Landgrabbing

d.a. Unter diesem Begriff figuriert der Landkauf von Staaten, Konzernen und mitunter auch von Banken in ärmeren Ländern,

dies zur Absicherung der eigenen Ernährungsbasis. Bekanntlich hatte die Preisexplosion für Nahrungsmittel von 2007/2008 bewirkt, daß das Ziel, sich den Zugang zu den Ackerböden anderer Länder zu erschließen, verstärkt verfolgt wurde. Zu den Drittländern, die Landflächen verkaufen resp. verpachten, gehören sowohl Krisenregionen und sogenannte Schwellenländer, aber auch Australien. »Teile dieser neoliberalen Landeroberung«, vermerkte Klaus Pedersen bereits 2009, »muten wie ein großes Grund-und-Boden-Roulette an: Während China über 1,6 Millionen Hektar gekauft bzw. geleast hat, pachten japanische Firmen Flächen in China. Ägypten, selbst das Ziel von Landeinkäufern aus Japan und den Golfstaaten, produziert künftig 2 Millionen Tonnen Weizen pro Jahr im Nordsudan. Darüber hinaus hatte Ägypten im Juni 2008 auf ministerieller Ebene über die Verpachtung von 840000 Hektar Land in Uganda verhandelt; nach Protesten in Uganda wurde die Flächenangabe dementiert, ohne daß eine andere Zahl genannt wurde. Nahezu grotesk wirkt es, wenn einer der größten Erölexporteure der Welt, Saudi-Arabien, Land pachtet, um Agrotreibstoffe zu produzieren. Aber genau dies ist Teil eines Deals mit Indonesien, bei dem es um die Nutzungsrechte für 1.6 Millionen Hektar Land geht.«  [A]  Geschäfte dieser Art, so Pedersen ferner, »die nicht selten mit den korrupten Machthabern der ärmsten Länder abgeschlossen werden, unterliegen den eisernen Gesetzen der freien Marktwirtschaft und dem Bereicherungsdrang der Beteiligten. Die internationalen Unternehmen haben alle Rechte eines Landeigentümers und können frei entscheiden, wem sie ihre Nahrungsmittel verkaufen wollen, wird der Rechtsanwalt Stephen Barrister in einem Beitrag des australischen Daily Telegraph vom 7. März 2009 zitiert. In Ländern, die bezüglich der Ernährungssituation von der FAO 2008 als Hochrisikoländer eingestuft wurden, findet zum Teil ein massiver Ausverkauf fruchtbaren Ackerlandes statt. Dazu zählen Äthiopien, Madagaskar und Mocambique. Auch der Sudan ist, wie bereits erwähnt, trotz der konfliktbedingten Hungerkrise ein beliebtes Objekt der Landspekulanten. Die in München ansässige Firma FloraEcoPower hatte sich bereits 2007 über 10000 Hektar in der äthiopischen Region Oromia zur Produktion von Agrotreibstoffen gesichert. Dann titelte die Financial Times in ihrer Ausgabe vom 7. März 2009 Saudis get first taste of foreign harvest und bezog sich darauf, daß dem saudischen König Abdullah der erste in Äthiopien geerntete Reis in einer Zeremonie übergeben wurde. Während der Reis in Äthiopien gedieh, verteilte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen dort Nahrungsmittelhilfe an 11 Millionen Menschen.« Zu den rührigsten Akteuren der neuen globalen Landnahme«, legt Pedersen dar, »gehören die Golfstaaten. Die Liste der Länder, mit denen sie Verhandlungen führen oder Verträge abgeschlossen haben, ist lang und reicht von Äthiopien über Australien, Burma, Indonesien, Jemen, Kambodscha, Laos, Marokko, Pakistan, Philippinen, Philippinen, Sudan, Tadschikistan und Thailand bis zu Vietnam.