Deutsche Exporte am Pranger - Ein Rückblick - Von Doris Auerbach 11.01.2014 22:36
Grundlegend geht es bei der Exportschelte, die Deutschland getroffen hat, um die Klärung der Frage,
ob der
deutsche Fleiss den europäischen Nehmerländern effektiv schadet; gerade letzteres
bildet einen der gegen die BRD erhobenen Vorwürfe. Sowohl die USA als auch die EU haben die deutsche Exportwirtschaft ins
Visier genommen, weil ihnen deren Stärke offenbar unheimlich wird. Als Folge
hiervon ist die ›Exportnation‹ Deutschland im vergangenen Jahr auf
Grund ihres Ausfuhrüberschusses bekanntlich
heftig kritisiert worden: Die EU, heisst es, fürchtet um die Balance des europäischen
Marktes, und die vom US-Finanzministerium ausgesprochene Rüge gipfelte gar in
der Behauptung, »die deutsche Handelspolitik gefährde die Euro-Zone und
die Stabilität der Weltwirtschaft.« Ferner
ging von der USA auch die Mahnung aus, »die Bundesrepublik müsse künftig
mehr tun, um die Binnennachfrage anzukurbeln.« Indessen haben Beobachter hinter der
Kritik Washingtons nicht nur wirtschaftliche Motive vermutet, denn selten sind
die Beziehungen zur USA derart belastet gewesen wie seit dem Auffliegen der US-Geheimdienstmethoden.
Die europäische Kritik an diesem Gebaren scheint in Washington schlecht
angekommen zu sein und das Verständnis für die deutschen Klagen halten sich
dort in Grenzen. Insofern braucht der Zeitpunkt, zu dem das amerikanische Finanzministerium
die deutsche Wirtschaftspolitik verurteilt hat, durchaus kein Zufall zu sein: In
dem 35seitigen Bericht des Ministeriums, ›Report
to Congress on International Economic and Exchange Rate Policies‹ vom 30. 10. 2013 ist zu lesen, dass Deutschland
das Gleichgewicht der europäischen Wirtschaft durcheinander bringe und dass
seine gleichzeitig ›blutarme‹ Binnennachfrage eine Erholung der
Konjunktur verhindere. Was nun die US-Exportzahlen selbst betrifft, so sind diese
erst seit 2010 rückläufig; in den Jahren davor hatte die US-Wirtschaft in ihrer
Handelsbilanz hohe Überschüsse aus Exporten verzeichnet. Es wäre jedoch kein
Land auf die Idee gekommen, dies zum Anlass einer internationalen Kritik an der
US-Exportwirtschaft zu nehmen. Die EU
sieht sich nun genötigt, angesichts deutscher Exportüberschüsse mit Strafen zu
drohen, wobei es niemandem verwehrt werden kann, die beständige Straferei
Brüssels als geradezu infantil einzustufen. So darf der
Handelsüberschuss der EU-Mitgliedstaaten derzeit maximal 6 % der
Wirtschaftsleistung betragen. Einem Bericht der ›Zeit‹ zufolge dürfte
Deutschland diesen Grenzwert gemäss EU-Angaben 2013 ›deutlich‹ überschritten
haben. Bei der hierzu insgesamt polemisch
ablaufenden Medienschelte könnte man meinen, es ginge um mindestens 12 oder 18
%, also das Doppelte oder Dreifache. Indessen liegt die BRD mit einem Exportüberschuss
von 7,2 % für 2013 mit lediglich 1,2 % über dem Grenzwert. Aber ›deutliche‹
Exportüberschüsse lassen sich bei einem Angriff natürlich wesentlich besser
vermarkten. Sollte nun Brüssel im Endeffekt tatsächlich ein Verfahren
gegen die Bundesrepublik einleiten, könnte dies in Strafzahlungen in Milliardenhöhe
resultieren. Es wäre wirklich an der Zeit, dass begriffen würde, dass derart ›mittelalterliche‹ Verfahren - dies allein
schon im Hinblick auf die nahezu restlos ausgeplünderte deutsche Staatskasse - kaum mehr als tauglich zu erachten sind, ganz
abgesehen davon, dass Brüssel offenbar schon lange nicht mehr realisiert, was
unter den jetzigen Gegebenheiten allein 1 vom Steuerzahler zu erarbeitende
Milliarde darstellt. Der Begriff Million ist sozusagen ›ausgestorben‹ …..
