Aus der Welt der Banken

Die JP Morgan-Banker haben Gefängnis verdient; wahrscheinlich haben es alle gelesen,

daß sich die US-Großbank JPMorgan Chase bereiterklärt hat, wegen Hypothekenbetrugs eine in der Geschichte beispiellose Geldbuße an das US-Justizministerium zu zahlen, nämlich insgesamt 13 Milliarden $. Ersten Ankündigungen zufolge sind dies 4 Milliarden $ Entschädigung für die halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, 7 Mrd. Entschädigung für Investoren und 2 Mrd. $ Strafe. Einige Tage später wurde eine separate Einigung von Fannie und Freddie mit JPMC angekündigt, die 5,1 Mrd. umfaßt: die 4  Milliarden plus eine Strafe wegen des unrechtmäßigen Verkaufs riskanter Kredite.

Das alles klingt nach viel Geld, es relativiert sich jedoch, wenn man verschiedene Umstände bedenkt: Erstens kann man wohl davon ausgehen, daß Verbrechen, die eine Buße von 13 Mrd. $  rechtfertigen, so schwerwiegend sind, daß eigentlich eine Gefängnisstrafe angebracht wäre.   Vorstandschef Jamie Dimon und andere Spitzenleute der Bank entgehen durch die Einigung mit dem Ministerium einer strafrechtlichen Verfolgung, wenigstens im Fall der Geschäfte mit minderwertigen Hypotheken. Zweitens sind die 4 Milliarden eine Entschädigung für Geschäfte im Umfang von 33 Mrd. US-$. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, kann JPMC die 4 Mrd. $ wahrscheinlich als Geschäftsausgaben von der Steuer absetzen. Drittens gehen 7 Mrd. $   Entschädigung an Anleger, die illegale Hypothekenpapiere von JPMC sowie Bear Stearns und Washington Mutual gekauft hatten. Auch wenn staatliche Aufsichtsbehörden Morgan dazu ermuntert hatten, diese beiden anderen Banken zu kaufen, verschafften diese Übernahmen der Bank doch gewaltige Profite, die weit über der Entschädigungssumme liegen. Viertens: Wenn das Justizministerium gegen Bankvertreter strafrechtlich vorginge statt nur zivilrechtlich, dann wäre die Geldbuße nicht steuerlich absetzbar und die Verantwortlichen würden persönlich gerichtlich belangt. Fünftens ist zweifelhaft, ob das Ministerium jemals die Spur zu dem Schneeball-Betrug von Bernie Madoff verfolgen wird, die mit 18 Mrd. $ Verlusten endeten, was weit weniger als der von JPMC angerichtete Schaden ist. Madoff wurde mit 150 Jahren Gefängnis bestraft und er beteuert seit Jahren, JPMC habe von seinen kriminellen Machenschaften gewußt. Die gesamte Redaktion der New York Times kritisierte in einem Kommentar, daß die Bank mit einem blauen Auge davongekommen sei. Allerdings hat JPMorgan Chase noch nicht alles ausgestanden. Es laufen noch Ermittlungen wegen der Verfälschung des Libor-Zinssatzes und der Manipulation von Rohstoffpreisen.

