Der Freihandelsdeal zwischen der USA und der EU soll die Basis für eine neoliberale globale Wirtschaftsordnung schaffen - Von Dana Gabriel

Die USA und die EU beabsichtigen, den größten Freihandelsdeal der Welt miteinander

abzuschließen. Ein derartiges Abkommen wäre die Basis für die Schaffung einer NATO- Wirtschaftsmacht und würde den Handel mit Waren, Dienstleistungen, Investitionen und Rechten an geistigem Eigentum einschließen. Es ist zu befürchten, daß die USA diese Gespräche nutzen wird, um die EU zur Aufhebung der Beschränkungen zu drängen, die in Europa für den Import von genmanipuliertem Getreide und daraus hergestellten Nahrungsmitteln gelten. Außerdem könnte der Deal als Hintertür dienen, um das vom Europa-Parlament im letzten Jahr abgelehnte Urheberrechtsabkommen ACTA doch noch durchzudrücken. [2] Mit einem transatlantischen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU will man sich gegen Chinas wachsende Wirtschaftsmacht wehren.

Ein solches Abkommen könnte das Fundament für eine neue globale Wirtschaftsordnung sein.
In seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation gab Präsident Obama offiziell bekannt, daß die Vereinigten Staaten mit der EU Gespräche über eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft aufnehmen wird. In einem gemeinsamen Statement erklärten José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, Herman Van Rompuy, der Präsident des Europa-Rates, und US-Präsident Obama:
»Bei diesen Verhandlungen werden die USA und die EU die Gelegenheit haben, nicht nur Handel und Investitionen über den Atlantik auszuweiten, sondern auch zur Entwicklung globaler Regeln beizutragen, die das internationale Handelssystem stärken können.« In einer aus diesem Anlaß gehaltenen Rede fügte Barroso hinzu: »Ein zukünftiger Deal zwischen den beiden wichtigsten Wirtschaftsblöcken der Welt wird das Zusammenspiel grundlegend verändern. Gemeinsam werden wir die größte Freihandelszone der  Welt bilden. Deshalb werden diese Verhandlungen nicht nur einen neuen Standard für unseren künftigen bilateralen Handel, unsere wechselseitigen Investitionen und die dazu notwendigen Regularien setzen, sondern auch zur Entwicklung von Regeln für den globalen Handel beitragen.«  

Angestoßen wurde der Freihandelsdeal von der High Level Working Group on Jobs and Growth, der Hochrangigen Arbeitsgruppe für Jobs und Wachstum, die geschaffen wurde, um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der USA und der EU zu vertiefen. In ihrem Abschlußbericht forderte die Arbeitsgruppe beide Seiten auf, »so bald wie möglich die formellen Verfahren einzuleiten, die notwendig sind, um Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und   Investitionsabkommen in Gang zu setzen.« Nach Aussagen offizieller Stellen in der USA und der EU könnten die Gespräche bereits diesen Juni beginnen und bis Ende des Jahres 2014 erfolgreich abgeschlossen werden. Durch das vorgeschlagene Handelsabkommen sollen die Importzölle und alle Hürden beseitigt werden, die den Handel mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen behindern; gleichzeitig sollen die auf beiden Seiten geltenden [unterschiedlichen] Standards und Regulierungen harmonisiert werden. Auch der Schutz des geistigen Eigentums und entsprechende Durchsetzungsmaßnahmen würden einbezogen. Dabei könnte durch die Hintertür auch wieder das Anti-Counterfeiting Trade Agreement ACTA [Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen] ins Spiel gebracht werden. [3]  Öffentlicher Druck und die Befürchtung, die freie Nutzung des Internets und die Privatsphäre könnten dadurch bedroht sein, hatten das Europäische Parlament im Juli 2012 dazu bewogen, das ACTA-Abkommen abzulehnen. Auch bei den Verhandlungen über den Handel zwischen Kanada und der EU wird wieder versucht, wenigstens Teile dieses Abkommens durchzusetzen.

