Zur Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Russland - Von Doris Auerbach

Der Grund für die sechsmonatige Verlängerung derselben, eine solche

haben die EU-Staatschefs auf ihrem Gipfel vom 22. bis 23. 6. 17 in Brüssel soeben beschlosssen, liegt, wie angegeben, in der mangelnden Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine. Die im Sommer 2014 anberaumten Strafmassnahmen gegen Russland richten sich unter anderem gegen Staatsbanken, den Export von Rüstungsgütern sowie gegen die Öl- und Gasindustrie. Man kann hier nur ganz lakonisch die Frage anfügen, mit wieviel Weitblick und Intelligenz unsere Volksvertreter bestückt sein müssen, um stillschweigend wegzustecken, dass sich die Sanktionen längst zum eigenen Schaden, also der EU und insbesondere der BRD, auswirken. Auch wenn jetzt mehrere europäische und amerikanische Teilnehmer des St. Petersburger Forums offen erklärten, dass die Sanktionen nicht nur wirkungslos seien, sondern dem Westen mehr schadeten als Russland, hebt die EU sie nicht auf. Hier, kann man vermuten, könnte ein von Washington ausgeübter Druck ausschlaggebend sein. Der sichtlich unvermeidbar überall präsente Soros  [1]  hatte die EU im übrigen vergeblich aufgefordert, in einer Kriegsanstrengung höhere Haushaltsdefizite in Kauf zu nehmen, um für einen Krieg gegen Russland gerüstet zu sein. Die EU hätte Kredite in Höhe von 20 Milliarden $ aus Steuergeldern für die Ukraine bereitzustellen gehabt. 

Wie Presseberichten zu entnehmen war, verhandelte man im Hintergrund über einen gigantischen Umbau des europäischen Militärs, wobei es vor allem um eine gemeinsame europäische Armee geht. Wie gewohnt, wird auch in diesem Zusammenhang auf angebliche Bedrohungen durch Russland verwiesen. Jetzt heisst es plötzlich, Europa müsse seine Sicherheit in die eigenen Hände nehmen; dennoch wird gleichzeitig betont, »dass ein stärkeres europäisches Militärbündnis auf keinen Fall als Alternative zur NATO verstanden werden solle. Die NATO bleibe unverzichtbar.«  [2]  

Für den am 23. Juni zu Ende gegangenen Gipfel hatte die EU-Kommission als Grundlage für die Diskussionen ein Reflexionspapier vorgelegt, das sich mit der Zukunft der Europäischen Verteidigung befasst und dessen Ziele die weitere Militarisierung der EU vorantreiben sollen. Laut German Foreign Policy »stellt dieses Dokument drei verschiedene Szenarien vor: Das erste beschreibt mehr oder weniger den gegenwärtigen Zustand und beinhaltet dementsprechend einen allmählichen Ausbau der Streitkräftekooperation innerhalb der EU sowie eine Fortsetzung der EU-Auslandseinsätze auf heutigem Niveau. Das zweite sieht eine deutlich intensivere Zusammenarbeit der nationalen Armeen und ihre punktuelle Verschmelzung vor; die EU, so heisst es, könne so ihre Fähigkeit, militärische Macht zu projizieren, vergrössern. Damit werde sie eine strategische Autonomie erreichen und in der Lage sein, nicht nur an der Seite ihrer Hauptverbündeten, sondern nach Bedarf auch allein zu handeln. Dem dritten Szenarium zufolge wird die EU 2025 über die Fähigkeit verfügen, Kampfeinsätze jeder Art eigenständig zu führen.« Berlin treibt die Unterstellung von Truppenteilen fremder Staaten unter die Bundeswehr energisch voran. Wie es an der Münchner Bundeswehr-Universität heisst, könnten skandinavische Einheiten im nächsten Schritt ihre Einbindung in die deutschen Streitkräfte in Angriff nehmen.   

Einflussreiche deutsche Politiker plädieren zudem dafür, Einsätze europäischer Soldaten der nationalen Kontrolle zu entziehen und sie von EU-Beschlüssen abhängig zu machen.

