Amerikas Terror gegen Rußland - Hat Putin Recht? - Von F. William Engdahl

Am 26. April präsentierte der größte russische Fernsehsender, »Rossija 1«,

Präsident Wladimir Putin der russischen Öffentlichkeit in einer Dokumentation über die jüngsten Ereignisse, einschließlich der Annexion der Krim, des US-Putsches in der Ukraine und den allgemeinen Stand der Beziehungen zur USA und zur EU. Mitten in seiner sehr offenen Rede ließ Putin, der frühere KGB-Chef, eine politische Bombe platzen, die russischen Geheimdiensten vor 20 Jahren bekannt war. 

Unverhohlen erklärte er, seiner Ansicht nach sei der Westen nur zufrieden, wenn Rußland schwach sei, Not leide und den Westen um Hilfe anbettle, was mit dem russischen Charakter nicht vereinbar sei. Kurz nach Beginn seiner Ausführungen sprach Putin erstmals öffentlich aus, was die russischen Geheimdienste seit 20 Jahren wissen, bisher aber nicht zum Thema gemacht haben, vermutlich in der Hoffnung auf eine Ära besserer russisch-amerikanischer Beziehungen. Putin erklärte, der Terror in Tschetschenien und auf dem russischen Kaukasus Anfang der 1990er Jahre sei aktiv von der CIA und westlichen Geheimdiensten unterstützt worden, in der Absicht, Rußland zu schwächen. Ohne in die Einzelheiten zu gehen, betonte er, dem russischen Auslandsgeheimdienst FSB lägen Belege über die verdeckte Rolle der USA vor. Was der Top-Geheimdienstprofi Putin in seinen Bemerkungen nur andeutete, habe ich im Detail aus nicht-russischen Quellen dokumentiert. Der Bericht hat enorme Bedeutung, denn er führt der Welt den lange verborgenen Plan einflußreicher Kreise in Washington vor Augen, Rußland als funktionierenden souveränen Staat zu zerschlagen. Dazu zählen auch der Neonazi-Putsch in der Ukraine und die Sanktionen, eine Form finanzieller Kriegsführung gegen Moskau. Das Folgende knüpft an mein Buch Amerikas Heiliger Krieg an.  [1] 

Der Tschetschenien-Krieg der CIA 
Schon bald nachdem die CIA und die vom saudi-arabischen Geheimdienst finanzierten Mudschahedin Ende der 1980er Jahre Afghanistan verwüstet und die Sowjetarmee zum Rückzug gezwungen hatten  - und kurz nach der Auflösung der Sowjetunion einige Monate später -   suchte die CIA in der zusammenbrechenden Sowjetunion nach möglichen Einsatzorten für ihre ausgebildeten afghanischen Araber, um den russischen Einfluß auf den post-sowjetischen eurasischen Raum weiter zu schwächen. Die Kämpfer wurden afghanische Araber genannt, weil sie unter ultrakonservativen, wahhabitisch-sunnitischen Moslems aus Saudi-Arabien, den arabischen Emiraten, Kuwait und anderen Regionen der arabischen Welt, in denen der strenge wahhabitisch geprägte Islam praktiziert wird, rekrutiert worden waren. Sie wurden Anfang der 1980er Jahre von einem saudi-arabischen CIA-Rekruten nach Afghanistan gebracht. Sein Name: Osama bin Laden. Während in der ehemaligen Sowjetunion völliges Chaos herrschte, beschloß die Regierung George H. W. Bush, »kräftig nachzutreten, während sie am Boden lag« – ein großer Irrtum. Washington setzte die Afghanistan-Terroristen ein, um ganz Zentralasien ins Chaos zu stürzen und zu destabilisieren, auch die Russische Föderation selbst, die sich damals während des Zusammenbruchs der Wirtschaft in der Jelzin-Ära in einer schweren Krise befand. 

