Vom gegenseitigen Ausspionieren

da. Man sollte sich klarmachen, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst [BND] in der Überwachung

seiner Bürger ebenso aktiv ist wie die Kollegen in der USA, Frankreich oder in anderen Ländern, wobei die Spionage in der Regel einer strengen Geheimhaltung unterworfen ist. Wie die Deutschen WirtschaftsNachrichten darlegen, arbeitet die Bundesregierung auf diese Gebiet eng mit privaten Providern zusammen. Bei ihrer beabsichtigten Rückfrage in der USA zur Ausspionierung der Europäer werden Merkel und Innenminister Friedrich wohl nichts anderes als eine bereits erteilte Auskunft zu erwarten haben: »Einzelheiten können in diesem Zusammenhang nicht öffentlich dargestellt werden. Aus ihrem Bekanntwerden könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure wiederum Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Methoden der Behörde ziehen. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und mithin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.« Wobei man seine Zweifel daran haben kann, ob diese der CIA, dem FBI oder der NSA wirklich am Herzen liegt……  Der BND liest offensichtlich seit langem alles, was sich im deutschen Internet bewegt. Bereits 2012 hatten der BND, der Militärische Abschirmdienst MAD, der Verfassungsschutz und das Zollkriminalamt [ZKA] alle technischen Möglichkeiten, um sich bei den Daten der Bürger zu bedienen. Ferner gibt die Bundesregierung zu, dass die Nachrichtendienste grundsätzlich in der Lage sind, auch vermeintlich sichere Kommunikationswege wie PGP und Secure Shell zu kontrollieren. Von den Providern Utimaco, Ipoque und Trovicor heisst es, dass sie dem BND gegenüber zur vollständigen Übergabe aller Daten verpflichtet sind. Die Provider müssen die Informationen bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags hinterlegen. Eine Prüfung der erhobenen Daten durch Anwälte ist nicht möglich. Daneben gilt: Ist eine Unterlage einmal mit dem Stempel Geheim versehen, tritt der Auskunftsanspruch des Bundestags hinter das Geheimhaltungsinteresse des BND zurück. Diplomaten, Journalisten, Abgeordnete und Anwälte können sich nicht sicher sein, dass sie nicht kontrolliert werden.  [1]

Dass der BND nicht grundsätzlich anders operiert als die NSA oder als britische Spionage-Organisationen, hat noch vor wenigen Tagen der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck bestätigt. Wir machen das in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes im Ausland selbst, erklärte er: Da ist nicht mehr Illegales drin als in anderen geheimdienstlichen Tätigkeiten. Konkret gestattet es etwa das sogenannte G-10-Gesetz, bei ernsten Gefahren für die Bundesrepublik den Datenverkehr mit dem Ausland zu kontrollieren, also die Auslandsknoten der in Deutschland tätigen Telekommunikationsanbieter anzuzapfen. Bei den Netzbetreibern, die die Verkehre ins Ausland leiten, hat der Bundesnachrichtendienst direkt seine Leitungen angelegt, erklärt Klaus Landefeld, Vorstand Infrastruktur und Netze beim Verband der deutschen Internetwirtschaft: Die deutschen Behörden sollten sich also zum Thema Prism nicht so weit aus dem Fenster hängen. »Unmittelbar nach den Äußerungen von Wieck, die Tätigkeit des BND unterscheide sich nicht grundsätzlich von derjenigen der aktuell inkriminierten US-amerikanischen und britischen Stellen«, hält German Foreign Policy [GFP] fest, »sind in deutschen Medien mehrere Berichte erschienen, die dies zu relativieren scheinen. Demnach könne man die angloamerikanischen Aktivitäten mit einem Schleppnetz vergleichen, während der BND sehr gezielt operiere: Er fische nicht wahllos im Datenmeer, sondern operiere mit Suchbegriffen, weshalb er in der Lage sei, präzise zu treffen und unnötigen Beifang zu vermeiden. Als Beleg wurden unter Berufung auf BND-Quellen sinkende Zahlen der gesammelten Verkehrsdaten genannt. Selbst wenn dies zuträfe, bliebe festzuhalten, dass die Suchbegriffe aus dem gesamten Telefon- und Internetverkehr herausgefiltert werden müssen, also die Ausforschung nicht unterbleibt, sondern allenfalls verlagert wird. Gänzlich unklar ist außerdem die internationale Arbeitsteilung der westlichen Dienste und in ihr die besondere Rolle des BND, der sich offenkundig auf die Schleppnetze der befreundeten Dienste verlassen kann.«  [2] 

