Aus dem Bundeshaus 23.02.2015 00:47
Wie es in einer Mitteilung der SVP heisst, räumt der Bundesrat der EU
ein
Veto-Recht bei der Umsetzung der Bundesverfassung ein. Mit den jetzt gefassten
Beschlüssen zur Umsetzung des Zuwanderungsartikels in der Bundesverfassung
handelt der Bundesrat unglaubwürdig.
Einerseits
legt er eine lückenhafte Umsetzungsgesetzgebung vor, andererseits stellt er die
Umsetzung grundsätzlich in Frage, indem er diese von einer Anpassung des
Freizügigkeitsabkommens abhängig macht. Damit wäre eine innerstaatliche
Umsetzung des Verfassungsartikels nur mit dem Einverständnis der EU möglich.
Diese erhält so vom Bundesrat gewissermassen ein Veto-Recht betreffend die
Schweizer Gesetzgebung. Damit sind die Verhandlungen mit der EU schon jetzt zum
Scheitern verurteilt. Ein Erfolg ist nur möglich, wenn der Bundesrat die
Umsetzung der Verfassungsbestimmung entschieden angeht und eine Kündigung des
Freizügigkeitsabkommens in Kauf nimmt. Die SVP fordert vom Bundesrat endlich
ein konsequentes Vorgehen, das den Volkswillen respektiert.
Das
am 11. 2. vom Bundesrat verabschiedete Verhandlungsmandat mit der EU ist
unbrauchbar. Indem der Bundesrat die Sicherung des bilateralen Wegs auf die
gleiche Stufe stellt wie den Verfassungsauftrag zur Steuerung der Zuwanderung,
ist kein befriedigendes Verhandlungsergebnis möglich. Der Bundesrat hält zudem
fest, dass eine Umsetzung des Verfassungsauftrags nur dann erfolgen wird, wenn
das Freizügigkeitsabkommen [FZA] angepasst werden kann: »Die Voraussetzung dafür, dass das Umsetzungskonzept auch für
Angehörige der EU/EFTA-Staaten zur Anwendung kommen kann, ist deshalb eine
entsprechende Anpassung des FZA (›Erläuternder Bericht des Bundesrats‹, S. 7)«. Damit manövriert sich der Bundesrat für die
Verhandlungen in eine unmögliche Ausgangslage: Die EU weiss jetzt, dass die
Schweiz nichts unternehmen wird, das nicht ihren ausdrücklichen Segen findet.
Somit ist aus der Sicht der EU jegliches Entgegenkommen von Anfang an unnötig.
Das macht schon jetzt deutlich, dass der Bundesrat in letzter Konsequenz wohl
nicht daran denkt, den Volkswillen umzusetzen. Für die SVP ist klar, dass sie
eine Volksinitiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens
lancieren wird, falls der Bundesrat die Umsetzung hintertreibt oder die EU
Verhandlungen verweigert. Eine Anpassung des Freizügigkeitsabkommens ist gemäss
Entscheid von Volk und Ständen vom 9. Februar 2014 zwingend.
Ungenügende
innerstaatliche Umsetzung Beim
Vorschlag für die Umsetzung der Verfassungsbestimmung auf Gesetzesstufe
anerkennt die SVP zwar, dass sich der Bundesrat in verschiedenen Punkten am
Umsetzungskonzept der SVP orientiert. Dieses lehnt sich an die bewährten
Eckpunkte der Kontingentsregelung und des Inländervorrangs, welche zwischen
1970 und 2002 Gültigkeit hatten, an. In wichtigen Punkten sind die Vorschläge
des Bundesrats jedoch noch ungenügend und müssen nachgebessert werden: Der
bundesrätliche Vorschlag sieht keine Beschränkung des Familiennachzugs und keine
Massnahmen gegen die Einwanderung in die Sozialwerke vor, obwohl dies
die wichtigsten Hebel zur Beseitigung von Fehlanreizen und Missbräuchen sind.
Der Bundesrat richtet die Aufenthaltsdauer nicht konsequent auf den
Arbeitsvertrag und die Dauer des Arbeitsverhältnisses aus, was für die Wirkung
im Ziel absolut entscheidend wäre. Der Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit bis zu
einem Jahr ist nicht kontingentiert, was zu Umgehungen führen kann. Die SVP
wird im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens auf der Basis ihres
Umsetzungskonzepts verschiedene Verbesserungen einbringen. Ziel muss letztlich
eine markante Senkung der Zuwanderung sein.