Am 7. 6. hatte die EU-Kommission auch ein Konzept für einen EU-Verteidigungsfonds vorgestellt, der die Aufrüstung der EU-Staaten stärker konzentrieren soll. Der von Brüssel skizzierte Fonds sieht vor, multinationale Projekte innerhalb der EU mit Subventionen zu begünstigen. So soll die Entwicklung von Waffen-Prototypen mit 20 % der Kosten gefördert werden, sofern mindestens drei Firmen und zwei Mitgliedsstaaten beteiligt sind. Bis 2020 stehen dazu insgesamt 500 Millionen Euro bereit; ab 2021 kann jährlich 1 Milliarde € abgerufen werden. Damit würden künftig 5 Milliarden € in multinationale EU-Rüstungsprojekte und so in eine tendenzielle Verschmelzung der europäischen Waffenschmieden gesteckt. Zusätzlich will die EU-Kommission die Rüstungsforschung fördern - bis 2020 mit insgesamt 90 Millionen €, ab 2021 dann mit einer halben Milliarde pro Jahr.

Die nächsten Meilensteine  
Berlin macht weiter Druck. Wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 7. 6. erklärt hatte, begrüsse sie den Vorschlag der EU-Kommission zur Zukunft der europäischen Verteidigungspolitik: Man müsse den Schwung jetzt nutzen, um die nächsten Meilensteine im zweiten Halbjahr 2017 mit Leben zu füllen. [3]  Auf welche Weise wurde von ihr offenbar nicht näher definiert ….

Eine eigene Armee für die EU 
Die Vorstellung, eine gemeinsame EU-Armee aufzubauen, reicht weit zurück. Für eine solche war Daniel Cohn-Bendit bereits 2012 eingetreten; in seiner zusammen mit Guy Verhofstadt verfassten Schrift Für Europa! Ein Manifest äusserte er den Wunsch, »die EU möge in der Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts eine massgebliche Rolle spielen.« Für die beiden Autoren gehört hierzu selbstredend das uns bis zum Überdruss vorgestellte postnationale föderale Europa, genauer: Die Vereinigten Staaten von Europa. Und wie in dem Pamphlet dargelegt, ist ein derartiges europäisches Imperium ohne Soldaten, die »überall in der Welt zum Einsatz kommen könnten«, »im guten Sinne des Wortes« selbstverständlich nicht zu haben. Das Imperium allerdings hat einen, wie der Schrift zu entnehmen ist, gewaltigen Preis, nämlich die ebenso konstant ins Spiel gebrachte zügige Abgabe der Souveränität der europäischen Staaten an die Lenker dieser Föderation. »Nur eine europäische Armee, die mobil und technologisch auf dem neuesten Stand ist, kann in Zukunft unsere Werte und unsere Unabhängigkeit verteidigen« sowie die Menschenrechte und die Freiheit »verbreiten«, liest man ferner. 

»Doch so wichtig die darin geforderte Überwindung des heute  [angeblich; Anm. Red.]  vorherrschenden Egoismus der Mitgliedsstaaten auch sein mag«, vermerkt Thomas Wagner zu der Schrift, »die von den beiden Europapolitikern ausgerufene postnationale Revolution ist ein Etikettenschwindel. Denn die Nationalstaaten sollen nur verschwinden, um einer noch mächtigeren Herrschaftsform den Weg zu bereiten: Einem europäischen Imperium, das dann der USA, China oder Indien auf gleicher Augenhöhe begegnen soll.«  [4]  Dieses Bestreben, mit der USA gleichauf zu sein, liegt offensichtlich auch allen Aussagen zugrunde, die sich derzeit gegen die USA richten. Und mit den vielzitierten Werten der EU sieht es, man muss es sich eingestehen, gegenwärtig eher rabenschwarz aus ….. 