Die Auslandsspionage der USA 
Was nun das Ausspionieren von Seiten der USA angeht, so hatte der BND, wie GFP berichtet, »bereits vor 25 Jahren weitreichende Kenntnisse über umfassende Spionage-Aktivitäten der NSA in der BRD. Dies geht aus einem in Teilen neu veröffentlichten Medienbericht des Spiegels aus dem Jahr 1989 hervor  [Spiegel schon unten]. Insofern sind die deutschen Geheimdienste schon damals von der NSA mit Informationen versorgt worden, die sie selbst zu beschaffen nicht in der Lage waren.  Mit Blick auf breite Abhörmaßnahmen der NSA legte der Spiegel dar: Westdeutsche  Geheimdienstler wissen längst, daß das Fernmeldegeheimnis (...) nichts gilt. Ein hochrangiger bundesdeutscher Geheimdienstler wird mit den Worten zitiert, er könne sich gut vorstellen, daß  die NSA abhört, was der Hamburger Senat mit dem bayerischen Innenministerium zu besprechen hat. Bereits damals haben allerdings deutsche Behörden auch Nutzen daraus gezogen. So heißt es, daß immer wieder NSA-Berichte in den bundesdeutschen Geheimdienstzentralen eingingen, die Insider problemlos als Mitschrift abgehörter Telefongespräche identifizieren könnten. Schon in der Amtszeit von Innenminister Hermann Höcherl (1961 bis 1965) sei dies gängige Praxis gewesen. Abhören hatten wir gar nicht nötig, wird Höcherl zitiert; wenn wir was wissen wollten, haben wir's den Amerikanern gesagt. Mit Blick auf die im Laufe der Jahre ausgeweitete Tätigkeit des BND rechtfertigte ein Vertreter der amerikanischen Seite die US-Spionagepraxis 1989 mit den Worten: Warum auch nicht, ihr hört uns doch auch ab. Dem Historiker Prof. Josef Foschepoth zufolge sind die gesetzlichen Geheimgrundlagen der Spionage-Kooperation heute noch in Kraft, d.h., daß die NSA trotz 2+4-Vertrag im vereinigten Deutschland bis heute frei schalten und walten könne.      

Auch Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zufolge können sich die amerikanischen Geheimdienste bei Ausspähaktionen in Deutschland auf Rechtsgrundlagen berufen, die noch aus der alten Bundesrepublik stammen. Gemäß Verwaltungsvereinbarungen von 1968 dürfen die Geheimdienste der Westalliierten den BND und Verfassungsschutz um Aufklärungsmaßnahmen ersuchen; die deutschen Dienste haben Rohdaten zu übergeben. Diese Vereinbarungen, die bis 2012 als geheim eingestuft waren, sind nach Angaben der Bundesregierung weiterhin in Kraft. Wie die F.A.S ferner darlegt, ist die Zusammenarbeit zwischen US-Geheimdiensten und dem BND durch mehrere Absichtserklärungen geregelt, die jedoch als streng geheim eingestuft seien. Darüber hinaus haben frühere Bundesregierungen den Amerikanern das Recht zugesichert, sie dürften im Fall einer unmittelbaren Bedrohungihrer Streitkräfte angemessene Schutzmaßnahmenergreifen. Das schließt gemäß dem Truppenvertrag von 1952 und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1962 das Recht ein, eigene Nachrichten in Deutschland zu sammeln.«   [3]

