Die Bilateralen: Ihre Anwendung und ihr Nutzen

In dramatischen Worten beschwört der Bundesrat sein Volk:

Verlange die Schweiz angesichts anhaltender Massenzuwanderung eine Neuaushandlung der Personenfreizügigkeit mit Brüssel, dann lasse die EU sämtliche Bilateralen platzen. Andererseits scheint der Bundesrat vollständig zu vergessen, dass er - dies allein schon auf Grund der sich mehrenden Klagen über die schrankenlose Zuwanderung - von seinen Nachbarn verlangen müsste, die bilateralen Verträge einzuhalten, wenn diese mit Füssen getreten werden, wie dies gerade auch im Falle Mailands ersichtlich ist. Dort findet in absehbarer Zeit eine Weltausstellung statt. Die Regierung des dramatisch überschuldeten Italiens stellt dafür sage und schreibe 15 Milliarden Euro zur Verfügung, wodurch, nebenbei festgehalten, Italiens Schuldenberg um volle 15 Milliarden wächst. Mit diesen Milliarden werden in Mailand öffentliche Investitionen vorgenommen. Nun unterstehen öffentliche Investitionen in der EU den Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens. Zwischen der Schweiz und der EU besteht folglich ein bilateraler Vertrag, in welchem sich auch die Schweiz den Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens, wie sie in der EU gelten, unterstellt. Gemäss diesem Vertrag müssen Materialbeschaffungen sowie Investitionen der öffentlichen Hand europaweit ausgeschrieben werden. Sämtliche Firmen aus EU-Ländern, auf Grund der bilateralen Verträge somit auch Schweizer Firmen, können für derartige Vorhaben Offerten einreichen. Und im Prinzip gilt die Regel, wonach das günstigste Angebot zwingend zu berücksichtigen ist. Als Folge dieser Regeln wurde zum Beispiel die Totalerneuerung der Autobahn A1 zwischen Winterthur und Wil kürzlich von einem Stuttgarter und nicht von einem schweizerischen Tiefbau-Unternehmen ausgeführt. Aus diesem Grund stirbt in der Schweiz auch die Heimarbeit für die Armee; ausländische Günstig-Offerten für Armee-Textilien rauben den Schweizer Heimarbeiterinnen und -arbeitern ihr Einkommen. Internationale Verträge, welche die Schweiz akribisch genau einzuhalten pflegt, sind dafür verantwortlich. 

Italienische Vertragsauslegung  
Man müsste nun meinen, dass die für die Mailänder Weltausstellung auf Pump vorgenommenen Milliarden-Investitionen auch Schweizer Firmen zu interessanten Aufträgen verhelfen könnten. Wer das glaubt, der täuscht sich: Er kennt Italien und dessen Umgang mit von Italiens Regierung unterzeichneten Verträgen offenkundig nicht. Schweizer Firmen haben mit Offerten in Mailand nicht den Hauch einer Chance. Das wird derzeit hierzulande hochoffiziell als feststehende Tatsache verbreitet. Warum Schweizer Firmen mit Offerten in Mailand keine Chance haben? Ganz einfach: Italien hat zu den ausgeschriebenen Arbeiten derart raffinierte bürokratische Hürden konstruiert, dass kein nicht-italienischer Anbieter Zuschlagschancen hat. Das ist Vertragserfüllung à l’italienne. Bundesrat Johann Schneider-Ammann, derzeit unermüdlich durchs Land weibelnd die Vorteile der Bilateralen preist, müsste wohl der Mafia beitreten, bis auch Schweizer Firmen in Italien in die Kränze kämen…… 

Bern schweigt  
Protest aus Brüssel, Protest aus Bern gegen diese offenkundige dreiste Verletzung der EU-Regeln, zu deren Befolgung sich auch die Schweiz verpflichtet hat? Ein solcher wird nicht einmal in Erwägung gezogen. Dass insbesondere Tessiner, aber auch Schweizer Firmen in anderen Kantonen aufs infamste übers Ohr gehauen werden, lässt Bern in Stummheit erstarren. Und die Italiener lachen wohl darüber, dass es jenseits ihrer Landesgrenze Firmen geben soll, die an so etwas wie Vertragstreue von Seiten Brüssels oder Roms glauben….. 

Wie eingangs vermerkt, malt Bern als Horrorszenario an die Wand, dass Schweizer Forderungen nach einer Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit  - die krasse Fehlentwicklungen zeitigt -   zur Annullierung sämtlicher bilateraler Verträge führen könnten. Abgesehen von der Haltlosigkeit dieser in Bern (nicht in Brüssel!) erfundenen Drohung: Die internationale Ausschreibung staatlicher Investitionsvorhaben mit gleichberechtigter Teilnahme aller Firmen an solchen Ausschreibungen ist darüber hinaus längst Teil der weltweit gültigen WTO-Regeln. Sie gälte also auch zwischen der Schweiz und Italien wenn kein entsprechender bilateraler Vertrag zwischen Bern und Brüssel bestünde. Wer mit Vertragsannullierung droht, drischt leeres Stroh!  