Anfang der 1990er Jahre hatte Dick Cheneys Firma Halliburton in Aserbaidschan, Kasachstan und im gesamten Kaspischen Becken nach Offshore-Ölvorkommen gesucht. Deren Einschätzung nach war die Region ein neues Saudi-Arabien, dessen Ölvorkommen auf dem heutigen Markt mehrere Billionen US-Dollar wert wären. Die USA und Großbritannien wollten mit allen Mitteln verhindern, daß dieser Ölreichtum unter russische Kontrolle kam. Washingtons erstes Ziel war ein Putsch gegen den gewählten Präsidenten Äbülfäz Elçibäy in Aserbaidschan, der einen neuen Präsidenten ans Ruder brachte, der einer US-kontrollierten Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC) wohlwollend gegenüberstand. Über diese politischste Pipeline der Welt sollte Erdöl aus Baku in Aserbaidschan über Georgien in die Türkei und den Mittelmeerraum fließen.  [2]  Die einzige Erdölpipeline aus Baku war damals eine russische Pipeline aus Sowjetzeiten, die über die tschetschenische Hauptstadt Grosny verlief und über die Öl aus Baku in nördlicher Richtung über die russische Provinz Dagestan und durch Tschetschenien zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk transportiert wurde. Die Pipeline war die einzige Konkurrenz für die teure alternative Route, die Washington und die großen britischen und amerikanischen Ölgesellschaften bevorzugten.  [3] Präsident Bush sen. gab seinen alten Freunden bei der CIA das Mandat, diese russisch-tschetschenische Pipeline zu zerstören und im Kaukasus ein solches Chaos anzurichten, daß kein westliches oder russisches Unternehmen auf die Idee kommen würde, die russische Pipeline über Grosny zu nutzen. Graham E. Fuller, Bushs alter Kollege und ehemaliger Vizedirektor des National Council on Intelligence der CIA, zählte zu den führenden Planern der Mudschahedin-Strategie der CIA. Anfang der 1990er Jahre beschrieb er die CIA-Strategie im Kaukasus: »Die Politik, die Entwicklung des Islams zu steuern und ihm gegen unsere Feinde zu Hilfe zu kommen, hat in Afghanistan gegen die Rote Armee wunderbar funktioniert. Dieselbe Doktrin kann auch heute noch eingesetzt werden, um die noch verbliebene russische Macht zu destabilisieren.« Für die Operation nutzte die CIA General Richard Secord, einen Veteranen für schmutzige Tricks. In den 1980er Jahren war er wegen seiner führenden Rolle bei illegalen Waffen- und Drogengeschäften im Rahmen der Iran-Contra-Operation verurteilt worden.  [4]  1991 landete Secord, ehemals hoher Beamter im Verteidigungsministerium, in Baku und gründete die CIA-Frontfirma MEGA Oil. Schon während des Vietnamkriegs war er in die verdeckten Opium-Operationen der CIA verwickelt gewesen. In Aserbaidschan gründete er eine Fluggesellschaft, die heimlich Hunderte von bin Ladens al-Qaida-Mudschahedin aus Afghanistan nach Aserbaidschan brachte. Bis 1993 hatte MEGA Oil 2000 Mudschahedin rekrutiert und bewaffnet. Baku wurde zur Basis für kaukasusweite Terror-Feldzüge der Mudschahedin.  [5]  General Secords geheime Mudschahedin-Operation im Kaukasus bereitete den Militärputsch vor, mit dem im selben Jahr der gewählte Präsident Äbülfäz Elçibäy gestürzt und Heydär Äliyev, eine gefügigere US-Marionette, an die Macht gebracht wurde.  Ein türkischer Geheimdienstbericht, der der Sunday Times in London zugespielt wurde,  bestätigte, daß zwei »große Ölgesellschaften, BP und Amoco, britisch bzw. amerikanisch, die zusammen die AIOC [Azerbaijan International Operating Company] bilden, hinter dem Staatsstreich stehen.«  [6]   