Der ehemalige NSA-Agent Wayne Madsen erklärte in einem Interview mit der Organisation Privacy Surgeon, daß Deutschland zu einer Zusammenarbeit mit der NSA verpflichtet sei. Die europäischen und US-amerikanischen Geheimdienste hätten Übereinkünfte, die viel komplexer und weitreichender seien, als es der Öffentlichkeit bisher erklärt wurde. Madsen sagte, er wolle den Halbwahrheiten, wie sie von den europäischen Politikern verbreitet werden, etwas entgegensetzen. Die Empörung über die Abhöraktionen des NSA in politischen Botschaften Europas nennt er scheinheilig. Der Schock sei nur vorgetäuscht. In einem offiziellen Dokument des EU-Parlaments sei die Zusammenarbeit beim damaligen Echelon-Projekt vereinbart worden. Erstaunlicherweise habe sich damals im Jahr 2001 und seither niemand über dieses mindestens so umfassende Spionage-Programm aufgeregt. Diese Beziehungenverpflichten Deutschland, sowie Großbritannien, Dänemark, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Italien vertraglich dazu, Informationen über Telefonate und Emails sowie die Nutzung von Websites dem US-Geheimdienst preiszugeben. Auch der BND sei in diese Beziehungen verwickelt. Viele dieser Informationen seien nicht geheim oder neu, sagte Madsen. Vielmehr hätten sich die Regierungen dazu entschieden, die Öffentlichkeit darüber im Dunkeln zu lassen. Nachdem bekannt wurde, dass amerikanische Geheimdienste Politiker im Visier haben und nahezu flächendeckend überwachen, löste dies in Europa und in Deutschland eine Welle der Empörung aus, wobei der normale Internet-Nutzer laut Madsen allerdings nicht das Ziel der US-Behörden ist. Europas Eliten und Politiker sind durch diese Enthüllungen viel härter getroffen und erpressbar geworden, seitdem bekannt geworden ist, dass vermutlich auch die Regierungen von der NSA abgehört werden.  [4]  

In Berlin, schreibt Sascha Lobo, »gibt man sich überrascht, zeigt mit dem Finger aufeinander. Niemand will etwas gewußt haben. Kann das sein? Natürlich nicht. Amerikas geheimster Geheimdienst, die National Security Agency, lauscht weltweit und rund um die Uhr, ganz besonders in der Bundesrepublik. Von alliierten Sonderrechten ermächtigt und durch Gesetze geschützt, von […] elektronischen Schutzschilden umhüllt, hat sich die NSA zu einer Monsterorganisation entwickelt, die in einem politischen Vakuum weitgehend nach eigenem Gutdünken operiert. Wie in der Bundesrepublik […] unterliegt das Nachrichtenimperium nirgendwo einer Kontrolle. Pläne und Aktionen bleiben geheim, Namen der Mitarbeiter anonym. Wer immer zwischen Nordsee und Alpen zum Telefonhörer greift, muß gewärtig sein, daß auch die NSA in der Verbindung ist - Freund hört mit.  [5]  »Die Welt«, schreiben die Deutschen WirtschaftsNachrichten, »lacht über die naiven EU-Führer……. Die Herren Europas waren offenbar extrem naiv: Wie konnte es passieren, daß die USA eine Wanze mitten in der EU-Botschaft in Washington installiert? Die NSA hat sich bei ihrer Überwachung der EU-Botschaft in Washington vor allem für den Streit in der EU interessiert. Mit dem Codename Dropmire wurde eine Wanze in das verschlüsselte Fax der EU-Botschaft geschmuggelt und über dieses Fax lief die gesamte EU-Korrespondenz mit den Mitgliedsländern. Dadurch konnten die Amerikaner antizipieren, in welchen Punkten die Europäer gespalten sind und ihre eigene Politik darauf einstellen. Vor allem bei geopolitischen Fragen wie den zahlreichen von den Amerikanern betriebenen Kriegen ist es wichtig, zu wissen, wo mögliche Bruchlinien liegen – um das Kriegsgeschäft so profitabel wie möglich zu halten. Ohne die EU beim Namen zu nennen, sagte der ehemalige Geheimdienst-Koordinator Bernd Schmidbauer im Hessischen Rundfunk: Wer zuläßt, daß seine Büros verwanzt werden, der lebt in der Steinzeit. Es gäbe in der internationalen Politik keine Freunde. Schmidbauer sprach von Sorglosigkeit und Nachlässigkeit der EU-Politiker, weil sie ihre Kommunikationssysteme nicht mehr ausreichend sichern würden. Putin sagte bei einer Pressekonferenz, daß es ihn im Grunde nicht interessiere, was die Amerikaner ausspionieren. Aber natürlich hat Putin ein Interesse daran, einen Gedankenaustausch mit Snowden zu praktizieren. Es ist auch möglich, daß der ganze Coup zwischen Amerikanern und Russen abgesprochen ist – nicht zuletzt, um im Wirtschaftskrimi der Euro-Krise die Interessen der Finanz-Eliten wahren zu können. Diese Eliten werden von Moskau im selben Maß gestützt wir von Washington. Die Herren Barroso, Rompuy und Schulz spielen in dieser Liga  nur als Befehlsempfänger mit. Die ganze EU-Außenpolitik hat sich zunächst mit Dilettantismus, Naivität und am Ende mit steinbrückscher Weinerlichkeit zum Affen der Weltpolitik gemacht.«  [6] 

