Syrien - Ein Ende des Krieges scheint nicht erwünscht

Die sogenannte »internationale Koalition« unter dem Befehl der USA

fährt damit fort, die syrische Republik anzugreifen. Unter dem Vorwand, einen Krieg gegen den auch als Daesh bezeichneten IS zu führen, nimmt sie lebenswichtige Infrastrukturen ins Visier. So haben die Luftstreitkräfte der Koalition in der Provinz Deir el-Zor zwei wichtige Brücken über den Euphrat bombardiert, die, wie am 29. 9. berichtet, zur Zerstörung der Brücke von Mayadin und einige Stunden später derjenigen von Achara geführt, was  - wie beabsichtigt -  den Übertritt vom einen auf das andere Ufer des Euphrat verhindert. Im Verlauf der US-Aggression waren am 17. 9. in Deir el-Zor zahlreiche Soldaten der syrischen Armee getötet oder verletzt worden. 

Sowohl der UNO-Generalsekretär als auch der Sicherheitsrats sind mit etlichen offiziellen Schreiben darüber informiert worden.  [1] 

Die syrische Regierung hat erneut unterstrichen, daß die Operationen der »internationalen Koaltion« illegal sind, denn sie stehen im Widerspruch zum Völkerrecht, stehen den Prinzipien der UNO-Charta entgegen und wurden resp. werden ohne irgendeine zuvor abgesprochene Koordination mit den syrischen Behörden durchgeführt. Die syrische Regierung fordert die Verurteilung dieser kriminellen Akte und erinnert daran, daß die einzigen Nutznießer der Angriffe der »internationalen Koalition« die extremistischen Terrorgruppen sind, insbesondere der IS und die al-Nusra, die im ganzen Land Zerstörung und Chaos zu verbreiten suchen. Die Ereignisse haben bewiesen, daß die USA und ihre Alliierten in ihrem Kampf gegen den Terrorismus nicht ernst zu nehmen sind.  

Strategic Alert hatte bereits diesen August über die französische Unterstützung für die al-Nusra-Front berichtet. Als US-Außenminister John Kerry am 14. 7. der russischen Führung vorschlug, ein gemeinsames Militärkommando für den Kampf gegen IS und al-Nusra in Syrien einzurichten, erregte dies  - so Le Canard Enchainé -  den Zorn einiger Neokonservativerim französischen   Außenministerium. Dies sei nicht nur ein Kurswechsel für die USA, deren Piloten al-Nusra bisher nicht angreifen durften, sondern auch für Frankreich, für dessen Piloten dies ebenfalls galt. Diese franko-amerikanische Komplizenschaft mit den al-Nusra-Kämpfern sei die Folge eines durch die Umstände bedingten Bündnisses vor Ort zwischen Dschihadisten und sogenannten moderaten Rebellengruppen, die davon träumen, mit der Unterstützung von Washington und Paris siegreich in Damaskus einzuziehen und die hoffen, Assad auf diese Weise loszuwerden.   

Gaullistische und sozialistische Gruppen haben damit begonnen, die Mitverantwortung der gegenwärtigen und früherer französischer Regierungen für den Aufbau islamistischer Terrornetzwerke aufzudecken, wobei Ex-Außenminister Laurent Fabius als prominentester Vertreter der neokonservativen Anti-Assad-Fraktion in der französischen Regierung bezeichnet wird. Nach dem Terroranschlag von Nizza erschien auf dem Blog Proche&Moyen-Orient.ch, http://prochetmoyen-orient.ch/, unter dem Titel Die Bewaffnung von Terroristen muß aufhören ein Kommuniqué der Gruppe Mouvance France, an deren Spitze der Gaullist und Euro-Gegner Roland Hureaux steht. Die Gruppe verurteilt die ungeheure Verantwortung der französischen Regierungen, die in den letzten Jahren Dschihad-Bewegungen in Syrien Ausbildung und logistische Hilfe geboten haben. Die drei schweren Anschläge gegen Frankreich seit Januar 2015 zeigen, wohin diese Politik führt. Verurteilt wird ferner Frankreichs Bündnis mit den Ölmonarchien, die diese Bewegungen fördern, und sein blindes  Hinterherlaufen hinter der NATO und den Vereinigten Staaten, die die Dschihad-Bewegungen ebenso fördern. Sogar nachdem Brüssel selbst vom Terrorismus angegriffen worden ist, bleibt die EU bei ihren strengen Sanktionen  - die sogar den Verkauf von Medikamenten verbieten -  gegen Gebiete in Syrien, die den Terroristen abgenommen wurden, während diese Sanktionen aufgehoben werden, sobald Dschihadisten sie zurückerobern.  

