Lösungen für die Euro-Krise ohne Turbulenzen und Gewalt - Von Karl Müller

Der Beschluss der EU-Regierungen zu Anfang der neunziger Jahre, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

[WWU] und mit ihr auch eine gemeinsame Währung, den Euro, einzuführen, war nicht das Ergebnis sorgfältiger volkswirtschaftlicher Überlegungen, sondern das Resultat recht gegensätzlicher politischer Ziele der beteiligten Regierungen. Die Literatur zur Geschichte des Euros belegt dies sehr gut. [1] Weitgehend bekannt ist zum Beispiel, dass die französische Regierung nicht länger bereit war, die Deutsche Mark als Ankerwährung in Europa zu akzeptieren, und dass die deutsche Regierung noch immer davon ausging, die grösste Gefahr für Europa seien souveräne Nationalstaaten. Sie hatte deshalb den Plan, mit der WWU und dem Euro einen entscheidenden Schritt hin zu einer alle Nationalstaaten entmachtenden politischen Union in der EU zu machen. Schon bei der Einführung des Euros wussten aber auch alle Beteiligten, dass es vielerlei Bedingungen gibt, damit eine einheitliche Währung funktionieren kann und dass diese Bedingungen mit der Einführung des Euros nicht erfüllt waren. Die damals Verantwortlichen sind aus politischen Gründen darüber hinweggegangen und glaubten, Fakten schaffen zu können, die zu weiteren Schritten in ihrem Sinne zwingen würden. Mit der Rede von einer Stabilitätsgemeinschaft und dem vertraglich festgeschriebenen Auftrag zu einer finanzpolitischen [und wirtschaftspolitischen] Annäherung [Konvergenzkriterien] versuchten sie, ihren Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Dies war allen Sachverständigen schon bei dem verbindlichen Beschluss über die Einführung des Euros aufgefallen, wurde aber von den Verantwortlichen ebenso selbstverständlich gutgeheissen.

Den hohen Preis für diese politischen Fehlentscheidungen und Versäumnisse sollen heute die Bürger Europas bezahlen. Und die in der Tat nur als Drohungen zu verstehenden einzigen vermeintlichen Alternativen: Unfrieden in Europa oder ein europäischer Superstaat, machen viele beim ersten Hinschauen ratlos. Aber nur beim ersten Hinschauen. Denn kein Bürger, dem Frieden und Recht, Freiheit und Demokratie noch etwas bedeuten, kann eine der beiden Alternativen‹   wollen. Unter diesen Bürgern finden sich quer durch alle politischen Lager Persönlichkeiten, die nach wirklichen Alternativen suchen und nicht bei der eher unrealistischen Forderung stehen bleiben, das Rad der Geschichte einfach zu einem Status vor der Einführung des Euro zurückdrehen zu wollen. Zu ihnen zählt Professor Wilhelm Hankel, der sein Konzept von einer Wiedereinführung nationaler Währungen und einem parallel dazu weiter bestehenden Euro in einem Interview vorgestellt hat, das jetzt auch als Buch vorliegt. [2]  Der jetzige Vorsitzende der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine, hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und ähnlich wie Professor Hankel diagnostiziert, dass es ein einfaches Weiter somit dem Euro nicht geben darf und nicht geben kann. Lafontaine schlägt ein europäisches Währungssystem mit einer Währungsschlange nationaler Währungen vor, um so zu ermöglichen, dass nationale Währungen nach gemeinsamer Übereinkunft der beteiligten Staaten auf dem Weg zur Überwindung der gegenwärtig krassen wirtschaftlichen Ungleichgewichte ab- oder aufgewertet werden können. Wichtig ist hierbei vor allem der Gedanke der gemeinsamen Entscheidung, um so einen Unfrieden stiftender Währungskrieg zu verhindern.  Hinzu kommt die Überlegung, den Irrsinn der uneingeschränkten Kapitalverkehrsfreiheit in eine geordnete Regulierung zu überführen. Die vertragsrechtlichen Möglichkeiten für einen solchen Weg böten die EU-Verträge schon heute. 