Belastet also
der deutsche Export die Weltwirtschaft und drosselt so die Nachfrage in den
anderen Ländern, was die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zum Erliegen brächte? Ganz
sicher nicht. Seit fast 50 Jahren hat Deutschland jeweils mehr
exportiert als importiert, was jedoch bislang nie Anlass zu Kritik war. Die Vorhaltungen sind
auch deshalb mehr als fragwürdig, weil viele andere europäische Staaten mit
ihrer Produktion durch Zulieferungen in die deutsche Exportwirtschaft eingebunden
sind, was in den Exportzahlen völlig unberücksichtigt bleibt. Spanien etwa
liefert viele Autoteile und chemische Vorprodukte für die deutsche Industrie
und profitiert damit nicht unwesentlich von deutschen Ausfuhren. So entfällt
zum Beispiel im Automobilbau ca. ein Drittel der Deutschland zugerechneten
Exporte auf solche Vorleistungen aus EU-Ländern; die Umsätze erscheinen aber
ausschliesslich in den deutschen Exportzahlen, da die Fahrzeuge in der BRD zusammengeschweisst
und von dort aus exportiert werden. Würde nun Deutschland restriktiv verfahren,
würde es die EU-Zulieferländer gleichermassen treffen, so dass diese auf ein
masssgebliches Wirtschaftseinkommen verzichten müssten.
Auch geht
es im Kern wieder einmal mehr darum, wer die zwischen Nord- und Südeuropa
bestehende Kluft der wirtschaftlichen und damit finanziellen Anpassungslast,
die auf Grund unterschiedlicher Wirtschaftsstärken besteht, tragen soll. Die
Defizit-Krisenländer im Süden oder das wichtigste Überschussland im Norden des
Euroraums? Die Antwort kann nur lauten: Natürlich die Krisenländer! Die
Probleme entstehen nicht dadurch, dass ein Land zuviel importiert; sie
entstehen vielmehr durch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Nicht gegen die
Exportstärke anderer Länder muss gekämpft werden, sondern die eigene
Exportstärke muss angehoben werden. Alles andere
würde politisches und privates Fehlverhalten belohnen und die Zukunft weiterhin
mit wenig Anstrengung, schwachen Leistungen und dauerhaften finanziellen
Zuschüssen fortschreiben. In Deutschland wird zweifelsohne fleissig gearbeitet
und die Bevölkerung ist stolz darauf, zu den
Exortweltmeistern zu zählen. Der deutsche Erfolg im Aussenhandel beruht jedoch
nicht auf niedrigen Löhnen, sondern auf wettbewerbsfähigen Unternehmen: Deutschland
ist in der exportstarken Industrie sogar ein Hochlohnland. So arbeiten deutsche Unternehmen
häufig in Segmenten, die die Industrien anderer Länder gar nicht bedienen
können. Die Exportstärke der BRD ist das Ergebnis von innovativen
Produkten, die in der ganzen Welt beliebt sind und gekauft werden. »Verkehrte Welt«, finden
daher Deutschlands Exporteure. »Sie sind sauer«, hält die ›Huffington
Post‹ fest, »dass sie
für ihren Erfolg bestraft werden sollen. ….. ›Die
Kunden ordern unsere Waren nicht, weil wir Deutsche sind, sondern, weil wir gut
sind‹, polterte Anton Börner, Präsident des
Aussenhandelsverbands BGA. Der Industrie-Cheflobbyist Ulrich Grillo (BDI)
zeigte sich ›entsetzt‹, wie unsachlich
über die deutsche Exportstärke zum Teil geurteilt wird, und warnte Brüssel
davor, der deutschen Exportindustrie ins Handwerk zu pfuschen.« Im September 2013 war der sogenannte
Handelsbilanzsaldo laut der ›Huffington Post‹ auf 20,4 Milliarden € gestiegen: um soviel
überstiegen die Ausfuhren der deutschen Wirtschaft den Wert der Importe. Das
gab es noch nie. »Und spricht dafür, dass die
hiesigen Exporteure ihr Geschäft verstehen.«
Indessen verkauft die leistungsfähige Volkswirtschaft Deutschlands ihre
hochwertigen Produkte zu guten Preisen in die ganze Welt, ohne
dabei reich zu werden. Denn die Kehrseite der ›Export-Medaille‹
wird in diesem Zusammenhang wohlweislich gern verschwiegen. Und diese besteht
darin, dass Deutschland den grossen Teil seiner Exportgüter, für
die es am Pranger steht, selbst bezahlt. Exportrechnungen werden
aufgrund der schwachen Finanzlage ausländischer Zentralbanken - die entweder
keine Kredite mehr am Weltmarkt erhalten oder nur zu immensen Zinsen - nicht
mehr valutagerecht ausgeglichen, sondern auf Wochen, Monate und sogar Jahre
hinausgezögert, was eine erst seit der Währungsunion möglich gewordene Form von
billigen Krediten darstellt, das heisst, zu einer regelrechten Geldbeschaffung
durch Nichtbezahlung vorliegender Rechnungen führt.