Die Steuerung
der Zuwanderung ist dringend Die
Probleme mit der Zuwanderung sind nach wie vor ungelöst: Die Netto-Zuwanderung
belief sich auch im vergangenen Jahr auf über 80‘000 Personen. Die
Arbeitslosigkeit unter Ausländern in der Schweiz liegt bei mittlerweile 7 %.
Das heisst: Arbeitslose Ausländer verlassen unser Land nicht mehr, sondern
beziehen hier auf Dauer Leistungen aus den Sozialversicherungen! Gerade vor dem
Hintergrund der Aufhebung des Euro-Mindestkurses ist die rasche Umsetzung einer
eigenständigen Steuerung der Zuwanderung dringender denn je. Sollte es kurz-
und mittelfristig zu grösseren wirtschaftlichen Problemen oder gar zu einer
Rezession kommen, ist es um so wichtiger, dass die Schweiz die Zuwanderung über
Kontingente und einen Inländervorrang eigenständig steuern kann. Die Schweiz
ist mit dem stärkeren Franken als Arbeitsplatz noch attraktiver geworden. Die
Lohnunterschiede zum Ausland haben sich vergrössert - und damit auch der
Anreiz, inländische Arbeitnehmer durch billigere ausländische Arbeitskräfte zu
ersetzen. Der Migrationsdruck wird sich also kurzfristig noch verstärken. Bei
einer allenfalls höheren Arbeitslosigkeit ist ein Inländervorrang, wie ihn die
Verfassung vorsieht, von zentraler Bedeutung. Im Weiteren ist sicherzustellen,
dass Ausländer ohne Arbeit die Schweiz rasch verlassen und nicht über Jahre in
den schweizerischen Sozialwerken verbleiben, wie dies heute im Rahmen der
Personenfreizügigkeit möglich ist.
Chaos im
Finanzdepartement – jetzt handeln Die
SVP ist erstaunt, dass sich das Finanzdepartement im Zusammenhang mit den
massiv tieferen Bundeseinnahmen offenbar im Blindflug befindet. Die SVP fordert
vom Bundesrat ein echtes Sparprogramm. Obwohl die Vorsteherin des EFD
behauptet, sie habe bereits im vergangenen Herbst eine entsprechende
Entwicklung vorhergesehen, wurde im Rahmen des Budgets 2015 keine Gegensteuer
gegeben. Vielmehr haben Bundesrat und Parlament die Ausgaben weiter erhöht. Die
Anträge der SVP auf Einsparungen von gegen einer Milliarde Franken wurden
abgelehnt. Die SVP verlangt nun, dass der Bundesrat ein Sparprogramm in
verschiedenen Varianten vorlegt. Die SVP hat bereits im vergangenen November in
einem Finanzpositionspapier aufgezeigt, in welchen Bereichen der Hebel
angesetzt werden muss: Das Schwergewicht muss insbesondere bei einer Kürzung
der Personal- und Beratungsausgaben und bei jenen Bereichen liegen, welche die
höchsten Ausgabenzuwächse in den vergangenen Jahren zu verzeichnen hatten. Die
SVP hat diesbezüglich bereits während der vergangenen Wintersession eine Motion
(14.4016) eingereicht, welche die Ausgaben im Legislaturfinanzplan 2017-19 auf
dem Niveau von 2014 fixiert.
Bei
den Personalausgaben genügt der vom Bundesrat heute angekündigte Personalstopp
bei weitem nicht, um die aus dem Ruder gelaufenen Entwicklungen der vergangenen
Jahre ungeschehen zu machen: Während der Personalaufwand im Jahr 2007 noch bei
4,492 Milliarden Franken lag, betrug er im Jahr 2014 bereits 5,498 Milliarden
Franken und stieg damit um rund ein Fünftel (+22.4 %) bzw. 1 Milliarde Franken
an. Im gleichen Zeitraum entstanden so auf Kosten der Steuerzahler rund 1‘200
neue Stellen bei der Bundesverwaltung. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht
der angespannten Finanzlage wird der Bundesrat nicht um Personalkürzungen
herumkommen, wobei die SVP ein Auge darauf haben wird, dass nicht an der Front,
sondern beim aufgeblähten Verwaltungsapparat der Hebel angesetzt wird.
Schliesslich
ist auch die krasse Ausgabensteigerung bei der Entwicklungshilfe rückgängig zu
machen, denn auch in diesem Bereich sind die Ausgaben über die letzten Jahre
massiv angestiegen. Von 1,9 Milliarden Franken im Jahr 2004 auf 2,9 Milliarden
Franken im Jahr 2013.
