»Groß-Israel« und das »Verschwinden« von Palästina - Von Timothy Alexander Guzman 14.06.2014 20:20
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat angekündigt,
Israel werde
möglicherweise die West Bank annektieren, weil er dafür – wenn der
Friedensprozeß scheitere –
die Unterstützung beider Seiten des politischen Spektrums habe. Außerdem
bestritt er entschieden, daß es irgendwelche Pläne für ›einen freiwilligen Rückzug‹ aus den israelisch besetzten Gebieten der West Bank gebe. Einer Meldung
der ›Jerusalem Post‹ zufolge sagte Netanjahu in einem Interview mit ›Bloomberg Views‹: »Die Idee, einseitige Schritte zu ergreifen, gewinnt von der linken Mitte
bis zur rechten Mitte immer mehr Anhänger.« Im Dezember
letzten Jahres hat ›Arutz Sheva‹, eine israelische Nachrichtenagentur,
gemeldet, Wirtschaftsminister Naftali Bennett habe vorgeschlagen, Israel solle
Schlüsselregionen wie Judäa im Süden der West Bank und Samaria im Norden der
West Bank annektieren; Israel hat den beiden Regionen biblische Namen gegeben,
um seinen Anspruch auf die West Bank religiös begründen zu können. Weil dort
die Juden dominieren, sollten diese Gebiete unter die Kontrolle der
israelischen Streitkräfte gestellt werden. Benett erklärte: »Ich fordere
den Anschluß dieser
Regionen an Israel, weil in Judäa und Samaria 400.000 Juden, aber nur 70.000
Araber leben.« Die israelische Regierung könnte die insgesamt nur 70.000 Araber in
andere arabische Staaten ausweisen, würde damit aber ein neues
Flüchtlingsproblem schaffen. Die Idee der israelischen Regierung, sie könnte
bestimmte Gebiete der West Bank einfach annektieren, weil die Bevölkerung dort
bereits überwiegend aus Juden besteht, ist absurd. Der Bericht in der ›Jerusalem Post‹ über Netanjahus Bemerkung, er schließe
einen ›freiwilligen Rückzug‹ aus, nimmt Bezug auf eine Idee der [israelischen]
Linken, die damit die Palästinensische Autonomiebehörde beruhigen wollte: »Viele
Israelis fragen sich, ob gewisse einseitige Schritte [Israels] nicht sinnvoll
sein könnten«, sagte Netanjahu. Die von israelischen Linken entwickelte einseitige
Option, Teile der West Bank aufzugeben [und sie den Palästinensern zu
überlassen], lehne er aber ab. Er erklärte, als sich Israel 2005 aus dem
Gaza-Streifen zurückgezogen habe, um mit dieser einseitigen Maßnahme den
eingefrorenen Friedensprozeß wieder in Gang zu setzen, habe das nur die
Angriffe terroristischer Gruppen auf Israel verstärkt und keinen Frieden gebracht.
»Auch
die israelische Bevölkerung hat erkannt, daß der einseitige Rückzug aus Gaza die
Situation nicht verbessert und keinen Frieden gebracht hat. Damals ist nur ›Hamastan‹, ein Kleinstaat der Hamas entstanden [1],
und zum Dank hat die Hamas Tausende von Raketen auf unsere Städte abgefeuert«, ergänzte Netanjahu.
Der Premierminister sprach auch über die Zwei-Staaten-Lösung und die Beziehung
des Irans zu den Palästinensern; er sagte: »Erstens
besteht Einigkeit darüber, daß wir keinen Staat mit zwei Nationalitäten wollen. Außerdem sind wir uns einig, daß wir keinen iranischen Marionettenstaat
auf einem Territorium haben möchten, das wir räumen.« Netanjahu
lehnt die Zwei-Staaten-Lösung ab, strebt einen einheitlichen jüdischen Staat an
und will sich wegen der angeblichen ›iranischen Bedrohung‹ auch nicht von der West Bank zurückziehen. Er fügte hinzu: »Wir wollen
einen entmilitarisierten palästinensischen Staat, der einen jüdischen
Nationalstaat anerkennt. Wie sollen wir den erreichen, wenn er durch
Verhandlungen nicht zu erreichen ist? Die Palästinenser wollen Israel nicht als
jüdischen Nationalstaat anerkennen, und ich weiß auch nicht, ob sie bereit
sind, sich auf eine fortschreitende Entmilitarisierung einzulassen, auf der wir
bestehen müssen.« Bisher hat es keine Fortschritte in dem Friedensprozeß zwischen den Israelis und den Palästinensern
gegeben, weil die Palästinenser beschlossen haben, Israel niemals als ›jüdischen Staat‹ anzuerkennen. Wenn sie das täten,
würden sie damit gleichzeitig anerkennen, daß ihre
Anwesenheit in Palästina illegitim ist, und damit der Auffassung
Israels zustimmen, daß nur Juden das Recht haben, in Palästina zu leben. Der ›jüdische Staat‹ müßte ihnen
dann erlauben, weiter in Palästina zu
leben, weil sie kein angeborenes Recht mehr dazu hätten.
