Blick auf den Iran d.a. Die unter dem Titel Falsche Versprechungen am 26.8. von German Foreign Policy eingegangene Information verheisst nichts Gutes:

Berliner Regierungsberater beginnen mit den Planungen für ein Sanktionsregime gegen den Iran. Im Gespräch sind besondere Zwangsmaßnahmen ("smart sanctions"), die bereits gegen den Irak erprobt wurden und den Expansionsinteressen deutscher Firmen nicht im Wege stehen. Ziel ist die Vermeidung von Milliardenverlusten und strategischen Rückschlägen auf einem als bedeutend eingeschätzten Markt bei gleichzeitiger Nötigung Teherans. Nach der Absage der nächsten Gesprächsrunde im Atomstreit durch die drei mächtigsten EU-Staaten geht die iranische Regierung in die Offensive und fordert Verhandlungen mit anderen europäischen Ländern sowie blockfreien Staaten. Es sei nicht zu erkennen, auf welcher Grundlage Berlin, Paris und London die Verhandlungen monopolisieren dürften, heißt es bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Trotz des illegalen Charakters ihrer Einschüchterungspolitik bereiten sich die EU-Kernstaaten auf Gewaltmaßnahmen vor.

Verwundbarste Stelle
Die ersten deutschen Vorschläge für ein Sanktionsregime hat am gestrigen Donnerstag die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) publiziert. Der think tank zieht mehrere Modelle in Betracht, darunter als erstes eine Unterbrechung des Ölexports. Sie müsse mit Gewalt durchgesetzt werden ("Seeblockade"), träfe jedoch Iran "an seiner verwundbarsten Stelle", heißt es bei der SWP.[1] Als ungewiss gilt allerdings, wie die Volksrepublik China auf entsprechende Maßnahmen reagieren würde. China bezieht große Mengen Erdöl aus dem Iran und hat dem Land Beobachterstatus in dem Sicherheitsbündnis Shanghai Cooperation Organization (SCO) eingeräumt.[2] Die SWP rechnet für den Fall eines Rohstoffembargos mit dramatischen Ölpreissteigerungen und "negativen weltwirtschaftlichen Auswirkungen".
 
Verluste
Allgemeine Wirtschaftssanktionen, die sämtliche Industriebereiche treffen würden, stoßen in maßgeblichen deutschen Wirtschaftskreisen weiterhin auf Ablehnung.[3] "Wir (...) hoffen (...), daß es keine Eskalation geben wird", beschwört die Nordafrika-Mittelost-Initiative des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die Berliner Außenpolitik.[4] Für die Sorgen um stabile Handelsbeziehungen gibt es aktuellen Anlass. Die deutschen Exporte in den Iran sind im vergangenen Jahr um 33 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gestiegen, im Januar und Februar 2005 lagen die Ausfuhren sogar um 47 Prozent über dem Vergleichswert des Vorjahres.[5] Neben Milliardenverlusten befürchten deutsche Unternehmen vor allem strategische Rückschläge auf dem iranischen Markt, sollte sich Deutschland an wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegen Teheran beteiligen. Aber nicht nur die unmittelbaren Iran-Geschäfte würden in Mitleidenschaft gezogen werden. Da mehrere deutsche Konkurrenten (darunter die Volksrepublik China und eventuell auch Russland) Embargopläne ablehnen könnten, ist ein Einbruch des deutschen Handels zugunsten von Ersatzlieferanten abzusehen.
 
"Realistische Option"
Um Zwangsmaßnahmen zu ermöglichen, ohne den Expansionsinteressen der deutschen Wirtschaft zu schaden, schlägt die SWP so genannte "smart sanctions" vor. Ein entsprechendes Sanktionsregime hatte die Bundesregierung bereits in den 1990er Jahren für den Irak skizziert und mit zwei Konferenzen in den Jahren1999 (Bonn) und 2000 (Berlin) innerhalb der Vereinten Nationen zur Diskussion gebracht ("Berlin-Bonn-Prozess"). Mit den deutschen Regeln würden "90 Prozent der Ausfuhrverträge (mit dem Irak) unproblematisch", erklärte im Jahr 2001 der BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg. Nach einer entsprechenden Änderung des UN-Sanktionsregimes im Mai 2002 beurteilte der Bundeswirtschaftsminister die deutschen Exportaussichten als "gut".[6] "Smart sanctions" gelten auch gegenwärtig als Möglichkeit, illegale Gewaltmaßnahmen gegen Teheran mit deutschen Wirtschaftsinteressen zu verbinden. Sie böten "am ehesten eine realistische Option, Iran unter Druck zu setzen", heißt es ungeniert bei der SWP.[7]
 