« 2009 waren laut Weltbank weltweit mehr als 47 Millionen Hektar bebaubaren Bodens an internationale Konzerne verkauft worden, zwei Drittel davon in Afrika. Dagegen kommt die Vereinigung Global Land Project auf deutlich höhere Angaben: Ihr zufolge sind im gleichen Zeitraum allein in Afrika 63 Millionen Hektar Grund und Boden an ausländische Investoren verkauft oder verpachtet worden. Während internationale Konzerne so bebaubares Land »hamstern«, hungern die Menschen. »Die von afrikanischen Regierungen willkommen geheißenen Investoren«, legte María José Esteso Poves im November letzten Jahres in der jungen Welt dar, »nutzen die Flächen vor allem für die Herstellung von Biokraftstoff für die Industrienationen, während immer weniger Boden für die Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung steht. In Afrika leben 80 % der Bevölkerung auf bäuerlichen Familienbetrieben. Darüber hinaus ist in vielen Ländern des Kontinents Grund und Boden Kommunaleigentum. Doch welche Vereinbarungen die Behörden über deren Nutzung mit den transnationalen Konzernen getroffen haben, ist weitgehend unklar. Vor allem Unternehmen aus Saudi-Arabien und China gelten als die größten Aufkäufer von Grundstücken in Afrika; aber auch Kuwait, Katar, Bahrain und Unternehmen aus Schweden, Deutschland und Großbritannien haben sich per Abkommen in Angola, Kenia, Sambia, der Demokratischen Republik Kongo oder Moçambique Ländereien angeeignet. Führend beim Landraub in Afrika ist jedoch Indien. Nach Angaben der indischen Wirtschaftszeitung The Economist Times haben mehr als 80 indische Unternehmen in Plantagen in Kenia, Äthiopien, Madagaskar, Senegal und Moçambique investiert, die für den indischen Markt produzieren.« 

Wie dies auf den Philippinen aussieht, hat Philippe Revelli in aller Ausführlichkeit beschrieben [2]: »Ausländische Investoren kaufen dort mittlerweile die Äcker auf, um daraus Plantagen zu machen, was die Regierung dies mit allen Mitteln fördert: Soweit sich die Bauern erinnern, hat es weder in San Mariano noch irgendwo sonst in der bergigen Provinz Isabela auf Luzon, der größten Insel der Philippinen, je ein Zuckerrohrfeld gegeben. Anfangs mußten noch erfahrene Zuckerbauern von den Inseln Negros und Mindanao zu Hilfe gerufen werden. Inzwischen aber ist die Landschaft mehr und mehr von den hellgrünen Stängeln geprägt, und am Ortsausgang thront eine Ethanolfabrik der GFII, der Green Future Innovations Inc., über dem Fluß. Es handelt sich um ein Joint Venture der japanischen Firma Itochu mit philippinischen und taiwanischen Fondsgesellschaften. [1]  Mit einer Investitionssumme von 120 Millionen $ und einer geplanten Jahresproduktion von 54 Millionen Liter Ethanol und 19 Megawatt Strom, die aus den Überresten des Zuckerrohrs, der Bagasse, gewonnen werden, ist das GFII-Programm eines der wichtigsten Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energien auf den Philippinen. Das Unternehmen wurde 2007 gegründet, kurz nach der Verabschiedung des Biofuel Act im Dezember 2006, der die Beimischung von zunächst 5 und seit 2011 10 % Ethanol im Benzin vorschreibt. Den neuen Markt wollen aber auch andere nutzen: Die San Carlos Bioenergy Inc. ist mit 36 Millionen Litern jährlich der nach wie vor größte philippinische Ethanolhersteller, und die Pacific Bio-Fields Holding, ein Zusammenschluß japanischer und philippinischer Unternehmen, hat 400000 Hektar Land in der Provinz Ilocos Norte auf Luzon erworben. 