Immer dasselbe Ziel: Unsere Entmachtung  
Was also das Verschwinden der Nationalstaaten, die Abtretung ihrer Souveränität an Brüssel resp. den Gedanken, die Einsätze europäischer Soldaten der nationalen Kontrolle zu entziehen und sie von EU-Beschlüssen abhängig zu machen, angeht, so erklärte Prof. Bernd Lucke schon am 23. 3. 2015 folgendes zur Debatte um eine europäische Armee: »Bundeswehreinsätze müssen durch den Deutschen Bundestag beschlossen werden. Für Einsätze einer EU-Armee wäre dieser Parlamentsvorbehalt aufgehoben. Dem Bundestag würde dadurch die Kontrolle über den Einsatz deutscher Soldaten genommen. Ausserdem wäre das Einsatzprofil völlig unklar, denn die 28 Mitgliedsstaaten der EU haben völlig unterschiedliche Sicherheitsinteressen. Wenn trotz all dieser Gegenargumente die Altparteien die Einrichtung einer EU-Armee vorantreiben und damit wichtige hoheitliche Rechte Deutschlands preisgeben wollen, sollten die Bürger dies in einer Volksabstimmung bewilligen müssen. Eine solche Volksabstimmung setzt eine Änderung des Grundgesetzes voraus, die ohnehin nötig ist, um, wie es die AfD verlangt, mehr direkte Demokratie in Deutschland realisieren zu können.«  [5]

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Schon im März 2007 hatte die Bundeskanzlerin erklärt, dass der Aufbau einer EU-Armee zu den Standardforderungen der deutschen Europapolitik gehöre: »In der EU .... müssen wir einer gemeinsamen europäischen Armee näherkommen.« Dieser »langjährigen deutschen Forderung schloss sich Juncker im März 2015 an und plädierte seinerseits für den Aufbau einer EU-Armee. Dies sei notwendig, da Europa weltweit »enorm an Ansehen verloren« habe, behauptete er.   

Gegen Russland gerichtete EU-Drohungen ziehen sich wie ein roter Faden durch zahlreiche Äusserungen. Wie Juncker am 10. März erklärte, könne sich die EU mit eigenen Streitkräften grösseres Gewicht in der Weltpolitik verschaffen als dies bisher der Fall war. »Insbesondere werde es möglich sein, entschlossener gegen Russland vorzugehen.« »Eine gemeinsame Armee der Europäer«, so Juncker, »würde Russland den klaren Eindruck vermitteln, dass wir es mit der Verteidigung der europäischen Werte ernst meinen.« Mit eigenen Streitkräften, so Juncker ferner, könne man, wie gesagt, mehr Gewicht in der Weltpolitik erlangen und »eine EU-Armee würde der Bundesrepublik grösseren Einfluss gegenüber der USA und der NATO sichern«, während von der Leyen mit der Aussage zitiert wurde, der Zusammenschluss der nationalen Streitkräfte zu einer EU-Armee sei die Zukunft.  [6]   

Ganz im Gegenteil hierzu legte der erste stellvertretende Vorsitzende der Duma-Fraktion Einiges Russland, Frants Klintsewitsch, in den Deutschen Wirtschafts Nachrichten online vom 10. 3. 15 dar, er halte die Idee Junckers, eine eigenständige EU-Armee aufzubauen, für eine Provokation: »In einem nuklearen Zeitalter verschaffen neue Armeen keine zusätzliche Sicherheit. Doch können sie sicherlich eine provokative Rolle spielen.«  [7]  

Nun schwebt dem EU-Kommissionspräsidenten ganz offensichtlich ein entschlosseneres Auftreten der EU in der Welt vor, jedoch dürfte dieses solange infrage gestellt bleiben, solange die von kompetenten Politikern noch immer als US-Kolonie eingestufte EU in dieser Rolle zu verharren gezwungen ist. Hinzu kommt, dass sich die USA schon 2015 als entschiedener Gegner einer EU-Armee gezeigt hatte; man fürchtet die Verwässerung der NATO.    