Der saudi-arabische Geheimdienstchef Turki al-Faisal sorgte dafür, daß sein Agent Osama bin Laden, den er zu Beginn des Afghanistankriegs Anfang der 1980er Jahre nach Afghanistan geschickt hatte, seine dortige Organisation Maktab al-Chidamat [MAK] nutzte, um afghanische Araber für einen Feldzug zu rekrutieren, aus dem sich schon bald ein weltweiter Dschihad entwickelte. Bin Ladens Söldner wurden vom Pentagon und von der CIA als Schocktruppen eingesetzt, die muslimische Offensiven nicht nur in Aserbaidschan, sondern auch in Tschetschenien und später in Bosnien koordinierten und unterstützten.  [7]  Bin Laden brachte noch einen weiteren Saudi mit, Ibn al-Chattab, der gemeinsam mit dem tschetschenischen Warlord Schamil Bassajew der Kommandeur oder Emir der Dschihad-Mudschahedin in Tschetschenien (sic!) wurde. Daß Ibn al-Chattab ein saudischer Araber war, der kaum ein Wort Tschetschenisch oder Russisch sprach, war egal. Er wußte, wie russische Soldaten aussahen und wie man sie töten konnte. Die Gesellschaft in Tschetschenien war traditionell mehrheitlich von der sufistischen Strömung des Islams geprägt. Die zunehmende Unterwanderung durch die finanziell reich ausgestatteten und gut ausgebildeten, von der USA gesponserten Mudschahedin-Terroristen, die einen Dschihad oder Heiligen Krieg gegen die Russen predigten, veränderte die anfänglich reformistische tschetschenische Widerstandsbewegung. Sie verbreiteten al-Qaidas Hardline-islamistische Ideologie über den gesamten Kontinent. Angeleitet von Secord hatten die Terroroperationen der Mudschahedin schon bald auf die Nachbarländer Dagestan und Tschetschenien übergegriffen; Baku wurde zum Umschlagspunkt für afghanisches Heroin an die tschetschenische Mafia.  [8]  Ab Mitte der 1990er Jahre bezahlte bin Laden den tschetschenischen Guerillaführern Schamil Bassajew und Omar ibn al-Chattab monatlich mehrere Millionen Dollar, im wirtschaftlich desolaten Tschetschenien der 1990er Jahre ein enormes Vermögen, mit dessen Hilfe sie die gemäßigte Mehrheit im Land an den Rand drängten. Der US-Geheimdienst blieb bis Ende der 1990er Jahre eng in den Konflikt in Tschetschenien verwickelt. Laut Yossef Bodansky, damals Direktor der Arbeitsgruppe Terrorismus und unkonventionelle Kriegsführung im US-Kongreß, war Washington an einem neuerlichen antirussischen Dschihad beteiligt, »mit dem die virulentesten antiwestlichen islamistischen Kräfte unterstützt und gestärkt werden sollten«.  [9]  In seinem Bericht enthüllte Bodansky detailliert die gesamte Kaukasus-Strategie der CIA: Er erklärte, US-Regierungsvertreter hätten »im Dezember 1999 an einem formellen Treffen in Aserbaidschan [teilgenommen], bei dem spezifische Programme für Ausbildung und Ausrüstung von Mudschahedins aus dem Kaukasus, aus Zentral-/Südasien und der arabischen Welt diskutiert und vereinbart wurden; dieses kulminierte in Washingtons stillschweigender Ermunterung sowohl der muslimischen Verbündeten (vor allem Türkei, Jordanien und Saudi-Arabien) als auch US-amerikanischer ›privater Sicherheitsfirmen‹ ..… den Tschetschenen und ihren islamischen Verbündeten bei dem Aufstand im Frühjahr 2000 beizustehen und den folgenden Dschihad längere Zeit in Gang zu halten. ….. Islamischer Dschihad im Kaukasus als Weg, Rußland durch Gewalt und Terror von einer lebenswichtigen Pipeline-Route abzuschneiden.«  [10]  