Lori Wallach, die Direktorin von Global Trade Watch, einer Unterorganisation von Public Citizen, die den Welthandel überwacht, erklärte, die Gespräche zwischen der USA und der EU zielten darauf ab, »eine ganze Reihe zu unser aller Wohl notwendiger Vorschriften zum Schutz der Unverfälschtheit der Nahrung, der Gesundheit und der Umwelt, die von internationalen Konzernen als Handelshemmnisse betrachtet werden, zu beseitigen.« Zur Erläuterung dieser Aussage fügte sie hinzu: »Europäische Konzerne haben die US-Vorschriften zur Regulierung des   Finanzsystems und die strengeren Test- und Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel und medizinisches Gerät im Visier; US-Konzerne wollen die schärferen europäischen Vorschriften zum Umgang mit Chemikalien, zur Unverfälschtheit von Nahrungsmitteln und zur Deklarierungspflicht für genmanipulierte Nahrungsbestandteile beseitigen.« Earth Open Source [eine britische Organisation zum Schutz der Nahrung]  [4]  warnte: »Der geplante Freihandelsdeal zwischen der USA und der EU würde EU-Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt aushebeln und  den Export von genmanipuliertem Saatgut und aus genmanipulierten Grundstoffen hergestellten Nahrungsmitteln nach Europa ermöglichen.« Die Forschungsdirektorin Claire Robinson gab zu  bedenken: »Wenn das Handelsabkommen durchgeht, wird es der EU gemäß den Regeln der WTO  untersagt sein, die Verwendung genmanipulierter Organismen stärker zu regulieren als die USA.« Das sollte aufhorchen lassen, denn in der USA sind in vielen Fällen bei der Beimengung genmanipulierter Organismen in Nahrungsmittel weder Sicherheitstests noch eine besondere Kennzeichnung vorgeschrieben.

Das vorgeschlagene Handelsabkommen zwischen der USA und der EU überschattet auch die immer noch zwischen Kanada und der EU laufenden Verhandlungen über ein  Comprehensive Economic and Trade Agreement [CETA], ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen.  [5]  Obwohl sich die Gespräche im Endstadium befinden, müssen beide Seiten noch große Lücken überbrücken, bevor das Abkommen geschlossen werden kann. Thomas Walkom vom Toronto Star meint dazu: »Europas wirkliches Interesse am Abschluß eines Handelsabkommens mit Ottawa besteht darin, der USA zu demonstrieren, daß ein transatlantischer Freihandelspakt möglich ist.« Er fährt fort: »Die EU-Unterhändler werden sich jetzt noch heftiger dagegen sträuben, Kanada größere Zugeständnisse zu machen, aus Angst, sie könnten damit ihre Position in den Verhandlungen mit der USA schwächen.« Walkom glaubt: »In den Verhandlungen steht Kanada deshalb unter viel größerem Druck als Europa.« Er schließt mit der Feststellung: »Ein Deal zwischen Kanada und der EU dürfte sicher sein. Nachdem die USA jetzt aber mit ins Spiel gekommen ist, könnten die Konditionen für Kanada sogar noch ungünstiger als erwartet ausfallen.« Die kanadische Zeitung Globe and Mail hat kürzlich berichtet, die EU habe noch weitere Zugeständnisse von Kanada gefordert, bevor ein Vertrag geschlossen werden könne. Um überhaupt zu einem Abschluß zu kommen, könnten die verzweifelten Kanadier bereit sein, noch mehr eigene Positionen aufzugeben. Sie haben sich von Anfang an auf einen schlechten Deal eingelassen und sollten im eigenen Interesse am besten die Finger von CETA lassen. Es ist zu erwarten, daß die gegen die Macht der Konzerne und die Globalisierung gerichteten Bewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks in den kommenden Monaten ihre Anhänger gegen das geplante Handelsabkommen zwischen der USA und der EU mobilisieren werden. Es sind die Großkonzerne und die Finanzindustrie, die diesen Großangriff auf die Gesundheit, die unverfälschte Nahrung und die Umwelt starten. Wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA soll vermutlich auch der beabsichtigte Handelsdeal der USA mit der EU eine Vereinbarung enthalten, die verhindert, daß durch die staatliche Besteuerung von Kapitalanlagen die Profite der Konzerne geschmälert werden.