Die Schweiz
und der EU-Binnenmarkt Der
Bundesrat verwickelt sich in Widersprüche: Die Verhandlungen zwischen Bern und
Brüssel über den sogenannten ›Rahmenvertrag‹ treten in diesen Tagen
in ihre entscheidende Phase. Deshalb ist es angebracht, daran zu erinnern, was die
Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) in Form von Auflagen an
die Adresse des Bundesrats vor Verhandlungsbeginn beschlossen hat. Diese wurden
in zwei Kommissions-Motionen formuliert. Die Parlamentsdienste fassten die
aufgrund dieser Kommissions-Motionen entstandene Ausgangslage für die
Verhandlungen Schweiz-EU mit folgenden Worten zusammen:
Institutionelle
Fragen Ende
2013 konsultierte der Bundesrat die ›APK‹ zu den Eckwerten
seines Verhandlungsmandats betreffend die institutionellen Fragen zwischen der
Schweiz und der EU. Im Zentrum der Beratungen der Aussenpolitischen Kommission
des Nationalrats ›APK-N‹, die das Mandat mit 14
zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung genehmigte, stand die Frage, wie die Anliegen der
Schweiz, z. B. betreffend die flankierenden Massnahmen zur
Personenfreizügigkeit oder die demokratischen Mitspracherechte, in den
Vorschlägen des Bundesrats berücksichtigt werden können. Die Kommission wies
den Bundesrat zudem darauf hin, dass das Ziel der Verhandlungen einzig darin bestehen
soll, den gegenseitigen Marktzugang mittels Verträgen zu erleichtern. Deshalb
verlangte die ›APK-N‹ - dies mit 13 zu 1 Stimmen bei 7 Enthaltungen
- gegenüber der EU klar zu
signalisieren, dass die Schweiz nicht Teil des europäischen Binnenmarktes
werden will. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis unterstützte die ›APK-N‹ die klare Haltung des Bundesrats,
wonach sich die Schweiz weder
verpflichten dürfe, EU-Recht automatisch zu übernehmen, noch sich der EU- oder
der EWR-Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Der Bundesrat habe die von der ›APK-N‹ deutlich angenommenen Vorstösse als
seinem Verhandlungskonzept dienend beurteilt und vor der Kommission
befürwortet.
Um
so mehr verwundert, dass die beiden derart deutlich angenommenen und vom
Bundesrat positiv beurteilten, inhaltlich zweifellos gewichtigen Vorstösse bis
heute vom Nationalrats-Plenum nicht behandelt worden sind. Es droht ihnen
allmählich die «stille Liquidation», weil Vorstösse, die zwei Jahre nach
Antragstellung nicht behandelt worden sind, gemäss Ratsreglement automatisch
aus Abschied und Traktanden fallen. Damit dies mit den beiden
richtungsweisenden Vorstössen zu den laufenden Verhandlungen zwischen Bern und
Brüssel nicht geschieht, hat Nationalrat Christoph Mörgeli nunmehr die
Behandlung dieser beiden ›APK‹-Vorstösse in der
bevorstehenden März-Session verlangt. Diese wollen die automatische Übernahme
von EU-Recht durch die Schweiz verhindern. Sie stehen damit in klarem
Widerspruch zu Konzessionen, die der Bundesrat, auch bezüglich der von Bundesbern
angebotenen Unterstellung der Schweiz unter den EU-Gerichtshof, gegenüber der
EU im Laufe der Verhandlungen bereits eingegangen ist.
Man
ist wahrhaftig gespannt zu erfahren, wie sich der Bundesrat zu den damit von
ihm selbst verursachten Widersprüchen stellt.
Orientierungsloser und verunsicherter Bundesrat - Von Martin Baltisser Die Orientierungslosigkeit und Verunsicherung des Bundesrats
in diesen Tagen ist erstaunlich und beunruhigend zugleich. Wer ohne Plan nach
Brüssel reist, um herausfordernde Verhandlungen anzustossen, kehrt - als
logische Konsequenz - ohne Ergebnis zurück. Dabei wäre die Ausgangslage
eigentlich klar. Die Regierung kann mit einem Volksentscheid im Rücken auf den
für die Schweiz zwingenden Bedarf nach einer Änderung der vertraglichen
Modalitäten hinweisen. Dies ist selbstverständlich nur dann glaubwürdig
möglich, wenn eine Kündigung des betreffenden Vertrages, in diesem Fall jener
über die Personenfreizügigkeit, als Option im Raum steht. Ist der Bundesrat
dazu nicht bereit, wird er bei den Verhandlungen mit der EU nie auf einen
grünen Zweig kommen.