Die intensivste Phase der Kriege in Tschetschenien ebbte im Jahr 2000 ab, nachdem die Islamisten durch eine russische Militäraktion geschlagen wurden. Es war ein Pyrrhussieg in einem Krieg, der zahllose Menschenleben forderte und ganze Städte in Schutt und Asche legte. Die genaue Zahl der Opfer des von der CIA angezettelten Tschetschenien-Konflikts ist nicht bekannt, offizielle Schätzungen reichten von 25 000 bis 50 000 Toten oder Vermißten, die meisten davon Zivilisten. Nach Angaben des Komitees der Soldatenmütter gab es auf russischer Seite fast 11 000 Gefallene. Die anglo-amerikanischen Ölkonzerne und die CIA-Agenten waren zufrieden. Sie hatten bekommen, was sie wollten: ihre Erdölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, die Rußlands Grosny-Pipeline für sie überflüssig machte. Unter dem Kommando von Schamil Bassajew setzten die tschetschenischen Dschihadisten ihre Guerilla-Attacken in Tschetschenien und im Ausland fort. Die CIA hatte die Aufmerksamkeit wieder auf den Kaukasus gerichtet.  [11] 

Bassajews Saudi-Connection 
Bassajew war eine Schlüsselfigur im weltweiten Dschihad der CIA. 1992 traf er den saudischen Terroristen Ibn al-Chattab in Aserbaidschan.  [12]   Von dort brachte ihn dieser nach Afghanistan, wo er dessen saudi-arabischen Verbündeten Osama bin Laden traf. Ibn al-Chattab war zuständig für die Rekrutierung tschetschenischer Moslems, die bereit waren, in Tschetschenien einen Dschihad gegen russische Truppen zu führen, dies im Interesse der geheimen CIA-Strategie, das post-sowjetische Rußland zu destabilisieren und die britisch-amerikanische Kontrolle über das kaspische Erdöl zu sichern.  [13]  Zurück in Tschetschenien gründeten Bassajew und al-Chattab die vom saudi-arabischen Geheimdienst finanzierte, von der CIA genehmigte und durch die Verbindung des saudi-arabischen Botschafters in Washington und Intimus der Bush-Familie, Prinz Bandar bin Sultan koordinierte Islamic International Brigade. Bandar, der über 20 Jahre lang Botschafter in Washington war, stand mit der Bush-Familie auf so gutem Fuß, daß George W. Bush dem Playboy-Botschafter den Spitznamen Bandar Bush verpaßte und ihn zu einer Art Ehrenmitglied der Familie ernannte.  [14]  Bassajew und al-Chattab brachten Kämpfer der saudischen fanatischen wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams nach Tschetschenien. Ibn al-Chattab kommandierte die sogenannten arabischen Mudschahedin in Tschetschenien, seine eigene Privatarmee aus Arabern, Türken und anderen ausländischen Kämpfern. Außerdem erhielt er den Auftrag, im tschetschenischen Kaukasusgebirge paramilitärische Trainingslager zu errichten, in denen Tschetschenen und Moslems aus den russischen Republiken im Nordkaukasus und Zentralasien ausgebildet wurden.  [15]  Die von den Saudis und der USA finanzierte Islamic International Brigade war nicht nur für den Terror in Tschetschenien verantwortlich, sondern auch für die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater im Oktober 2002 und das furchtbare Massaker im Jahr 2004 in einer Schule in Beslan. 

