Die USA und ihre Eingriffe

Unter dem Titel »Auf dem Weg zur Autonomie« hat »German Foreign Policy«

seinen nachfolgenden Bericht veröffentlicht:

Aktuelle Medienberichte legen erstmals US-amerikanische Eingriffe in deutsche Geschäfte mit mißliebigen Staaten detailliert offen. Demnach intervenieren US-Behörden direkt bei deutschen Unternehmen, die etwa Finanztransaktionen mit dem Iran durchführen; dabei hat Washington immer wieder durchgesetzt, daß in Deutschland legale Geschäfte eingestellt und zuständige Angestellte und Vorstände entlassen wurden. Begründet wird dies damit, daß Firmen, die Standorte in den Vereinigten Staaten unterhalten, sich US-Recht zu unterwerfen hätten; dazu zählen auch bilaterale US-Sanktionen etwa gegen den Iran. In der Tat gelingt es Washington damit, nationales US-Recht faktisch auf andere Staaten, darunter Deutschland, zu übertragen. Aktuellstes Beispiel sind Überlegungen in Washington, ein Veto gegen die Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch einen chinesischen Konzern einzulegen; worüber US-Präsident Barack Obama am 2. 12. entscheiden sollte. Die Berichte über die US-Praktiken werden während einer Umbruchphase bekannt, in der Berlin mit Macht EU-Streitkräfte zu bilden sucht, um eine strategische Autonomie zu erreichen und eine Weltmacht zu werden. Für die ersehnte Supermacht Europa wären anmaßende US-Interventionen in die deutsch-europäische Wirtschaft ein nicht akzeptables Tabu.

Probleme im Iran-Geschäft
Aktueller Hintergrund der erwähnten Berichte ist, daß das deutsche Iran-Geschäft nach dem Abschluß des Nuklearabkommens mit Teheran vom 14. Juli 2015 noch immer nicht im erhofften Maße boomt. Eine wichtige Ursache dafür liegt darin, daß die führenden deutschen Banken sich weiterhin weigern, Handel und Investitionen im Iran zu finanzieren. Dies wäre nach geltender deutscher und internationaler Rechtslage nach dem Ende der Sanktionen zwar ohne weiteres möglich. Doch halten die Vereinigten Staaten an bilateralen Sanktionen fest. Firmen, die in den USA tätig sind, müssen sich danach richten; verstoßen sie gegen bilaterale US-Boykotte, haben sie Strafmaßnahmen aus Washington zu gewärtigen. So mußte sich etwa die Commerzbank im März 2015 verpflichten, im Rahmen eines Vergleichs 1,45 Milliarden US-$ an die US-Behörden zu zahlen, weil sie mit der staatlichen iranischen Reederei IRISL - Islamic Republic of Iran Shipping Lines - von 2002 bis 2007 Geschäfte gemacht hatte; diese waren sowohl nach deutschem wie auch nach europäischem Recht legal, widersprachen jedoch US-Vorschriften. Faktisch gelingt es Washington mit Schritten wie diesem, das nationale US-Recht auf fremde Länder zu übertragen. Von deutschen Konzernen wurde diese Anmaßung meist zähneknirschend akzeptiert, da das US-Geschäft ihnen herausragende Profite versprach. 

»Mit dem lieber nicht« 
Frappierende Ähnlichkeiten weist ein zweites Beispiel auf. Bei dem Betroffenen handelt es sich um einen ehemaligen Angestellten der Commerzbank, der für die Abwicklung der erwähnten Geschäfte mit der iranischen Reederei IRISL zuständig war. Auch seine Aktivitäten werden als völlig legal eingestuft; Verstöße gegen das Recht der involvierten Staaten sind nie nachgewiesen worden. Dennoch erhielt er im März 2015, als die Commerzbank sich wegen ihrer IRISL-Deals zur Zahlung von  1,45 Milliarden US-$ an die Washingtoner Behörden verpflichten mußte, die Kündigung. Gegen diese ist er gerichtlich vorgegangen und hat bisher zweimal Recht bekommen; die Richter bestätigten, er sei wegen des Drucks durch einen Dritten gesetzwidrig entlassen worden. Aktuell liegt sein Fall in der Revision beim Bundesarbeitsgericht in Kassel. Seine berufliche Karriere scheint ruiniert. »Potentielle Arbeitgeber ... fürchten, daß sie Schwierigkeiten mit den Amerikanern bekommen, wenn mein Name auftaucht«, erläutert der ehemalige Commerzbank-Angestellte: »Da sagen sie sich: Mit dem lieber nicht.«  [1] 

