace, kybernetischer Raum resp. Datenraum] zu operieren, während man gleichzeitig Informationen aus verschiedensten Quellen wie Satelliten oder  Mess- und Aufzeichnungsgeräte von Tarnkappenflugzeugen und Drohnen vernetzt und aufeinander abgestimmt verarbeite. Hier geht es um einsatzfähige weltraumgestützte Systeme, Cyberspace-Systeme und um Systeme der fünften Generation, die vom Radar nicht erfaßt werden können, sagte er ferner. All  diese Systeme werden im Rahmen dieser operationellen Planungen in die Überlegungen einbezogen, ergänzte Carlisle und wies darauf hin, daß Syrien und der Iran ihre Verteidigungsmöglichkeiten erheblich ausgebaut hätten, um mögliche Angreifer auf Distanz zu halten. Air-Sea-Battle sei genau deshalb entwickelt worden, um darauf zu reagieren. Carlisle fuhr fort, der Cyberspace könnte zu einem wichtigen Faktor werden, sollte es zu einem [militärischen] Konflikt mit diesen beiden Ländern kommen. ›Die ganze Führung hat erklärt, keine Option sei vom Tisch, wenn es darum gehe, was eingesetzt werden könnte‹, meinte er.« [Reuters, 9. März 2012]  

 

Bereits 2009 hatte Michel Chossudovsky in einem Artikel in Global Research auf die Entwicklung und den möglichen Einsatz von MOPs hingewiesen. Was die GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast MOAB [6] angeht, die auch als Mother of all Bombs, die Mutter aller Bomben bezeichnet wird, so wurde diese 2003 Anfang März getestet, bevor sie in die Kriegsregion Irak verlegt wurde. Berichten aus amerikanischen Militärkreisen zufolge hatte der Vereinigte Generalstab die Regierung Saddam Husseins vorab darüber in Kenntnis gesetzt, daß die MOAB gegen den Irak zum Einsatz gebracht werden sollte. [Es kursieren unbestätigte Berichte über den tatsächlichen Einsatz der MOAB im Irak] Das amerikanische Verteidigungsministerium bestätigte im Oktober 2009, es beabsichtige, die MOAB im Iran einzusetzen. Diese eigne sich ideal für den Einsatz gegen die tief unterirdisch verborgenen Nukleareinrichtungen etwa in Natanz oder Ghom im Iran [7]. Angesichts der gewaltigen Sprengkraft ist allerdings damit zu rechnen, daß ein Einsatz zu extrem hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung führen würde. Schließlich handelt es sich um eine konventionelle Killermaschine, die bei ihrer Explosion sogar einen einer Atombombe ähnlichen Atompilz hervorruft. Im Oktober 2009 wurde die Beschaffung von 4 MOABs zum stolzen Preis von 58,4 Millionen $ netto [14,6 Millionen für jede einzelne Bombe] beschlossen. In diesem Preis sind die Kosten für die Entwicklung und den Test der MOAB-Bomben durch B-2-Tarnkappenbomber eingeschlossen (a.a.O.).

 

Die Anschaffung steht in direktem Zusammenhang mit den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran. Ein Beleg dafür findet sich in dem 93seitigen Memorandum zur Neuprogrammierung, das die folgenden Vorgaben und Anweisungen enthält: Das Ministerium verweist auf den dringenden operationellen Bedarf an einsatzbereiten [bunkerbrechenden Waffen], um gegen massiv geschützte und tief im Untergrund versteckte Ziele an Örtlichkeiten mit einem hohen Bedrohungsgrad vorgehen zu können. Der MOP ist bestens dafür geeignet, diesen dringenden operationellen Bedarf zu decken. Weiter heißt es, diese Forderung werde auch von den [US-Regionalkommandos] Pacific Command [das für Nordkorea verantwortlich ist] und Central Command [in dessen Zuständigkeitsgebiet der Iran fällt] unterstützt. (ABC News,  a.a.O., Hervorhebungen vom Verfasser) Den gesamten Text des Memorandums finden Sie  hier

 

Das Pentagon plant die umfassende und ausgedehnte Zerstörung der iranischen Infrastruktur und nimmt im Rahmen des kombinierten Einsatzes taktischer Atomwaffen und dieser monströsen konventionellen Bomben mit ihren atompilzähnlichen Erscheinungen, zu denen der MOP GBU-57A/B Massive Ordnance Penetrator sowie die MOAB GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast gehören, den Tod zahlloser Zivilisten in Kauf. Der MOP wird dabei als »eine starke neue Bombe« bezeichnet, die »direkt für den Angriff auf die unterirdischen Nukleareinrichtungen des Irans und Nordkoreas gedacht ist. Diese riesige Bombe überragt mit ihrer Länge von mehr als 6 m noch elf Schulter an Schulter stehende Menschen.«

 

Hier handelt es sich um Massenvernichtungswaffen im strikten Sinne des Wortes. Die unschwer zu erkennenden Ziele hinter dem MOP und der MOAB, wie sich auch aus der amerikanischen Bezeichnung »Mutter aller Bomben« ablesen läßt, sind »massive Zerstörung auf breiter Ebene« und hohe Verluste und Opfer unter der Zivilbevölkerung, um so Angst und Verzweiflung zu verbreiten.

 

 

[1]  Strategic Alert Jahrgang 25, Nr. 11 vom 14. März 2012

[2]  http://www.bueso.de/node/5508   14. 3. 12 

[3]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58290   14. 3. 12

Ende im Gemetzel (II)

[4]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/michel-chossudovsky-und-finian-cunningham/die-mutter-aller-bomben-eine-fuer-den-einsatz-im-irak-hervorragend-geeignete-bombe-meint-der-c.html   17. 3. 12 Die »Mutter aller Bomben« für den Angriff auf den Iran

[5]  http://de.wikipedia.org/wiki/Massive_Ordnance_Penetrator

[6]  Siehe  http://de.wikipedia.org/wiki/GBU-43/B_Massive_Ordnance_Air_Blast

[7]  http://abcnews.go.com/Politics/us-preparing-bomb-iran/story?id=8765343#.T2W72tnEaSo

6. 2. 2009  Is the U.S. Preparing to Bomb Iran? By Jonathan Karl

Siehe auch

Edwin Black »Super Bunker-Buster Bombs Fast-Tracked for Possible Use Against Iran and North Korea Nuclear Programs« in Cutting Edge, 21. September 2009

http://www.thecuttingedgenews.com/index.php?article=11609

»Towards a World War III Scenario? The Role of Israel in Triggering an Attack on Iran, Part II The Military Road Map«, in: Global Research, 13. August 2010

http://globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20584