Anmaßungen
Angesichts der westlichen Drohungen geht die iranische Regierung in die Offensive. Nach der Absage der für den 31. August geplanten Atom-Gesprächsrunde durch die drei mächtigsten EU-Staaten sei Iran bereit, auch mit anderen europäischen Ländern sowie mit blockfreien Staaten zu verhandeln, erklärte der Chefunterhändler Ali Larijani am gestrigen Donnerstag. Insbesondere die blockfreien Staaten gelten als Gegner der deutsch-französisch-britischen Forderungen. Sie laufen darauf hinaus, Teherans verbrieftes Recht auf friedliche Urananreicherung durch willkürliche Restriktionen eines fremden Staatenkartells zu beschränken. Damit würden internationale Normen, die auch von Iran in Anspruch genommen werden dürfen, der Gewährung Dritter unterstellt. Es sei nicht zu erkennen, auf welcher Grundlage Berlin, Paris und London die Atom-Verhandlungen mit Teheran monopolisieren dürften, heißt es unter Mitgliedern der Internationalen Atmonenergieeehörde in Wien (IAEA).
 
Demütigend
Vor dem Hintergrund der zunehmenden westlichen Gewaltdrohungen geht Teheran inzwischen dazu über, die iranische Öffentlichkeit zu Protesten gegen Deutschland und die EU zu mobilisieren. Während gegen die USA gerichtete Parolen auf Kundgebungen iranischer Verbände alltäglich sind, wurden auf einer kürzlichen Demonstration auch Sprechchöre gegen Berlin, Paris und London laut. Der deutschen Außenpolitik ist es gelungen, auch neutrale sowie oppositionelle Teile der iranischen Öffentlichkeit gegen den Westen aufzubringen. Die Spannungsstrategie, an der Berlin maßgeblichen Anteil hat, wird als demütigend und herausfordernd wahrgenommen, weil sie der Preisgabe nationaler Interessen gilt und Iran mit kriegerischen Konsequenzen bedroht.
 
Wahlkampf
Noch vor wenigen Tagen hatte der deutsche Bundeskanzler erklärt, die deutsch-iranischen Spannungen dürften nicht in einen Krieg münden.[8] Die Äußerungen erfolgten bei Beginn des Wahlkampfes und wurden taktischen Manövern zugeschrieben. Bereits zum Zeitpunkt der Friedens-Versprechungen war der inzwischen erfolgte Verhandlungsabbruch mit Teheran erwogen worden.
 
[Hervorhebungen durch politonline]
 
http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/55700.php
[1] Sanktionen gegen Iran. Optionen, Probleme, Perspektiven; SWP-Aktuell 36, August 2005
[2] s. dazu Gefährliches Dreieck und Eingliederung
[3] s. auch Zwei Feuer
[4] Iran-Sanktionen bedrohen lebhafte Geschäfte; Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.08.2005
[5] s. dazu Bindungen und Liebe sowie Zuschlag
[6] s. dazu Irak: Deutsche Wirtschaft genießt "Präferenzen"
[7] Sanktionen gegen Iran. Optionen, Probleme, Perspektiven; SWP-Aktuell 36, August 2005
[8] s. dazu Eingliederung
 