2010 veröffentlichte der UNO-Sicherheitsrat den folgenden Bericht über al-Chattabs und Bassajews Islamic International Brigade: »Die Islamic International Brigade (IIB) wurde am 4. März 2003 .… als mit al-Qaida verbunden gelistet, Osama bin Laden oder die Taliban für die Teilnahme an Finanzierung, Planung, Begünstigung, Vorbereitung oder Durchführung von Taten oder Aktivitäten durch, in Verbindung mit, im Namen von, für oder zur Unterstützung von al-Qaida. ….. Die Islamic International Brigade (IIB) wurde von Schamil Salmanowitsch Bassajew (verstorben) gegründet und angeführt, sie steht in Verbindung mit dem Riyad US-Salikhin Reconnaissance and Sabotage Battalion of Chechen Martyrs [RSRSBCM] …. und dem Special Purpose Islamic Regiment [SPIR]. …..  Am Abend des 23. Oktobers 2002 nahmen Mitglieder von IIB, RSRSBCM und SPIR im Moskauer Podschipnikow-Sawod- (Dubrowka-) Theater über 800 Geiseln. Im Oktober 1999 reisten Emissäre von Bassajew und al-Chattab zu Osama bin Ladens Heimatstützpunkt in der afghanischen Provinz Kandahar, wo sich bin Laden zu substantieller militärischer Hilfe und finanzieller Unterstützung für den Kampf gegen russische Truppen und die Durchführung von Terrorakten bereit erklärte. Später im selben Jahr schickte bin Laden erhebliche Gelder an Bassajew, Mowsar Barajew (Anführer des SPIR) und al-Chattab; Geld, das ausschließlich für die Ausbildung von Scharfschützen, das Rekrutieren von Söldnern und den Kauf von Munition bestimmt war.  [16]  Die vom saudiarabischen Geheimdienst finanzierte Terroristen-Eisenbahn von Afghanistan zum Kaukasus verfolgte zwei Ziele: Einerseits das der Saudis, nämlich den fanatisch-wahhabitischen Dschihad in die zentralasiatischen Gebiete der ehemaligen Sowjetunion zu bringen, und andererseits das Ziel der CIA, die damals  zusammenbrechende post-sowjetische Russische Föderation zu destabilisieren.   

Beslan
Am 1. September 2004 nahmen bewaffnete Terroristen von Bassajews und al-Chattabs IIB in der Schule Nr. 1 in Beslan in der autonomen Republik Nordossetien der Russischen Föderation nahe der Grenze zu Georgien mehr als 1100 Menschen, darunter 777 Kinder, als Geiseln. Am dritten Tag der Geiselnahme, als Explosionen in der Schule zu hören waren, stürmten Einheiten des FSB und andere russische Elitesoldaten das Gebäude. Am Ende waren mindestens 334 Geiseln, darunter 186 Kinder, tot, viele weitere wurden verwundet oder galten als vermißt. Später wurde klar, daß die russischen Kräfte ihr Eingreifen schlecht geplant hatten. Die Washingtoner Propagandamaschine von Radio Free Europe bis zur New York Times und der CNN verlor keine Zeit, Putin und Rußland für das Versagen in der Beslan-Krise zu verteufeln, anstatt sich auf Bessajews Verbindungen zu al-Qaida und zum saudischen Geheimdienst zu konzentrieren. Denn das hätte die Aufmerksamkeit der Welt auf die engen Verbindungen zwischen der Familie des amtierenden US-Präsidenten George W. Bush und der Milliardärsfamilie bin Laden aus Saudi-Arabien gelenkt. Am 1. September 2001, nur zehn Tage vor den Anschlägen auf das World Trade Center und das  Pentagon, trat der in den USA ausgebildete saudi-arabische Geheimdienstchef Prinz Turki bin Faisal Al Saud, der den Geheimdienst seit 1977 geleitet hatte, also auch während der gesamten Osama-bin-Laden-Mudschadhedin-Operation in Afghanistan und im Kaukasus, plötzlich und ohne Angabe von Gründen zurück. Erst wenige Tage zuvor war er vom König für eine neue Amtszeit ernannt worden und hatte die Ernennung akzeptiert. Er gab keine Erklärung ab. Er wurde schleunigst nach London versetzt, weit weg von Washington. Die Geschichte der engen Verbindungen zwischen den Familien bin Laden und Bush wurde unter den Teppich gekehrt, im offiziellen Bericht der US-Kommission über den 11. September aus Gründen der nationalen Sicherheit (sic!) sogar vollständig gelöscht. Der saudi-arabische Hintergrund von 14 der 19 mutmaßlichen Terroristen in New York und Washington wurde ebenfalls aus dem Abschlußbericht über den 11. September  - der erst im Juli 2004, fast 3 Jahre nach den Anschlägen, von der Regierung Bush veröffentlicht wurde -  gelöscht. 

