Die Ermordung der Gemeindeautonomie - Von Ulrich Schlüer

Der 1. August steht bevor, der Tag, an dem sich nicht wenige Bundesfeier-Redner dazu verleiten

lassen werden, wieder einmal das hohe Lied auf die in der Schweiz lebendige Gemeindeautonomie anzustimmen. Doch Gemeindeautonomie, echte Selbstbestimmung auf Gemeindeebene, ist in der Schweiz weitgehend Vergangenheit. Obwohl sie sich grossartig bewährt hat: Dass es um die Finanzen der öffentlichen Hand in der Schweiz weit besser bestellt ist als im benachbarten Ausland, hängt nicht zuletzt mit der Gemeindeautonomie zusammen. Umso schlimmer, dass sie weitgehend ausgelöscht, ja ermordet worden ist.

Das Fundament
Als die Gemeindeautonomie noch umfassend Tatsache war, galt als Gesetz, dass die Gemeinde das volle Selbstbestimmungsrecht über Einnahmen und Ausgaben besass. Darin enthalten war die Pflicht, Ausgabenposten bereits mittlerer Grösse in der Regel einzeln in der Gemeindeversammlung genehmigen zu lassen. Das sorgte für gesunde Haushalte. Aber genau dieses Prinzip ist Vergangenheit. Die grössten und erst noch jährlich wiederkehrenden Posten werden heute von Aussenstehenden, von Funktionären in den kantonalen Hauptstädten bestimmt. Diese stellen die Rechnungen aus, den Gemeinden bleibt die Funktion des gutmütigen, manchmal murrenden, Rechnungsbegleichers, der jedoch zur Verhinderung überbordender Summen nicht mehr berechtigt ist. Drei Beispiele erläutern diese verhängnisvolle Entwicklung.

Fetisch öffentlicher Verkehr
Wo immer man sich in der Schweiz auch aufhält: Das Mittragen eines Fahrplans ist überflüssig geworden. Man kann sich darauf verlassen, dass man zumindest im Stundenabstand per Bus oder Postauto an einen Bahnhof transportiert wird, wo auch die Weiterfahrt gesichert ist. Das ist Luxus. Ein Luxus, der von denen, die dieses System benutzen, nie und nimmer voll bezahlt wird. Der Luxus wird täglich angeboten, bei jedem Wetter. Sicher wird er zu den Stosszeiten auch intensiv genutzt. Aber zu den Nebenzeiten? Dann, wenn nicht gerade Wanderwetter vorherrscht?

Adolf Ogi, Verkehrsminister zur Zeit, da dieses Taktfahrplan-System bis in alle Kapillaren des Landes aufgebaut wurde, pflegte seinerzeit auch Nebenlinien zu inspizieren. Unvergessen bleibt sein «Bilanz-Ausspruch»: Habe er ausserhalb von Stosszeiten vorüber fahrende Postautos von aussen betrachtet, dann seien sämtliche Passagiere fast immer gerade im Begriff gewesen, in entsprechend gebückter Haltung ihre Schuhe zu binden – so dass sie für Leute am Strassenrand unsichtbar geblieben seien…… Völlig leer fahren solche Busse heute selten herum. Aber von Auslastung keine Spur. Wer bezahlt all den Luxus dieser hundertfachen Leerfahrten? Gewiss nicht die Passagiere. Zu einem wesentlichen Teil aber die Gemeinden, denen für die Bedienung mit dem öffentlichen Verkehr – aber auch für Luxusbauten an unter Umständen recht weit entfernten Knotenpunkten – einfach die Rechnungen zugestellt werden. Oft gesalzene Rechnungen, die einfach nur zu bezahlen sind. Ob die Ausgabe – allenfalls auch eine sehr grosse Ausgabe – zuvor von einer Gemeindeversammlung bewilligt worden ist: Darüber lachen die selbstherrlichen Funktionäre in den Hauptstädten bestenfalls. Von Bewilligungen ist ihr Wirken längst nicht mehr abhängig.

Die Konsequenzen für die Gemeinden sind gravierend: Gelingt es, in den Behördenwahlen einen tüchtigen Finanzfachmann, der effizienten Umgang mit Geld auch in der Gemeinde unter Beweis stellen will, als Finanzvorstand zu gewinnen, dann erlebt dieser Finanzfachmann vor allem Frust: Die grössten Beträge, für die die Gemeinde aufzukommen hat, sind von der Gemeinde längst nicht mehr beeinflussbar. Die werden von Funktionären auf höherer Ebene kurzerhand diktiert. Die Gemeinde hat einfach zu bezahlen – bis zum bitteren Ausbluten.