Der von Juncker als Sonderberater für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ernannte ehemalige EU-Kommissar Michel Barnier, der hinsichtlich einer EU-Militärkooperation langjährige Erfahrung besitzt, hatte im Juni 2015 ein Strategiepapier vorgelegt, in dem er schreibt, dass in der EU-Militärpolitik die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit - Permanent Structured Cooperation PESCO nach Artikel 42 Absatz 6 des Vertrags von Lissabon so rasch wie möglich ausgebaut werden soll. Demnach können einzelne Staaten ihre militärische Zusammenarbeit intensivieren, ohne sich von anderen EU-Mitgliedern bremsen zu lassen.  [8]   

Im November 2015 hatte sich der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, aus Anlass des 60jährigen Bestehens der Bundeswehr dahingehend geäussert, dass er sich  - die Notwendigkeit einer europäischen Armee unterstreichend -  die Überwindung der verteidigungspolitischen Kleinstaaterei in Europa wünsche.  [9]  Wenigstens hat er es unterlassen, uns des Egoismus zu zeihen …..

Ende Dezember beliebte Finanzminister Schäuble uns darzulegen, dass »er wegen der Flüchtlingskrise« - was jeder als logische Konsequenz von Merkels Grenzöffnungstaktik wahrnehmen wird -  »mit höheren Ausgaben für die Militäreinsätze der europäischen Staaten rechne.« Wie er ferner erläuterte, müsse die Aussen- und Sicherheitspolitik der EU-Staaten Schritt für Schritt verzahnt werden. »Letztendlich muss unser Ziel eine gemeinsame europäische Armee sein.«  [10]

Am 15. 12. erging folgende Forderung des sicherheitspolitischen Sprechers der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Michael Gahler (CDU): »Die militärische Schlagkraft der EU sollte zum Schutz des europäischen Lebensstils massiv gesteigert werden.«  [8]  Genau dieser Lebensstil sieht sich gegenwärtig durch die Flutung des Kontinents mit Flüchtlingen massiv bedroht; eine Steigerung ist nirgendwo in Sicht, dagegen ein kontinuierlicher Niedergang ….  

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Die von Brüssel angestrebte strategische Autonomieist auch Gegenstand eines von GPF am 13. September letzten Jahres erstellten Berichts, dem zufolge die Bundesregierung energisch auf konkrete Schritte zu einem umfassenden Ausbau der EU-Militärkooperation drang und innerhalb von 3 Monaten einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Rats verlangte. Die hierzu notwendigen Schritte hatten von der Leyen und ihr französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian in einer für den informellen EU-Gipfel vom 16. 9. 16 verfassten Schrift vorgelegt. Beide, Berlin und Paris, forderten, dass die Militärkooperation von einer Gruppe voranpreschender Mitgliedsstaaten zu realisieren sei, deren militärischem Zusammenschluss sich dann später weitere EU-Mitgliedsstaaten anschliessen könnten, ohne dass es anderen Mitgliedern möglich wäre, ein Veto einzulegen. Es geht, wie gesagt, um eine europäische strategische Autonomie. Wie es ferner hiess, ergebe sich die Möglichkeit zu einem solchen Schritt jetzt, da Grossbritannien aus der EU austrete. Das von Le Drian und von der Leyen vorgelegte Papier sieht unter anderem vor, zwecks Schaffung eines europäischen Geists eine gemeinsame EU-Offiziersausbildung zu initiieren.  [11]  Grossbritannien war bekanntlich nie zu einer Übertragung militärischer Kompetenzen an Brüssel bereit gewesen.    

Der Gedanke, dass zunächst ausgewählte EU-Staaten, also voranpreschende Mitglieder, ihre Militärkooperation ausbauen  - was gleichzeitig den Aufbau von von der NATO unabhängigen Militärstrukturen bedeutet -  war auch Gegenstand des Treffens der EU-Verteidigungsminister vom 15. 11. 16 in Brüssel gewesen. Während führende europäische Aussenpolitiker die EU zur Supermacht, die als Dienstleister für globale Sicherheit gefragt sei, erklärten, stiessen die Versuche Berlins, die EU in demonstrativer Absetzung gegenüber dem künftigen US-Präsidenten Trump gegen die USA in Stellung zu bringen, auf Widerstand. Letzterem Ansinnen hatten sich nicht nur Grossbritannien, sondern auch mehrere östliche EU-Staaten verweigert.  [12] 