Bassajew behauptete, die Terroristen nach Beslan geschickt zu haben. Zu seinen Forderungen hatte die vollständige Unabhängigkeit Tschetscheniens von Rußland gehört, was Washington und dem Pentagon einen enormen strategischen Hebel im Süden der Russischen Föderation verschafft hätte. Ende 2004, nach dem Drama von Beslan, ordnete Präsident Wladimir Putin Berichten zufolge eine geheime Mission des russischen Geheimdienstes gegen die Führer von Bassajews kaukasischen Mudschahedin an. Al-Chattab war 2002 getötet worden. Die russischen Sicherheitskräfte merkten rasch, daß die meisten der afghanisch-arabischen Terroristen aus Tschetschenien geflohen waren. Sie hatten Rückzugsorte in der Türkei gefunden, einem NATO-Mitglied, in Aserbaidschan, damals fast NATO-Mitglied, in Deutschland, einem NATO-Mitglied, oder in Dubai, einem der engsten US-Alliierten in der arabischen Welt, sowie in Katar, ebenfalls ein enger Verbündeter der USA. Mit anderen Worten: Die NATO gab tschetschenischen Terroristen einen sicheren Hafen

Anmerkung politonline d.a. 
Wir haben wiederholt angezweifelt, dass Informationen der Art, wie sie Engdahl unermüdlich zusammenfasst, und wie sie generell auch in zahlreichen politischen Werken aufgezeichnet sind, je den Weg zu den Abgeordneten finden; und wenn sie ihn finden, lässt sich leider nur folgern, dass sie mehrheitlich ganz einfach ignoriert werden. Denn das, was Engdahl hier erneut minutiös darlegt, ist nicht nur von ihm selbst, sondern auch von weiteren Autoren, insbesondere von US-amerikanischen, in diversen früheren Artikeln offengelegt worden. Mit anderen Worten: Wer immer sich darum bemüht, die Hintergrundsphäre unserer offiziellen Politik zu ergründen und die ungeheuerlichen Eingriffe der Geheimdienste zu verfolgen, sollte mit den obigen Vorgängen vertraut sein. 

Indessen muss die an der Spitze des deutschen Staates stehende Kanzlerin in jedem Fall grundlegender informiert sein als der Rest der Abgeodneten, was sie allerdings nicht daran gehindert hat, ausgerechnet Saudi-Arabien als Stabilitätsanker in der Region zu bezeichnen; am 24. August letzten Jahres bezeichnete sie Saudi-Arabien gar als einen wichtigen Partner im Kampf gegen den Terrorismus. Das kann ja kein Mensch mehr nachvollziehen, insbesondere, da die Stabilitätsvorstellungen der Saudis im Augenblick auf brutalste Weise im Jemen demonstriert werden. 

Auch die Bundesregierung als solche hat Saudi-Arabien wiederholt als regionalen Stabilitätsfaktor und Partner im Kampf gegen den Terrorismus ausgegeben. In dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. 2. 2013 hiess es wie folgt: »Bundeskanzlerin Angela Merkel verweist darauf, daß es im deutschen Sicherheitsinteresse liege, Länder wie Saudi-Arabien und Algerien mit Waffen zu beliefern.« Zu diesem Zeitpunkt war Abu Dhabi fünf Tage lang der Mittelpunkt der internationalen Waffenindustrie. Ebenfalls zu Gast bei der Armeespitze der Vereinigten Arabischen Emirate war der Schweizer Armeechef André Blattmann, der drei Tage in Abu Dhabi weilte und bei einem Arbeitsbesuch den Generalstabschef sowie den Kommandanten des Heeres und der Luftwaffe der VAE traf. Am 4. Dezember 2012 schrieb Arnold Schölzel in der jungen Welt ironischerweise: »Die Bundeskanzlerin hat daher völlig Recht, wenn sie für deutsche Rüstungsexporte eine Lex Saudi-Arabien erfunden hat.« »Im November 2012«, hielt Schölzel fest, dozierte Merkel vor Bundeswehroffizieren, dass »es in unserem Interesseliege, wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam einzusetzen.« »Für alle anderen Partner, einschließlich Israel«, so Schölzel ferner, »gilt das in keinem vergleichbaren Maß wie für das Land, das gerade einen Aufstand für Demokratie im Nachbarkönigreich Bahrain niederschlagen half.«  