Es wäre also
ein politisches Desaster für die Palästinenser, der israelischen Forderung [nach
Anerkennung eines jüdischen Nationalstaates] nachzugeben. Wenn die
Palästinenser zuließen, daß ihnen ein jüdischer Staat übergestülpt würde, wäre das mit großen
Risiken für sie verbunden. Netanjahu
besteht noch immer darauf, zu seinen Bedingungen Frieden zu schließen, aber die Palästinenser werden sich nicht darauf einlassen. Netanjahu gibt sogar zu: »Die Minimalforderungen,
auf denen jede israelische Regierung bestehen muß, können von den Palästinensern nicht
akzeptiert werden.« Die Netanjahu-Regierung sei auch nicht glücklich darüber, daß sich die Palästinensische
Autonomiebehörde dazu entschlossen habe, die Hamas in eine einheitliche
Palästinenser-Regierung, die künftig mit Israel verhandeln soll, einzubeziehen.
Dazu sagte Netanjahu: »Warum wird immer nur Israel kritisiert?
Wie soll eine Verhandlungslösung zustande kommen, wenn Fatah-Chef Abbas jetzt
die Hamas umarmt? Das ist doch äußerst unwahrscheinlich. ……« Netanjahu fuhr fort: »Die
Übereinstimmung darüber, daß wir keinen Partner [auf Seiten der Palästinenser] haben, der eine
geschlossene Anhängerschaft hinter sich hat und unpopuläre schwierige Dinge
regeln kann, wächst. Abbas hat bisher nichts getan, um die bestehenden
Forderungen der Palästinenser zu modifizieren. Tatsächlich tut er das genaue
Gegenteil: Er versöhnt sich mit der Hamas und internationalisiert den Konflikt
[mit Israel]; beim Rückkehrrecht der Palästinenser gibt er kein Jota nach und
auch nicht bei dem von Israel geforderten jüdischen Nationalstaat. Er geht überhaupt
nicht auf die Vorschläge von US-Außenminister
Kerry ein.« [2]
Dem Artikel ›Greater Israel: The Zionist Plan for the Middle East‹ [Groß-Israel: Der zionistische Plan
für den Mittleren Osten] von Israel
Shahak [3] ist zu entnehmen, daß sich Israel weiter in
das Gebiet der Palästinenser und in andere Länder im Mittleren Osten hinein
ausdehnen will. Dieses zionistische Projekt unterstützt die jüdische
Siedlungspolitik, propagiert die Ausweisung der Palästinenser aus Palästina und
die Annexion
der West Bank und des Gaza-Streifens durch den Staat Israel. Zu Israel
sollen auch eine Reihe von Marionettenstaaten gehören, für die
Teile des Libanons, Jordaniens, Syriens, die (ägyptische) Sinai-Halbinsel und
Teile des Iraks und Saudi-Arabiens annektiert werden sollen. Palästina
ist bereits zu großen Teilen von der Landkarte verschwunden. Weitere Annexionen
der israelischen Regierung würden international mißbilligt und zu einem totalen
Ansehensverlust für Israel führen. Bereits die Annexion weiterer Gebiete auf
der West Bank könnte einen neuen Konflikt auslösen. In einem Kommentar, den
Gershon Baskin für die ›Jerusalem Post‹ verfaßt hat,
werden die Konsequenzen beschrieben, die Israel aus der Annexion bestimmter
Gebiete auf der West Bank erwachsen würden: »Die Annexion
weiterer Gebiete würde nicht nur den Zorn der ganzen Welt erregen und die
Palästinenser in ihrem Nationalismus bestärken; wenn sie keine politische
Unterstützung in ihrem Kampf fänden, würden sie die Gewalt gegen Israel massiv verstärken, und wir würden ihre Wut und ihre Verzweiflung ganz sicher
noch mehr zu spüren bekommen. Die Absicht der israelischen Regierung, sich
zusätzliches Land gewaltsam anzueignen, würde die Beziehungen zu den
Palästinensern und ihren arabischen Nachbarn weiter verschlechtern und in
absehbarer Zukunft ganz sicher keinen Frieden bringen.«
Soweit der
Artikel von Guzman. Man sollte sich in diesem Zusammenhang noch einmal den
Wortlaut der ›Balfour Declaration‹ vom November 2017 vor Augen halten, um sie mit dem Stand der Dinge zu
vergleichen: »Die Regierung seiner Majestät [George V] betrachtet die Errichtung einer
nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen und
wird sich nach besten Kräften darum bemühen, das Erreichen dieses Ziels zu erleichtern,