Die Berliner Umschauschreibt, dass sich die Zweifel an der Ahnungslosigkeit deutscher Behörden mehren. Gert René Polli, heisst es dort, bezweifelt, dass die deutschen Behörden nichts gewusst hätten. Polli war von 2002 bis 2008 Präsident des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz; ihm sei das Programm Prismunter anderem Namen bekannt gewesen.   Darum sei es widersinnig und unnatürlich, wenn die deutschen Behörden nichts davon gewusst hätten. Der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovi, bis 2012 Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Nachrichtendienste des Bundes überwachen soll, sagte der F.A.S.:So eng, wie die Dienste zusammenarbeiten, kann es nicht sein, daß man nichts wußte. Die amerikanischen Dienste machten soviel wie sie wollen, weil sie es könnten, und weil es keine Kontrolle gibt. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos  Computer Clubs, erklärte in der F.A.S., unter Hackern gelte es schon lange als sicher, daß ausländische Geheimdienste in Deutschland große Netzknoten wie De-Cix in Frankfurt anzapften. Dafür wendeten sie sich an große amerikanische und deutsche Netzprovider, Hoster oder Dienste, die Breitbandnetze zur Verfügung stellen. Der SPD-Abgeordnete Fritz Rudolf Körper, ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, zeigte sich überrascht, daß manche von den Enthüllungen überrascht sind. Nach seinem Informationsstand hätten sich die Amerikaner ausschließlich amerikanischer Server bedient, und damit die nationale Integrität Deutschlands" nicht verletzt.‹ ›Wenn wir eine geschützte Kommunikation wollen, müssen wir eine eigene, robuste Infrastruktur aufbauen, sagte Körper.   [7]   Der Auftrag an die NSA lautete verkürzt: »Spionage zugunsten der USA in allen Fällen von nationalem Interesse - politisch, militärisch und wirtschaftlich. Vier Jahre nachdem der englische Schriftsteller Eric Arthur Blair alias George Orwell seine Vision 1984niedergeschrieben hatte, war in Amerika eine geheime Organisation von Orwellschem Format entstanden. Heute […] hat die NSA die Fähigkeiten von Orwells Großem Bruder teils erreicht, teils erheblich übertrumpft.«  [5]   

Die Auslandsspionage der BND
»
Dabei«, führt GFP ferner aus, »operiert der BND, wie Experten bestätigen, heute keineswegs grundsätzlich anders als die NSA. Tatsächlich hat der Dienst nicht nur wie die US-Behörde Vorrichtungen zum Anzapfen der Telekommunikation direkt bei Netzbetreibern im eigenen Land angebracht, er spioniert auch Regierungen souveräner Staaten aus. Das jetzt in Kraft getretene neue Telekommunikationsgesetz eröffnet den Diensten auch den Zugang zu den sogenannten Bestandsdaten deutscher Nutzer. Die parlamentarische Kontrolle der Dienste wird von Fachleuten als völlig unzureichend eingestuft. Vor wenigen Jahren hatte der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble dennoch dafür plädiert, sie abzuschaffen. Als Grund gab er an, daß es bei befreundeten Diensten häufig Zweifel daran gebe, daß ihre Kooperation und ihr Informationsaustausch mit dem BND sowie mit anderen deutschen Spionage-Organisationen tatsächlich vertraulich blieben. Diesem Einwand, ließ Schäuble erkennen, müsse Rechnung getragen werden.«  [2]