Der Blog berichtet des weiteren, daß der sozialistische Abgeordnete Gérard Bapt, ein Gegner von Präsident Hollandes Bündnis mit der USA und den Briten für einen Regimewechsel in Syrien, »den Innenminister Ende Juli um Informationen bat, ob der syrische Dschihadisten-Anführer Abdul Razak Tlass in Frankreich politisches Asyl erhalten hat. Ebenso bat er ihn, diese Information zu bestätigen oder zu dementieren.« Tlass war 2011 Gründer der ersten Katiba (Brigade) in Homs, der Al-Farouk-Brigade, die für ihr Vorgehen gegen christliche Wohnviertel in Homs und später auf Grund des Massakers im Alawitendorf Al Zara berüchtigt wurde.« Beobachter wiesen auch darauf hin, daß Paris, während der IS und dessen Verbündete aus Syrien Anschläge in der französischen Hauptstadt organisierten  - und die Franzosen sich massiven Einschränkungen ihrer Bürgerrechte ausgesetzt sahen -  im August Schauplatz der Jahreskonferenz der anti-iranischen Terrorgruppe Volksmodschahedin, der Modschahedin-e Chalgh, war; an dieser nahmen auch Terrorunterstützer aus dem Irak und Syrien teil.  [2]  

Zu den Unterstützern bewaffneter aktiver Terrorgruppen auf syrischem Territorium zählt auch Jordanien. So fördert das jordanische Regime die Zufuhr von mit Waffen beladenen Lastwagen für diese Gruppen. Die syrische Regierung hat daher den Sicherheitsrat erneut ersucht, seiner Verantwortung nachzukommen und das jordanische Regime dazu zu veranlassen, dieser Praktik, welche die Sicherheit und Stabilität der Region und der ganzen Welt bedroht, ein Ende zu setzen.  [3] 

 

Syrien ist kein Bürgerkrieg und war auch nie einer
schreibt auch Ulson Gunnar,
»und die Terroristen, die gegen die syrische Regierung kämpfen, sind keine Opposition. Die Waffen kommen aus dem Ausland, die Kämpfer kommen aus dem Ausland, die Agenda kommt aus dem Ausland. Während syrische Kräfte kämpfen, um die Kontrolle über ihr Land zurück zu erringen und die Ordnung innerhalb ihrer Grenzen wieder zu errichten, geht das Märchen vom syrischen Bürgerkrieg weiter. Zweifelsohne gibt es Syrer, die gegen die syrische Regierung sind, und sogar Syrer, die mit Waffen gegen die Regierung gekämpft haben und damit gegen das syrische Volk, aber von Anfang an  - tatsächlich schon vor dem Beginn -  ist dieser Krieg aus dem Ausland betrieben worden.« 

Eigentlich sollte es inzwischen jedem klar sein, dass der Syrienkrieg zu den von Präsident George W. Bush geplanten Kriegen in Ländern, in denen ein Regimewechsel durchzuführen ist, zählt: Zwei oder drei Wochen nach dem 11. September 2001 wurde vom US-Verteidigungsministerium entschieden, in 7 Staaten des Nahen Ostens einen militärisch vorbereiteten Regime-Change einzuleiten, nämlich im Irak, in Syrien, im Libanon, in Libyen, Somalia, Sudan und im Iran. 

»Syrien«, legt Gunnar ferner dar, »pflegte im Kalten Krieg enge Beziehungen zur Sowjetunion und hielt diese auch nach dem Fall der Sowjetunion aufrecht. Das Land benutzt russische Waffen und Taktiken, es unterhält wirtschaftliche, strategische und politische Beziehungen zu Rußland und teilt gemeinsame Interessen, darunter die Aufrechterhaltung einer multipolaren Weltordnung, die den Primat der nationalen Souveränität betont. Aus diesem Grund haben Machtzentren des Westens seit Jahrzehnten versucht, Syrien aus diesem Umkreis zu entfernen. Mit dem Fall des ottomanischen Reichs wurde der aufgesplitterte Mittlere Osten zuerst von europäischen Kolonialmächten beherrscht, ehe nationalistische Erhebungen, die eine nationale Unabhängigkeit suchten, darüber hinwegfegten. Diejenigen, die die kolonialen Verbindungen weiterhin lossein wollten resp. diese abgebrochen hatten, suchten die sowjetische Unterstützung, während diejenigen, die einfach um jeden Preis an die Macht kommen wollten, oft die Unterstützung des Westens suchten. Der Konflikt im Jahr 2011 war nicht Syriens erster Konflikt. Die Moslembruderschaft, eine vom britischen Imperium seit dem Fall der Ottomanen gepflegte Gründung, wurde in den späten 70ern und den frühen 80ern bei einem mißlungenen Versuch unterstützt, den Vater des derzeitigen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, Präsident Hafez al-Assad, zu stürzen. Die bewaffneten Militanten, die an diesem Konflikt teilnahmen, wurden anschließend in Sicherheitsaktionen niedergeschlagen, wobei viele Mitglieder der Moslembruderschaft eine neue Initiative der Saudis namens al-Qaeda bildeten. Beide, die Bruderschaft und die jetzige al-Qaeda, gaben nicht auf und haben von da an versucht, das Schicksal eines unabhängigen Mittleren Ostens zu beeinträchtigen, bis zum und einschließlich des heutigen Tages. 

