Die neue Bedrohung

d.a. NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen hat sich am 19. 5. in Brüssel offenbar das Recht

herausgenommen, Russland zur ständigen Bedrohung zu erklären, was nicht wenige erschreckt haben dürfte. Indessen war von der Kommission selbst keine Stellungnahme hierzu in Erfahrung zu bringen. Während also darauf abgezielt wird, nach Möglichkeit eine Aufrüstung in den NATO-Staaten in die Wege zu leiten und eine neue Doktrin für das Bündnis auszuarbeiten, hat Putin seine Kooperation mit China längst vertieft. Nach fast zehnjährigen Verhandlungen, schreibt die BüSo, die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, haben Russland und China im Rahmen des Staatsbesuchs von Putin in Shanghai ein historisches, auf 30 Jahre angelegtes Erdgasgeschäft abgeschlossen. Die russischen Gaslieferungen an China sollen 2018 anlaufen und jährlich 38 Mrd. m3 umfassen. Es wird geschätzt, dass sich das Geschäftsvolumen über 400 Mrd. $ beläuft. Beide Seiten haben vereinbart, für die notwendige Infrastrukturinvestitionen im jeweils eigenen Land aufzukommen. Darüber hinaus hat sich China bereit erklärt, einen Vorschuss von 25 Mrd. $ an Russland zu zahlen, um das Projekt zügig voranzubringen. Wie Putin in einem Fernsehinterview erklärte, betrifft die erste Stufe des Vertrags die Erschliessung des Gasfelds Kowytka in der Region Irkutsk in Sibirien, in der Nähe des Nordendes des Baikalsees, sowie des Tschajanda-Feldes in der weiter im Nordosten gelegenen Republik Sacha (Jakutien). Ohne Übertreibung werde dies in den nächsten Jahren das grösste Bauvorhaben der Welt sein. Putin betonte, die neu zu erschliessenden Felder könnten die Versorgung für die nächsten 50 Jahre nicht nur für den Export, sondern auch für den inländischen Verbrauch sichern. Es handelt sich darüber hinaus um ein starkes Verteidigungsmittel gegen die gegenwärtigen wirtschaftlichen Sanktionsdrohungen aus dem Westen.  [1] 

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat das Konzept der Neuen Seidenstrasse zur offiziellen Politik seines Landes erklärt, ein Vorhaben, für das Putin bei seinem Besuch jetzt auch offiziell die Unterstützung Russlands zusagte; dieses ist seit Anfang der 90er Jahre von Vertretern der BüSoals Idee der Weltlandbrücke in Deutschland und international in Umlauf gebracht worden. Konkret geht es um den von Jinping vorangetriebenen Bau von wirtschaftlichen Entwicklungskorridoren entlang der Neuen Seidenstrasse. Einer gemeinsamen Erklärung vom 20. Mai ist folgendes zu entnehmen: »Russland erkennt die enorme Bedeutung der chinesischen Initiative für den Bau des Seidenstrassen-Wirtschaftsgürtels an und weiss die Bereitschaft der chinesischen Seite, die russischen Interessen bei dessen Entwicklung und Realisierung zu berücksichtigen, besonders zu schätzen. Beide Seiten suchen weiter nach Möglichkeiten, die Perspektive des Seidenstrassen-Wirtschaftsgürtelsmit der Konzeption der Eurasischen Wirtschaftsunion zu verbinden. Zu diesem Zweck beabsichtigen sie, die Zusammenarbeit der relevanten Behörden bei der Realisierung beider Projekte zu vertiefen, insbesondere beim Ausbau von Verkehrswegen und der Infrastruktur.« Putin betonte in seinen Ausführungen die Bedeutung der wachsenden Zusammenarbeit beider Länder sowohl im wirtschaftlichen als auch militärischen Bereich. Diese schaffe ein Geflecht der Stabilität für den asiatisch-pazifischen Raum. Die Beziehungen der beiden Länder befänden sich gegenwärtig auf einem historischen Höchststand. Xi Jinping und Putin nahmen ausserdem gemeinsam an der Eröffnungszeremonie für die gegenwärtig stattfindenden chinesisch-russischen Seemanöver im Ostchinesischen Meer teil.  [2]  