Nicht zu fassen 
Wie GFP am 29. November 2016 festhielt,
»hofft Berlin dank Donald Trumps Wahlsieg den Aufbau einer EU-Militärmacht und eventuell auch europäischer Nuklearstreitkräfte deutlich forcieren zu können.« »Während die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini den Staatenbund weiterhin lockend als Supermacht EU bezeichnet, um die notwendige Machttrunkenheit für den ehrgeizigen Aufbau eng verzahnter EU-Streitkräfte weiter zu befeuern, haben sich nun auch erste führende Politiker und Kommentatoren dafür ausgesprochen, der EU auf der Basis französischer und britischer Atomwaffen Nuklearstreitkräfte zu verschaffen. Dafür reichten allerdings die französischen und die britischen Arsenale nicht aus, heisst es vielsagend in einer der führenden meinungsbildenden Tageszeitungen der Bundesrepublik.« GFP zufolge  »nehmen deutsche Politiker und Kommentatoren jetzt den Ausbau einer EU-Nukleartruppe in den Blick. Nach entsprechenden Plädoyers eines deutschen Aussenpolitik-Experten hat auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter, gefordert, Berlin solle in Paris und in London dafür werben, einen Nuklearschirm für die EU zu errichten. Er gibt an, dafür schon vor den Wahlen in der USA geworben, aber erst nach Trumps Sieg Zustimmung geerntet zu haben. Indessen, so Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, sei zu berücksichtigen, dass die EU ohne die Allianz und den nuklearen Schutzschirm der Amerikaner gegenwärtig nicht verteidigungsfähig sei: Noch brauche man die Vereinigten Staaten, auch mit diesem Präsidenten.«  [13]

Es ist geradezu ungeheuerlich, wie man Nuklearwaffen überhaupt noch im Blickfeld haben kann. Siehe hierzu  
Nuklearwaffen - Wer stoppt ihre Protagonisten?

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Dessen ungeachtet hält die Debatte über europäische Nuklearstreitkräfte weiterhin an. Nach diversen Beiträgen in deutschen Leitmedien äusserten sich laut GFP vom 7. März nun auch Regierungsberater in dem führenden Fachblatt der deutschen Aussenpolitik, Internationale Politik: »Die laufende Debatte um die Rolle von Nuklearwaffen auf Seiten Russlands und der NATO erlaubt es nicht mehr, sich einer Debatte über das Für und Wider nuklearer Abschreckung zu verschliessen«, heisst es dort: Dafür seien »die mit diesen Waffen verbundenen Risiken schlicht zu hoch«. Berlin solle »im Sinne des deutschen Doppelansatzes von Abschreckung und Dialog eine angemessene Abschreckung mit einer realistischen Rüstungskontrolle flankieren«. Was die geforderte angemessene Abschreckung im nuklearen Bereich konkret sein soll, erläutern die Autoren nicht. Allerdings weisen sie darauf hin, dass »die sicherheitspolitischen Ambitionen der Regierung ganz allgemein nur geringen Rückhalt in der Bevölkerung« haben. Dabei sei für eine erfolgreiche Aussen- und Militärpolitik die Unterstützung durch die Bevölkerung wichtig. Die Bundesregierung müsse daher ihre »Ambitionen erklären und dafür werben«. Man müsse, heisst es, »die Bevölkerung mitnehmen«.  [14] 

Letzterer Art von Beeinflussung dürften sich gegebenenfalls alle pro Brüssel eingestellten Medien gewissenhaft annehmen, wobei schon jetzt abzusehen ist, dass den Gegenstimmen wenig Raum zur Verfügung stünde ..….  