Auch alt Bundesrat Adolf Ogi hat bei seiner Analyse, welche er am 8. 2. über
die Presse vornahm, einen wichtigen Unterschied zu früheren Verhandlungen
zwischen der Schweiz und der EU ausser Acht gelassen. Er und seine
Regierungskollegen hätten früher unmissverständlich auf den Volksentscheid in
der Schweiz und die damit zusammenhängende Verpflichtung gegenüber dem Souverän
hingewiesen. Die Ausgangslage wäre damit von Seiten der Schweiz klar umrissen gewesen und mit dem nötigen Selbstbewusstsein vorgetragen
worden. Der Unterschied hierzu liegt heute darin, dass Bundesräte den
ihnen peinlichen Volksentscheid relativieren und gar offen proklamieren, auf
diesen Entscheid zurückzukommen. Im offiziellen Verhandlungsmandat sollen zwei
sich widersprechende Ziele, die eigenständige Steuerung der Zuwanderung und der
Erhalt der Bilateralen I und damit der Personenfreizügigkeit, auf die gleiche
Stufe gestellt werden. Auf diese Weise sind Verhandlungen schon vor deren
Aufnahme zum Scheitern verurteilt. Dem Bundesrat bleibt noch eine kleine
Chance, bei dem nächsten Entscheid über das weitere Vorgehen das Ruder
herumzureissen.
Note ungenügend Völlig inakzeptabel ist die Tatsache, dass ein Jahr nach dem
Volksentscheid vom 9. Februar 2014 zur neuen Verfassungsbestimmung noch immer
keine Umsetzung auf Gesetzesstufe vorliegt. Dies, obwohl das Staatssekretariat
für Migration (SEM) bereits beim Treffen mit der SVP Mitte März 2014 die Basis
für ein Kontingent-System mit Inländervorrang als Vorlage auf dem Tisch hatte;
ein System, das sich notabene auf bewährte frühere Konzepte und die heute
noch immer angewendete Praxis für Drittstaaten (160
Länder weltweit) anlehnt. Auch das Umsetzungskonzept der SVP basiert darauf.
Dass die Präsentation der rechtlichen Umsetzung im Inland nun bereits über
Monate hinausgezögert wird, stellt dem Bundesrat ein miserables Zeugnis aus.
Mit unverständlichem Taktieren wurde wertvolle Zeit verschenkt, um bestehende
Probleme anzugehen.
Propagandamaschinerie hochgefahren Die Zeit ist aus Sicht des Bundesrats natürlich nicht
ungenutzt verstrichen. Vielmehr wurde in den letzten Monaten eine veritable
Propagandawalze hochgefahren, welche zum Ziel hat, den Volksentscheid vom 9.
Februar zu diskreditieren und die bilateralen Abkommen mit der EU zu
glorifizieren. Dazu werden Studien bestellt, Zahlen frisiert, Wissenschaft,
Verbände und Medien als willfährige Gehilfen eingespannt. Jede noch so abwegige
Verbindung zwischen irgendwelchen, vermeintlich negativen Entwicklungen und der
Annahme der Volksinitiative gegen Masseneinwanderung wird breitgeschlagen.
Finanzpolitik im Blindflug Nun soll gar der Einbruch der Bundeseinnahmen auf die ›Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit
der Personenfreizügigkeit‹ zurückzuführen
sein, wie ein Medium inzwischen insinuiert hat. Dumm ist nur, dass die
Steuereinnahmen von 2014 zu einem schönen Teil auf den Abschlüssen von 2013
beruhen und dass sogar noch im Jahr 2014 bei vielen Schweizer Unternehmen
Rekordergebnisse erzielt wurden, wie die in diesen Tagen präsentieren
Jahresabschlüsse belegen. Zudem gab es 2014 so viele Firmengründungen wie noch
nie. Real sind hingegen beispielsweise die wirtschaftliche Schwäche im
Euro-Raum und die Auswirkungen der Boykott-Politik gegenüber Russland.