Schengen und Dublin: Tausendfach durchlöchert 
Zum Thema Einhaltung bilateraler Verträge ist zwischen der Schweiz und Italien bekanntlich noch ein weiteres brisantes Dossier offen. Ein Dossier, das der Schweiz, von Italien mit schadenfreudiger Erheiterung quittiert, jährlich Milliardenlasten aufbürdet. Das Dossier trägt die Überschrift Schengen und Dublin. Es steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit der vielgelobten Personenfreizügigkeit. Italien ist gemäss dem Schengen-Vertrag für den Schutz seiner EU-Aussengrenze verantwortlich. Doch über Italien gelangen Jahr für Jahr Zehntausende illegaler Einwanderer nach Europa. Die meisten werden unter krasser Verletzung der bilateralen Verträge mit der Schweiz in unser Land geschleust. Frankreich, das ebenfalls in den Schengen- Dublin-Vertrag, und somit in die EU-Personenfreizügigkeit eingebunden ist, hat seine Grenze gegen Italien längst geschlossen. Es führt dort, eigentlich Schengen-widrig, akribische Grenzkontrollen durch. Insofern meiden illegale Einwanderer diese Grenze. Die Schweiz, untertänigst auf den Schengen-Vertrag verweisend, hält ihre Grenzen sperrangelweit offen. Also kann Italien seine notorische Vertragsverletzung im wahrsten Sinne dieses Wortes einfach auf die Schweiz abladen.  

Auch der Dublin-Vertrag, der die Schweiz eigentlich vor illegaler Einwanderung schützen müsste, wird von Rom nur noch verlacht. Gemäss dem Dublin-Vertrag, an welchen die Schweiz auf Grund eines bilateralen Vertrags gebunden ist, wäre Italien verpflichtet, alle Ankömmlinge, die mit dem Begehren um Asyl italienischen Boden betreten, sorgfältig zu registrieren. Italien pfeift auf diesen Vertrag. Es bedient sich längst einer anderen Methode: Es vergisst das Registrieren und schleust stattdessen alle übers Mittelmeer im Süden Italiens eintreffenden illegalen Einwanderer kurzerhand weiter an Orte, die in unmittelbarer Nähe zu seiner Nordgrenze liegen. Faktisch verhilft Italien jährlich Abertausenden zum illegalen Grenzübertritt zu Lasten der Schweiz: Vertragstreue auf Italienisch.  

7,2 Milliarden Schaden jährlich
Diese illegale Einwanderung, die es gemäss Dublin-Vertrag gar nicht geben dürfte, kostet die Schweiz jährlich rund 7,2 Milliarden Franken. Die zur illegalen Einwanderung erstellte jährliche Vollkostenrechnung hat die Schweizerzeit bereits vor Monaten – bis jetzt von niemandem angefochten – vorgelegt. Die offensichtliche grobe Verletzung eines bilateralen Vertrags durch Italien und die gesamte EU bürdet somit der Schweiz jährliche Lasten in der Grössenordnung von über 7 Milliarden Franken auf. Der Bundesrat versinkt darob in Bände sprechendes Schweigen

Kriechen und Duckmäusern 
Gegenüber Brüssel ist Kriechen und Duckmäusern angesagt. Den Schweizern gegenüber werden indessen Verträge, die seitens der EU insgesamt und von einem EU-Gründungsmitglied wie Italien mit einer Skrupellosigkeit, die ihresgleichen sucht, gebrochen werden, in allen Farben gelobt. Das ist umso alarmierender, als diejenigen, die als Resultat des bundesrätlichen Nichtstuns unser Land überfluten, bereits auch die Spitze der hiesigen Kriminalitäts-Statistik erklommen haben. Das Schweizervolk verlangt also keine Neuverhandlung von funktionierenden Verträgen: Es geht um Verträge, mit denen die Schweiz in einem Ausmass und mit Kostenfolgen betrogen wird, wie Ähnliches zumindest europaweit kaum feststellbar ist. 

