Die Misere heisst Sommaruga - Von Roger Köppel 01.06.2015 00:38
Illegale Migration übers Mittelmeer: Eine Standortbestimmung aus schweizerischer Sicht.
Die Schweiz marschiert
asylpolitisch in die falsche Richtung. Die Attraktivität für illegale Migration
wird laufend ausgebaut. Bundesrat und Justizdepartement weigern sich, das
Asylrecht anzuwenden. Im Vollzug herrschen Missstände. Die Anerkennungsquoten
sind so hoch wie nie. Die Rückführung abgewiesener Asylbewerber bleibt aus.
Nicht das Elend der Welt, politische Unfähigkeit in Bern treibt die Asylzahlen
in die Höhe.
«Alle [. . .] sollen
bleiben» Obschon die Schweiz bereits
heute hinter Schweden den zweiten Platz unter den attraktivsten Asylländern Europas
einnimmt, unternehmen die Behörden nichts
gegen die illegalen Migranten. Der oberste Flüchtlingsbeauftragte des Bundes,
Mario Gattiker, erklärte auf Radio SRF letzte Woche, eine seiner wichtigsten
Prioritäten sei die Verbesserung der Infrastruktur zur Integration von
Somaliern. Die Zeichen stehen auf Öffnung. Man ist bestrebt, die
Aufnahmefähigkeit der Schweiz für Armutsmigranten aus Afrika nach Kräften zu
verbessern. Sinnbild der politisch
gewollten Misere ist Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Die
Justizministerin lässt jeden Willen vermissen, den Realitäten ins Auge zu
sehen. In mehreren Interviews mit ihr wohlgesinnten Fernsehjournalistinnen
steht sie offen zu ihrer Haltung, die vom Souverän in zwei Gesetzesrevisionen
seit 2006 geforderte Verschärfung des Asylrechts zu missachten.
Grenzen der
Aufnahmefähigkeit sieht sie nicht. Über Missbräuche will sie nicht reden. Es
sei viel wichtiger, so Sommaruga gegenüber der «Rundschau», dass die Schweiz
«offen» und «solidarisch» bleibe. Es brauche jetzt vor allem «sichere Wege
übers Mittelmeer», beteuerte sie in der Romandie. Italiens Ministerpräsident
Renzi versprach sie bereits, dass sich auch die Schweiz an den «internationalen
Flüchtlingskontingenten» beteiligen werde. Das auf Kosten der Steuerzahler grosszügige
Fazit der Bundespräsidentin: «Alle, die unseren Schutz brauchen, sollen in der
Schweiz bleiben können.» Ist es Unwissenheit? Ist es Vorsatz? Sommarugas
Aussagen laufen auf einen Aufruf zum grossräumigen Rechtsbruch hinaus. Tatsache ist: Das schweizerische Asylrecht
wurde im Gefolge der Völkermorde des letzten Jahrhunderts für Leute geschaffen,
die aus politischen Gründen direkt an Leib und Leben bedroht sind. Blosse
Kriegsflüchtlinge, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Leute, die einer aussichtslosen
sozialen und wirtschaftlichen Situation entfliehen wollen, gelten nicht als
asylberechtigt. Man kann das ungerecht finden, aber so will es das Gesetz,
sowohl in der Schweiz als auch in der Europäischen Union.
Bundespräsidentin Sommaruga
behauptet im Fernsehen, 50 % der aus
Nordafrika aufbrechenden illegalen Migranten seien asylberechtigte Flüchtlinge
nach Genfer Konvention. Ihr oberster Flüchtlingsdiplomat, Mario Gattiker,
bestätigte diese Zahl auch gegenüber dieser Zeitung. Es ist eine dreiste Lüge. Die Realität ist: In Nordafrika
steigen illegale Wirtschaftsmigranten an Bord. Es sind Leute, oft junge Männer,
welche die Krisenregionen längst hinter sich gelassen haben. Diese illegalen
Auswanderer sind, wenn sie es denn je waren, nicht mehr an Leib und Leben
bedroht. Ihr Motiv ist ein besseres Leben. Das ist verständlich, aber eben
nicht legal. Laut UNO sind weltweit 230 Millionen Migranten unterwegs. Nur 16
bis 20 Millionen davon, nicht einmal 10 %, seien echte Flüchtlinge. Wer in
Nordafrika ein Boot besteigt, ist definitionsgemäss nicht mehr asylberechtigt.