Zusätzliche Einrichtungen 
Wie verlautet, benötige die EU nicht nur Kampftruppen, sondern auch eine eigene Militärakademie sowie ein festes militärisches Hauptquartier, wodurch sich die Frage stelle, ob die EU nicht eine eigene Militärakademie aufbauen soll. Auch müsse man darüber nachdenken, im EP einen Verteidigungsausschuss einzurichten. So sollen ein EU-Hauptquartier zur Führung militärischer Einheiten und ziviler Begleitkräfte eingerichtet sowie der Aufbau eines EU-Sanitäts- und eines EU-Logistikkommandos in die Wege geleitet werden.  [11]     

Weiterhin beschlossen die EU-Aussen- und Verteidigungsminister, dass die EU für die Operationen ihrer Truppen im Ausland eine mit der Bezeichnung Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit  [Military Planning and Conduct Capability MPCC]  versehene militärische Kommandozentrale erhalten wird. Zwar wird die Bezeichnung Hauptquartier offiziell strikt vermieden, weil mehrere EU-Staaten sich dagegen verwahren, in Konkurrenz zur NATO zu geraten; doch urteilen Beobachter trocken, die Einrichtung der Zentrale laufe faktisch auf die Gründung eines militärischen Hauptquartiers hinaus. Wie GFP berichtet, wird sie beim EU-Militärstab angesiedelt und zunächst über rund 35 Mitarbeiter verfügen; geleitet wird sie vom Direktor des bereits bestehenden EU-Militärstabs. Politisch untersteht sie der Kontrolle des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees [Political and Security Committee PSC] in Brüssel, dem die EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten angehören. Die Kommandozentrale soll im ersten Schritt die EU-Ausbildungseinsätze steuern, die derzeit in Somalia, der Zentralafrikanischen Republik und Mali durchgeführt werden. Bereits jetzt ist allerdings eine Ausweitung ihres Zuständigkeitsbereichs im Gespräch; genannt werden Marineeinsätze im Mittelmeer und am Horn von Afrika. Zugleich fordert Österreichs Aussenminister die Aufstellung einer schnellen EU-Krisenreaktionstruppe.  [14] 

Eines steht fest: Dieser neuerliche Militärapparat wird immense Kosten verursachen, für die wir uns jetzt schon wappnen sollten; man darf gespannt sein, wie dies steuerlich zu bewältigen sein wird und ob hierfür nicht die vielfach geäusserte Absicht, eine eigene EU-Steuer zu erheben, Gestalt annehmen wird … 

Der stete Gedanke, den Bürger zu entmachten  
Dieser manifestiert sich auch in der Aussage des Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei EVP, Manfred Weber von der CSU. Am 7. Juni verlangte er im Europaparlament, dass »europäische Soldaten künftig durch das Europäische Parlament in den Einsatz geschickt werden.« Man müsse ein starkes durchsetzungsfähiges Europa aufbauen, äusserte Weber zur Begründung. Begleitend müsse man ein Bewusstsein für unsere europäische Identität aufbauen: »Es geht heute nicht mehr um eine deutsche Leitkultur, sondern eine europäische Leitkultur. Diese europäische Leitkultur müssen wir verteidigen und, wenn möglich, global behaupten.«  [3] 

Nun stufe ich Mehrheit des EP als Brüssel gegenüber absolut loyal ein, was sich auch an den Entscheidungen ablesen lässt. Bedenkt man hier zusätzlich, wie wenig das EP überhaupt zu sagen hat, dann ist es zumindest für mich absehbar, dass der Aufbau solch einer neugeschneiderten europäischen Identität, was immer sie im Hinblick auf die sich unvermeidlich anbahnende ethnische Vermischung bedeuten mag, dort mühelos akzeptiert und dementsprechend gefördert werden wird.

Wie Weber Ende April dargelegt hatte, benötige man im Hinblick auf die dramatischen Zuspitzungen in der Weltpolitik dringend eine stärkere europäische Verteidigungskomponente, andernfalls werde man schweren Zeiten entgegen. 15] Was heisst hier werde? Die sind doch längst da: Gegenwärtig auf die furchtbarste Weise im Jemen und  - wie ich fürchte -  demnächst in Somalia, denn Trump hat dem Verteidigungsministerium am 31. März die Erlaubnis für ein aggressiveres Vorgehen gegen die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab in Somalia erteilt. In Somalia bombardiert die USA seit 15 Jahren und seit 5 Jahren finden dort Angriffe mit Drohnen statt. Ob ein Angriffskrieg erklärt wird, steht offen. Und letztlich wirken doch Berlin wie Brüssel allein schon durch die Beteiligung am Krieg gegen Assad permanent an den beanstandeten Zuspitzungen mit! 