Um das Biokraftstoffgesetz tatsächlich umzusetzen, wären 440 Millionen Liter Ethanol pro Jahr nötig, dafür reichen jedoch die Produktionskapazitäten noch nicht aus. Die Regierung hat daher ein Programm zur Entwicklung von Agrotreibstoffen aufgelegt, das unter der Leitung der Investitions- und Entwicklungsagentur Philippine Agricultural Development & Commercial Corporation, PADCC, steht. Sie hat die Aufgabe, den Investoren zu helfen, die gesetzlichen und logistischen Hindernisse, auf die sie bei der Umsetzung großer agrarwirtschaftlicher Projekte stoßen könnten, zu überwinden. [2]  Darüber hinaus soll sie landwirtschaftliche Flächen ausweisen, die sich für derartige Vorhaben eignen. In ihrer Datenbank sind bereits 2 Millionen Hektar Land als verfügbar eingestuft, das heißt, sie sind entweder brachliegend, verlassen oder in Randlage, wobei sich Letzteres auch auf Parzellen in der Umgebung von Naturschutzgebieten beziehen kann. Die Definitionen sind bewußt unklar gehalten, damit möglichst viele Flächen als verfügbar gelten können. In San Mariano will Green Future in einem Umkreis von 30 km auf 11000 Hektar Zuckerrohr für die Ethanolfabrik anbauen. Kein Problem, zumindest für den zuständigen Verwaltungsbeamten Alexandre Uy, der erklärt: Ein großer Teil der Böden von San Mariano liegt brach. [3]  Aber das kann nur jemand behaupten, der nicht richtig hinschaut. Heremias Jovito, ein Bauer aus dem Dorf El Pilar, erzählt: Bis letztes Jahr habe ich auf 5 Hektar Mais angebaut. Die Traktoren vom Ethanolprojekt sind kurz nach der Ernte gekommen – da war natürlich nichts mehr auf dem Feld! Seitdem wächst auf seiner Parzelle Zuckerrohr statt Mais. Das ist kein Einzelfall: Die meisten Dörfer in der Gegend sind davon betroffen, ebenso wie die Stammesgebiete der indigenen Gemeinschaften und Wälder im Naturschutzgebiet Sierra Madre.In San Mariano hat GFII die Bodenpreise in die Höhe getrieben. Das weckt natürlich auch bei den örtlichen Eliten Begehrlichkeiten, erklärt Cita Managuelod, die das Center for Genuine Agrarian Reform leitet, und die Bauernorganisation Dagami berät [Danggaya Dagiti Mannalon ti Isabela, die Abkürzung bedeutet Unser Land]. Sie haben keine Hemmungen, Beamte zu bestechen oder Dokumente zu fälschen, um sich Land anzueignen, das die Kleinbauern seit vielen Generationen beackern, allerdings meist ohne jeden schriftlichen Besitznachweis. Unabhängig von den fragwürdigen  Methoden widerspricht die Übereignung solcher Ländereien an landwirtschaftliche Großprojekte der philippinischen Verfassung von 1987. In Artikel 18, Absatz 22 heißt es zwar, der Staat könne brachliegende oder verlassene landwirtschaftliche Flächen enteignen, aber diese müssen dann an die Nutznießer der Landreform umverteilt werden. Die Regierung gibt das Land lieber den ausländischen Investoren, schimpft Cita Managuelod. Dabei ist die Provinz Isabela der wichtigste Mais- und der zweitgrößte Reisproduzent des Landes – die Gesamtproduktion deckt nicht einmal die Inlandsnachfrage. Die Philippinen sind mittlerweile die größte Reisimportnation der Welt. In San Mariano regt sich allerdings Widerstand gegen das Ethanolprojekt. Im Februar 2011 standen mehrere hundert Demonstranten vor dem GFII-Büro. Im August desselben Jahres wurde in El Pilar ein GFII-Traktor angezündet. Die unter dem Dach von Dagami versammelten Bauern und Indigene konnten sogar einige Parzellen, die Green Future unrechtmäßig gepachtet hatte, zurückgewinnen. Daraufhin wollte das Unternehmen seine Plantagen zunächst von 11000 auf 6000 Hektar verkleinern. Ende August kündigte GFII dann die Schließung der Fabrik von San  Mariano an. Die Fabrik war schon bald nach der Inbetriebnahme im Mai in Verruf geraten: Sie hatte gegen Umweltvorschriften verstoßen und giftige Abwässer in den Fluß geleitet. Die Ankündigung der saudischen Far Eastern