wobei es klar ist, daß
nichts erfolgen soll, was den zivilen und religiösen Rechten der existierenden
nicht-jüdischen Gemeinden in Palästina oder den Rechten und dem politischen
Status, deren sich Juden in irgendeinem anderen Land erfreuen, zum Nachteil
gereichen könnte.« Israel hat den Ausbau seiner
Siedlungen im Westjordanland offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2013 mehr
als verdoppelt. 2013 sei mit dem Bau von 2534 neuen Wohneinheiten
begonnen worden, ein Anstieg von 123 % im Vergleich zum Vorjahr; 2011 war die
Anzahl gewalttätiger Übergriffe israelischer Siedler auf Palästinenser laut UNO
im Vergleich zu 2010 um 50 % gestiegen, verglichen mit 2009 sogar um 160
%. [4] Hinzu kommt die Zerstörung von
Wasserzugängen. So hatte Israel laut ›NZZ‹ vom 27. 9. 11 seit Jahresbeginn 2011
mindestens 20 Zisternen und 12 Brunnen zerstört, was Folgen für den
Wasserzugang von Zehntausender Palästinenser hat. Die Zerstörung von
landwirtschaftlichen Gebäuden verschärfe zudem die Ernährungsunsicherheit der
Palästinenser im Westjordanland.
Der bekannte Autor John Pilger hatte
sich zu Beginn des Jahres 2010 in der ›Berliner Umschau‹ [4] u.a. wie folgt geäußert: Willkommen in Orwells Welt - Das ist die Theorie.
Diese funktionierte in Jugoslawien, wo die Aufsplitterung nach
ethnisch-religiösen Kriterien eine vormals friedliche Gesellschaft auslöschte,
sie funktionierte allerdings nicht in Vietnam, wo das CIA-Programm der ›strategischen Dörfer‹ die Bevölkerung des Südens
einzäunen und trennen sollte, um den Vietcong zu besiegen; Vietcong war der von
den Amerikanern dem Widerstand übergestülpte Überbegriff, ähnlich wie auch der
der Taliban. Hinter vielen dieser Dinge stecken die Israelis, die schon lange
die Amerikaner bei den Abenteuern im Irak und in Afghanistan beraten haben.
Ethnische Säuberungen, Mauerbau, Kontrollpunkte, Kollektivstrafen und dauernde
Überwachung, sie laufen unter israelische Innovationen, die sich beim Diebstahl
eines großen Teils des palästinensischen Territoriums von seinen ursprünglichen
Bewohnern als erfolgreich erwiesen haben. Doch ungeachtet aller ihrer Leiden
konnten die Palästinenser nicht unwiderruflich gespalten werden und bestehen
entgegen aller Erwartungen weiterhin als Nation.
Quelle: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP09114_060614.pdf 6. 6. 14 Friedenspolitische
Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein LP 091/14, denen auch
die Übersetzung ins Deutsche zu verdanken ist. Originalartikel auf: http://www.globalresearch.ca/greater-israel-and-the-disappearance-of-palestine-israel-is-considering-the-annexation-of-the-west-bank-territories/5383702 24. 5. 14 ›Greater Israel‹ and The ›Disappearance‹ of Palestine: Israel is Considering the Annexation of the West Bank
Territories - by By Timothy Alexander Guzman
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Hamas [2] siehe dazu auch http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27414554 [3] http://www.globalresearch.ca/greater-israel-the-zionist-plan-for-the-middle-east/5324815 June 13,
2014 “Greater Israel”: The Zionist Plan
for the Middle East - The Infamous "Oded Yinon Plan" by Israel Shahak - Introduction by Michel
Chossudovsky [4]
Siehe hierzu http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1928 1. 4. 2012 Palästina
- Der »Tag des Bodens« und http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1390 19. 12. 09 »Es ist schlimmer denn je« Der Publizist Alfred Grosser über israelische
Siedlungspolitik, den Zentralrat der Juden in Deutschland und das Gedenken an
den Holocaust. Das Gespräch mit Professor Grosser führte Alexander Marguier [5] http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=04012010ArtikelPolitikAK4.
1. 2010 Willkommen
in Orwells Welt - Von John Pilger
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