Zu den speziellen Arbeitsfeldern des BND gehört laut GFP dabei das Ausforschen staatlicher Behörden via Internet in ausgewählten Zielstaaten. Bereits im Jahr 2009 hatte der stellvertretende BND-Präsident Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven bestätigt, der Dienst habe in 90 Fällen mit Hilfe von Trojanern Festplatten in fremden Staaten ausgespäht, unter anderem in Afghanistan und im Kongo. Davon betroffen gewesen seien nicht nur Privatunternehmen, sondern auch politische Institutionen und Behörden. In 2.500 nicht näher spezifizierten Fällen habe man zudem versucht, in E-Mail-Konten einzudringen. Unlängst hat BND-Präsident Gerhard Schindler die Praktiken des BND konkretisiert. Demnach spioniert der BND die afghanische Regierung explizit auf Weisung des Bundeskanzleramts aus. Schindler zufolge bezieht die BND-Internet-Spionage auch Syrien ein. Dies stellt erneut die Frage nach dem Ausmaß der deutschen Kriegsbeteiligung; schließlich ist bekannt, dass der Auslandsgeheimdienst seine Erkenntnisse mit befreundeten Diensten und damit auch mit deren Kooperationspartnern teilt. [2]

»Beim Ausspähen fremder Staaten«, vermerkt GFP, »geht es auch um Beobachtungseinsätze der deutschen Bundeswehr, über die bereits im April 2011 berichtet wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte das im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen beheimateteZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr [ZVBw] im  zwanzigsten Jahr seines Bestehens auf mehr als 3.000 weltweite, wie gewohnt als Mission bezeichnete Einsätze verweisen. Diese erstreckten sich über ein Gebiet von Vancouver bis Wladiwostok und hatten offiziell das Ziel, die Waffenpotentiale anderer Staaten zu erfassen. Zur Anwendung kamen hierbei mit umfangreicher Spionagetechnik ausgestattete Flugzeuge  - die Palette reicht von Infrarotkameras bis zu neuartigen Radarsystemen [Synthetic Aperture Radar/SAR]. Neben der Implementierung eines militär- und rüstungspolitischen Kontrollregimes in Südosteuropa, insbesondere im ehemaligen Jugoslawien, befaßt sich das Zentrum für Verifikationsaufgaben zur Zeit vorrangig mit dem Kampf gegen Terroristen und Staaten, die sie unterstützen. Die Tätigkeit der Einrichtung basiert auf dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa [KSE-Vertrag], dem sogenannten Wiener Dokument und dem Vertrag über den Offenen Himmel [Open Skies Treaty]. Letzterer gestattet dem deutschen Militär Erkundungsflüge zur Erfassung von Rüstungsgütern im Gebiet von Vancouver bis Wladiwostok. Bereits während der Beratungen über den Stabilitätspakt für Südosteuropa hatte Berlin den Aufbau eines regionalen Verifikationszetrums in Kroatien nach dem Vorbild des ZVBw angeregt; im Oktober 2000 wurde dieses unter der Bezeichnung Regional Arms Control Verification and Implementation Assistance Centre [RACVIAC] offiziell eröffnet. Heute treffen im RACVIAC regelmäßig hochrangige Militärs, Staatsbeamte, Polizisten und Wissenschaftler der am Stabilitätspakt für Südosteuropa beteiligten Länder zusammen. Dies ließ die deutsche Seite die Hoffnung äußern, das RACVIAC könne als Leitbild für ähnliche Initiativen in anderen Krisenherden dienen.  Zu den Aufgaben des ZVBw zählt nach eigener Aussage zudem die globale Rüstungs- und Proliferationskontrolle. Die diesbezüglichen Aktivitäten richteten sich in erster Linie gegen Terroristen und Staaten, die sie unterstützen, heißt es; das Ziel bestehe darin, die Verbreitung von Waffen sowie nuklearen, biologischen und chemischen Kampfmitteln zu kontrollieren, damit diese nicht in die Hände von Terroristen geraten.«  [8]