Veto aus Washington    
Gravierende US-Eingriffe in deutsche Geschäfte erfolgen nicht nur im Fall des Irans. Für den 2. 1. 16 wird eine Entscheidung über die angestrebte Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch die chinesische Fujian Grand Chip Investment (FGC) erwartet - allerdings nicht in Berlin, sondern in Washington. Dort hat, wie kürzlich bekannt wurde, das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) Einspruch gegen die Transaktion erhoben.  [2]  Das CFIUS erklärt sich für zuständig, da die deutsche Aixtron in den USA einen Entwicklungsstandort unterhält. Das Gremium wird von US-Regierungsvertretern gebildet, darunter der Nationale Sicherheitsberater und US-Geheimdienste sind mit beratender Funktion vertreten. Wie das CFIUS nun behauptet, müsse die Übernahme abgewehrt werden, da sie die Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährde: Die von Aixtron produzierten Anlagen könnten auch zu militärischen Zwecken genutzt werden. Auf Intervention aus Washington hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine bereits erteilte Genehmigung für die Übernahme zurückgezogen. Die Entscheidung, ob der US-Präsident auf seinem faktischen Veto beharrt war für den 2. 12. angekündigt. 

Supermacht Europa 
Die aktuellen Berichte über die US-Eingriffe fallen in eine umbruchsreiche Zeit. Als vor rund 11 Jahren die weltweite Verschleppung und Folter Verdächtiger durch die CIA sowie die Beteiligung staatlicher deutscher Stellen daran bekannt wurden, blieben Konsequenzen weitestgehend aus; Berlin deckte Washington, auch um seine eigenen Praktiken zu verschleiern. Als vor mehr als drei Jahren die skandalösen NSA-Abhörmethoden ans Licht der Öffentlichkeit gerieten, da suchte Berlin die deutsche Beteiligung zu vertuschen, distanzierte sich jedoch erstmals von Washington [Abhören unter Freunden, das geht gar nicht] und ging daran, seine eigenen Geheimdienste systematisch aufzurüsten, mit dem Ziel, von den Vereinigten Staaten langfristig unabhängig zu werden. Aktuell steht die Bundesrepublik inmitten einer Kampagne, die darauf abzielt, die EU mit schlagkräftigen Streitkräften auszustatten, die eine strategische Autonomie und damit erstmals echte Eigenständigkeit gegenüber den USA erlangen sollen. Einer solchen Eigenständigkeit stehen US-Eingriffe in die deutsche Wirtschaft freilich diametral entgegen. Die Bundesregierung hat sich bislang noch nicht zu den Medienberichten über die US-Interventionen bei der Deutschen Forfait AG sowie bei der Commerzbank geäußert. Der Gedanke, sich auf dem Weg zur Supermacht Europa   - so Federica Mogherini -  derartige Einmischungen offiziell oder doch zumindest über diplomatische Kanäle zu verbitten, da sie nun schon öffentlich thematisiert werden, liegt nicht fern.

 

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59495   2. 12. 16 
Auf dem Weg zur Autonomie

[1] Stefan Buchen, Rainer Hermann: Die Falle schnappt zu. Frankfurter Allgemeine Zeitung 01.12.2016. Stefan Buchen: Imperiales Gehabe: der lange Arm der US-Gesetze. daserste.ndr.de 1. 12. 2016

[2] Obama soll über Aixtron-Übernahme entscheiden. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.11.2016