Keine neue Mediensteuer - Von Nationalrat Christian Wasserfallen 10.05.2015 23:12
Wer die RTVG-Revision befürwortet, verkennt die sich rasch ändernde Medienwelt.
Mit dieser Revision wird das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt und ein gefährlicher steuerpolitischer Präzedenzfall geschaffen. Das neue Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) vollzieht einen gravierenden Systemwechsel von einer Gebührenfinanzierung hin zu einer neuen Mediensteuer. Dies ohne zuerst den «Service public»-Auftrag der SRG zu klären. Wer jetzt
dem geänderten RTVG zustimmt, zementiert
die SRG, wie sie ist. Das hilft weder der SRG noch den privaten Medienhäusern,
und schon gar nicht den Steuerzahlern.
Aus den folgenden Gründen
ist die RTVG-Revision am 14. Juni 2015 abzulehnen
Einige
Fakten:
- Nach Artikel 93 der Bundesverfassung leistet
die SRG einen Beitrag zur Bildung, kulturellen Entfaltung, freien
Meinungsbildung und Unterhaltung. Sie berücksichtigt die Besonderheiten des
Landes und die Bedürfnisse der Kantone.
- Die SRG betreibt heute 7 TV- und 17 Radiosender
in allen Sprachregionen des Landes.
- Allein Swisscom TV hat heute 1 Million
Kunden, wovon ca. 80 % zeitversetzt mit der Rückspulfunktion fernsehen.
- 91 % der Haushalte haben Breitband-Internet
- Die SRG hat ein Gesamtbudget von 1,6 Mrd.
Franken. Davon entfallen rund 350 Mio. Franken auf kommerziellen Ertrag.
- Die Billag-Gebühr ist gemäss SRG von 1990 bis
heute von 279 auf 462 Franken gestiegen (+ 65%).
- Neu sollen private Medienanbieter 27 Mio. Franken
mehr aus den Erträgen der Mediensteuer erhalten.
Diese
Zahlen zeigen eindrücklich, welch dominante Stellung die SRG in unserem Land
hat. Private Medienhäuser werden mit neuen Geldern angelockt, damit sie ja
keinen Widerstand gegen die neuen Regelungen leisten – fatal.
Mit dem
neuen RTVG wird zusätzlich versucht, in einer Art Opfersymmetrie mit einer
Doppelbelastung für Privatpersonen und Firmen die Mediensteuer so aufzuteilen,
dass die Zahlungslast für die Einzelnen sinken würde. Nur: Firmen hören kein
Radio und schauen schon gar nicht fern. Diesem Vorgehen ist schon nur deshalb
klar zu misstrauen. Die starke Steigerung der Abgabenlast in den letzten
Jahrzehnten (+65 %) spricht zudem eine andere Sprache und lässt auf weitere
signifikante Steigerungen schliessen. Nur
eine konsequente inhaltliche Definition der «Service public»-Aufgaben im
digitalen Zeitalter sowie eine Kosteneffizienz-Steigerung der SRG werden zu
massvollen Gebühren führen. Doch genau dieser Diskussion entzieht sich die vorliegende RTVG-Revision.
Erst danach
darf es darum gehen, wer wieviel dafür zahlen soll und nicht umgekehrt. Die nötige
Diskussion zum kosteneffizienten »Service public« ist
jetzt führen; hier ein Vorschlag für eine schlanke SRG in der künftigen digitalen
Medienwelt:
1. Sprachregionen ausgewogen berücksichtigen: Je
kleiner eine Sprachregion, desto mehr »Service public« muss
ein Staatsmedienhaus liefern. Oder präzise ausgedrückt: Die rätoromanische
Schweiz braucht grössere mediale »Service public«-Inhalte
als die deutsche Schweiz. Trotzdem funktioniert die SRG-Welt umgekehrt. Die
meisten SRG TV- und Radio-Sender grasen in
der deutschen Schweiz. Das ist falsch.
2. Subsidiarität im Medienbereich zugunsten der
privaten Medienhäuser stärken: Wenn es Private gibt, die mit ausreichender
Qualität TV- und Radio-Angebote produzieren können, soll sich die SRG
zurückhalten. Artikel 93 der Bundesverfassung umschreibt die Aufgaben der SRG
präzise. Gerade beim
Begriff ›Unterhaltung‹ ist für die SRG verstärkt Zurückhaltung
geboten. Es ist möglich, dass spannende Fussballspiele in der Champions-League
oder Unterhaltungssendungen wie › ‹Voice of Switzerland» oder ›Supertalente‹ auf privaten TV-Sendern gezeigt werden. Das entlastet das SRG-Programm
und spart Kosten. Der Schweizer Sender ›3+‹ zeigt beispielsweise sehr erfolgreich
die Sendung ›Der Bachelor‹. So muss es gehen.