Was nun Terroristen unterstützende Staaten anbelangt, so liegt es auf der Hand, dass all diejenigen, die die syrischen Rebellen mit Waffen ausrüsten, wozu auch Saudi-Arabien und Katar gehören, sich ganz offensichtlich eines allseits geduldeten Ausnahmestatus erfreuen.  

Einem Bericht von GFP vom Oktober l2012 zufolge »forcieren Deutsche Entwicklungsagenturen den Export von Überwachungs- und Repressionstechnik in die Länder des globalen Südens, was in den Abschluß eines Kooperationsabkommens zwischen der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Siemens-Konzern mündete. Damit wolle man drängende Probleme auf dem Gebiet der Sicherheit in den Megacities der sogenannten Dritten Welt besser in den Griff bekommen, erklären die Verantwortlichen. Siemens produziert zu diesem Zweck Gefahrenmanagementsysteme, die Zutrittskontrollen, Videoüberwachung und die Anleitung von Einsatzkräften in städtischen Gebäudekomplexen umfassen. Unter der Bezeichnung Siveillance wirbt Siemens für eine breite Produktpalette an Überwachungs- und Repressionstechnik, die speziell auf urbane Ballungsräume zugeschnitten ist.« [9]

Bei alledem ziehen Kritiker die Wirksamkeit der offiziellen Geheimdienst-Kontrolle, die deutsche Stellen regelmäßig hervorheben, in Frage. Dies trifft nicht nur auf die Inlandsgeheimdienste zu, die im aktuellen NSU-Skandal beispielsweise zahlreiche Akten schredderten, bevor sie den zuständigen Untersuchungsausschüssen und Gerichten zugestellt werden konnten.   [2]   

Wirtschaftsspionage
Besonders gern, berichten Verfassungsschützer, sammeln US-Dienste Zahlen und Daten aus der Wirtschaft. Mitunter verblüffen amerikanische Kollegen, zu denen sie engen Kontakt halten, sogar mit
»hübschen Details aus dem Privatleben« deutscher Prominenter: »Die heben alles auf, was sie hören.«  [5]  Da staatliche Geheimdienste in vielen westlichen Ländern auch gezielt zur Wirtschaftsspionage eingesetzt werden, was bekanntlich Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen einschliesst, wird in der BRD nun die Forderung laut, in Sachen Wirtschaftsspionage zum Gegenangriff anzusetzen. Es gehe jetzt um Waffengleichheit, so dass der BND dieses Thema in Zukunft aktiver aufnehmen soll als bisher. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, hat die Bedeutung von Abwehrmaßnahmen für die Wirtschaft betont: Unternehmen müssen sich für den Schutz der von ihnen gefundenen anspruchsvollen technologischen Lösungen auf den eigenen Staat verlassen können. Das ist jetzt ein äußerst dringende Aufgabe für die Bundesregierung.  Der bessere Ansatz, heisst es indessen hierzu beim Maschinenbau-Verband VDMA, wäre sicherlich ein generelles Verbot von gezielter und verdeckter Wirtschafts- und Industriespionage durch staatliche Geheimdienste. Auch wenn ein weltweites Verbot unrealistisch erscheine, sollten entsprechende Regeln zumindest zwischen befreundeten Staaten etabliert werden.  [10]   