Zu dieser sogenannten Seidenstrasse schrieb F. William Engdahl unter dem Titel Chinesische Wirtschaftsdiplomatie gegenüber Deutschland durchkreuzt das Kalte-Kriegs-Fieber im April: »Mit einer Meisterleistung in Wirtschaftsdiplomatie durchkreuzte Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Besuch in Duisburg die Pläne der Washingtoner Neokonservativen, die eine neue Konfrontation zwischen der NATO und Rußland anstreben. In Duisburg, der Stadt mit dem größten Binnenhafen der Welt und einem historischen Transport-Drehkreuz für die europäische und deutsche Stahlindustrie (mit Zentrum Ruhrgebiet), präsentierte er den Vorschlag für den Aufbau einer neuen »Wirtschaftlichen Seidenstraße« zwischen China und Europa. Für das wirtschaftliche Wachstum in ganz Europa eröffnen sich damit atemberaubende Aussichten. Flankiert von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und örtlichen Politikern betonte Xi Jinping, Deutschland und   China seien die beiden wirtschaftlichen Lokomotiven am jeweiligen Ende dieser Straße. Durch die Kooperation an der gemeinsamen Vision einer Eisenbahnverbindung und sonstiger Infrastruktur könnten entlang der Route völlig neue wirtschaftliche Bereiche entstehen. Der Begriff der   Seidenstraße ist die bewußte Wiederbelebung der Bezeichnung für die alten Handels- und Kulturwege zwischen China, Zentral- und Südasien, Europa und dem Nahen Osten, die in der Zeit der Han-Dynastie ungefähr 200 n.Chr. geschaffen wurden. Von der Wirtschaftlichen Seidenstraße und einer gesonderten Maritimen Seidenstraße hatte Jinping erstmals im November 2013 bei einer Rede während der dritten Plenarsitzung des 18. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei gesprochen. Jinpings jüngste diplomatische Offerte zeigt, daß die Idee kein Hirngespinst ist, sondern strategische Realität. China braucht neue Exportmärkte beziehungsweise muß die bestehenden sichern, um die Gräben in der Entwicklung zwischen den hochentwickelten Küstenregionen wie Schanghai und den weniger entwickelten Regionen im Landesinneren zu schließen und darüber hinaus die Stabilität in China selbst und in den Nachbarländern zu wahren. Die Provinz Xinjiang liegt an der Seidenstraße, sie ist die Basis einer radikalislamischen Strömung unter der heimischen moslemischen uigurischen Bevölkerung. Jinping sagte es zwar nicht, es ist aber eindeutig, daß der Vorschlag zu einem extrem kritischen Zeitpunkt unterbreitet wird, an dem die Frage von Krieg oder Frieden durch Fehlkalkulation über Washingtons Manipulation der Ereignisse in der Ukraine und ihrem Umfeld wieder aktuell ist. Der neue Infrastrukturkorridor führt durch Rußland. Eine wirtschaftliche Alternative gibt es nicht. Deshalb dient sie gleichzeitig dazu, die wirtschaftliche Zukunft und die Aussichten für eine friedliche Zusammenarbeit besonders zwischen Rußland und Deutschland miteinander zu verknüpfen. Jinping unterbreitete seinen Duisburger  Vorschlag im Rahmen eines chinesischen Wirtschaftsplans von höchster Priorität. Eine Woche vor seinem Abflug nach Deutschland war er in Peking mit dem saudiarabischen Kronprinzen Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud zusammengetroffen und hatte Saudi-Arabien eingeladen, sich am Aufbau des Wirtschaftsgürtels Seidenstraße und der Maritimen Seidenstraße zu beteiligen, um die Vernetzung des Transports und den kulturellen Austausch zu fördern. Zwei Tage später weilte der Außenminister von Kasachstan, ebenfalls ein wichtiges Land an der Seidenstraße, zu Gesprächen über eine Mitarbeit an dem riesigen Projekt in Peking. Dieser signalisierte die Bereitschaft seines Landes zur Kooperation, genauso wie der Präsident Afghanistans. Das Projekt steht eindeutig im Zentrum der chinesischen Strategie, die westlichen Landesteile zu entwickeln und in den Nachbarländern eine wirtschaftliche Stabilität zu fördern, die sowohl den Nachschub von Rohstoffen sichert als auch neue Handelsmärkte schafft. Seit seinem Amtsantritt im März 2013 haben Xi Jinping und sein Premierminister Rußland, Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan besucht, die alle entlang der vorgeschlagenen Route des Seidenstraßen-Projekts liegen.  Gegenwärtig sind China und Deutschland durch die internationale Eisenbahnstrecke Chongqing-Xinjiang-Europa miteinander verbunden. 2011 hatte China die Eisenbahnverbindung Chongqing-Xinjiang-Duisburg eröffnet. 2013 begann der Verkehr auf der direkten Eisenbahn-Transportroute Chengdu-Lodz (Polen), die über Kasachstan, Rußland und Weißrußland führt. Der wirtschaftliche Nutzen von Eisenbahnverbindungen gegenüber dem Seetransport von chinesischen Häfen nach Europa oder gegenüber der Luftfracht ist enorm. Eine Reise über die Strecke Chongqing-Xinjiang-Duisburg dauert nur 16 Tage, über die Strecke Chengdu-Lodz 12 Tage. Der chinesisch-europäische Eisenbahntransport ist wesentlich schneller als der Seetransport, der 40 bis 50 Tage braucht, zudem ist er deutlich billiger als der Luftweg. Darüber hinaus ermöglicht die Eisenbahn ein bequemeres Umladen und einen schnelleren Transport zum Zielbahnhof.  