3. Angebote für das webbasierte Medienzeitalter
formen und reduzieren: Das Internet-Zeitalter verändert den Medienkonsum
wesentlich. Wie bereits erwähnt, hat Swisscom-TV schon heute über 1 Million
Kunden, von denen 80 % nicht mehr nur linear, d.h. live fernsehen, sondern über
die äusserst beliebte Rückspulfunktion. Im Radiobereich sind viele Programme
auf DAB+national verfügbar, und mittels online-streaming können Hunderte von
privaten Programmen gehört werden. Das heisst nichts anderes, als dass
endlos-Musikradios wie ›Swiss Pop‹ oder ein Jugendsender wie ›Radio Virus‹ in der Deutschschweiz nicht mehr notwendig sind. Auch SRF
3 entwickelt sich immer mehr zur direkten Konkurrenz zu den zahlreichen guten
Privatradios; insbesondere im TV-Bereich sind Infokanäle unnötig. Wenn die
Rückspulfunktion über Web-TV immer mehr genutzt wird, kann das Programm eines
Senders massiv gestrafft und die Ausrichtung auf lineares Fernsehen reduziert
werden. Eine Informationssendung wie
auch einen Krimi kann man dann ansehen, wann man will. Ausländische TV-Serien,
die eingekauft werden müssen, um das lineare Programm zu füllen, braucht es so
nicht mehr. Damit werden Kosten gesenkt (Punkt 5) und die Subsidiarität
gestärkt (Punkt 2).
4. Online Inhalte der SRG für Private ohne
redaktionelle Bearbeitung nutzbar machen: Die SRG-Video- und Audiobeiträge sind
den privaten Medienanbietern möglichst kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Statt immer mehr die online-Präsenz auszubauen, muss die SRG im Internet eine
funktionale Audio- und Videothek anbieten, die einen echten »Service public«
darstellt. Die redaktionelle Verwertung der Bilder und Töne soll Aufgabe der privaten
Sender sein.
5. Kostentransparenz bei der SRG schaffen
und Kosteneffizienz steigern: Wenn schon
Mediensteuern eingeführt werden sollen, dann hat die Mittelverwendung erst
recht transparent
zu sein. Wenn private TV-Stationen mit mir ein Interview führen, rückt
eigentlich immer nur eine Person an, welche die Videokamera führt, Fragen
stellt und für das Redaktionelle verantwortlich ist. Bei der SRG sind zig Personen
nötig, um die gleichen Inhalte zu fertigen. Insbesondere müssen auch
die teuren Eigenproduktionen überdacht werden. Die Kosten für eine Sendeminute
der SRG, welche aufgrund fehlender Kostentransparenz nicht wirklich ersichtlich
sind, dürften deutlich höher sein als
jene der
privaten Sender.
Gefährliche
staatliche Medienförderung
- Von Nationalrat Gregor Rutz Wer sich
als Politiker für die Medienvielfalt einsetzt, liegt voll im Trend. Viele
Politiker meinen damit aber nicht etwa ein freiheitliches wettbewerbliches
System, sondern verlangen vielmehr staatliche Fördermassnahmen und
Subventionen. Das ist gefährlich: In einer freien Demokratie müssen die Medien
unabhängig vom Staat organisiert und finanziert sein.
Immer
wieder hört man, die schweizerische Medienlandschaft leide unter zu wenig
Vielfalt. Ich teile diese Auffassung nur bedingt. Wo tatsächlich zu wenig
Vielfalt besteht, hat dies einen einfachen Grund: Die staatlichen
Interventionen haben ein Ausmass angenommen, welches als ungesund bezeichnet
werden muss. Die staatlichen Förder- und Kontrollmassnahmen nehmen immer
weitere Dimensionen an. So profitieren die Printmedien nicht nur von einem
reduzierten Mehrwertsteuer-
Satz von
2,4 % und von Vorzugstarifen für die Beförderung von abonnierten Zeitungen und
Zeitschriften, sondern auch von Werbeeinschränkungen für Radio und Fernsehen,
welche die Printmedien stützen sollen.
