Die Ermordung der Gemeindeautonomie - Von Ulrich Schlüer 18.07.2012 22:07
Der 1. August steht bevor, der Tag, an dem sich nicht wenige Bundesfeier-Redner dazu verleiten
lassen
werden, wieder einmal das hohe Lied auf die in der Schweiz lebendige
Gemeindeautonomie anzustimmen. Doch
Gemeindeautonomie, echte Selbstbestimmung auf Gemeindeebene, ist in der Schweiz
weitgehend Vergangenheit. Obwohl sie sich grossartig bewährt hat: Dass es um
die Finanzen der öffentlichen Hand in der Schweiz weit besser bestellt ist als
im benachbarten Ausland, hängt nicht zuletzt mit der Gemeindeautonomie
zusammen. Umso schlimmer, dass sie weitgehend ausgelöscht, ja ermordet worden
ist.
Das Fundament Als die
Gemeindeautonomie noch umfassend Tatsache war, galt als Gesetz, dass die
Gemeinde das volle Selbstbestimmungsrecht über Einnahmen und Ausgaben besass.
Darin enthalten war die Pflicht, Ausgabenposten bereits mittlerer Grösse in der
Regel einzeln in der Gemeindeversammlung genehmigen zu lassen. Das sorgte für
gesunde Haushalte. Aber genau dieses Prinzip ist Vergangenheit. Die grössten und
erst noch jährlich wiederkehrenden Posten werden heute von Aussenstehenden, von
Funktionären in den kantonalen Hauptstädten bestimmt. Diese stellen die
Rechnungen aus, den Gemeinden bleibt die Funktion des gutmütigen, manchmal
murrenden, Rechnungsbegleichers, der jedoch zur Verhinderung überbordender
Summen nicht mehr berechtigt ist. Drei Beispiele erläutern diese
verhängnisvolle Entwicklung.
Fetisch öffentlicher
Verkehr Wo immer
man sich in der Schweiz auch aufhält: Das Mittragen eines Fahrplans ist
überflüssig geworden. Man kann sich darauf verlassen, dass man zumindest im
Stundenabstand per Bus oder Postauto an einen Bahnhof transportiert wird, wo
auch die Weiterfahrt gesichert ist. Das ist Luxus. Ein Luxus, der von denen,
die dieses System benutzen, nie und nimmer voll bezahlt wird. Der Luxus wird
täglich angeboten, bei jedem Wetter. Sicher wird er zu den Stosszeiten auch
intensiv genutzt. Aber zu den Nebenzeiten? Dann, wenn nicht gerade Wanderwetter
vorherrscht?
Adolf Ogi,
Verkehrsminister zur Zeit, da dieses Taktfahrplan-System bis in alle Kapillaren
des Landes aufgebaut wurde, pflegte seinerzeit auch Nebenlinien zu inspizieren.
Unvergessen bleibt sein «Bilanz-Ausspruch»: Habe er ausserhalb von Stosszeiten
vorüber fahrende Postautos von aussen betrachtet, dann seien sämtliche
Passagiere fast immer gerade im Begriff gewesen, in entsprechend gebückter
Haltung ihre Schuhe zu binden – so dass sie für Leute am Strassenrand
unsichtbar geblieben seien…… Völlig leer fahren solche Busse heute selten
herum. Aber von Auslastung keine Spur. Wer bezahlt all den Luxus dieser
hundertfachen Leerfahrten? Gewiss nicht die Passagiere. Zu einem wesentlichen
Teil aber die Gemeinden, denen für die Bedienung mit dem öffentlichen Verkehr –
aber auch für Luxusbauten an unter Umständen recht weit entfernten
Knotenpunkten – einfach die Rechnungen zugestellt werden. Oft gesalzene
Rechnungen, die einfach nur zu bezahlen sind. Ob die Ausgabe – allenfalls auch
eine sehr grosse Ausgabe – zuvor von einer Gemeindeversammlung bewilligt worden
ist: Darüber lachen die selbstherrlichen Funktionäre in den Hauptstädten
bestenfalls. Von Bewilligungen ist ihr Wirken längst nicht mehr abhängig.
Die
Konsequenzen für die Gemeinden sind gravierend: Gelingt es, in den
Behördenwahlen einen tüchtigen Finanzfachmann, der effizienten Umgang mit Geld
auch in der Gemeinde unter Beweis stellen will, als Finanzvorstand zu gewinnen,
dann erlebt dieser Finanzfachmann vor allem Frust: Die grössten Beträge, für
die die Gemeinde aufzukommen hat, sind von der Gemeinde längst nicht mehr
beeinflussbar. Die werden von Funktionären auf höherer Ebene kurzerhand
diktiert. Die Gemeinde hat einfach zu bezahlen – bis zum bitteren Ausbluten.