Weitere Vorschläge für die Lösung der Euro-Krise, bei der es eben nicht nur ums Geld, sondern auch um Frieden, Freiheit, Recht und Demokratie geht, sind sehr erwünscht. Einseitige Schuldzuschreibungen helfen allerdings nicht weiter. Eher vergrössern sie die Gräben in Europa. Dass insbesondere von der jetzigen US-Regierung ein enormer Druck ausgeht, über eine Haftungs- und Schuldenunion und über Eurobonds zu einer weiteren Zentralisierung in der EU zu kommen, erinnert den Kundigen an die von der USA ausgehende Strategie Jean Monnets aus den Nachkriegsjahren, über Krisen einen Zwang zur Zentralisierung und Entdemokratisierung auszuüben - und somit nicht an ein brauchbares Konzept. Auch deshalb ist es sicherlich richtig, zu versuchen, bisherige Schritte in die falsche Richtung, zum Beispiel die verschiedenen sogenannten Rettungsschirme [ESM, Staatsanleihen-Ankauf durch die EZB] zu stoppen. Europa ist ein Kontinent der kulturellen, wirtschaftlichen und staatlichen Vielfalt. Alle bisherigen europäischen Grossstaatsgebilde waren Ausdruck imperialer Herrschaftsanmassung. Bestehende Probleme werden nicht durch eine Gleichschaltung gelöst werden können. Wenn die EU ihre eigenen Verträge ernst nimmt, dann sollte sie auch ernsthafter über das Subsidiaritätsprinzip und dessen Gehalt nachdenken. Dass nun aus verschiedenen politischen Lagern Vorschläge für die Zukunft Europas in diese Richtung gehen, kann zuversichtlich stimmen.  [3] 

Zu diesem Thema sei hier die Sichtweise von Dr. Bruno Bandulet, dem Mitglied der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Reform des Währungssystems in Europa angefügt:   

»Europa aus der Sackgasse holen«  -  Euro-Krise: Deutsche und französische Nationalökonomen fordern die Auflösung der Währungsunion    
»Bernd Lucke, Gründer der Partei Alternative für Deutschland[AfD], stand vor kurzem im Zentrum des deutschen Medieninteresses. Zuvor hatte der Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg bereits für Aufsehen in der französischen Presse gesorgt: Führende deutsche und französische Euro-Gegner trafen sich zum dritten Mal, dieses Mal in Paris, um über die europäische Währungskrise zu beraten und um Alternativen zum gescheiterten Euro-Experiment auszuarbeiten. In der gemeinsamen Abschlußerklärung wurde den europäischen Eliten vorgeworfen, daß sie sich ihrer Verantwortung für das reale Europa feige entzögen und das Zerstörungswerk des Euros fortsetzten. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, mache die Lösung der Krise schwieriger und teurer. Gefordert wurde, keine Kredite mehr zur Rettung des Euros zu gewähren und ein neues europäisches Währungssystem zu errichten, das auf der Realwirtschaft, auf flexiblen Wechselkursen und nationalen Währungen aufbaut. 

Übereinstimmung wurde auch darüber erzielt, daß nach der Wiedereinführung nationaler Währungen der Euro als Rechnungseinheit bzw. als Parallelwährung bestehen bleiben soll und daß das schwierige Problem der Altschulden gelöst werden muß. Die Gründung des Euros war ein schwerer Irrtum. Der Fehler kann nicht dadurch behoben werden, daß man eine neue und künstliche Wirtschaftsordnung schafft, sondern nur dadurch, daß man das System beseitigt, so das deutsch-französische Kommuniqué. In seinem Vortrag nannte der Ökonom Wilhelm Nölling, der früher dem Zentralbankrat der Bundesbank angehörte, den Euro das größte Unglück der   Währungsgeschichte. Die Euro-Krise bestehe nicht erst seit 2007, sondern seit den neunziger Jahren, als es den späteren Euro-Mitgliedern schon vor Einführung der Einheitswährung nicht gelungen sei, die versprochene Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu erreichen. Das Euro-Abenteuer wird zu Ende gehen, entweder kontrolliert oder in einer Katastrophe, so der langjährige Hamburger SPD-Senator. Nölling fungierte in Paris als Sprecher jener deutschen Euro-Gegner, deren dritte Verfassungsbeschwerde im vergangenen Jahr von Karlsruhe lediglich im Eilverfahren behandelt wurde – das Urteil in der Hauptsache steht noch aus. Es wird wohl, wie der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider vermutete, bis nach der Bundestagswahl im September verzögert werden. Schachtschneider erinnerte an die erste 1992 von Manfred Brunner eingereichte Verfassungsklage gegen den Maastricht-Vertrag. Damals habe das Verfassungsgericht geurteilt, daß Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören dürfe und andernfalls berechtigt sei, als Ultima ratio die Währungsunion wieder zu verlassen. Joachim Starbatty befaßte sich mit der verheerenden Bilanz von zwei Jahren Euro-Rettung. In Südeuropa würden massenweise Arbeitsplätze vernichtet, die Verschuldung steige weiter, Griechenland stehe im sechsten Jahr der Rezession: Das Hauptproblem, nämlich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, ist nicht gelöst, die europäische Peripherie muß abwerten können.‹ 