Die Drohung mit Zahlungseinstellung der USA: Ein Schwindel 
Die Lahmlegung der US-Regierungsbehörden und die Drohung mit einem Zahlungsverzug auf die amerikanischen Staatsschulden ist der größte Werbezirkus, den es je  gegeben hat; er zielte darauf ab, die US-Bevölkerung auf die mörderische Politik vorzubereiten, auf die Präsident Obama und führende Republikaner bereits geeinigt hatten. Die Wall Street hatte von Obama gefordert, die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems um jeden Preis zu verhindern, um stattdessen den Diebstahl an der Bevölkerung durch weitere Rettungspakete [Bail-outs] und mittels Bankenabwicklung durch Kontenplünderung [Bail-in] fortzusetzen, damit sie ihr vollkommen bankrottes System beibehalten können. Mehrere äußerst zuverlässige Informanten in Washington bestätigten, daß genau dieses Ultimatum von der Wall Street-Delegation, die sich am 2. 10.13 privat mit Obama im Weißen Haus getroffen hatte, gestellt wurde. Der Besuch der Delegation war vom Financial Services Forum, einem Zusammenschluß der 19 größten Banken und Versicherer, organisiert worden. Zu den Teilnehmern gehörten Jamie Dimon, Chef von JPMorgan Chase, Lloyd Blankfein, Chef von Goldman Sachs, Brian Moynihan, Chef der Bank of America, Michael Corbat, Chef der Citibank, und Anshu Jain, Chef der Deutschen Bank. Die IWF-Direktorin Christine Lagarde hatte in ihrem Interview mit der Financial Times vom 4. 10. 13 die gleiche Botschaft übermittelt, indem sie verlangte, das Quantitative Easing genannte Gelddruckprogramm mit 85 Mrd. $ an Rettungsgeldern, die die US-Notenbank jeden Monat zur Stützung der größten Banken der Wall Street und Europas erzeugt, unbefristet zu verlängern. Stellvertretend für Obama drohte US-Finanzminister Jack Lew, daß ein Staatsbankrott der USA eine Finanzkrise auslösen würde, die den Systemzusammenbruch vom September 2008 bei weitem übertreffen würde.

Die Angst vor einem globalen Finanzkrach
Wenn EZB-Chef Mario Draghi EU-Kommissar Almunia persönlich einen geheimen Brief schreibt, um ihn aufzufordern, den Bail-in zu verschieben und nicht mehr davon zu reden, dann weiß man, daß die Lage ernst ist. Diesen Brief, dessen Inhalt jetzt von La Repubblica und der Finanzzeitung Bloomberg bekannt gemacht wurde, schickte Draghi Ende Juli auf dem Höhepunkt der Krise um die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena; es wäre jedoch falsch, die Befürchtungen Draghis und der EZB auf diesen einen Fall zu reduzieren. Die gesamte Finanzlage ist extrem anfällig und der EZB-Chef weiß, daß es jeden Augenblick zum Absturz kommen kann. Durch das Liquiditätspumpen der Zentralbanken in den letzten Monaten ist wiederum eine Wertpapierblase wie 2007 entstanden, vielleicht sogar eine noch schlimmere. So kann schon ein Run von Anlegern auf eine einzige Bank auf ein Gerücht hin resp. aus Furcht vor einer Bail-in-Kontenenteignung einen globalen Finanzkrach auslösen. Das war der Grund, warum Draghi, der beim Finanzstabilitätsrat (FSB) und dann bei der EZB an der Spitze der Kampagne für den Bail-in anstelle von staatlichen Bankenrettungen stand, nun gegenteilige Anordnungen ausgibt. Im September hatte sich in dieser Frage ein früheres EZB-Vorstandsmitglied, Lorenzo Bini Smaghi, beim sogenannten Ambrosetti-Treffen gegen Almunia gestellt. Draghis Kehrtwende zeigt, daß die Spielmacher der Finanzoligarchie selbst nicht mehr weiter wissen.   

Druck auf Deutschland wegen des Europäischen Stabilitätsmechanismus 
Auf dem EU-Treffen am 24. / 25. 10. hat Draghi allen Beteiligten deutlich gemacht, daß die EZB von den Regierungen verlangt, ein Sicherheitsnetz aus Steuergeldern bereitzustellen, bevor man mit dem Bail-in beginnt. Dem widersetzen sich jedoch Deutschland, die Niederlande und Finnland. Die EZB will nun Deutschland zu dem Sicherheitsnetz zwingen; noch lieber wäre ihr allerdings der Vorschlag von EU-Kommissar Michel Barnier, den ESM, der mit 700 Mrd. € aus Steuergeldern ausgestattet ist, auch zum Europäischen Abwicklungsmechanismus(SRM) zu machen. Das würde bedeuten, daß entgegen allen feierlichen Beteuerungen der Regierung Merkel wieder der Steuerzahler bluten müßte. Merkel wirbt deshalb für ihren eigenen Vorschlag. Der beinhaltet die deutsche Zustimmung zum zweiten Stützpfeiler: der Bankenunion, einer neuen finanziellen Stützungseinrichtung der EU   - oder zumindest der Eurozone -  für Länder [bzw. deren Banken], die sich um strikte Haushaltsdisziplin bemühen. Doch bevor diese Einrichtung einspringt, sollen die Aktionäre, Gläubiger und Konteninhaber einer notleidenden Bank zahlen, was einem Bail-in gleichkommt. 