Im einzelnen: Der ausländische Importeur
begleicht die Forderung des deutschen Exporteurs regulär über seine Hausbank. Diese
gibt den Auslandszahlungsauftrag normalerweise an die Zentralbank ihres Landes
zur Begleichung bei der Europäischen Zentralbank weiter. Ist nun die Hausbank
und/oder die Zentralbank des Importlandes zahlungsunfähig, gelangt das Geld
nicht mehr valutagerecht an die EZB oder es erfolgt im schlimmsten Fall überhaupt
keine Zahlung. In der Folge kann auch der Ausgleich durch die EZB bei der
Deutschen Bundesbank nicht erfolgen. Die entstehende Finanzlücke ist der
Auslöser dessen, was von zahlreichen Wirtschaftsexperten wiederholt dargelegt
worden ist: Schlussendlich ist es die Deutsche Bundesbank, die den deutschen
Exporteur zwar bezahlt, aber auf ihren Forderungen sitzenbleibt, da bei der EZB
die Zahlungseingänge ausbleiben, was zu riesigen, zum Teil uralten
Target2-Forderungen führt.
Derzeit hat Deutschland, wie wir dies bereits in unserem
Artikel ›Die unbekannte finanzielle Vernichtungswaffe: Target2 - Der
Billionen-Solizuschlag für Krisenländer - Warum die EZB fortbestehen muss!‹ auf
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2115 aufgezeigt haben, über Target2 geradezu unvorstellbare
Aussenstände in Höhe von 561.496.988.337,24 Euro, also
rund 561,5 Milliarden € [Stand 31. 10. 13]. Für diese Aussenstände
haftet zunächst die EZB, im Endeffekt jedoch die Deutsche Bundesbank. Fakt
ist, dass sich ein Drittel des deutschen Überschusses mittlerweile durch
Einkommen aus Forderungen gegenüber dem Ausland erklärt.
Bekanntlich sehen Kritiker die deutschen Exportüberschüsse als einen
Grund für die Schuldenkrise in Euro-Ländern. Dem entgegen steht die Tatsache,
dass dieser Überschuss ausserhalb des Euroraums entsteht,
was die von der ›Frankfurter Allgemeinen
Zeitung‹ vom 9. Januar 2014 veröffentlichte Grafik
von ›Statista‹, die auf Quellen des
Statistischen Bundesamts der BRD basiert, einwandfrei belegt. Diese zeigt, dass
Deutschlands Handel mit anderen Ländern des Euroraums ausgeglichen ist. »Die Überschüsse entstehen außerhalb des Euroraums -
zum kleineren Teil im Handel mit den restlichen EU-Ländern, zum größeren Teil
im Handel mit Drittländern außerhalb der EU.« [1]
Was
den Handel innerhalb
der Eurozone betrifft, so lag der deutsche Aussenhandelsüberschuss von Januar bis
Ende November 2013 bei nur 1 Milliarde €, was 0,27 % des Handelsvolumens entspricht.
Es kann also nicht die Rede davon sein, dass Deutschland mit zu Dumpingpreisen
produzierten Waren Europas Märkte flutet und sich so auf Kosten anderer
Eurostaaten bereichert.
Bei all dem
Geschrei um die deutschen Exporte wird stets vergessen, dass Deutschland der
grösste Nettozahler der EU ist. Seit der Wiedervereinigung hat Deutschland mehr
als 200 Milliarden € an Nettozahlungen geleistet. Das sind rund 45 % der
gesamten Nettobeiträge aller 10 EU-Nettozahler, was weit überproportional zu
Deutschlands Wirtschaftsleistung ist. Und an diesen Töpfen haben sich die 16 ›Nehmerländer‹ nur allzu gern kräftig bedient. Da wird nicht gefragt, woher das
Geld kommt, und es ›stinkt‹ dann auch nicht, obwohl es aus
Exporterlösen finanziert wird. Insofern ist an dieser Stelle auch ein
Vermögensvergleich unerlässlich: Diesbezüglich schneiden die Deutschen in
internationalen Vergleichen regelmässig schlecht ab. Der EZB zufolge lag das
mittlere Nettovermögen deutscher Privathaushalte im Jahr 2010 bei 51.400.-
Euro, was nicht einmal die Hälfte der französischen Vermögen, nämlich 113.500.-
€, beträgt; die BRD liegt sogar weit hinter Spanien mit 178.300.- € oder
Italien mit 163.900.- €. Trotz dieses Wissens und in Kenntnis aller Hintergrundinformationen
lenkt die EZB unter Mario Draghi durch ihre desaströse Zinspolitik einmal mehr deutsches
Sparkapital in Richtung Süden.