Elektronische Medien wiederum, d.h. Radio und Fernsehen,
profitieren ebenfalls vom reduzierten
Mehrwertsteuer-Satz sowie von der Erhebung von Zwangsgebühren für die SRG und
der damit verbundene Ausschüttung von Gebührenanteilen an Veranstalter ohne ausreichende
Finanzierungsbasis. Dies erklärt auch, warum sowohl die Verleger als auch die
privaten Radio- und TV-Stationen die vorliegende RTVG-Revision befürworten:
Mit dieser Gesetzesrevision werden zusätzliche Geldmittel für private Veranstalter
gesprochen. Die Abhängigkeit vom Staat wird also weiter erhöht.
Für freie Medien Um mehr
Medienvielfalt und einen lebendigen Wettbewerb unter möglichst vielen privaten
Veranstaltern zu erreichen, muss die Politik von der Anspruchsmentalität und
dem Streben nach dem Versorgungsstaat wegkommen. Mit staatlichen Leistungen und
gesetzlichen Interventionen lässt sich nicht ein Mehr an Wettbewerb
herstellen - im Gegenteil. Dies haben viele Politiker
nicht begriffen. Immer wieder verlangen Vorstösse Konzepte und Massnahmen
zugunsten einer umfassende staatliche Medienförderung. Die diesbezüglichen
Debatten von diesem Februar in der Staatspolitischen Kommission sowie in der
Medienkommission des Nationalrats zeigten, dass die Forderungen nach einer
indirekten und direkten Medienförderung nach wie vor nicht vom Tisch sind.
Politiker - aber auch Professoren und sogenannte
›Medienexperten‹ - verlangen sogar Fördergelder
und staatliche Massnahmen für Internetportale. Dies zeigt die Absurdität der
Diskussion: Gerade das Internet bringt eine riesige Vielfalt von Angeboten
hervor und bietet auch wirtschaftlich interessante Perspektiven. Hier sind
Fördermassnahmen definitiv unangebracht.
RTVG-Revision
dokumentiert chaotische Zustände Die
RTVG-Revision, über welche wir am 14. Juni befinden, zeigt die verfahrene
medienpolitische Situation anschaulich: Die Politik diskutiert über
Finanzierungsfragen, ohne genau zu wissen, was überhaupt finanziert werden
soll. Die Frage nach der Definition des »Service Public« ist nämlich
nach wie vor unbeantwortet. Das Parlament schiebt dieses Traktandum seit Jahren
vor sich her. Die
schweizerische Medienpolitik braucht dringend einen Marschhalt. Zuerst einmal muss
definiert werden, was der Staat in der heutigen modernen Medienlandschaft
überhaupt noch an Leistungen erbringen muss. Wenn die Leitplanken des »Service
Public« festgelegt
sind, ist die Frage der Finanzierung zu klären: Wahrscheinlich betragen die
Empfangsgebühren dann noch etwa die Hälfte der
heutigen 462 Franken. Gleichzeitig
muss der gewonnene Spielraum den privaten Veranstaltern zur Verfügung gestellt
werden: Wer in der Schweiz Radio und Fernsehen machen möchte, soll dies auch
tun können. Und zwar ohne staatliche Programmaufträge und fragwürdige Kontrollen
durch unterbeschäftigte Universitätsprofessoren.
IMPRESSUM ›Aktion Medienfreiheit‹ im April 2015 Rötelstrasse
84 8057
Zürich info@medienfreiheit.ch www.medienfreiheit.ch Vorstandsmitglied:
Nationalrat Gregor Rutz Vizepräsident:
Nationalrat Christian Wasserfallen
Hinter der
Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG), schreibt die Präsidentin der ›Aktion Medienfreiheit‹, Nationalrätin Natalie Rickli, verbirgt
sich die Einführung einer neuen Billag-Mediensteuer, so dass in Zukunft alle
Haushalte bezahlen, auch wenn gar kein Empfangsgerät vorhanden ist. Dies ist
die erste medienpolitische Abstimmung seit dem Radio- und Fernsehartikel 1984.
Ich hoffe, die Stimmbürger durchschauen die ungerechtfertigte, unangebrachte
und unfaire Mediensteuer. Dies wäre ein wichtiges Signal für eine Trendwende in
der schweizerischen Medienpolitik hin zu mehr privater Innovation und weniger
staatlicher Regulierung.
Anmerkung politonline: Fakt ist zudem, dass
Haushalte, die lediglich ein Radio und kein Fernsehgerät besitzen, künftig den
Fernsehempfang mitbezahlen müssten; dadurch würde die jetzige Jahresgebühr von
169.- Franken für den Radioempfang auf den Pauschalbetrag von jährlich 462.-
steigen, was in keiner Weise als gerechtfertigt zu betrachten ist.
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