Agricultural Investment Company [FEAICO], für 25 Jahre 78000 Hektar  Land auf  Mindanao zu pachten, um Reis, Mais, Bananen und Ananas für Saudi-Arabien zu produzieren, sorgte dagegen für keinerlei Unruhe auf der Insel. Die auf Initiative der saudischen Regierung hin gegründete FEAICO, ein Zusammenschluß von international operierenden Agrarkonzernen, verabredete dafür eigens ein Joint Venture mit der philippinischen Firma Aztropex. Und die konnte sich auf die Unterstützung der philippinischen Regierung verlassen, die sich um Agrarinvestitionen aus dem Nahen Osten und vor allem von Saudi-Arabien bemüht, wo 200000 philippinische Migranten arbeiten. FEAICO setzte darauf, daß die muslimische Bevölkerung Mindanaos Sympathien für Saudi-Arabien hegt, und nahm sogar Verbindung zu den Rebellen der Moro Islamic Liberation Front (MILF) auf, die in der Gegend großen Rückhalt genießt und jetzt die muslimischen Investoren begrüßte. Erst Entwicklung, und dann Frieden, argumentiert Aztropex-Chefin Rose Sira. [4]  Um den Kauf dieser riesigen Ackerflächen zu bewerkstelligen, wurden alle staatlichen Hebel in Bewegung gesetzt. In der Gemeinde Isulan, wo das Konsortium 1500 Hektar Land für Bananenplantagen pachten will, ist Rodger Barasquia für das Ministerium für Landreform im Einsatz. Die ausländischen Investoren bieten den Bauern eine große Chance, sagt er. Jetzt können sie endlich die Tilgung für ihr Land bezahlen– und zwar an den Staat. In Isulan bebaut eine Familie im Schnitt anderthalb Hektar. Den meisten wurde dieses Land im Zuge der Agrarreform zugesprochen. Um einen Besitztitel zu erwerben, hätten die Bauern bei der staatlichen Land Bank die vorgeschriebene Ablösesumme, die Tilgung, bezahlen müssen. Doch das Geld hatten nur wenige. Jetzt erhalten die Bauern, die ihr Land verpachten, jährlich 8000 Pesos [etwa 140 €] pro Hektar. Die Hälfte davon geht zur Tilgung ihrer Schulden sofort an die Land Bank. Die Bauern besitzen somit zwar ein Stück Land, dürfen es aber nicht mehr bebauen und bekommen es erst nach 25 Jahren intensiver Monokultur wieder zurück. Diese Methode der Besitzübertragung sichert im Übrigen auch langfristig die Bodenansprüche der Investoren, erklärt Arze Glipo, die Leiterin der NGO Integrated Rural Development Foundatio[IRDF]. Für den Dialog mit der Bevölkerung hat FEAICO die Immobilienagentur und Arbeitsvermittlung Badrun gegründet. Seit 2009 haben bereits Hunderte von Kleinbauern Pachtverträge unterzeichnet, die mit einem  ausdrücklichen Anbauverbot verbunden sind. Badrunverspricht den Bauern, die ihr Land verpachten, sie als erste einzustellen, wenn Landarbeiter benötigt würden. Barasquia ist begeistert: Ein Hektar, ein Arbeitsplatz. 1500 Hektar verpachtetes Land, das sind also 1500 neue Arbeitsplätze!“ Die Bauern, die mit Badrun verhandeln, wissen zwar, daß sie es mit Investoren aus dem Nahen Osten zu tun haben, aber den Namen der Firma kennen sie nicht. Um das Vorhaben durchzusetzen, hat sich FEAICO – mit Besuchen, Geschenken, Versprechungen und so weiter – das Wohlwollen von Beamten und geistlichen Würdenträgern gesichert. Der Einsatz hat sich gelohnt. Sonst hätten die Leute hier nein gesagt, meint Abedine Datukan, ein Bauer aus dem Dorf Laguilayan in Isulan. Aber der Sultan hat ja zugestimmt, dann machen wir mit. Er macht sich trotzdem Sorgen: Was wird aus meinen vier Söhnen, wenn ich als Einziger Arbeit habe? Wenn es pro Hektar nur einen einzigen Arbeitsplatz gibt?Jetzt verzögert sich der Start des Projekts auch noch. Für die Bauern heißt das, daß sie auf ihrer verpachteten Parzelle nichts anbauen können. Sie haben uns die Verträge unterschreiben lassen, uns aber kein Geld gegeben, berichtet Bainoria Sinienggayan, die Ehefrau des Sultans von Laguilayan, etwas verlegen. Seitdem haben wir die Leute nicht wiedergesehen, und wir wissen nicht, was los ist.