Weitere mit Anklagen verbundene Forderungen Der Exportschelte stehen gleichzeitig Forderungen
gegenüber, die, genau genommen, ohne eine gesunde Exportwirtschaft gar nicht zu
erfüllen sind: So erwartet der EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski auch von der neuen
Bundesregierung Stabilität und -
wörtlich ! - Vorhersagbarkeit. Desgleichen
grössere Anstrengungen zur Ankurbelung der Konjunktur. Wie bei allem und jedem
ist selbstverständlich auch der IWF zur Stelle, wenn es gilt, Vorschriften zu machen.
So sprach sich der stellvertretende
IWF-Chef, David Lipton, Anfang November doch tatsächlich »für eine verbindliche
Begrenzung der deutschen Exporte aus.« »Die
Bundesregierung müsse eine konkrete Zielgrösse festlegen, die künftig nicht
überschritten werden dürfe«, erklärte Lipton bei Gesprächen im Bundesfinanzministerium. [2] Als ob es wirtschaftlich gesehen zu keinem Zeitpunkt Schwankungen
gäbe und sich ein Zweig wie der Export, der je nach Lage der Weltwirtschaft
massive Einbrüche erleiden kann, mittels Sollzahlen festnageln liesse. Vorgaben solcher Art
müssen jedem Bürger zwangsläufig das Gefühl vermitteln, dass sie eigentlich
nur von Technokraten ausgehen können, die fernab jeglicher Realität angesiedelt
sind. So hatte
Spaniens EU-Minister Iñigo Méndez de Vigo im Zusammenhang mit der Eurokrise
schon Mitte 2012 mehr Solidarität von Deutschland angemahnt, denn dieses habe
wie kein anderes Land von den Exporten innerhalb der EU profitiert; wobei er
eine der Ergebnisse dieses ›Profits‹, nämlich die oben angeführten
Aussenstände der Deutschen Bundesbank, schlicht übergeht, genauso wie den Fakt,
dass sein Land durch Zulieferungen direkt involviert ist.
Ganz
speziell hervorgetan hat sich die Partei ›Die
Linke‹: Sie sieht in den
Exportüberschüssen gar eine ›ökonomische
Zeitbombe‹. Das gefährde die
Stabilität Europas, da müsse die neue Bundesregierung ran: ›Auf Dauer mehr einnehmen als ausgeben geht in einer globalisierten
Wirtschaft nicht‹, sagte ihr
Vize-Vorsitzender Klaus Ernst. [3] Er verschweigt jedoch wohlweislich, dass die
Zeitbombe in einer globalisierten Wirtschaft auf die gleiche Weise tickt wie in
einer Nation, wenn diese ›auf die Dauer
mehr ausgibt als einnimmt‹. Wie
sonst liesse sich der verbale Angriff so medienwirksam platzieren. Jeder
Mensch lernt bereits im Kindesalter, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen
kann. Und Globalisierung bedeutet, dass sich jede Nation ihren Verhältnissen
anpassen muss, also nicht weit über ihre Verhältnisse leben darf. Dies geht in unserer
derzeit bestehenden Wirtschaftsstruktur allerdings nur dann, wenn eine andere
Nation bewusst unter ihren Verhältnissen lebt. Erwartet somit Klaus Ernst bzw. ›Die Linke‹ allen Ernstes von der Bundesregierung, dass Deutschland unter
seine Verhältnisse gedrückt wird, damit andere ohne Leistung auch weiterhin über
ihre Verhältnisse leben können?
»Mit
merkantilistischer Wirtschaftspolitik habe Deutschland die Euro-Krise mit
verursacht«, so lautete
der Vorwurf des für Soziales, Beschäftigung und Integration zuständigen
ungarischen EU-Kommissars László Andor am 21. 9. 2012. »Nun«, merkten
hierzu die ›Deutschen Wirtschafts Nachrichten‹ [›DWN‹] eher trocken an, »der
Kommissar ist möglicherweise noch vom Kommunismus geprägt und dort immer noch
verankert. So gesehen ist er in Brüssel gut aufgehoben. Unabhängig von der
Tatsache, daß die Ursachen der Euro-Krise ganz
woanders liegen, ist diese Aussage ein epochaler Schwachsinn. Man muß nun einmal gut sein, um wettbewerbsfähig zu
bleiben. Aber Brüssel ist ein Kosmos der Autosuggestion und Realitätsferne.