Und zur Erinnerung: Es war die SVP, welche im Hinblick auf
das Budget 2015, wie in den Jahren zuvor, vor finanzpolitischen
Fehleinschätzungen gewarnt und zur Zurückhaltung gemahnt hatte. Niemand ist im
Parlament ihren konsequenten Kürzungsanträgen gefolgt. Stattdessen wurde weiter
mit der grossen Kelle angerührt, obwohl eine Verschlechterung der
Konjunkturlage bereits absehbar war. Heute denken nun plötzlich auch die
Wirtschaftsverbände und die Mitte-Parteien über eine Plafonierung der
Staatsausgaben und des Bundespersonalbestandes nach. Wetten, dass auch dieses
Mal den grossspurigen Forderungen wieder gewundene Begründungen folgen werden,
weshalb eine zurückhaltende Ausgabenpolitik nicht realisierbar sei.
Neuinterpretationen
und Behauptungen statt Senkung der Zuwanderung - Von Adrian Amstutz Die
Befürworter einer grenzenlosen und ungesteuerten Zuwanderung schlagen derzeit
wild um sich. Die Kritik am bundesrätlichen Konzept zur Umsetzung des
Verfassungsartikels zur Steuerung der Zuwanderung hat ihnen ganz offensichtlich
zugesetzt. Leider bleiben die teilweise nachweislich falschen, teilweise nicht
belegten Behauptungen meist unwidersprochen. Derweil hält die unbegrenzte
Zuwanderung mit netto jährlich über 80‘000 Personen, was der Stadtbevölkerung
von Luzern entspricht, an. Bundespräsidentin Sommaruga lehnte sich am weitesten
zum Fenster hinaus. In der Samstagsrundschau von Schweizer Radio SRF vom 14.
Februar 2014 verstieg sie sich zur Behauptung, das in der bundesrätlichen Vorlage
eingebaute Veto-Recht für die EU sei eine Folge des Initiativtextes, und die
Initiative fordere lediglich, dass das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU
neu zu verhandeln und anzupassen sei. Von einer Kündigung sei nicht die Rede.
Diese
Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga widersprechen nicht nur dem
Volkswillen, der eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung verlangt, sondern
stehen in diametralem Widerspruch zur unmissverständlichen Auslegung des
Verfassungstextes durch den Bundesrat selber in seiner Botschaft ans Parlament
und allen Verlautbarungen vor der Abstimmung. Die
Interpretation des Verfassungstextes war stets klar. Die Verfassung verlangt
spätestens drei Jahre nach Annahme von Art. 121a - also ab dem 9. Februar 2017 - eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung
für sämtliche Ausländerinnen und Ausländer, also auch für Personen aus der EU,
mit Kontingenten und Inländervorrang. Dazu ist das Freizügigkeitsabkommen mit
der EU neu zu verhandeln und anzupassen, weil dieses, was von niemandem
bestritten wird, der neuen Verfassungsbestimmung widerspricht. Die Verfassung
ist selbstverständlich auch dann durchzusetzen, wenn das Abkommen nicht
angepasst werden kann, sei dies durch eine entsprechende innerstaatliche
Gesetzgebung, sei dies, wie in den Übergangsbestimmungen vorgesehen, per
Verordnung des Bundesrats, falls das Gesetz nach drei Jahren noch nicht in
Kraft ist, sei dies durch Kündigung des Vertrags zur Personenfreizügigkeit.
Dies war bisher auch immer die Einschätzung und Haltung des Bundesrates.
Sommaruga
liegt nachweislich falsch Die
Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga kommen deshalb einem Meinungsumschwung
um 180 Grad gleich. Dies zeigt ein kurzer Blick in die Botschaft des Bundesrats
ans Parlament vom Dezember 2012. Die Interpretation ist glasklar und
unmissverständlich: »Wie bereits unter Ziffer 3.1.3 erwähnt, müsste
das FZA spätestens nach Ablauf von drei Jahren gekündigt werden, sollte es in
dieser Frist nicht gelingen, das Abkommen initiativkonform neu auszuhandeln.« (S. 317 der Botschaft) Da
der Bundesrat die Chancen auf einen Verhandlungserfolg in der Botschaft als
gering einstufte, kam er zu folgendem Fazit: »Die Initiative ist mit
dem FZA nicht vereinbar. Das FZA müsste im Falle einer Annahme der Initiative
mit grösster Wahrscheinlichkeit gekündigt werden. « (S. 317 der Botschaft) Auch
bezogen auf seine Verpflichtung, die Verfassung bei Bedarf per Verordnung
durchsetzen zu müssen, war die Interpretation des Bundesrates eindeutig: »Falls die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 121a BV drei Jahre
nach dessen Annahme durch Volk und Stände noch nicht in Kraft getreten ist,
müsste der Bundesrat entsprechende Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf
dem Verordnungsweg erlassen (Absatz 2). Damit soll laut den Initiantinnen und
Initianten gewährleistet werden, dass die neuen Verfassungsbestimmungen
innerhalb eines absehbaren Zeitraums umgesetzt werden.« (S. 312 Botschaft)
Bundespräsidentin
Sommaruga ging in ihren Ausführungen vor dem Parlament sogar noch viel weiter.