Finanzminister Schäuble hatte vor dem Gipfel wiederholt, er werde auf dem Schutz der Steuerzahler bestehen, also auf den Bail-in drängen. Diese Position könnte taktisch sein, auch wegen der bevorstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB. Diese Entscheidung betrifft zwar eine andere Frage, aber das gleiche Prinzip: ob die Haushaltshoheit des Bundestages weiterhin gilt. Doch die Zeit wird knapp und wie beim Treffen des EU-Finanzministerrats (ECOFIN) angekündigt, muß die Entscheidung über den ESM auf dem Ministerratstreffen vom 19. bis 20. Dezember gefällt werden. Wahrscheinlich werden die Regierungen dort nach dem üblichen Drehbuch vorgehen: die Diskussion beginnt am Abend und geht bis tief in die Nacht weiter, bis unter völliger Erschöpfung die vorgesehene Entscheidung gefällt wird.

Die EZB ist bereit, bis dahin mit der Dicken Berta der Langfristigen Refinanzierungsoperationen (LTRO) mehr Geld-Methadonin das System zu pumpen, falls der Kollaps droht. Realwirtschaft,  Industrieproduktion, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, spielen bei alledem keine Rolle, so wenig wie die hyperinflationären Folgen dieser aberwitzigen Geldpolitik und so wenig wie die Bewahrung der Demokratie auf dem Narrenschiff namens Europa. 

IWF Geheimdokumente: Die Griechenland-Rettung war nur eine Bankenrettung 
Geheime Protokolle der Ratssitzungen des IWF vom Mai 2010 zeigen, daß es dort beträchtlichen Widerstand gegen die Rettungspakete für Griechenland gegeben hatte. Viele Delegierte im IWF-Rat hatten sehr wohl erkannt, daß die Griechenland-Stützung nichts anderes war als eine Rettungsaktion für die Banken, und daß das Rettungspaket so absurd konstruiert war, daß es scheitern und die griechische Wirtschaft vollends ruinieren mußte. Die Protokolle zeigen, daß fast ein Drittel der Ratsmitglieder, insbesondere die Vertreter von mehr als 40 nichteuropäischen Ländern, starke Vorbehalte äußerten. Das Wall Street Journalveröffentlichte jetzt am 8. 10. Auszüge aus den Protokollen. So hatte der brasilianische Exekutivdirektor Nogueira Batista bei einem Treffen des Rates am 9. 5. 2010 erklärt: »Die Risiken des Programms sind immens….. So wie die Dinge liegen, droht bei diesem Programm, daß die private Finanzierung durch eine staatliche Finanzierung abgelöst wird. Mit anderen und stärkeren Worten: Man kann es so sehen, daß es keine Rettungsaktion für Griechenland ist, das eine erdrückende Anpassung durchlaufen muß, sondern eine Rettungsaktion für die privaten Inhaber der griechischen Staatsanleihen, vor allem für europäische Finanzinstitute.« Der argentinische Exekutivdirektor Pablo Andrés Pereira sagte: »Die Alternative einer freiwilligen Schuldenneuordnung hätte auf den Tisch kommen sollen. Die  europäischen Behörden wären gut beraten gewesen, einen geordneten Prozeß zur Umstrukturierung der Schulden vorzulegen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Griechenland nach der Umsetzung dieses Programms schlechter dasteht.« Der Schweizerische Exekutivdirektor René Weber hatte erklärt: »Wir haben beträchtliche Zweifel an der Umsetzbarkeit dieses Programms. Warum wurde eine Umstrukturierung der Schulden und die Beteiligung des privaten Sektors bisher nicht in Betracht gezogen?« Die geschäftsführende IWF-Direktorin Christine Lagarde, gab dann im Juni 2013 zu: »Wir wußten im Mai 2010, daß Griechenland zwar eine Stützung, aber keine Umstrukturierung brauchte....  Wir hatten keine Ahnung, daß sich die wirtschaftliche Gesamtlage so schnell verschlechtern würde, wie es dann geschah.« Alle Einwände waren indessen von der USA und der Mehrheit derjenigen europäischen Länder, die die Zustimmung zu dem Programm durchsetzen konnten, weil sie mehr als die Hälfte der Stimmrechte im Weltwährungsfonds halten, ignoriert worden. Obwohl die Politik des IWF gescheitert ist, fordert dieser in einem neuen Bericht, in Griechenland bis 2016 weitere 6,6 Mrd. € zu kürzen, das sind 3,5 % des BIP. Daß der IWF Griechenland niemals stabilisieren wollte, zeigt sich daran, daß die öffentliche Verschuldung des Landes zur Zeit des ersten Rettungspakets 120 % des BIP betrug, aber bis Ende 2013 auf 175 % steigen wird. 