Dort gelten eigene Regeln. Eigentlich sollten es absurde Ansichten wie jene des
Kommissars für Soziales nicht verdienen, überhaupt kommentiert zu werden. Nur
sind ähnliche Äußerungen von EU-Kommissaren keine Einzelfälle - und diese
ökonomischen Tagträumer bestimmen die Richtung, regieren einen Kontinent. Da
verwundert es nicht, wenn Europa sich in einem bedauernswerten Zustand
befindet.« [4]
Als
ob die von Brüssel und der USA ausgehende Kritik noch nicht genug wäre, hat
sich auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman befleissigt,
Deutschland frontal anzugreifen, was er in seinem mit dem Titel ›Those Depressing Germans‹ versehenen Kommentar
in der ›New York Times‹ zum Ausdruck brachte. Auch hier der
Vorwurf, dass die BRD während der
gesamten Schulden- und Finanzkrise stets mehr exportiert als importiert habe,
so dass sich erneut die Forderung ergäbe, dass Deutschland das heimische
Wachstum stärken und seine Exportabhängigkeit verringern müsse. So macht auch er die Deutschen auf Grund ihrer andauernd ›hohen‹ Exportüberschüsse für ›deflationäre
Tendenzen‹ verantwortlich, sowohl in der Euro-Zone als auch in der Weltwirtschaft. [5]
»Käme
die Drosselung der deutschen Exportwirtschaft mit den angedrohten
Strafzahlungen«, so die ›DWN‹, »würden sich auch die einst
wohlhabenden und größten Spender der EU weiter über beide Ohren, und zwar bis
zum Sankt-Nimmerleinstag, selbst verschulden. Da bliebe am Ende kein Geld - Geld,
das leider nicht aus der Steckdose kommt - um den EU-Karren aus dem Dreck zu
ziehen. Liegt Brüssel in Absurdistan? Deutschland ist nun einmal eine
exportabhängige Nation und der Export ist für die BRD - und mittlerweile für alle EU-Nettoempfänger
- überlebenswichtig. Jeder dritte Arbeitsplatz
hängt am Export. Bricht der deutsche Export ein, so wie es einige EU-Politiker
gerne sähen, hätte dies verheerende Folgen für ganz Europa. Brüssel
ist wirklich mit sehr klugen Leuten gesegnet! Würde sich Deutschland,
wie von Frankreich und der EU gewünscht,
nach unten orientieren – dann gute Nacht Frankreich und Europa. In Brüssel
werden im Sinne kommunistischer Gleichmacherei zu hohe Defizite als Straftat
geahndet, das Gegenteil, also Überschüsse, aber ebenso. Ein total der Welt
entrückter, gefährlicher Verein, in dem auch die Schuldner mehr Macht haben als
die Gläubiger. Brüssel sollte besser nicht die Gans schlachten, die auch für
andere EU-Länder goldene Eier legt, bzw. sollte nicht an dem Ast sägen, auf dem
nicht nur Brüssel, sondern mehr als die Hälfte aller EU-Mitglieder sitzen. Genau
dies ist den Schönrechnern und ›Eco-Verstehern‹ in ihrem Gleichheitswahn
zuzutrauen, denn die Kommissare der EU unternehmen alles, um Deutschland auf
das Niveau von Problemstaaten herunterzuholen.« [4]
Die Konzipierer von Lösungsansätzen machen es sich mitunter auffallend einfach, so der Chef der französischen Zentralbank,
Christian Noyer: Er fordert, dass Deutschland mehr Kindergartenplätze schaffe,
mehr junge Mütter sollten im Beruf bleiben und Geld verdienen, damit sie mehr
konsumieren. Als ob das Leben aus Konsum bestünde. Als sinnvoll betrachtet er
daneben eine Liberalisierung von reglementierten Berufen und
Ladenöffnungszeiten, wobei noch zu klären wäre, wie sinnvoll dies all diejenigen
betrachten würden, die direkt davon betroffen wären. Zusammen mit dem EZB-Chefvolkswirt
Peter Praet verlangt Noyer ferner ›entschlossene Schritte zur
Stärkung der Inlandsnachfrage‹. Zwar solle die BRD ihre
Wettbewerbsfähigkeit nicht schwächen, so Praet, »Aber für
Deutschland ist es wichtig, mehr im Inland zu investieren.« Dazu
seien entsprechende Strukturreformen nötig, deren Rezepte er allerdings nicht
mitzuliefern weiss.