»Kaum vorstellbar ist auch«, so German Foreign Policy Anfang Oktober 2014, »daß Berlin nichts von dem Bandar-Plan mitbekommen haben soll, mit dem insbesondere die USA in Kooperation mit Saudi-Arabien al-Assads Sturz beschleunigen wollte. Der nach dem saudischen Geheimdienstchef (2012 bis 2014) Prinz Bandar bin Sultan benannte Plan umfaßte dem Tel Aviver Institute for National Security Studies zufolge drei Elemente: Saudi-Arabien sollte in Syrien neue aufständische Milizen gründen, außerdem bereits bestehende, mit al-Qaida kooperierende Gruppen mit Agenten und Kämpfern infiltrieren, um sie zu steuern; dabei kommen der Sache nach vor allem die al-Nusra-Front und der ISIS  in Frage; drittens sollten jihadistische Vereinigungen, die sich nicht infiltrieren ließen, mit anderen Mitteln gesteuert werden. Das Institute for National Security Studies kommt zu dem Schluß, daß bei der Umsetzung des Bandar-Plans auch der ISIS  Geld, Training und religiöse Unterstützung aus Saudi-Arabien erhielt, wenngleich womöglich offiziell nicht vom saudischen Staat, sondern von Privatfinanziers. Der Bandar-Plan wurde gestoppt, als der ISIS aus dem Ruder zu laufen und sich gegen westliche Interessen zu wenden begann. Hätten Berlins Prioritäten nicht darin bestanden, mit Saudi-Arabien eng zu kooperieren - bis hin zu massiver Aufrüstung - und den Bandar-Plans zu tolerieren, dann wären Merkels aktuelle Vorwürfe gegen die Türkei womöglich etwas glaubwürdiger.«  [17] 

Nicht nachvollziehbar ist ferner Merkels Charakterisierung der NATO auf der 42. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik am 4. Februar 2006: »NATO und EU - das darf man, glaube ich, sagen - sind die erfolgreichsten Werte- und Sicherheitsbündnisse der jüngeren Geschichte. Sie können deshalb auch zu einem Stabilitätsanker in der Welt werden oder sind es heute schon. In der Europäischen Sicherheitsstrategie heißt es: In gemeinsamem Handeln können die Europäische Union und die Vereinigten Staaten eine mächtige Kraft zum Wohl der Welt sein. Ich möchte die Vielzahl von Krisenherden, mit denen wir es zu tun haben, noch einmal anhand von vier Beispielen deutlich machen. Im ersten Fall möchte ich über Afghanistan sprechen. Ich denke, Afghanistan ist ein hochinteressantes Beispiel dafür, wie wir es aus der zentralen Bedrohung des 21. Jahrhunderts heraus, nämlich den Gefahren des Terrorismus, und aus der Situation eines quasi nicht aktionsfähigen Staates heraus schaffen können, Schritt für Schritt stabile politische Strukturen aufzubauen. Für mich hat Vorbildcharakter das Zusammenwirken von Operationen wie Enduring Freedom, die einen klar militärischen Charakter haben, mit Operationen wie ISAF, die stabilitätsbildend sind, und von militärischen Aufgaben über polizeiliche Aufgaben bis hin zu politischen Strukturen aufbauenden Aufgaben reichen, und die auch Tätigkeiten von Nicht-Regierungsorganisationen, von Entwicklungshilfe und Wiederaufbauarbeit mit einbeziehen. Sie umfassen das gesamte Spektrum, wie man quasi von einer völlig instabilen Struktur zu einem politisch stabilen Land hinkommen könnte. Das muss das Ziel sein.« Man muss sich einmal vor Augen halten, wie Merkel beschaffen sein muss, um Derartiges vorzutragen, noch dazu zu einem Zeitpunkt, als der Irak und Afghanistan in Grund und Boden gebombt waren