Die meisten dieser Großprojekte, bei denen neuerdings ausländische Investoren Agrarflächen pachten, sind im Grunde noch in der Testphase [5], weshalb zwischen Vertragsabschluß und Anbaubeginn viele Monate, manchmal sogar Jahre liegen. In Casiguran in der Provinz Aurora, das an einer tiefen Bucht in der Nähe der Schiffsrouten nach Taiwan und Südkorea liegt, verschlingt die Gründung einer riesigen Freihandelszone, der Aurora Pacific Ecozone & Free Port [Apeco], das Land der Bauern und Ureinwohner. Das ursprüngliche Projekt, das unter der Regierung von Gloria Macapagal Arroyo im Jahr 2007 vorgestellt wurde, umfaßte 500 Hektar. Die neuere Planung aus dem Jahr 2010, der Amtszeit Benigno Aquinos III., sieht schon 13000 Hektar vor, und die Verkäufer weisen bereits darauf hin, daß in der Umgebung noch Flächen für eine weitere Expansion vorhanden wären. Die Regierung nutzt die als Ökozonen bezeichneten Sonderwirtschaftszonen hauptsächlich dafür, Investoren anzulocken. Schon 2012 waren mehr als 2000 Betriebe bei der staatlichen Philippine Economic Zone Authority (Peza) registriert, die dem Handels- und Industrieministerium unterstellt ist. Inzwischen existieren 250 Ökozonen, die im Textil-, Agrar-, Elektronik- und Automobilsektor oder im Tourismus [auch Medizintourismus] tätig sind; dazu kommen Banken, Callcenter und Telekommunikationsfirmen. Die registrierten Unternehmen profitieren von vereinfachten Ansiedlungsformalitäten und erhalten zahlreiche Steuervergünstigungen: Für 6 bis 8 Jahre zahlen sie keine Körperschaftsteuer und keine Importzölle auf Maschinen und Material. Die Investoren können sich jederzeit aus dem Geschäft wieder zurückziehen, während auf der anderen Seite auch künftige Regierungen an die eingegangenen Verpflichtungen gebunden sind. Die Sonderwirtschaftszonen gelten als autonome Territorien, die über eine eigene Polizei verfügen; das ungeschriebene Gesetz Keine Gewerkschaft, kein Streik wird rigoros angewendet. [6]  Seit einigen Jahren hat die Entwicklung landwirtschaftlicher Sonderwirtschaftszonen höchste Priorität. Marriz Agbon, der Präsident der PADCC, erklärt: Idealerweise liegen die Sonderwirtschaftszonen in der Nähe eines Hafens, das erleichtert den Gütertransport. Und die Fläche muß so groß sein, daß wir auf die Bedürfnisse potentieller Investoren eingehen können. [7]  In Casiguran haben die südkoreanische Regierung und 4 taiwanische Firmen Interesse daran bekundet, in einen Freihafen und ein Containerterminal zu investieren, sowie in Aquakulturen und die dazugehörigen Fischfabriken. [8] Das Programm sieht auch einen internationalen Flughafen, Hotels und die Herstellung von Kokosprodukten vor. Doch das Projekt ist umstritten. 5 Dörfer sind davon betroffen, berichtet Pater José Francisco Talaban. Tausende von Menschen werden umgesiedelt und die Fischer und Bauern ihrer Lebensgrundlage beraubt. Wo jetzt die Friedhöfe der indigenen Gemeinschaften liegen, sollen Luxushotels entstehen. Der Bau von Hafen und Aquafarmen wird dramatische Folgen für die Mangrovenwälder und die Lebewesen des Meeres haben.