Wenigstens
drangen aus dem Europäischen Parlament
Stimmen, die Brüssels Vorhaben,
Deutschland wegen des hohen Exportüberschusses zu prüfen, verurteilten. So der
Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten, Herbert Reul, der fordert, die Methodik
der Sanktionen in solchen Fällen zu ändern: »Es wäre irrsinnig, eine wettbewerbsfähige
Volkswirtschaft zu bestrafen. Die Sanktionsmethodik muß geändert
werden. Ausgerechnet die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland bremsen
zu wollen, würde ganz Europa international zurückwerfen.« [6] Auch der Vorsitzende
der FDP im EP, Alexander Graf Lambsdorff, hat die deutsche Exportstärke
verteidigt: »Wir werden die Schwachen nicht
stärken, indem wir die Starken schwächen. Es ist falsch, Erfolg zu bestrafen.
Die deutsche Exportstärke ist nicht Ausdruck einer zentral gesteuerten Politik,
sie ist vielmehr Ergebnis zahlreicher dezentral getroffener Kaufentscheidungen
rund um den Globus. Deutsche Güter wie Autos, Maschinen oder chemische Produkte
seien weltweit gefragt, weil sie in Preis und Qualität überzeugen«, so der FDP-Politiker. »Die These der EU-Kommission, die Exportstärke der
Bundesrepublik sei der Niedriglohn-Politik geschuldet, gehe an der Realität
vorbei. Die Löhne in Deutschland sind in den letzten Jahren gestiegen - so
haben sich die Reallöhne bereits drei Jahre in Folge positiv entwickelt.« [7]
Unter dem Titel ›Das Märchen vom
Gleichgewicht‹ vermerkt die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ u.a.: »Deutschland wird für seine Exportüberschüsse
gescholten. Aber wie soll man sie verkleinern? Und wieso sind sie überhaupt ein
Problem? Soll die Bundeskanzlerin künftig am Zollhaus stehen und die Ausfuhr stoppen? Dabei geht es nicht
nur darum, ob die Regierung einen geringeren Leistungsbilanzüberschuß
herbeiführen kann, ohne
planwirtschaftlich lenkend in den Markt einzugreifen. Es geht mehr noch
darum, ob sie es überhaupt tun sollte. Warum sollte in einer Marktwirtschaft
die Politik den Menschen verbieten, im Ausland Waren zu verkaufen oder Kapital
im Ausland zu investieren? Die Ritter des Gleichgewichts leitet die fixe Idee,
daß sich eine Wirtschaft nur dann solide entwickelt, wenn die Entwicklung
ausgewogen vonstatten geht. Es gelte das Prinzip Maß und Mitte, ein gesunder
Export neben einer gesunden Binnennachfrage. So aber funktioniert die Marktwirtschaft nicht. Eine
dynamische Wirtschaft im Wettbewerb ist ständig, wenn man es so nennen will,
voller Ungleichgewichte, die sich vergrößern, verkleinern, verändern und
verschieben - und manchmal auch über Jahrzehnte Bestand haben.« [8]
Führt man sich die das Ganze begleitenden Vorstellungen
Brüssels vor Augen, die da lauten: Deutschland soll die
Binnennachfrage ankurbeln – durch Lohnerhöhungen, Steuersenkungen, Senkungen
der Sozialabgaben und durch Investitionen in Infrastrukturen – etwa im Strassenbau,
so sticht auch hier hervor, wie komplikationsslos man es sich dort zu machen versteht:
»Brüssel hofft«, vermerken
die ›DWN‹, »dass Deutschland dadurch mehr aus anderen
Euro-Staaten importieren könnte und damit den verschuldeten Südstaaten bei der
Überwindung der Krise helfen könnte«, um mit
der der Zeitung eigenen Ironie hinzuzufügen: »Was
genau Deutschland aus Griechenland, Zypern oder Portugal für den dann boomenden
Straßenbau importieren sollte, sagte Währungskommissar Olli Rehn nicht.« Was Olli Rehn sonst
noch an Kritik verlauten lässt, ist durchaus erwähnenswert: So kritisiert
er, »daß die Deutschen in den vergangenen Jahren
ihre Vermögen in Immobilien-Blasen und andere spekulative Investments gesteckt
hätten. Damit hätten die Deutschen den Banken geschadet, weil diese unter den
Blasen leiden. Stattdessen sollten die Deutschen in die südeuropäische
Realwirtschaft investieren.« Was der Währungskommissar hierbei vollkommen übersieht
resp. ignoriert, ist der Fakt, dass es sich seinerzeit um
eine weltweite Fehleinschätzung der Risiken gehandelt hat. Der katastrophale
Einbruch in den Peripherieländern hat vor allem zu Verlusten deutscher Banken
und deutscher Steuerzahler geführt, ganz abgesehen von den immensen Verlusten
aus toxischen Papieren aus den Vereinigten Staaten. Und alle waren beteiligt,
aber - wie immer - wird einmal mehr nur Deutschland ›vorgeführt‹. Eine weitere Unverfrorenheit in der Aussage des
Finnen liegt in den Zahlen begründet: Finnland exportiert seit Jahren weit mehr
als es importiert. Zum Beispiel wurden im Jahr 2012 14 % mehr exportiert als
importiert. Nun ist das Land jedoch im weltweiten Vergleich klein - Finnland macht nur nur 3 % des Welthandels
aus - so dass man die Zahlen der Kritik
leicht vorenthalten kann. Was nun die Schweiz, ein ebenfalls kleines Land
betrifft, so wird 71 % des Schweizer BIP mit Export erwirtschaftet, während es,
im Vergleich dazu, in der BRD nur 44 % sind. Sicherlich würde man sich bei entsprechender Grösse des Landes
auch auf die Schweiz ›einschiessen!‹
Man fragt sich folglich, ob es überhaupt noch etwas gibt, an
dem die Deutschen nicht schuld wären. Gänzlich ignoriert wird hierbei auch,
dass Deutschland Milliarden in EU-Projekte gesteckt hat, deren Wirksamkeit zuletzt vom
Europäischen Rechnungshof in einem denkbar schlechten Licht dargestellt wurde.