Spitalkosten
Für die Spitalkosten gilt dasselbe. Die sogenannten «Gesundheitskosten» explodieren nicht zuletzt wegen der hohen Aufwendungen für den Betrieb der Spitäler. Noch immer ist es den Zuständigen auf Bundesebene nicht gelungen, im Gesundheitswesen wenigstens den Grundsatz durchzusetzen, dass Subventionen nur an einem einzigen Ort bezahlt werden, z.B zur Prämienverbilligung. Dass aber für alle andern Bereiche – auch bezüglich der Spitalkosten – endlich ein Transparenz schaffender Wettbewerb zu gewährleisten ist, auf dass endlich Effizienz- und Kostenvergleiche möglich werden. Davon ist die Schweiz meilenweit entfernt. Alle Gesundheitsfunktionäre wissen jedoch: Die hohen Betriebsrechnungen können zu bedeutenden Teilen auch auf die Gemeinden verteilt werden. Echte Mitsprache besitzen diese nicht. Sie müssen nur bezahlen. Selbständige Ausgestaltung des Finanzhaushaltes wird ihnen damit verunmöglicht. Aber was schert das die Funktionäre in der Hauptstadt.

Zentralisierungsverhängnis KESB
Verhängnisvollerweise ist auf eidgenössischer Ebene, von geldgierigen Gutmenschen angetrieben, der Grundsatz durchgesetzt worden, wonach für Vormundschafts-Aufgaben künftig nur noch «professionelles Personal», also Staatsfunktionäre, eingesetzt werden dürften. Bis heute war das Vormundschaftswesen Gemeindeangelegenheit. Vormundschafts- und Fürsorgeaufgaben – das ist hier mit allem Nachdruck aus reicher Erfahrung festzuhalten – wurden von den allermeisten Gemeinden vorbildlich bewältigt. Das Bewusstsein, dass es auf Gemeindegebiet einzelne Menschen gibt, die als Folge zumeist von Schicksalsschlägen vorübergehend oder dauernd auf Unterstützung angewiesen sind, war immer vorhanden. Die Gemeindebehörden suchten die Personen, welche diese Unterstützung auf den Einzelfall bezogen leisteten und vom Sozialvorsteher oder der Sozialvorsteherin angeleitet und beraten wurden, im Gemeinderat. Die Aufgabe wurde im Milizamt, nebenberuflich, oft nur gegen eine symbolische Entschädigung bewältigt. Dies aber zumeist hervorragend, menschlich, einfühlsam; eben: auf den konkreten Einzelfall bezogen. Und immer am Ziel orientiert, einen Weg zu einer dauerhaften Lösung zu finden, oft mit anzustrebender Rückgewinnung der Eigenverantwortlichkeit bezüglich Ausgestaltung des eigenen Lebens. 

Heute besorgen auf eine neue eidgenössische, durch und durch zentralistisch-einheitlich ausgestaltete Gesetzgebung abgestützt Profisdiese Aufgaben. Seither haben wir Fälle, durchnumerierte Fälle. Diese Fälle werden administriert. Allein für diese Administration werden den Gemeinden Rechnungen in der Grössenordnung von dreissig 30.- Franken pro Einwohner in Aussicht gestellt: Also Fr. 30'000.– für tausend Einwohner, Fallkosten noch nicht berücksichtigt. Die Rechnungen dafür gehen an die Gemeinden, die sich dann mit einer neuen Institution namens KESB– Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde – herumzuschlagen haben. Sie haben vor allem zu bezahlen. Oft erfahren sie nicht einmal, wofür genau sie zu bezahlen haben. Das unterliege dem Datenschutz, wird ihnen beschieden.

Die Kosten werden explodieren. Die neue Administration wächst krebsartig. Die zumeist von linken Parteien gestellten «Sozialpolitiker» versorgen darin bevorzugt die eigene Klientel: Funktionäre, die, wenn sie sich dem beruflichen Wettbewerb stellen müssten, vielleicht nicht unterzubringen wären. Ein Grund, weshalb sich die politische Waagschale vor allem in den Städten zunehmend der Linken zuneigt. Der öffentlichen Hand, den Steuerzahlern, bleiben gesalzene Rechnungen, bleiben hohe Kosten. Kosten, die ausserhalb jeglicher Gemeindeautonomie einfach zu leisten sind.