In dieselben Fusstapfen sind sowohl Philipp Mißfelder, aussenpolitischer Sprecher der CDU/CSU,  als auch Thomas de Maizière, deutscher Bundesminister des Innern, getreten. Mißfelder hat sich am 10. März dieses Jahres dafür ausgesprochen, »die Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien weiterhin zu pflegen. Saudi-Arabien sei ein Stabilitätsanker in einer von zahlreichen Konflikten zerrütteten Region. Dafür stand der vor kurzem verstorbene König Abdallah. …..  Riad sei als Partner wichtig, denn die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staats bedroht die gesamte Region, und das Streben Irans nach nuklearen Technologien stellt ebenfalls eine enorme Gefährdung dar. Die stabilen regionalen Mächte müssen deshalb in eine umfassende Konfliktlösung eingebunden werden.« Zwar erklärte er gleichzeitig, dass die Menschenrechte trotz der guten Beziehungen zu Saudi-Arabien nicht verhandelbar seien, aber er weiss so gut wie wir alle, dass niemand in Saudi-Arabien auf diese Einfluss nehmen kann. Und die USA als Erschaffer des Islamischen Staats kommt ihm nicht über die Lippen. Das brächte ihm womöglich eine Rüge von Seiten der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Atlantik-Brücke ein, deren Mitglied er ist. De Maizière seinerseits hatte bereits im Juli des Jahres 2011 im WDR-Hörfunk erklärt, dass Saudi-Arabien für uns ein Stabilitätsanker in der Region sei, trotz seines politischen Systems, das er ablehne; darüber hinaus bezeichnete auch er Saudi-Arabien als einen wichtigen Partner für Deutschland. 

Es gibt im Deutschen den Ausdruck atemberaubend. Und dieser, denke ich, trifft genau auf die oben angeführten, uns von den Politikern hinsichtlich Saudi-Arabiens gebotenen statements zu, die mit einer geradezu grandiosen Unverfrorenheit die Realität ausblenden.   

Man bedenke: So viele Lügen in der Wertegemeinschaft EU.

 

Quelle:  
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/terror-gegen-russland-hat-putin-recht-.html;jsessionid=736E878747153B935D4414CC5B7EF8AA   3. 5. 15 
Terror gegen Russland – Hat Putin Recht?  -  Von F. William Engdahl  

[1]  F. William Engdahl Amerikas Heiliger Krieg Kopp Verlag 2014

[2]  Sibel Edmonds, »Obama Appoints a Not-Too-Long-Ago-Hatched Neocon Larva«, 27. Juli 2010

[3]  Thomas I. Steinberg, »Warum Tschetschenien?«, Junge Welt, Berlin, 25. September 2004

[4]  Nafeez Mosaddeq Ahmed, »Our terrorists«, New Internationalist Magazine, Issue # 426

[5]  Ebenda

[6]  »›BP Linked to the Overthrow of Azerbaijan Government‹«, Drillbits and Trailings (17. April 2000, vol. 5, no. 6)

[7]  Cees Wiebes (2003), Intelligence and the War in Bosnia 1992-1995: The role of the intelligence and security services, New Jersey: Transaction Publishers, Rutgers State University, 2003

[8]  Nafeez Mosaddeq Ahmed, »Our terrorists«, New Internationalist, 1. Oktober 2009

[9]  Yossef Bodansky, »The Great Game for Oil«, Defense & Foreign Affairs Strategic Policy, (Juni/Juli 2000)

[10]  Ebenda

[11]  Mike Bowker, »Western views of the Chechen Conflict«, in: Richard Sakwa (Hrsg.), Chechnya: From Past to Future, Anthem Press, 2005, S. 235

[12]  M. Khatchig, »Terror in Karabakh: Chechen Warlord Shamil Basayev's Tenure in Azerbaijan«, ARMENIAN WEEKLY ONLINE

[13]  Ebenda

[14]  Robert Baer, »The Fall of the House of Saud«, The Atlantic, Mai 2003

[15]  Wikipedia, »Ibn al-Khattab«, abgerufen unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Ibn_al-Khattab

[16]  United Nations Security Council Committee, »QE.I.99.03. ISLAMIC INTERNATIONAL BRIGADE (IIB), pursuant to resolutions 1267 (1999) and 1989 (2011) concerning Al-Qaida and associated individuals and entities«, 2010     

[17]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58968    9. 10. 14  Berliner Prioritäten