Ohne Land in Mindanao, ohne Arbeit in Manila 
Die Gegner des Projekts, die von der Bauernorganisation Panama [9], Umweltverbänden und Vertretern der katholischen Kirche unterstützt werden, kritisieren auch, daß öffentliche Gelder zugunsten von privaten Investoren eingesetzt werden: Zwischen 2007 und 2010 wurden 46 Millionen $ für Apeco ausgegeben; im Haushalt für 2012 sind weitere 7,5 Millionen eingeplant. [10] Während die Aztropex-Chefin Rose Sira mit Hilfe der Landverpachtung an ausländische Investoren einen bewaffneten Konflikt in Mindanao beilegen will [11],  wird in Casiguran, wo alle Gegner zum Schweigen gebracht werden sollen, ein erbitterter Krieg gegen die kommunistische Guerilla der Neuen Volksarmee [New People’s Army, NPA] geführt. Das Militär behauptet, wir gehörten zur NPA. Die Projektgegner werden regelrecht verfolgt, erzählt Elmer Dayson von der  Bauernorganisation Panama. Am 26. Juni 2010 wurde auf das Haus von Pater Francisco Talaban ein Anschlag mit Handgranaten verübt. Die Täter waren Mitglieder der paramilitärischen Allianz gegen die Kommunisten von Bianoan [dem Dorf, in dem der Geistliche wohnt]. Wenn Panama eine Informationsveranstaltung im Dorf Cozo abhält, kommen die Soldaten uneingeladen hinzu. Sie beteiligen sich nicht an den Diskussionen, sondern schreiben nur die Namen der Anwesenden auf. Im Wahlkampf 2010, aus dem Benigno Aquino schließlich als Sieger hervorging, hatte dieser angekündigt, die Verträge und die Vereinbarungen zur Verpachtung großer Ackerflächen überprüfen zu lassen. Nun verlangen mehrere Organisationen, die ihn unterstützt hatten, die Auflösung der staatlichen Investitions- und Entwicklungsagentur PADCC. Aber es ist noch nichts passiert, stellt die NGO-Vertreterin Arze Glipo fest. Für die Regierung sind ausländische Investitionen nach wie vor der wichtigste Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung.Es geht aber nicht nur um Ackerland. Mit 340 Hektar Büroflächen, Einkaufszentren und Wohnhäusern an einer zentral gelegenen Kreuzung der Hauptstadt Manila will der Quezon City Central Business District (QC-CBD) zum wichtigsten Geschäftsviertel des Landes aufsteigen. Im Rahmen des von der Weltbank unterstützten Vorhabens hat die Immobiliengesellschaft Ayala eine Public Private Partnership mit der staatlichen National Housing Authority abgeschlossen, um eine 29 Hektar große Fläche zu erschließen – zu der gehört auch das Armenviertel San Roque, wo derzeit 6
000 Familien leben. Erst haben sie mir zu Hause in meiner Provinz mein Land genommen. Und jetzt wollen sie mein Stadtviertel abreißen, um Türme für die Geschäftsleute zu bauen!, schimpft Estrilita Bagasbas. Sie ist Sprecherin der Anti-Abriß-Allianz von San Roque. Die Regierung und Ayala behaupten, wir würden das Land geringschätzen, auf dem wir leben, und es wäre viel profitabler, wenn man es an ausländische Investoren verpachtete.Nachdem Estrilita Bagasbas ihr kleines Stück Land auf Mindanao, auf dem Reis und Kokospalmen wuchsen, verloren