Mit Ende 2011 führte al-Qaedas syrische Filiale, die al-Nusra-Front, landesweit Operationen durch, dies in einem Ausmaß, das andere sogenannte Rebellengruppen klein erscheinen ließ. Und die al-Nusra war nicht etwa auf Grund der Ressourcen und der Unterstützung, die sie innerhalb Syriens Grenzen bekam, so erfolgreich, sondern auf Grund der immensen Ressourcen und der Unterstützung, die ihr von außerhalb zuflossen. So hat auch Saudi-Arabien viele der militanten Gruppen, die von Beginn an in Syrien tätig gewesen sind, bewaffnet, finanziert und mit politischer Unterstützung bedacht. Der syrische Konflikt wurde aus Organisationen geboren, die von Zentren ausländischer  Interessen vor Jahrzehnten geschaffen wurden, und die seither in Syrien gekämpft haben: Allerdings nicht für die Zukunft des syrischen Volks, sondern für ein Syrien, das besser in die globale Ordnung paßt. 

Der Konflikt ist durch einen Strom von Waffen, Geld, Unterstützung und Kämpfern, die sich nicht aus Syrern rekrutierten, sondern die aus den Zentren dieser ausländischen speziellen Interessen kamen  - aus Riyadh, Ankara, London, Paris, Brüssel und Washington -  angeheizt worden. Mit wem sollte die syrische Regierung sprechen, um zu einer Lösung zu kommen? Sollte sie mit den Führern von al-Nusra und dem IS sprechen, die eindeutig die Militanten, die gegen Damaskus kämpfen, dominieren? Oder sollte sie mit denen sprechen, unter deren Schirm die Perpetuierung des Konflikts betrieben wurde, mit Riyadh, Ankara, London, Paris, Brüssel und Washington. 

Auf der Weltbühne ist es klar, daß diese ausländischen Hauptstädte ganz und gar für die Militanten sprechen, und es überrascht auch niemanden, daß die Militanten genau das zu wollen scheinen, was die ausländischen Hauptstädte wollen. Die Anerkennung der Tatsache, daß der Konflikt in Syrien das Resultat ausländischer Aggressionen gegen Damaskus ist, würde die Lösung sehr einfach machen. Die Lösung würde so aussehen, daß es Damaskus ermöglicht wird, die Ordnung innerhalb seiner Grenzen wieder herzustellen, während es entweder im Rahmen der UNO oder auf dem Schlachtfeld gegen jene Länder vorgeht, die die gegen Syrien gerichtete Gewalt schüren. Vielleicht ist die Klarheit dieser Lösung der Grund dafür, daß diejenigen, die hinter diesem Konflikt stehen, so hart versucht haben, diesen als Bürgerkrieg hinzustellen.«  [4]  

Wie Marco Maier im Contra-Magazin vom 11. 12. 15 berichtete, erklärte Putin bei einer Konferenz im russischen Verteidigungsministerium: »Zu allererst verteidigen die russischen Militärs in Syrien unser Land.« Es gehe in erster Linie um den Schutz Rußlands: »Der Islamische Staat und andere dschihadistische Terrorgruppen bedrohen nicht nur die Stabilität im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch die innere Sicherheit Rußlands. Insbesondere in den muslimisch geprägten Kaukasusrepubliken versuchen diese militanten Organisationen Mitglieder zu rekrutieren, und sind dabei auch erfolgreich, wie einige tausend Tschetschenen zeigen, die in Syrien und im Irak für den IS kämpfen. Unsere Handlungen werden nicht von irgendwelchen unklaren, abstrakten geopolitischen Interessen und auch nicht von dem Wunsch, zu trainieren und neue Waffensysteme zu testen, diktiert. Das Wesentliche ist, eine Bedrohung für Rußland selbst abzuwenden«, so der russische Staatschef.  [5]   