Wer sich da noch bemüht, einen ausgeglichenen Finanzhaushalt, in welchem Sparsamkeit dominieren soll, zu erreichen, erlebt nur Frust. Er hat Rechnungen zu bezahlen. Zu sagen hat er nichts. Damit haben demokratiefeindliche Funktionäre den Weg gefunden, die Gemeindeautonomie umzubringen. Die Gemeinden werden zu bezahlenden Vollzugsinstanzen erniedrigt. Die Selbstbestimmung auf der Grundlage der Gemeindeautonomie bleibt auf der Strecke.  [1]

Die letzte Strophe aus dem hohen Lied auf die Gemeindeautonomie ist verklungen.


Millionen für nichts 
Unsummen wurden während 15 Jahren aufgewendet. Heerscharen von Funktionären, Therapeuten und Heilpädagogen profitierten davon. Das Resultat dieser Aufwendungen? Null! Die Rede ist von QUIMS, von QUIMS-Schulen. Schulen also, für die findige Bürokraten eine pfiffige Abkürzung erfunden haben, welche «gewöhnliche Leute» nicht verstehen, die aber zur Befriedigung der Funktionäre gescheit klingt.

Was ist QUIMS? QUIMS heisst «Qualität in multikulturellen Schulen». Ein Viertel aller Zürcher Schülerinnen und Schüler besuchen QUIMS-Schulen. Der Zusatzaufwand für QUIMS beträgt pro Jahr rund sechs Millionen Franken, obwohl allerdings offenbar nur verschleiernde Zahlen veröffentlicht werden. In QUIMS-Schulen sollen Ausländerkinder besser Deutsch lernen, damit mehr Ausländerkinder ins höchste Sekundarschulniveau gelangen. Ziel ist auch, Ausländereltern für die hiesige Volksschule «zu interessieren». Nichts davon sei erreicht worden, sagt jetzt eine Studie des Zürcher Bildungsrats, die 15 Jahre QUIMS beurteilt, und dies nachdem für QUIMS insgesamt bisher wohl um die 90 Millionen Franken ausgegeben worden sind.

Verschleuderung von Steuergeldern
Schlussfolgerung der Zürcher Bildungsdirektion: Man müsse noch mehr Geld in QUIMS stecken. Eine Aufwandsteigerung von 50 % werde vielleicht einmal Resultate erbringen. Und das, nachdem die 90 Milliarden für die ergebnislose «Arbeit» zahlloser Funktionäre, Therapeuten, Heilpädagogen und anderer Teilzeithilfskräfte ausgegeben worden sind. Ein Zeugnis dafür, wie Finanzmittel verantwortungslos verschleudert werden, wenn diese dem sogenannten «Bildungsbereich» zugeordnet werden können: 90 Millionen und kein einziger Schüler hat davon profitiert! Die Millionen haben die Bildungs- und andere Funktionäre bezogen: auf Kosten echter Bildungsanstrengungen. Mit «Null» Ergebnis  nach 15 Jahren! Das «gelegentliche Spaghetti-Essen» mit Ausländereltern habe leider, vernimmt man auch noch, «nichts ausgelöst». Dabei gibt es seit langem konkrete Vorschläge, wie  Ausländerkinder resultatorientiert in die Volksschule eingegliedert werden müssten……. 

Forderungen stellen und nicht sinnlos Geld verteilen!
Zunächst ist der Grundsatz «Sprachkompetenz vor Einschulung» umzusetzen. Fremdsprachige Kinder haben vor ihrer Einschulung in eine Regelklasse Intensiv-Unterricht in Deutsch zu erhalten, längstens ein Jahr, mit von den Eltern verbindlich verlangter Unterstützung (lückenloser Schulbesuch, zuverlässige Erledigung der Hausaufgaben). Damit werden Verständigungsprobleme in den Regelklassen beseitigt – zum Vorteil ausländischer wie schweizerischer Kinder. Ausserdem muss der Dolmetschereinsatz für Elterngespräche verschwinden. Ausländer, die sich hier niederlassen und hier arbeiten wollen, haben die hiesige Sprache zu lernen, als Integrationsleistung auf ihre Kosten. Der Verkehr mit Ausländern seitens Behörden und Schulen soll ausschliesslich auf Deutsch erfolgen. Ausländer, die sich sprachlich nicht den hiesigen Verhältnissen anzupassen bereit sind, müssen dann eben auf die Erneuerung ihrer Aufenthaltsbewilligung verzichten. Insgesamt Massnahmen, die auf Kosten der Bildung nicht Millionen in den Sand setzen, die dafür aber wirksam wären.  [2]

 

[1]  Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 13. Juli 2012

http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Die_Ermordung_der_Gemeindeautonom-686 

[2]  http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/quims-millionen-fuer-nichts.php   11. 7. 12  Bildungskompass vom 10. 7. 2012  -   Von Ulrich Schlüer