Sie sagte am 20. Juni 2013 vor dem Nationalrat wortwörtlich: »Was passiert, wenn die Initiative angenommen wird? Ich sage es
ganz nüchtern: Gemäss Vertrag fallen nach sechs Monaten alle Bilateralen I
automatisch dahin - soviel kann man heute sagen.«
All das
soll nun offenbar nicht mehr gelten Mit den Relativierungen im erläuternden
Bericht des Bundesrats zur Änderung des Ausländergesetzes und den ausweichenden
Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga seit dem 11. 2. bestehen grösste
Zweifel, dass es dem Bundesrat ernst mit der Umsetzung der neuen
Verfassungsbestimmung ist. Er flüchtet sich vielmehr in Wortklaubereien und
Neuinterpretationen gesetzestechnischer Natur. Vergessen geht dabei, dass das
Volk den Auftrag erteilt hat, die Zuwanderung, welche sich auch im vergangenen
Jahr auf netto über 80‘000 Personen belief, wieder eigenständig zu steuern und
markant zu reduzieren.
Unbelegte
Behauptungen des Arbeitgeberverbandes Erstaunlich
ist auch, welche Resonanz in diesen Tagen völlig unbelegte Behauptungen haben
können, wenn es um die Frage der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
geht. Jede noch so abenteuerliche Kritik an der von Volk und Ständen
angenommenen Verfassungsbestimmung wird medial abgefeiert. Selbst gröbste
Plausibilitätstests werden offenbar unterlassen, wenn es um die ›gute Sache‹ und gegen die Mehrheit des Volkes geht,
sprich, wenn man die Folgen der Initiative dramatisieren kann. So auch am 15.
2., als der Präsident des Arbeitgeberverbandes in einer Sonntagszeitung
Berechnungen anstellte und auf der Basis einer nicht nachprüfbaren Zahl aus
seiner eigenen Firma administrative Kosten durch die Kontingentierung in
Milliardenhöhe hochrechnete. Hier stellt sich nun vorab die Frage, weshalb der
Arbeitgeberverband diese Zahlen nicht in die Arbeitsgruppe des Bundesrates zur
Umsetzung der Verfassungsbestimmung einfliessen liess, in der er ja vertreten
war.
Der
Bundesrat hat eigene differenzierte Berechnungen angestellt, bei denen er auf
Studien zurückgreifen konnte, die auf den heutigen Erfahrungen mit der
Zulassung für EU- und Drittstaaten-Ausländer beruhen. Dabei ist unbestritten,
dass der administrative Aufwand gegenüber der heutigen Rekrutierung von
Arbeitskräften aus Staaten ausserhalb der EU gesenkt werden muss. Die
bundesrätlichen Umsetzungsvorschläge, z.B. im Bereich des Inländervorrangs,
gehen dann auch in diese Richtung. Der Bundesrat kommt auf belegte
Kostenschätzungen im Bereich von 20 bis 100 Millionen Franken. Nicht
eingerechnet sind dabei Einsparungen bei den flankierenden Massnahmen, welche
einen massiven Regulierungsschub gebracht haben und die nun abgebaut werden
können. Die Frage sei - im Sinne eines
Umkehrschlusses - auch gestellt, wo all
die Hundertschaften von Beamten geblieben sind, die nach der Abschaffung des
Kontingent-Systems gegenüber der EU im Jahr 2007 überflüssig geworden sein
sollen? Ausgeblendet werden schliesslich auch die Folgekosten der massiven
Zuwanderung.
So
oder so: Der Arbeitgeberpräsident hat mit einem Schuss ins Blaue maximale
Aufmerksamkeit erhalten. Ziel ist die Verunsicherung der
Öffentlichkeit. Derzeit sind offensichtlich alle Mittel recht. Einen
konstruktiven Beitrag zur möglichst raschen Umsetzung der Verfassung und zur
Senkung der Zuwanderung hat er damit hingegen nicht geleistet.
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