Der Appell kirchlicher Würdenträger aus Syrien   
Bereits diesen Juni hatten die syrischen Kirchenführer  - erfolglos -  gefordert, die 2011 von der EU gegen Syrien verhängten Wirtschaftssanktionen unverzüglich aufzuheben. Die EU stellte diese als Sanktionen gegen Persönlichkeiten des Regimes dar. Tatsächlich verhängte sie gegen das ganze Land ein Öl-Embargo, eine Blockade jeglicher Finanztransaktionen und ein Handelsverbot für sehr viele Güter und Produkte. Diese Maßnahmen sind immer noch in Kraft. Dagegen war das Öl-Embargo 2012 auf Grund einer schwer verständlichen Entscheidung für diejenigen Regionen, die durch die bewaffnete und dschihadistische Opposition kontrolliert werden, aufgehoben worden.    

Hinzu kommt, daß das Embargo Syrer, die sich bereits vor dem Krieg im Ausland niedergelassen haben, daran hindert, ihren Verwandten und Familienangehörigen im Heimatland Geld zu überweisen. Selbst Nichtregierungsorganisationen, die Hilfsprogramme durchführen möchten, können ihren Mitarbeitern in Syrien kein Geld schicken. Firmen, Stromwerke, Wasserwerke, und Krankenhäuser sind gezwungen zu schließen, weil sie keine Ersatzteile und kein Benzin bekommen können.

Heute sehen die Syrer nur eine Möglichkeit für das Überleben ihrer Familien: die Flucht aus ihrem Land. Aber auch diese Lösung stößt auf nicht wenige Schwierigkeiten und führt zu hitzigen Auseinandersetzungen innerhalb der Europäischen Union. Es kann nicht sein, daß die Flucht die einzige Lösung ist, die die internationale Gemeinschaft diesen Menschen in ihrer Not noch läßt. Das Gerede über die Kriegsflüchtlinge aus Syrien sieht nach purer Heuchelei aus, solange man gleichzeitig diejenigen, die in Syrien bleiben, weiter aushungert, ihnen die medizinische Versorgung, Trinkwasser, Arbeit, Sicherheit und die elementarsten Rechte verweigert. 

Wir wenden uns deshalb an die Abgeordneten und Bürgermeister eines jeden Landes, damit die Bürger der Europäischen Union über die Ungerechtigkeit der Sanktionen gegen Syrien informiert werden und die Sanktionen endlich Gegenstand einer ernsthaften Debatte und entsprechender Beschlüsse werden.  [6]

»Der syrische Staat«, so Glen Ford, der Herausgeber des Black Agenda Reports, »wird verdammt, weil er sich Zehntausenden vom Ausland finanzierten Killern entgegenstellt, die keinerlei irdische Gesetze respektieren. Die nationale Souveränität ist im Zeitalter Obamas durch ein beliebig anwendbares Gebot der humanitären Einmischung, das nur von den Stärksten eingesetzt werden kann, ersetzt worden. Das ist kein Recht, sondern das Gegenteil: Ein von einem verfallenden gesetzlosen Imperium angewendetes Faustrecht.«  [7]


[1]  http://www.voltairenet.org/article193683.html   29. 9. 16   
Versehentlicher US-Angriff auf syrische Euphrat-Brücken - Von Baschar al-Dschafari 
[2]  Strategic Alert Jahrgang 29, Nr. 33/34 vom 17. August 2016  

Enthüllungen über französische Unterstützung für al-Nusra 
[3]  http://www.voltairenet.org/article193698.html   30. 9. 16 
[4] 
http://antikrieg.com/aktuell/2015_12_31_syrien.htm    31. 12. 15
Syrien ist kein Bürgerkrieg und war auch nie einer – Von Ulson Gunnar
[5] 
https://www.contra-magazin.com/2015/12/putin-zuallererst-verteidigen-die-russischen-militaers-in-syrien-unser-land/   11. 12. 15   Marco Maier 
[6] http://antikrieg.com/aktuell/2016_06_18_appell.htm    18. 6. 2016 
Der ganze Katalog der Sanktionen siehe auf
https://www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/Embargos/Aktueller_Stand_der_Sanktionen_gegen_Syrien.html   28. 10. 16  
[7]  https://twitter.com/glenfordbar 
http://antikrieg.com/aktuell/2014_03_01_obamas.htm
  1. 3. 14
Obamas Krieg gegen die Zivilisation – Von Glen Ford