Spitalkosten Für die
Spitalkosten gilt dasselbe. Die sogenannten «Gesundheitskosten» explodieren
nicht zuletzt wegen der hohen Aufwendungen für den Betrieb der Spitäler. Noch
immer ist es den Zuständigen auf Bundesebene nicht gelungen, im
Gesundheitswesen wenigstens den Grundsatz durchzusetzen, dass Subventionen nur
an einem einzigen Ort bezahlt werden, z.B zur Prämienverbilligung. Dass aber für
alle andern Bereiche – auch bezüglich der Spitalkosten – endlich ein
Transparenz schaffender Wettbewerb zu gewährleisten ist, auf dass endlich Effizienz-
und Kostenvergleiche möglich werden. Davon ist die Schweiz meilenweit entfernt.
Alle Gesundheitsfunktionäre wissen jedoch: Die hohen Betriebsrechnungen können
zu bedeutenden Teilen auch auf die Gemeinden verteilt werden. Echte Mitsprache
besitzen diese nicht. Sie müssen nur bezahlen. Selbständige Ausgestaltung des
Finanzhaushaltes wird ihnen damit verunmöglicht. Aber was schert das die
Funktionäre in der Hauptstadt.
Zentralisierungsverhängnis
KESB Verhängnisvollerweise
ist auf eidgenössischer Ebene, von geldgierigen Gutmenschen angetrieben, der
Grundsatz durchgesetzt worden, wonach für Vormundschafts-Aufgaben künftig nur
noch «professionelles Personal», also Staatsfunktionäre, eingesetzt werden
dürften. Bis heute war das Vormundschaftswesen Gemeindeangelegenheit.
Vormundschafts- und Fürsorgeaufgaben – das ist hier mit allem Nachdruck aus
reicher Erfahrung festzuhalten – wurden von den allermeisten Gemeinden
vorbildlich bewältigt. Das Bewusstsein, dass es auf Gemeindegebiet einzelne
Menschen gibt, die als Folge zumeist von Schicksalsschlägen vorübergehend oder
dauernd auf Unterstützung angewiesen sind, war immer vorhanden. Die
Gemeindebehörden suchten die Personen, welche diese Unterstützung auf den
Einzelfall bezogen leisteten und vom Sozialvorsteher oder der Sozialvorsteherin
angeleitet und beraten wurden, im Gemeinderat. Die Aufgabe wurde im Milizamt,
nebenberuflich, oft nur gegen eine symbolische Entschädigung bewältigt. Dies aber
zumeist hervorragend, menschlich, einfühlsam; eben: auf den konkreten
Einzelfall bezogen. Und immer am Ziel orientiert, einen Weg zu einer
dauerhaften Lösung zu finden, oft mit anzustrebender Rückgewinnung der
Eigenverantwortlichkeit bezüglich Ausgestaltung des eigenen Lebens.
Heute
besorgen auf eine neue eidgenössische, durch und durch
zentralistisch-einheitlich ausgestaltete Gesetzgebung abgestützt ›Profis‹ diese Aufgaben. Seither haben wir ›Fälle‹, durchnumerierte Fälle. Diese Fälle werden administriert.
Allein für diese Administration werden den Gemeinden Rechnungen in der
Grössenordnung von dreissig 30.- Franken pro Einwohner in Aussicht gestellt:
Also Fr. 30'000.– für tausend Einwohner, Fallkosten noch nicht berücksichtigt.
Die Rechnungen dafür gehen an die Gemeinden, die sich dann mit einer neuen
Institution namens ›KESB‹ – Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde
– herumzuschlagen haben. Sie haben vor allem zu bezahlen. Oft erfahren sie nicht einmal,
wofür genau sie zu bezahlen haben. Das unterliege dem Datenschutz, wird ihnen
beschieden.
Die Kosten
werden explodieren. Die neue Administration wächst krebsartig. Die zumeist von linken
Parteien gestellten «Sozialpolitiker» versorgen darin bevorzugt die eigene
Klientel: Funktionäre, die, wenn sie sich dem beruflichen Wettbewerb stellen
müssten, vielleicht nicht unterzubringen wären. Ein Grund, weshalb sich die
politische Waagschale vor allem in den Städten zunehmend der Linken zuneigt. Der
öffentlichen Hand, den Steuerzahlern, bleiben gesalzene Rechnungen, bleiben
hohe Kosten. Kosten, die ausserhalb jeglicher Gemeindeautonomie einfach zu
leisten sind.
Wer sich
da noch bemüht, einen ausgeglichenen Finanzhaushalt, in welchem Sparsamkeit
dominieren soll, zu erreichen, erlebt nur Frust. Er hat Rechnungen zu bezahlen.