Berlins vieldiskutierte Vormachtstellung  
Vor dem EU-Gipfel vom 22. / 23. Juni hatten sich mehrere Aussenpolitik-Experten unabhängig voneinander mit dem inneren Zustand der EU resp. mit der deutschen Vormacht innerhalb der Union befasst. Diese wird, wie aus einer aktuellen Umfrage des European Council on Foreign Relations ECFR unter 421 Regierungsmitarbeitern, Politikern, Experten, Journalisten und anderen Angehörigen der Eliten aller 28 EU-Staaten hervorgeht, im EU-Establishment allgemein als Tatsache anerkannt. Deutschland unterhalte die dichtesten Netzwerke auf dem Kontinent, werde in den meisten Mitgliedsstaaten als wichtigster Partner eingestuft und generell als einflussreichstes EU-Land angesehen, so der ECFR.  [15] 

Das mag man glauben oder nicht, heisst es doch im Establishment, wozu ich den ECFR selbst, die Atlantik-Brücke, das Aspen-Institute, die Trilaterale Kommission, die Mehrheit einflussreicher Stiftungen wie Bertelsmann, etc. etc., zähle....   

Mit Blick auf die deutsche Dominanz hat Hans Kundnani, ein Experte des German Marshall Fund of the United StatesGMFUS, unlängst geurteilt, die vermutlich entscheidende Frage sei, ob sich Deutschland bereit finden könne, unter dem neuen Präsidenten Emmanuel Macron einen Deal mit Frankreich zu schliessen. »Deutschland kann [dann; Anm. Red.] die Eurozone nicht weiterhin als Instrument nutzen, um seine eigenen ökonomischen Interessen zu fördern«, erklärt Kundnani. Alles hänge nun davon ab, ob die Bundesrepublik fähig sei, Macron Zugeständnisse zu machen, die es ihm gestatteten, die französische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.  [15]   Auf wessen Kosten?

Neue Beschlüsse der EU zur Militärpolitik werden für das zweite Halbjahr 2017 erwartet, allerdings vermutlich erst nach der Bundestagswahl. 

Nichts in dieser Zusammenstellung klingt für mich nach Frieden  

d.auerbach@gmx.ch 


[1]  Inter Info Linz - Folge 462 vom Juni 2017   
[2]  https://deutsch.rt.com/europa/52896-eu-gipfel-militarische-aufrustung-als/
23. 6. 17 
EU-Gipfel:Militärische Aufrüstung als neuer Motor für die für die Europäische Union  
[3]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59613   8. 6. 17  
Europas Leitkultur
[4]  http://www.jungewelt.de/2012/10-01/039.php  10. 1. 2012  
Imperiales Europa  -  Von Thomas Wagner 
[5]  https://www.alternativefuer.de/lucke-forderung-nach-einer-eu-armee-ist-gleich-aus-mehreren-gruenden-populistischer-unsinn/   23. 3. 15
[6]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59073   10. 3. 15  
Europas Vision    
[7]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/09/eu-armee-moskau-erinnert-juncker-an-russische-atom-waffen/  10. 3. 15
[8]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59273   15. 12. 15   Europas Lebensstil
[9]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=60457&title=Wehrbeauftragter+unterstreicht+Notwendigkeit+von+Europ%E4ischer+Armee&storyid=1447266273668  11. 11. 15 
[10]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/12/27/schaeuble-fordert-die-gruendung-einer-armee-der-eu/  27. 12. 15
[11]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59439   13. 9. 16
Strategische Autonomie
[12]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59483   16. 11. 16 
Die Supermacht Europa
[13]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59492   29. 11. 16 
Der Schock als Chance
[14]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59554  7. 3. 17
Auf dem Weg zum
Hauptquartier
[15]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59524   24. 4. 17
Europe first!