 
Noch weniger Gutes verheisst The American Conservative [1] in einem Artikel vom 1.8. In Washington ist es kaum ein Geheimnis, dass die gleichen Leute, die uns die Lage im Irak beschert haben, dasselbe für den Iran vorbereiten. In Übereinstimmung mit den Instruktionen, die Vizepräsident Cheney an das Pentagon geleitet hat, hat dieses dem United States Strategic Command (STRATCOM) den Auftrag erteilt, einen Krisenplan zu erstellen, der als Antwort auf einen dem 11. 9. vergleichbaren weiteren Terroranschlag gegen die USA umzusetzen wäre. Dieser Plan schliesst massive Luftangriffe auf den Iran ein, wobei sowohl konventionelle als auch taktische Atomwaffen zum Einsatz kommen sollen. Wie beim Irak hängt die Reaktion der USA auch hier nicht davon ab, ob der Iran tatsächlich in einen Akt des gegen die USA gerichteten Terrorismus involviert ist. Von verschiedenen Offizieren der Luftwaffe, die in die Planung miteinbezogen sind, heisst es, dass sie angesichts der Implikationen  - es geht um einen Nuklearschlag gegen den Iran, ohne dass eine Provokation von Seiten dieses Landes vorausgeht -  entsetzt seien, dass jedoch keiner von ihnen bereit sei, seine Karriere zu schädigen, indem er Einwände erhöbe. Im Iran gebe es mehr als 450 strategisch bedeutende Ziele, einschliesslich zahlreicher Orte, die mit dem vermuteten Programm zur Entwicklung von Nuklearwaffen zu tun hätten. Viele dieser Ziele seien gehärtet oder tief im Boden vergraben und könnten daher nicht mit konventionellen Waffen zerstört werden. Das sei der „Grund für die nukleare Option.“ Die Angaben basieren auf einem Bericht des früheren CIA-Agenten Philip Giraldi.
 
Inzwischen zeichnet sich eine Achse Teheran–Bagdad ab. Hierzu führt  Rainer Rupp in der Jungen Welt vom 4.8. folgendes aus:  „Bereits im Mai hatte der irakische Verteidigungsminister Saadoun Dulaimi Teheran einen Freundschaftsbesuch abgestattet und dort über die militärische Zusammenarbeit verhandelt. Mitte Juli reiste der irakische Interimspremier Ibrahim Dschaafari, von acht Ministern begleitet, zu einem dreitägigen Besuch in die iranische Hauptstadt. Presseberichten zufolge wurde die irakische Delegation vom ‚Obersten Führer der islamischen Revolution’, Ayatollah Khamenei, und iranischen Ministerkollegen »herzlich empfangen«. Die fünf bei diesen Treffen unterzeichneten umfangreichen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Abkommen machen zum Leidwesen der USA den Willen der beider Nachbarn zur engen Zusammenarbeit deutlich. Weitaus schwieriger ist es für die USA, die neuen iranisch-irakischen Wirtschaftsabkommen zu hintertreiben. So sind die Energieminister beider Länder übereingekommen, daß die Iraker Öl von Basra zu den Raffinerien im Iran pumpen und dafür Benzin und andere, im US-besetzten Irak knappe Endprodukte erhalten. Innerhalb der nächsten zehn Monate sollen dafür drei Pipelines zwischen den beiden Ländern fertiggestellt werden. Außerdem wird der Iran im Gegenwert von etwa einer Milliarde US-Dollar im Irak dringend benötigte Schulen, Krankenhäuser und Büchereien bauen. Dazu werden sich viele iranische Baufirmen im Irak engagieren und mit irakischen Unternehmen zusammenarbeiten. Die einzige Kraft, die, wenn auch unter Einsatz skrupelloser Mittel, dem Export der schiitisch-islamischen Revolution im Wege gestanden hatte, die irakische Baath-Partei, ist von den USA unmittelbar nach dem Einmarsch in Bagdad aufgelöst worden; ihre militanten Anhänger werden bis heute gnadenlos verfolgt. Dadurch hat die Bush-Regierung entgegen ihrer Absicht den Iran gestärkt und den erdölreichen Irak militanten Schiiten und Anhängern der islamischen Revolution auf dem Tablett serviert, quasi als Sprungbrett in die gesamte Region.“
 