98
% landen erfolgreich in Europa Nicht die Ärmsten und
Verfolgten drängen auf die Kähne. Es sind die Bessergestellten und relativ
Wohlhabenden, die Tausende von Franken bezahlen, um die Schlepperdienste in
Anspruch zu nehmen. Gewiss: Es ist tragisch und aufwühlend, dass für rund 2 % die
Überfahrt tödlich endet. Entscheidend aber ist die Tatsache, dass der
überwiegende Anteil von 98 % der Reisenden
erfolgreich auf dem europäischen Kontinent anlanden. Indem die EU jetzt die
Seerettung verbessert und damit die
Erfolgsquote der illegalen Migration auf 100 % anhebt, wird der Migrationskanal Mittelmeer an Attraktivität gewinnen. Die Festung Europa
gibt es nicht. In Afrika lebt über eine Milliarde
Menschen. Wie viele von ihnen aus der Armut in den reichen Norden ziehen, wird
sich weisen. ›Der Spiegel‹ mutmasst, dass sich die Zahl der Asylgesuche in
Deutschland in diesem Jahr von 200 000 auf
500 000 verdoppelt. Interessanterweise verzichtet die Mehrheit der
angeblich politisch Verfolgten auf Direktasyl in den Anrainerstaaten Spanien,
Italien oder Griechenland. Sie ziehen es vor, unregistriert in wohlhabendere
Gegenden wie die Schweiz, Deutschland oder Schweden zu fahren. Viele der
sogenannten Flüchtlinge kommen aus dem sicheren Drittstaat Türkei.
Niemand freilich sollte den
migrationswilligen Afrikanern und Arabern einen Vorwurf machen, wenn sie das
Angebot der sperrangelweit offenen
europäischen Südgrenze benützen. Der Mensch ist Jäger und Sammler. Er
nimmt alles, was man ihm hinstellt. Heute ist es eben leichter, die
beschwerliche Reise in die freigebigen Sozialstaaten Europas zu unternehmen, als unter korrupten afrikanischen oder arabischen
Regierungen am Aufbau der Heimatländer mitzuwirken. Wer Asyl ruft, darf
in die EU kommen. Indem die europäischen Regierungen ihre Asylgesetze nicht
mehr ernst nehmen, sind sie schuld an ihrem Missbrauch.
Vibrierende
Ergriffenheit Bei ihren Auftritten am
Fernsehen verkörpert Bundespräsidentin Sommaruga vibrierende Ergriffenheit. Sie
erzählt vom Elend syrischer Bürgerkriegsopfer und von den schlimmen Zuständen
in jenen Armutsgegenden, denen die Schweiz – offenbar wirkungslos – seit
Jahrzehnten Milliarden an Entwicklungshilfe zahlt. Das Flüchtlingsdrama auf dem
Mittelmeer ist auch der handgreiflichste Beweis dafür, dass die in Bern
gepriesene «Entwicklungszusammenarbeit» keine greifbaren Resultate liefert. Die investierten öffentlichen Gelder versickern.
Wäre es anders, würden nicht jährlich Hunderttausende aus Afrika nach Europa
auswandern. Dem Missbrauch des Asylrechts geht ein milliardenschwerer Betrug am
Steuerzahler voraus. Sommaruga pflegt die Klaviatur der grossen Gefühle. In der
Tat spielen sich in Syrien und im Nahen Osten menschliche Dramen ab. Es ist
richtig, dass sich die Schweiz an finanzieller Direkthilfe in den
Krisenregionen beteiligt. Man soll im Umland der Kriegsgebiete Lager und
Infrastrukturen bauen helfen, in denen die unmittelbar Verfolgten Schutz und
Zuflucht finden. Nur so entzieht man dem illegalen Schleppergeschäft die
Grundlage. Die syrische Tragödie freilich hat wenig mit den asylpolitischen
Realitäten in der Schweiz zu tun. Hierzulande bilden die Eritreer die grösste
Gruppe der Asylsuchenden, noch vor Sri
Lanka, wo gar kein Krieg mehr herrscht. Die am schnellsten wachsende
Gruppe sind die Kosovaren, in deren Heimat Schweizer Truppen angeblich für
Ordnung sorgen. Die von Sommaruga hervorgehobenen Syrer liegen erst an dritter
Stelle. Ihre Asylgesuche erzielten im ersten Quartal 2015 eine Anerkennungsquote
von lediglich 26,3 %, während 48,2 % aller Asylgesuche aus Sri Lanka angenommen
wurden. Wie ist es möglich, dass Flüchtlinge aus einem realen Kriegsgebiet weit
tiefere Anerkennungsraten erreichen als Asylgesuche aus einem von Schweizern
gutbesuchten Ferienland? Hausgemachte Gesetze und Eigenheiten der Asylpraxis
beeinflussen die Flüchtlingsbewegungen eben stärker als das von Politikern wie
Sommaruga bewirtschaftete angeblich objektive Elend der Welt.