Ein Handelsabkommen zwischen der USA und der EU wäre ein weiterer Baustein für ein neues globales Handelssystem. Zusammengenommen würden das NAFTA-Abkommen, die Transpazifische Partnerschaft und ein transatlantischer Handelsdeal zwischen USA und EU beste Voraussetzungen für eine globale Freihandelszone schaffen.  [1] 

Transatlantik-Freihandel ist Gefahr für Schweizer Unternehmen
d.a.  Dies ist der Titel eines Artikels in den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vom 16. März. [6].
»Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA könnte Schweizer   Exportunternehmen diskriminieren«, heisst es dort. Und: »Die Wirtschaft läuft dagegen Sturm.« Wie aus den Ausführungen der DWN hervorgeht, ist Obamas Vorschlag von der EU-Kommission begrüßt worden, so dass sie bereits einen Entwurf für ein entsprechendes Verhandlungsmandat verabschiedet hat. Nicht erstaunen sollte, dass es der Kommission zudem gelungen ist, »eine Studie über die wirtschaftlichen Vorteile der Freihandelszone vorzulegen.« »Der belgische EU-Kommissar für Handel Karel De Gucht«, so die Zeitung ferner, »hofft, dass die Mitgliedstaaten dieses Mandat so rasch wie möglich billigen. Denn die Verhandlungen sollen noch vor der Sommerpause beginnen. Je eher wir beginnen, desto eher können wir eine Vereinbarung erreichen, von der alle Seiten profitieren,« zitiert ihn Bloomberg. Zu letzterem dürften durchaus etliche Vorbehalte anzumelden sein ….

Darüber hinaus wird in den DWN folgendes konstatiert: »Die USA ist nach der EU der zweitwichtigste Exportmarkt der Schweiz. Wenn die EU und die USA ein Freihandelsabkommen abschließen würden, dann könnte dies zu einer Diskriminierung Schweizer Exportunternehmen führen, so Economiesuisse, der größte Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Denn Schweizer Unternehmen unterlägen beim Zutritt zum US-Markt schlechteren Bedingungen als ihre europäischen Konkurrenten. Die Größe des Diskriminierungspotentials sei momentan noch nicht abschätzbar, man müsse jetzt erst einmal den Verhandlungsstart abwarten, sagte Jan Atteslander, Außenwirtschaftsleiter bei Economiesuisse, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Zwar sei die Einrichtung von Freihandelszonen grundsätzlich ein positives Signal für den Welthandel. Doch dürften Schweizer Unternehmen nicht benachteiligt werden. Es gibt kaum eine Branche, die nicht von dem Abkommen betroffen wäre, sagte Atteslander. Er fordert daher vom Bundesrat, die Fühler wieder in Richtung USA auszustrecken und mit der USA explorative Gespräche über ein mögliches Freihandelsabkommen mit der Schweiz aufzunehmen.«

Zu dem Vorhaben vermerkt Thierry Meyssan, wie gewöhnlich eine schärfere Sicht der Dinge einnehmend, in seinem Abriss Die Wirtschaftliche NATO, eine US-Lösung für die Krise unter anderem folgendes [7]: 