hatte, machte sie sich auf den Weg nach Manila, um Arbeit zu suchen. Sie fand eine Unterkunft in einem der illegal errichteten Stadtviertel, die in der 13-Millionen-Stadt überall aus dem Boden schießen. Hier lebt sie nun schon seit etlichen Jahren. So ähnlich ist es vielen Bewohnern von San Roque ergangen, die dem Elend auf dem Land entfliehen wollten. Im Jahr 2002 hatte die Regierung versprochen, für die elementare Infrastruktur in San Roque zu sorgen und die rechtliche Situation der Bewohner zu regeln. 5 Jahre später kam der Plan für das neue Geschäftszentrum, und die Versprechen waren nichts mehr wert. Die Behörden schlagen den Bewohnern jetzt als einzige Alternative den Umzug in die 20 Kilometer nördlich von Manila gelegene Siedlung Montalban vor. Die meisten Einwohner von San Roque leben jedoch von Gelegenheitsjobs in den nahegelegenen Einkaufsstraßen. Wenn sie aus ihrem Viertel wegziehen müssen, verlieren sie auch ihre Arbeit. Hinzu kommt, daß Montalban in einem Überschwemmungs- und Erdbebengebiet liegt. Daher leisten die Leute in San Roque weiter Widerstand. Im September 2010 konnten sie nach schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei einen Räumungsversuch abwehren. Seitdem lebt das Viertel in einem ständigen Ausnahmezustand. Die Bewohner werden brutal unter Druck gesetzt: Am 2. März 2012 stürmten Sicherheitsleute der Firma Ayala das Haus von Josy Lopez, einer weiteren Sprecherin der Gemeinde, und drohten, sie umzubringen. Seitdem haben die Bewohner Angst vor Brandstiftung. 2011 haben die zuständigen Behörden 851 Fälle von Brandstiftung verzeichnet, die meisten in Stadtvierteln, die vom Abriß bedroht sind.

Anmerkung politonline: Im eigentlichen verstossen Vorgänge dieser Art ganz klar gegen die Menschenrechte der davon Betroffenen. Diese Menschenrechte haben allerdings, wie es sich seit geraumer Zeit immer deutlicher herausstellt, ganz offensichtlich zwei Seiten: Geht es um die Menschenrechte, die uns in Form von UNO-Gesetzen wie die Agenda 21, die Gleichschaltung oder das Rassismusgesetz oktroyiert werden, erhebt sich bei deren Nichterfüllung jeweils ein Sturm der Entrüstung; geht es hingegen um Menschenrechte, die, wie oben beschrieben, von Konzernen negiert resp. ausgehebelt werden, dann sehe zumindest ich die UNO nirgendwo zur Stelle. Nun müssen wir ja die FAO, die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, seit ihrer Gründung finanzieren; die Betonung liegt auf müssen, denn auch ein UNO-Ressort wie die FAO erachte ich als uns aufgezwungen. Dennoch liegt mir kein Bericht vor, der nachwies, dass die FAO je gegen die Landkäufe der genannten Art vorgegangen wäre resp. darauf gedrungen hätte, dass die zum Teil mit regelrechten Enteignungen der indigenen Bevölkerung verbundenen Landverkäufe in gerechte Bahnen gelenkt würden, auch wenn längst offenliegt, dass der Ausverkauf des Bodens die Hungerkrisen verschärft. Und letztlich wurde die FAO ja gerade auch deshalb institutioniert, um den Hunger in der Welt zu überwinden.  