Bei Chinas Entscheidung, sich jetzt »nach Westen« zu orientieren, ist auch eine wesentliche Sicherheitskomponente im Spiel. Peking muß Exportmärkte sichern und das Transportnetz diversifizieren: Xi Jinpings wichtigstes Thema bei seiner Zentralasienreise, insbesondere angesichts der zunehmend instabilen Seewege in Süd- und Südostasien. China ist sehr anfällig für Attacken auf dem Seeweg durch die Straße von Malakka, wo es immer häufiger zu Angriffen von Piraten, zu illegalem Handel und zu Streit über den Seeverkehr kommt. Fast 85 % der Importe nach China verlaufen über diese Route, darunter 80 % der Energie-Importe. Peking ist sich indessen bewußt, daß es kein Problem wäre, die Straße von Malakka zu blockieren, wenn sich Washington zu einer Konfrontation mit China entschiede.«  [3]  

 

Quellen:  
[1]  http://www.bueso.de/node/7371  22. 5. 2014  
[2]  http://www.bueso.de/node/7364  21. 5. 14  
[3] 
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/chinesische-wirtschaftsdiplomatie-gegenueber-deutschland-durchkreuzt-das-kalte-kriegs-fieber.html 
1. 4. 14   Chinesische Wirtschaftsdiplomatie gegenüber Deutschland durchkreuzt das Kalte-Kriegs-Fieber  -  Von F. William Engdahl  - auszugsweise -

Siehe hierzu auch  
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2212    19. 1. 14 
Europa am Scheideweg: Aufbau mit Eurasien oder Untergang mit dem Europa der Troika? - Von  Alexander Hartmann

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2171   20. 10. 13  Chinas Präsident setzt die Neue Seidenstrasse wieder auf die Tagesordnung