Die Schaffung eines transatlantischen Marktes ist lediglich eine Komponente eines grösseren Projekts, einschliesslich der Schaffung einer echten supra-institutionellen Regierung mit einem transatlantischen Wirtschaftsrat, einem transatlantischen politischen Rat und einem transatlantischen Parlament. Die drei Organe sind somit sozusagen schon im Werden begriffen, ohne dass dies in irgendeiner Weise publik gemacht worden wäre. Ihre Architektur bezieht sich auf ein sehr altes Projekt, das zum Ziel hat, aus allen unter anglo-amerikanischem Einfluss stehenden Staaten einen grossen kapitalistischen Block zu schaffen. Man findet seine Spuren in den geheimen Klauseln des Marshall-Plans, aber vor allem in Artikel 2 des Nordatlantischen Verteidigungspakts [8]. Aus diesem Grund spricht man unterschiedslos von einer transatlantischen Union oder einer wirtschaftlichen NATO. Wie diese funktionieren wird, ergibt sich aus der Beobachtung der Art und Weise, wie z.B. Streitigkeiten über den Austausch personenbezogener Daten gelöst wurden. Die Europäer haben sehr strenge Personaldatenschutzstandards, während den Amerikanern alles möglich ist, indem sie sich auf den Kampf gegen den Terrorismus berufen. Nach längerem Hin und Her kapitulierten die Europäer vor den Amerikanern, die ihnen ihr Einbahn-Modell oktroyierten: Die USA hat die europäischen Daten kopiert, während die Europäer keinen Zugriff auf US-Daten bekamen. In wirtschaftlichen Fragen wird es auch um die Aufhebung von Standards gehen, die gewisse Importe bislang verunmöglichen. Washington möchte seine genmodifizierten Produkte in Europa ganz gemütlich verkaufen, seine mit Chlor behandelten Hühner und seine mit Hormonen behandelten Rinder; und es will Facebook, Google, etc. ungeachtet jeglicher Privatspähre ungehindert nutzen können. Abgesehen von dem ungleichen Charakter dieses Projekts und von der unmittelbaren Falle, die es  darstellt, besteht ein wichtiger Faktor darin, dass die Interessen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union in Wirklichkeit auseinanderstreben. Die USA und Grossbritannien sind Seemächte, die an einem transatlantischem Handel ein historisches Interesse haben, was auch im Zweiten Weltkrieg zum Durchbruch kam. Im Gegensatz hierzu haben die Europäer kontinentale, mit Russland gemeinsame Interessen, die auch den Energiesektor betreffen.   

»Wenn Brüssel«, schliesst Meyssan, »Washington wie während des Kalten Krieges weiterhin gehorchen sollte, handelt Brüssel zum Nachteil der Europäer  

 

[1]  Quelle:  http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP03113_080313.pdf   8. 3. 13 Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein LP0, denen wir auch die Übertragung ins Deutsche verdanken. 
Originalartikel auf   http://www.globalresearch.ca/the-u-s-eu-free-trade-deal-foundation-for-a-new-global-economic-order/5324509   February 27, 2013  The U.S. - EU Free Trade Deal: Foundation for a New Global Economic Order - By Dana Gabriel

Dana Gabriel ist ein Aktivist und unabhängiger investigativer Journalist. Er schreibt über Handel, Globalisierung, Souveränität, Sicherheit und andere politische Probleme. Er ist über  beyourownleader@hotmail.com  zu erreichen und und betreibt den Blog http://beyourownleader.blogspot.ca/

[2]  http://www.tagesschau.de/ausland/acta228.html 
[3]  http://cdn.thejournal.ie/media/2012/01/20120125acta.pdf 
[4]  http://earthopensource.org/  und  http://www.meine-landwirtschaft.de/aktuell/nach 
[5]  http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/eu-ue/negotiations-negociations.aspx?lang=eng&view=d
[6]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/03/16/transatlantik-freihandel-ist-gefahr-fuer-schweizer-unternehmen/   16. 3. 13   
[7]  http://www.voltairenet.org/article177724.html   3.
3. 13 
L’OTAN économique, solution à la crise aux États-Unis par Thierry Meyssan 
[8] 
http://www.voltairenet.org/article10130.html    Réseau Voltaire 4 avril 1949
Traité de l’Atlantique Nord