Kein Vorwurf gegen die UNO 
Schon 2007 prangerte Jean Ziegler die Agrar-Dumpingpolitik der EU resp. deren Export- und Produktionssubventionen an, die dazu führen, dass EU-Erzeugnisse z.B. auf dem afrikanischen Markt zu einem Bruchteil des Preises des lokalen Produkts zu kaufen sind. 37 afrikanische Staaten, erklärt Ziegler, sind reine Agrarstaaten. Dort wird die Inlandswirtschaft durch diese Dumpingpolitik total ruiniert. Vor 30 Jahren gab es in Afrika 81 Millionen permanent schwerst unterernährter Menschen, heute sind es 203 Millionen. Dieser Hunger ist laut Ziegler in Europa gemacht. Nun war Ziegler von 2000 bis 2008 Sonderberichterstatter der UNO für das Recht auf eine angemessene Ernährung, was infolge der gegenwärtigen Situation unmittelbar zu der Feststellung führen muss, dass er in seiner Funktion als UNO-Repräsentant ganz offensichtlich nichts geleistet haben kann, was den Hunger verrringert hätte: Und genau dieser Umstand zeigt die  - gewollte ? -  Machtlosigkeit der kostenverschlingenden UNO einmal mehr auf. Im Prinzip stossen wir hier auf dasselbe Versagen dieser Institution, das sich manifestiert, wenn es darum geht, Krieg oder Krisen zu verhindern. Die Ohnmacht der UNO zeigt sich stets von neuem, so dass Zweifel am Sinn dieser Institution nicht ausbleiben können. Bereits 2006 hatte Ziegler die unumschränkte Macht global tätiger Konzerne, die die Demokratie bedrohten, sowie ihre Profitmaximierung, die seinen Worte gemäss Leichenberge produziere, angeprangert. Nur eben: Wo war Herr Ziegler, um kraft seines Amtes Schritte einzuleiten, die hier eine Änderung herbeigeführt hätten? Sicherlich tritt neben der Konzernwelt gerade in Afrika auch eine Korruption ins Spiel, die sich durchaus als endemisch bezeichnen lässt. Wenn also Herr Ziegler die heutige Weltordnung nicht nur als mörderisch, sondern geradezu als absurd empfindet, müsste er sich dann nicht selbst Vorwürfe machen, dass er in seinem Amt total versagt hat?  [12]

 

 

Quelle:  LE MONDE diplomatique Nr. 9928 vom 12.10.2012 
Wie der Zucker nach Luzon kam  -  Von Philippe Revell
Revelli ist Journalist und Fotograf. Aus dem Französischen von Sabine Jainski 
Siehe auch

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1776   7. 7. 11
Unsere Welt - Landkauf in Afrika
  sowie
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1473  28. 3. 10
Wie gewirtschaftet wird

[A]  http://www.jungewelt.de/2009/04-28/018.php    28. 4. 09 
Turbokolonialismus  Von Klaus Pedersen 
(1) Dazu gehören die philippinische Bioethanol and Energy Investments Corp., die taiwanische Holding GCO sowie die japanische JGC Corp. 
(2) Zitiert nach Ceres P. Doyo, Human face of food sovereignty, in: Philippine Daily Inquirer, Manila, 30. Juli 2009
(3) P6-billion bioethanol facility to rise in Isabela, 11. Oktober 2011  www.philstar.com 
(4) Zitiert nach: Tania Salerno, Transnational land deals in Mindanao, Land Deal Politics Initiative, Rotterdam, April 2011
(5) Siehe Ben Shepherd, Redefining food security in the face of foreign land investors, Centre for non-traditional security studies, Singapur. www.rsis.edu.sg
   
(6) Siehe Philippines: Voyage autour des zones économiques spéciales Webdokumentation: http://www.philipperevelli.com/   
(7) Siehe Agri-Business Economic Zones, 14. Mai 2009: www.agriculture-ph.com   
(8) Taiwanese companies commit investment in Aurora ecozone, 3.
Dezember 2011 www.aurorapacific.com.ph 
(9) Panama und Dagami sind Gruppen auf Provinzebene, die der größten Bauernorganisation des Landes, der Philippinischen Bauernbewegung (KMP), angehören 
(10) Angara using underhanded tactics to get back at critics of ecozone, 27. September 2011:  http://opinion.inquirer.net/  Die Kritiker haben beim obersten Gerichtshof eine Petition gegen das ihrer Ansicht nach verfassungswidrige Projekt eingereicht 
(11) Inzwischen hat die Regierung mit der Moro Islamic Liberation Front (Milf) ein Friedensabkommen vereinbart, das am 15. Oktober unterzeichnet werden soll. Es sieht für die muslimische Bevölkerung von Mindanao eine autonome Region namens Bangsamoro vor.   
(12)   http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/187/29189/   26.1.06  
WEF-Kritiker Jean Ziegler: Konzerne produzieren Leichenberge