»Deutschland«, legt auch Michael Mross dar, »ist nach wie vor einer der Exportweltmeister und
damit eine unerläßliche Stütze für den Euro und den Rest der Eurozone. Doch die Kommissare sehen den Erfolg kritisch.
Ihre Strategie: Deutschland muß schwächer werden, damit die anderen auch eine
Chance haben. Typische Logik des Politbüros in Brüssel, welches per Erlaß und
Planwirtschaft den eigenen Ast absägt, auf dem es sitzt. Auch
das ist EU-Junta-Logik: Man muß den Stärkeren bestrafen, damit
die Schwächeren eine Chance haben. Diese Formen von Sozialismus sind indes nicht
neu in der Geschichte der EU: Schuld sind nicht die Schwachen, sondern der
Starke. Der deutsche Überschuß ist nach Junta-Logik eines der
großen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, die für die Finanz- und
Schuldenkrise mitverantwortlich sind. Schöne neue Finanzwelt. Die BRD hat also
ihren Exportüberschuß 2012 über die von der EU-Kommission
vorgegebene ›Warnschwelle‹ gesteigert. Wo
es in einer angeblich freien Marktwirtschaft eine ›Warnschwelle‹ gibt, bleibt allerdings das Geheimnis der
Brüsseler. ›In Euro umgerechnet
beträgt der deutsche Leistungsbilanzüberschuß 169 Milliarden €‹, erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn zu
Berechnungen seines Instituts für die Nachrichtenagentur Reuters. Das
entspricht 6,4 % des Bruttoinlandsprodukts, nach 5,7 % im Jahr 2011. Für 2013 erwartet
das Ifo-Institut einen Anstieg auf 6,6 %. Damit ist Deutschland in den Augen
des EU-Politbüros eindeutig in der
roten Zone. Die EU-Kommission stuft, wie bereits erwähnt, einen Wert
von mehr als 6 % als ›stabilitätsgefährdend‹ ein. Ob die Euro-Welt dagegen stabiler wäre, wenn
alle das Niveau Griechenlands einnähmen, dazu äußerte sich das EU-Politbüro
nicht.« [9] »Ein großes, gleichmachendes Straf-System
wird etabliert«, so die ›DWN‹, »früher nannte man das Kommunismus. Es war nicht sehr erfolgreich.«
Der Abbau globaler Ungleichgewichte war bereits Gegenstand des
G-20-Gipfels im April 2011 in Washington gewesen; die Finanzminister hatten damals beschlossen,
dass der IWF Massnahmen ergreifen darf, wenn ein Staat zuviel exportiert oder
importiert. Schon zu jenem Zeitpunkt erwartete man, dass Deutschland unter die
Lupe genommen würde, ebenso wie China, Japan und die USA. In der Erklärung der
G-20 hiess es, es gehe um Länder, auf die jeweils mehr als 5 % der gesamten
Wirtschaftsleistung der Gruppe entfallen. Wolfgang Schäuble und der scheidende
Bundesbankchef Axel Weber hatten indessen eine ausgewogene Debatte angemahnt. »Sollten
die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz ins Blickfeld geraten, werde
man deutlich machen, dass sie Ergebnis der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
seien und nicht die Folge einer unterbewerteten Währung«, während Weber gefordert hatte, »sich nicht nur auf Deutschland zu konzentrieren,
sondern die Euro-Zone als Ganzes zu betrachten.« Da ein
sogenanntes EU- Vertragsverletzungsverfahren einige
Monate in Anspruch nehmen kann, will die EU-Kommission im Frühjahr mitteilen, ob
der deutsche Exportüberschuss tatsächlich ein übermässiges wirtschaftliches
Ungleichgewicht darstellt. Indessen hat die Basler Zeitung vom 13. November 13
festgehalten, dass Deutschland vor zwei Jahren eine Erklärung der EU-Finanzminister durchgesetzt hat,
gemäss der Exportüberschüsse nicht bestraft werden sollen.