Zu sagen hat er nichts. Damit haben demokratiefeindliche Funktionäre den
Weg gefunden, die Gemeindeautonomie umzubringen. Die Gemeinden werden zu
bezahlenden Vollzugsinstanzen erniedrigt. Die Selbstbestimmung auf der
Grundlage der Gemeindeautonomie bleibt auf der Strecke. [1]
Die letzte
Strophe aus dem hohen Lied auf die Gemeindeautonomie ist verklungen.
Millionen für nichts Unsummen
wurden während 15 Jahren aufgewendet. Heerscharen von Funktionären, Therapeuten
und Heilpädagogen profitierten davon. Das Resultat dieser Aufwendungen? Null!
Die Rede ist von QUIMS, von QUIMS-Schulen. Schulen also, für die findige
Bürokraten eine pfiffige Abkürzung erfunden haben, welche «gewöhnliche Leute»
nicht verstehen, die aber zur Befriedigung der Funktionäre gescheit klingt.
Was ist QUIMS? QUIMS
heisst «Qualität in multikulturellen Schulen». Ein Viertel aller Zürcher
Schülerinnen und Schüler besuchen QUIMS-Schulen. Der Zusatzaufwand für QUIMS
beträgt pro Jahr rund sechs Millionen Franken, obwohl allerdings offenbar nur verschleiernde
Zahlen veröffentlicht werden. In QUIMS-Schulen sollen Ausländerkinder besser
Deutsch lernen, damit mehr Ausländerkinder ins höchste Sekundarschulniveau
gelangen. Ziel ist auch, Ausländereltern für die hiesige Volksschule «zu
interessieren». Nichts davon sei erreicht worden, sagt jetzt eine Studie des
Zürcher Bildungsrats, die 15 Jahre QUIMS beurteilt, und dies nachdem für QUIMS
insgesamt bisher wohl um die 90 Millionen Franken ausgegeben worden sind.
Verschleuderung von
Steuergeldern Schlussfolgerung
der Zürcher Bildungsdirektion: Man müsse noch mehr Geld in QUIMS stecken.
Eine Aufwandsteigerung von 50 % werde vielleicht einmal Resultate erbringen.
Und das, nachdem die 90 Milliarden für die ergebnislose «Arbeit» zahlloser Funktionäre,
Therapeuten, Heilpädagogen und anderer Teilzeithilfskräfte ausgegeben worden
sind. Ein Zeugnis dafür, wie Finanzmittel verantwortungslos verschleudert
werden, wenn diese dem sogenannten «Bildungsbereich» zugeordnet werden können:
90 Millionen und kein einziger Schüler hat davon profitiert! Die Millionen
haben die Bildungs- und andere Funktionäre bezogen: auf Kosten echter
Bildungsanstrengungen. Mit «Null» Ergebnis
nach 15 Jahren! Das «gelegentliche Spaghetti-Essen» mit Ausländereltern
habe leider, vernimmt man auch noch, «nichts ausgelöst». Dabei gibt es seit
langem konkrete Vorschläge, wie Ausländerkinder resultatorientiert in die
Volksschule eingegliedert werden müssten…….
Forderungen stellen
und nicht sinnlos Geld verteilen! Zunächst
ist der Grundsatz «Sprachkompetenz vor Einschulung» umzusetzen. Fremdsprachige
Kinder haben vor ihrer Einschulung in eine Regelklasse Intensiv-Unterricht in
Deutsch zu erhalten, längstens ein Jahr, mit von den Eltern verbindlich
verlangter Unterstützung (lückenloser Schulbesuch, zuverlässige Erledigung der
Hausaufgaben). Damit werden Verständigungsprobleme in den Regelklassen
beseitigt – zum Vorteil ausländischer wie schweizerischer Kinder. Ausserdem
muss der Dolmetschereinsatz für Elterngespräche verschwinden.
Ausländer, die sich hier niederlassen und hier arbeiten wollen, haben die hiesige
Sprache zu lernen, als Integrationsleistung auf ihre Kosten. Der Verkehr mit
Ausländern seitens Behörden und Schulen soll ausschliesslich auf Deutsch
erfolgen. Ausländer, die sich sprachlich nicht den hiesigen Verhältnissen
anzupassen bereit sind, müssen dann eben auf die Erneuerung ihrer Aufenthaltsbewilligung
verzichten. Insgesamt Massnahmen, die auf Kosten der Bildung nicht Millionen in
den Sand setzen, die dafür aber wirksam wären.
[2]
[1] Der aktuelle Freitags-Kommentar der
«Schweizerzeit» vom 13. Juli 2012
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Die_Ermordung_der_Gemeindeautonom-686
[2] http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/quims-millionen-fuer-nichts.php 11. 7. 12
Bildungskompass vom 10. 7. 2012
- Von Ulrich Schlüer
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