Wolfgang Schäuble, der seinem Volk diesen Mai erklärt hat, dass es den Deutschen nicht sonderlich schwerfallen sollte, weitere Teile ihrer Souveränität aufzugeben, genauer: auf Brüssel zu übertragen, »warnte jetzt vor zu großer Aufregung wegen des NSA-Abhörprogramms. Wie er darlegt, wisse er aus seiner Zeit als Innenminister, daß wir terroristische Anschläge in Deutschland auch deshalb verhindern konnten, weil wir Informationen der Amerikaner bekommen haben.« Ob überhaupt Absichten zu Anschlägen bestanden, wäre zunächst einmal auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen; darüber hinaus wird eine Aussage dieser Art wohl kaum noch zu überzeugen wissen, sind doch die überaus zahlreichen Fälle, in denen der zu bekämpfende Terror durch eigene und befreundete Geheimdienste verübt wurde, längst publik gemacht. Schäuble+ selbst hat offenbar keine Angst davor, abgehört zu werden, er hätte wenig zu verbergen und jeder könne hören, was er zu sagen habe. Immerhin räumt er ein: »Wenn es zutreffen sollte, daß die Amerikaner Institutionen und diplomatische Vertretungen von Verbündeten abhören, dann wäre das natürlich nicht in Ordnung und die Kanzlerin hätte völlig recht, daß dies nicht ginge. Man sei schließlich nicht mehr im Kalten Krieg.«  [11]  

»Der NSA-Skandal kommt für den BND zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt, da er gegenwärtig seine Kapazitäten zum Ausspähen des Internets ausweiten will. Zu diesem Zweck verlangt er innerhalb der nächsten fünf Jahre 100 Millionen €, von denen die Regierung bereits 5 freigegeben hat. Einem Bericht zufolge soll die Abteilung Technische Aufklärung 100 neue Mitarbeiter erhalten; außerdem sollen die Rechen- und die Speicherkapazitäten vergrößert werden. Günstig fügt sich, daß das neue Telekommunikationsgesetz am 1. Juli in Kraft getreten ist. Es erlaubt den Behörden unter bestimmten Bedingungen, auf sogenannte Bestandsdaten zuzugreifen, Daten, die Name, Adresse, IP-Adressen, persönliche Kennziffern sowie Passwörter eines Anschluss-Inhabers umfassen. Konnten derlei Daten zuvor nur bei schweren Straftaten abgerufen werden, genügt jetzt schon das Vorliegen einer einfachen Ordnungswidrigkeit.«  [2]


Gleich, wie man das Ganze betrachtet: Für mich tut sich die Frage auf, wie krank man eigentlich sein muss, um einem Datensammelwahnsinn, wie er sich im Gange befindet, zu erliegen?                         

Quellen:  

[1]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/05/auch-deutschland-spioniert-merkel-liess-37-millionen-emails-kontrollieren/    5. 7. 13
[2]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58637   3. 7. 2013

Befreundete Dienste (II)

[3]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13482&title=Bericht%3A+Vertr%E4ge+aus+den+60ern+regeln+US-Spionage+in+Deutschland&storyid=1373123966442   6. 7. 13

[4]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/02/ex-agent-deutschland-hat-selbst-daten-an-die-nsa-geliefert/   2. 7. 13  Ex-Agent: Deutschland hat selbst Daten an die NSA geliefert

[5]  http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/spiegel-widmet-1989-der-nsa-seine-titelgeschichte-a-908858.html   2. 7. 13  NSA-Lauscher: Das konnte doch keiner ahnen! Oder?  Von Sascha Lobo

[6]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/02/nsa-spionage-die-welt-lacht-ueber-die-naiven-eu-fuehrer/   2. 7. 13  Dilettantisch, wehleidig, ohne Macht

[7]

http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13480&title=Zweifel+an+Ahnungslosigkeit+der+deutschen+Beh%F6rden&storyid=137312654973 
6. 7. 13

[8]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58045    7. 4. 11

Von Vancouver bis Wladiwostok

[9]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58438    19. 10. 12  Urbane Entwicklung

[10]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13465&title=Wirtschaftsspionage%3A+Experten+sehen+mangelndes+Engagement+des+BND&storyid=1373110953170   6. 7. 13

[11]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13467&title=Sch%E4uble+mahnt+zur+Gelassenheit+im+NSA-Abh%F6rskandal&storyid=137311294938  6. 7. 13