Die jetzigen Drohungen der USA stehen, wie nur allzu oft in der Vergangenheit, in krassem Gegensatz zu früheren Bestrebungen. Recherchen der Washington Post zeigen auf, dass 1975 unter US-Präsident Gerald Ford dessen Stabschef im Weissen Haus, Richard Cheney, sowie Donald Rumsfeld als damaliger Verteidigungsminister und der in der US-
Rüstungskontrollagentur für die Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen verantwortliche Paul Wolfowitz den Schah von Persien, der ein iranisches Atomprogramm zur Sicherung zukünftiger Energiebedürfnisse forderte, lautstark unterstützten. Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz, inzwischen exponierte Gegner des iranischen Atomprogramms, bedrängten seinerzeit ihren zögerlichen Präsidenten solange, bis er 1976 eine Direktive unterzeichnete, die Iran ein Atomgeschäft inklusive der heute so heftig bekämpften Wiederaufbereitungsanlagen bescherte: Dieses hätte US-Konzernen wie Westinghouse und General Electric mindestens 6,4 Milliarden Dollar in die Kassen gespült. Doch bevor der Deal richtig anlief, war der CIA-gestützte Shah von Persien von der iranischen Revolution vom Pfauenthron gejagt worden [3].
 
Die den Anfeindungen gegen den Iran zugrunde liegende Wiederaufnahme der Urankonvertierungsanlage in Isfahan (USF), wo Rohuran in Gas umgewandelt wird, um später in Natanz angereichert zu werden, ist hinlänglich bekannt. Schwach angereichertes Uran dient als Brennstoff in Atomkraftwerken; sehr hoch angereichert könnte es dagegen zur Waffenproduktion benutzt werden. Der dem Iran gemachte Vorwurf, ein Programm zum Bau atomarer Waffen anzustreben, ist offensichtlich ebenso grundlos wie die zur Rechtfertigung des Irakkriegs dienenden infamen Lügen, der Irak besässe Massenvernichtungswaffen. Wie Mohamed Al-Baradei, der Chef der Internationalen Atomagentur IAEA in Wien, bekanntgab, ist er zu dem Schluss gekommen, dass der Iran keine Absicht hat, Atomwaffen zu entwickeln [4]. Die IAEA  hat während der letzten zwei Jahre an allen verdächtigten Orten gründliche und nahezu ununterbrochene Untersuchungen durchgeführt, jedes Mal mit demselben Ergebnis: keinerlei Anhaltspunkt für die Anschuldigung. Wenn wir den Resultaten der umfangreichen Investigationen der Nuklearexperten dieser Behörde nicht trauen können, heisst es bei information clearinghouse, dann sollte diese geschlossen und der Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen aufgehoben werden. Mittlerweile hat Hoseini-Khamenei, wie dem Iran Daily vom 11. 8.zu entnehmen ist, eine Fatwa erlassen, entsprechend der die Herstellung, Lagerung und Benutzung von Atomwaffen dem Islam zufolge verboten sei, so dass der Iran diese Waffen niemals erlangen dürfe.
 
Laut FAZ.NET vom 13.8. „erklärte Bush, seinen letzten Informationen nach weigerten sich die Iraner, den Forderungen der freien Welt nachzukommen, die von Teheran den Verzicht auf die Entwicklung von Atomwaffen fordere.“ Angesichts der genannten Fakten stellt dies nichts anderes als eine gezielte Provokation dar. Zu vermerken wäre noch, dass Russland und der Iran das Abkommen, das die Lieferung und Rücknahme von Brennstäben durch Russland regelt und den Weg für die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Buschehr, das Ende 2006 hochgefahren werden soll, freimacht, im Februar dieses Jahres unterzeichnet haben.   
Es sieht ganz so aus, als zöge es die Wertegemeinschaft EU vor, anstatt im Sinne ihrer Bürger eine aktive Friedenspolitik zu betreiben, im Hintergrund dem Frieden zuwiderlaufende Ränke zu schmieden. 

[1] http://amconmag.com/2005_08_01/print/articleprint3.html
[2]http://www.informationclearinghouse.info/article9706.htm
[3] http://www.kommunisten-online.de/Kriegstreiber/iran1.htm
[4] http://www.informationclearinghouse.info/article9706.htm