Einen unfähigeren als den heute derart jämmerlich vor Brüssels Vertragsbrüchen kriechenden Bundesrat hatte unser Land wohl noch nie. Angesichts seines notorischen Schweigens zu schwersten Vertragsbrüchen zu Lasten der Schweiz drängt sich eine Schlussfolgerung von selbst auf: Das einzige Interesse der Mehrheit unserer Landesregierung scheint darauf ausgerichtet, den Ausverkauf elementarer schweizerischer Rechte, den Ausverkauf von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung unseres Landes voranzutreiben. Nur das Volk kann den Bundesrat stoppen. Soll die Schweiz als eigenständiger Staat überleben, dann muss das Volk den Bundesrat stoppen.  [1]  

Die nachfolgenden Gedankengänge sind dem Editorial von Roger Köppel, das in der Weltwoche  unter dem Titel Der Bundesrat macht sich in grober Verletzung der Gewaltentrennung zum Gesetzgeber und stellt sich über Volk und Stände, Junggesellen und Frauen erschienen ist, entnommen. 

Justizministerin Simonetta Sommaruga und ihre Kollegen im Bundesrat probieren alle Tricks und Winkelzüge, um die verhasste »Ausschaffungsinitiative« der SVP nicht durchzusetzen. Der von Volk und Ständen deutlich angenommene Vorstoss zielt darauf ab, rechtskräftig verurteilte ausländische Kriminelle auf der Grundlage eines genau bestimmten Deliktkatalogs auszuweisen. Die Fakten: Im Jahr 2010 haben 52,3 % der Stimmenden sowie zwanzig Kantone der Ausschaffungsinitiative zugestimmt. Gleichzeitig wurde der von Bundesrat und Parlament favorisierte Gegenvorschlag abgelehnt. Daraufhin präsentierte der Bundesrat eine Umsetzungsvariante, die dem verworfenen Gegenvorschlag entsprach. Dies wiederum beantwortete die düpierte SVP mit einer erfolgreichen Unterschriftensammlung zur Durchsetzungsinitiative, die den Bundesrat auf den Wortlaut der Ausschaffungsinitiative verpflichten will. Der Bundesrat konterte letzte Woche, indem er Teile der Durchsetzungsinitiative mit Verweis auf angeblich zwingende völkerrechtliche Bestimmungen für ungültig erklären möchte. Der Ball liegt jetzt beim Parlament. 

Die Sachlage ist eindeutig: Die Obrigkeit weigert sich mit dubiosen Tricks, den direktdemokratisch ermittelten Volkswillen durchzusetzen. Konkret unternimmt sie alles, um das Problem krimineller Ausländer in der Schweiz nicht zu lösen. Warum? Höchstwahrscheinlich deshalb, weil auch die Landesregierung dem Ideal einer narzisstischen, auf Zustimmung getrimmten Schaufenster-Moral entsprechen möchte, der es einzig darum geht, öffentlich gut dazustehen, unbesehen der Konsequenzen. Dahinter steckt weder Substanz noch echte Gesinnung. Man will einfach auf keinen Fall die strahlend weisse Weste, das Image makelloser Wohlanständigkeit, durch den Vorwurf angeblicher Ausländerfeindlichkeit beschmutzen. Ironischerweise züchtet jedoch gerade der gegen Ausländerkriminalität untätige Staat jenen Rassismus, den er eigentlich vereiteln möchte. Speziell unlauter am Vorgehen des Bundesrates ist die anmassende Selbstgerechtigkeit, mit der hier das höchst unscharfe und zwiespältig definierte zwingende Völkerrecht gegen den Volkswillen in Stellung gebracht wird. Das als zwingend betrachtete    Völkerrecht ist nirgends verbindlich festgeschrieben, es existiert ein gewisser Konsens darüber, dass Folter, Sklaverei und Völkermord völkerrechtlich zwingend geächtet werden sollen, beim Thema Todesstrafe zum Beispiel aber gibt es heftige Meinungsunterschiede zwischen Europa und den USA. Niemand bestreitet den harten Kern des Völkerrechts, und auch die SVP betonte stets ihren Willen, das zwingende Völkerrecht zu berücksichtigen. Indem der Bundesrat jetzt willkürlich gegen die SVP-Initiative festschreibt, was an zwingendem Völkerrecht der Verfassung überzuordnen sei, stellt er sich in grober Verletzung der Gewaltentrennung selber über den Verfassungsgeber, das sind Volk und Stände.  [2]

 

[1]  Quelle:
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Weibelnder_und_kriechender_Bundesrat-1471
   29. 11. 13  Die Bilateralen: Ihre Anwendung und ihr Nutzen - Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 29. November 2013 Von Ulrich Schlüer, Chefredaktor «Schweizerzeit»  
[2] Quelle: 
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2013-48/editorial-bachelor-die-weltwoche-ausgabe-482013.html  Editorial - Die Weltwoche, Ausgabe 48/2013 | Samstag, 30. November 2013