Ein dramatisches Beispiel für die Verschlechterung für die Griechen ist die Forderung der Troika, daß die öffentliche Krankenversicherung Eopy keine Facharztbesuche mehr erstattet. Der griechische Ärzteverband verurteilte dies am 8. 10. 13 als unfaßbar. Aber die Banken wurden gerettet.

Solidarité et Progrès unterstützt Kampf der Kommunen gegen toxische Kredite 
In Frankreich führt die Partei Solidarité et Progrès auf ihrer Webseite eine landesweite Kampagne zur Mobilisierung ihrer Mitbürger, damit diese ihre Abgeordneten auffordern, den Artikel 60 des für 2014 geplanten Finanzreformgesetzes, das jetzt im November beschlossen werden soll,  abzulehnen. Dieser Artikel betrifft toxische Kredite, insbesondere die der Kommunen. Innerhalb weniger Tage machte der Aufruf in den sozialen Netzwerken die Runde, und die Regierung war konsterniert, weil sie gehofft hatte, die Regelung ohne großes Aufsehen durchsetzen zu können. Artikel 60 gewährt den Banken, die kommunalen Einrichtungen wissentlich toxische Kredite verkauften, praktisch Straffreiheit. Städte und Gemeinden, Krankenhäuser, öffentliche Wohnungsgesellschaften usw. leiden heute unter den extrem hohen Belastungen durch diese Kredite. Meist waren die Zinsen anfänglich niedrig, sie waren aber an den Schweizer Franken oder an andere variable Faktoren gebunden, so daß sie nach einigen Jahren massiv anstiegen. 

Etwa 300 Kommunen klagen gegen Banken wie Dexia, Crédit Agricole, Société Générale, Royal Bank of Scotland und Deutsche Bank, weil sie von den Banken, die sie nicht über die Risiken aufklärten, getäuscht wurden. Unter Artikel 60 würde ein Fonds über 100 Millionen Euro   eingerichtet [50 % der Mittel vom Staat und 50 % durch eine Sondersteuer für die Banken], um die Opfer bei der Rückzahlung zu unterstützen. Aber Bedingung für die Hilfe ist, daß sich die Kommunen zur Bedienung aller Kredite verpflichten und auf juristische Schritte verzichten. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, sollen mit dem Finanzreformgesetz rückwirkend auch Kreditverträge für legal erklärt werden, in denen nur der sehr niedrige gesetzliche Zinssatz, aber nicht der reale Zinssatz erwähnt wird. Ein Gericht in Nanterre hatte im Februar solche Kredite an das Departement Seine-Saint-Denis für rechtswidrig erklärt; seither hat sich die Zahl der Klagen gegen Dexia verdreifacht. Jetzt will die Regierung die Kommunen dazu erpressen, die Klagen fallenzulassen.

 

Quelle: Strategic Alert  Jahrgang 26
Nr. 41 vom 9. 10.
13, Nr. 42 vom 16. 10. 13 und Nr. 43  vom 23. 10. 2013