Ein Thema, dem sich die französischen Referenten besonders widmeten, war die prekäre wirtschaftliche Lage in Frankreich und der Schaden, den der Euro angerichtet hat. Als der Maastricht-Vertrag 1991 ausgehandelt wurde, so der Ökonom Jean-Luc Gréau, belief sich die französische Staatsschuld auf nur 35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jetzt bewege sie sich in Richtung 100 %. Frankreich läuft den Defiziten hinterher, wir bekommen sie nicht in den Griff. Und die Kredite an Südeuropa müßten hinzuaddiert werden. Frankreich benötigt zehn bis 15 Jahre, um aus der Sackgasse zu kommen, so Gréau, Frankreich braucht Sauerstoff und den Umbau des Währungssystems.  

Bleibt die Frage, wie sich die Rückkehr zu nationalen Währungen und damit zu realistischen Wechselkursen [als Alternative zur Transferunion] auf die Euro-Volkswirtschaften auswirken würde. Dazu konnte das im März gegründete Institut Pomone [Pour une Organisation Monétaire Nouvelle en Europe] eine Reihe von Berechnungen vorlegen. Mit dem Institut, das die Pariser Konferenz organisiert hat, haben sich die führenden französischen Euro-Gegner eine wissenschaftliche Plattform geschaffen; dies mit Persönlichkeiten wie Jean-Pierre Gérard, Gérard Lafay, Roland Hureaux, Michel Robatel und Alain Cotta. Bestritten wurde von den französischen Referenten keineswegs, daß jede Abwertung Inflationsrisiken birgt und einen Verlust an Kaufkraft mit sich bringt. Dafür verbessert sich die Handelsbilanz, die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt. Eines der ökonometrischen Modelle, die in Paris präsentiert wurden, unterstellt eine Abwertung der gesamten Euro-Zone gegenüber dem US-$ um 16 % und Abwertungen innerhalb der Zone, die bei Griechenland mit 45 % am stärksten ausfiele. Deutschland hingegen würde mit einem Plus von 16 % für die Neue D-Mark am deutlichsten aufwerten. Als Resultat gebe es innerhalb von 18 Monaten einen Wachstumsschub in Südeuropa, der in Griechenland mit einem Anstieg des BIP um 16,3 % am höchsten ausfiele. In Deutschland hingegen würde die Wirtschaft stagnieren oder sogar um 2,8 % schrumpfen, falls die Neuordnung der Euro-Zone nicht von einer Abwertung zum Dollar begleitet würde.  

Die Demontage der fast kommunistischen Währung [Wilhelm Hankel] wäre machbar und keine Katastrophe – und würde vor allem Südeuropa aus der Sackgasse führen. Und den deutschen Steuerzahlern blieben die enormen Kosten einer dauerhaften Transferunion erspart.«    

[1]  David Marsh Der Euro - Die geheime Geschichte der neuen Weltwährung 2009 ISBN 978-3-86774-045-6 
Joachim Starbatty Tatort Euro. Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen 2013 ISBN 978-3-944305-03-5  
[2]  Wilhelm Hankel Die Euro-Bombe wird entschärft Wien 2013 ISBN 978-3-8004-1516-8   
[3]  Quelle:
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1465  Zeit-Fragen Nr. 18 vom 14. 5. 13 
Siehe hierzu auch Professor Wilhelm Hankel entschärft die Euro-Bombe auf 
http://fdogblog.wordpress.com/2013/05/10/professor-wilhelm-hankel-entscharft-die-euro-bombe/