Was nun den gegenwärtigen Stand
der Dinge betrifft, so hat Finanzminister Schäuble bei seinem Treffen mit
seinem US-Amtskollegen Jack Lew die Exportpolitik seines Landes verteidigt und
darauf hingewiesen, dass die EU ohne den deutschen Export ein
Aussenhandelsdefizit aufweisen würde:»Das amerikanische Defizit wird nicht besser, wenn
ein europäisches Defizit hinzugefügt wird.« Offenbar
fällt auch Lew nichts Besseres ein, als an die BRD zu appellieren, die
Binnennachfrage zu stärken, was, wie er glaubt, zu einem Abschmelzen des
Exportüberschusses führen würde. Auf diesen Vorschlag reagierte Schäuble
reserviert und meinte, dass die Gespräche nicht deswegen geführt würden, um
Zensuren zu verteilen, sondern um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzielen. Sollte Lew dennoch dabei bleiben, die deutsche Exportstärke als
Problem für die Weltwirtschaft zu geisseln, so sei ihm empfohlen, seine Sicht
einmal durch einen Blick auf die Eurozone als Ganzes zu weiten. Sie weist weder
grosse Überschüsse noch Defizite im Aussenhandel auf; in dieser Hinsicht stabilisiert
die Eurozone die globale Ökonomie, ganz anders als es die USA mit ihren grossen
Aussenhandelsdefiziten tut.
Es sollte
somit im Interesse aller Euroländer liegen, dass die deutschen
Unternehmen im globalen Handel stark bleiben, denn ein deutsches Auto, das etwa
nach China ausgeführt wird, ist in Wahrheit ein internationales Gemeinschaftswerk,
da viele Vorleistungen ausländischer Zulieferer darin stecken. Man würde also
auch letztere schwächen, würde man den deutschen Exportmotor künstlich
drosseln.
Quellen: Das von den ›Deutschen Wirtschafts
Nachrichten‹ gezeichnete Bild der
Lage stellt einen Auszug aus dem soeben erschienen Buch von Sven Kesch dar: ›Kurs halten, bis zum Untergang Europas. Unglaubliche
Erfolgsgeschichten aus dem Brüsseler Tollhaus‹; der Autor arbeitete viele Jahre lang als Top-Manager eines
grossen deutschen DAX-Unternehmens.
[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaft-in-zahlen/aussenhandel-deutschland-hat-keinen-exportueberschuss-im-euro-12744438.html 9. 1. 13 Deutschland hat keinen Exportüberschuss
im Euro [2] http://jungefreiheit.de/wirtschaft/2013/waehrungsfonds-fordert-begrenzung-deutscher-exporte/ 4. 11. 13
Währungsfonds fordert Begrenzung deutscher Exporte [3] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=21391&title=Linke%3A+Deutsche+Export%FCbersch%FCsse+%22%F6konomische+Zeitbombe%22&storyid=138323098877 31. 10. 13
[4] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/05/der-grosse-irrtum-von-bruessel-scheitert-deutschland-dann-scheitert-die-eu/ 5. 11. 13 Der große
Irrtum von Brüssel: Scheitert Deutschland, dann scheitert die EU [5] http://www.nytimes.com/2013/11/04/opinion/krugman-those-depressing-germans.html November
3, 2013 - Those Depressing Germans - By
Paul Krugman [6] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=21766&title=Reul+kritisiert+EU-Kommission+wegen+Pr%FCfung+des+deutschen+Export%FCberschusses&storyid=1383808486643 [7] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=22028&title=Lambsdorff+verteidigt+deutsche+Exportst%E4rke&storyid=1384173414352 11. 11. 13 [8] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/deutscher-exportueberschuss-das-maerchen-vom-gleichgewicht-12653599.html 8. 11. 13
Patrick Welter Washington [9] http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/11818-eu-will-deutschen-export-abstrafen 20. 1. 13 Michael Mross EU will deutschen Export abstrafen
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