Innere Sicherheit ist Aufgabe der Kantone - Von Nationalrat Ulrich Schlüer, Flaach ZH

In mehreren Kantonen sind die Kantonspolizei-Korps offensichtlich unterdotiert. Dies beklagen mehrere Kantonsregierungen. Gehandelt wird aber nicht. Es wird allmählich zum innenpolitischen Ritual: Vor allem der «Blick» beklagt wortreich und zunehmend scharf gewisse Defizite der inneren Sicherheit. Jüngstes Beispiel: Die «Blick»-Breitseite auf Ringiers bevorzugte Zielscheibe, EJPD-Vorsteher Christoph Blocher. Dessen Inland-Nachrichtendienst habe Regierung und Polizeikommando im Kanton Wallis angeblich viel zu spät über eine Zusammenrottung der sogenannten Neonazi-Musikszene im Rhonetal ins Bild gesetzt. Angriffe und Ausreden! Die Kritik traf völlig ins Leere. Der Kanton Wallis war, wie der EJPD-Vorsteher ebenso rasch wie gründlich nachweisen konnte, sehr wohl vom Neonazi-Treffen in Kenntnis gesetzt worden. Doch blieb die Kantonspolizei Wallis völlig untätig. Die Mittel für einen adäquaten Einsatz hätten schlicht gefehlt, versuchte sich der zuständige Polizeikommandant herauszureden. Für solche Ereignisse müsse eine gesamtschweizerische polizeiliche Interventionstruppe geschaffen werden, meinte er. Obwohl die Dimension des Ereignisses das Potential der Walliser Kantonspolizei bei weitem nicht überstieg.

Zuständigkeiten
 
Rufen wir dazu das Grundsätzliche in Erinnerung: Für die innere Sicherheit ist in jedem Kanton die kantonale Regierung verantwortlich. Dafür unterhält jeder Kanton ein kantonales Polizeikorps. Diese Polizeikorps sind so gross zu bemessen und so gut auszubilden, dass sie die in der Verfassung verankerte Pflicht der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auf Kantonsgebiet erfüllen können.
 
Es darf keinesfalls einreissen, dass sich einzelne Kantone von dieser Verpflichtung zu drücken versuchen, den Bestand ihrer Kantonspolizei vernachlässigen und alle Verantwortung dafür kurzerhand dem Bund anlasten. Wo solch bewusste Pflichtverletzung gar erpresserische Züge annimmt und die Gewährleistung der Sicherheit auf Kantonsgebiet von Bundeszuwendungen regelrecht abhängig gemacht wird, sind die Urheber solch verantwortungslosen Tuns schärfstens zu verurteilen: Ihre Nachlässigkeit ist nichts anderes als eine schwerwiegende Verletzung ihrer Kantonsverfassung. Die Gewährleistung der Sicherheit ist primäre Staatsaufgabe. Der Bürger hat den uneingeschränkten Anspruch darauf, dass jeder Kanton dieser Verfassungspflicht nachkommt. Ein kantonaler Polizeidirektor, der diesem Anspruch nicht nachkommt, muss seinen Posten räumen. 
   
Die Rolle des Bundes
 
Was nicht heisst, dass nicht auch der Bund im Bereich der inneren Sicherheit Aufgaben zu erfüllen hat. Vor allem dort, wo es um die gesamtschweizerische Zusammenarbeit im Dienste der inneren Sicherheit geht. Die Unwetterkatastrophe in der Innerschweiz und im Berner Oberland vom vergangenen Sommer hat da gewissen Handlungsbedarf erkennen lassen.
 
Jeder Kanton verfügt über ein Polizei-Funknetz, das den Sicherheitsorganen auch im Katastrophenfall die Verbindung in sämtliche Regionen und Dörfer des Kantons zu sichern hat. Weil in den verschiedenen Kantonen unterschiedliche Funknetz-Systeme in Betrieb sind, ist die Verbindung über die Kantonsgrenzen hinweg indessen nicht wirklich gewährleistet. Grundsätzlich haben sich die Kantone zwar längst geeinigt, in allen Kantonen das System Polycom für den Polizeifunk einzurichten. Doch die Umsetzung dieses Beschlusses lässt auf sich warten – vor allem aus finanziellen Gründen. 
   
Katastrophen-Erfahrung
 
Im Kanton Nidwalden wurde nach Losbrechen der Sommer-Unwetter das kantonale Notfunknetz wegen Überflutung der Funkzentrale ausgeschaltet. Weil zusätzlich das Stromnetz für lange Zeit ausfiel, war auch mit den Mobiltelefonen nichts mehr anzufangen. Bis die zu Hilfe gerufene Armee ein eilends aufgebautes Polycom-Notnetz dem Betrieb übergeben konnte, vergingen offenbar viele Stunden. Allein der vorbildlichen Kompetenz der Gemeinde-Führungsstäbe in den während Stunden auch per Funk nicht mehr erreichbaren Katastrophengebieten ist zu verdanken, dass das Unheil durch die während Stunden unterbrochene Funkverbindung nicht noch verschärft wurde.
 
Dennoch ist aus der Nidwaldner Erfahrung die Lehre zu ziehen: So sehr die Schliessung der Bestandeslücken in den kantonalen Polizeikorps einzig und allein Aufgabe der Kantone ist, so dringlich ist, dass der Bund die Führung übernimmt bei der Einrichtung eines gesamtschweizerisch funktionierenden Funknetzes für den Katastrophenfall. 
   
Prinzipien der Zusammenarbeit
 
Nach wie vor muss dabei das Prinzip gelten: Für die Gewährleistung der inneren Sicherheit zu Normalzeiten, im Alltag also, sind die Kantone vollumfänglich und abschliessend zuständig und verantwortlich. Erst dann, wenn ein Schadenereignis – sei es Resultat eines schweren Anschlags oder einer Naturkatastrophe –ausserordentliches, die kantonalen Sicherheitsorgane und ihre Einsatzmittel klar überforderndes Ausmass annimmt, dann muss der Bund rasch und effizient zu Hilfe kommen – mit der Armee und deren Ausrüstung zur Bewältigung ausserordentlicher Katastrophen. Und damit diese Zusammenarbeit im Ernstfall auch wirklich zur Entlastung schwer getroffener Bevölkerung funktioniert, muss sie immer wieder geübt werden. Das sind Kantone und Bund der Öffentlichkeit schuldig.

Ulrich Schlüer