Im Jahr 2006 verschärfte die
Schweiz nach einem Volksentscheid ihr Asylrecht. Umgehend sank die Zahl der
Gesuche. Seit 2011 steigt sie wieder. Es kommt entscheidend darauf an, ob die
politische Führung den Mut aufbringt, die Asylgesetze anzuwenden. Der
politische Wille lässt nach. Noch nie gab es so viele «vorläufig Aufgenommene».
Das sind Personen, deren Gesuch abgewiesen wurde, die man aber trotzdem im Land
bleiben lässt. 66 % aller Personen im Asylprozess haben diesen Status, insgesamt
sind es über 30 000. So viele
gab es nicht mal während des Jugoslawienkriegs.
6800
Franken steuerfrei Dass das Asylwesen im Argen
liegt, belegen auch die Kriminalitätsraten. Obschon die Asylsuchenden nur 0,6 %
der wohnberechtigten Bevölkerung ausmachen, begingen sie zwischen 2011 bis 2014
ganze 9 % aller Straftaten. Wer dermassen gegen die Gastfreundschaft seines
Asyllandes verstösst, kann kein richtiger Flüchtling sein. Natürlich: Die
Schweiz könnte die Zahl der Asylgesuche drastisch senken - wenn
sie denn wollte. Unter CVP-Justizministerin Ruth Metzler schwankten die
Gesuchszahlen von 2001 bis 2003 zwischen 27 000 und
knapp 22 000.
Metzler-Nachfolger Christoph Blocher
(SVP) halbierte die Zahl auf unter 11 000.
Bereits im Jahr eins nach Blochers Abwahl stiegen die Asylzahlen unter Eveline
Widmer-Schlumpf (BDP) wieder auf 16 000.
Nachfolgerin Sommaruga (SP) produziert noch beunruhigendere Zahlen: Von 22 500
(2011) steuern wir jetzt auf rund 30 000
Gesuche zu. Staatssekretär Gattiker schwärmt
von den «im EU-Vergleich hervorragenden» Werten. Unter Blinden ist der
Einäugige König.
Die
Kosten explodieren Wie die SVP letzte Woche in
einem von den Medien totgeschwiegenen Bericht aufzeigte, gibt es keine
transparente Rechnung in Bern. Die Volkspartei kalkuliert mit 1 Milliarde
Franken allein auf Bundesebene sowie mit weiteren 2 Milliarden bei Kantonen und
Gemeinden. Hinzu kommen die Kosten der Strafverfolgung sowie die Ausgaben für
die Entwicklungshilfe. Die SVP geht von 6 Milliarden Franken jährlich aus.
Eine arbeitslose vierköpfige
Flüchtlingsfamilie kann im Kanton Zürich mit einem steuerfreien Einkommen von
rund 6800 Franken monatlich rechnen, eine «sozialpädagogische
Familienbegleitung» im Wert von 2400 Franken pro Monat inbegriffen. Wer illegal
in ein Haus einbricht, wird bestraft. Wer illegal in ein Land einbricht, wird
mit Sozialhilfe belohnt. Wann
bringt Bern die Kraft auf, diesen Wahnsinn zu beenden?
Quelle: http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-22/editorial-die-misere-heisst-sommaruga-die-weltwoche-ausgabe-222015.html Ausgabe 22/2015 - Montag, 1. Juni 2015
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