Chinas Investitionen 19.07.2017 21:48
Die Regierung in Berlin ist derzeit im Begriff, ihre Massnahmen zur Abschottung
der deutschen Wirtschaft
gegen Übernahmen aus China zu verschärfen. Ein entsprechender
Beschluss des Bundeskabinetts sieht eine härtere Prüfung von auswärtigen
Firmenakquisitionen vor. So ist eine Änderung der Aussenwirtschaftsverordnung
beschlossen worden, der zufolge u.a. die Prüffristen bei Firmenübernahmen
verlängert und die Prüfkriterien ausgeweitet werden. Wie ›German
Foreign Policy‹ darlegt, greift Berlin - in die Defensive geratend - nun zu
eben jenem Mittel, das es im Ausland anprangert, sobald die Expansion deutscher
Unternehmen eingeschränkt wird: Zur Abschottung.
Diese Schritte erfolgen
genau zu dem Zeitpunkt, an dem chinesische Firmen stärker in der EU und in
Deutschland zu investieren beginnen. Seit den frühen 2000er Jahren hatten sich
chinesische Konzerne zunächst auf Übernahmen in Schwellen- und
Entwicklungsländern in Asien und Afrika konzentriert und sind erst in den
vergangenen Jahren zu grösseren Investitionen in Europa übergegangen. In der
Bundesrepublik, die ihrerseits einen Investitionsbestand von rund 60 Milliarden
Euro in der Volksrepublik verzeichnet, hatten sie bis 2015 nur weniger als ein
Zehntel dieser Summe investiert, sind aber seit 2016 stärker aktiv geworden.
In Ergänzung
hierzu wird auf die Einführung von Abwehrmechanismen auf EU-Ebene gegen
Unternehmenskäufe aus dem Ausland gedrungen. Sigmar Gabriel hatte sich bereits
im Herbst 2016, als er noch Bundeswirtschaftsminister war, um neue
Abwehroptionen bemüht und im Oktober ›Eckpunkte für einen Vorschlag zur
Investitionsprüfung auf EU-Ebene‹ vorgelegt, der darauf abzielte, die Entscheidung
über zu erschwerende Firmenkäufe einheitlich nach Brüssel zu verlagern. »Schlüsselindustrien,
›die von besonderer Bedeutung für den weiteren
industriellen Fortschritt sind‹, sollten gegen Übernahmen abgeschottet werden,
hiess es in Gabriels Eckpunkten.« Wie inzwischen verlautet, zieht es die EU-Kommission
tatsächlich in Betracht, »die Entscheidung über Investitionen aus
Drittstaaten auf die europäische Ebene zu heben.«
Chinesische
Direktinvestitionen in Europa sind eine vergleichsweise junge Erscheinung.
Einen Wendepunkt brachte die ›Going Out‹-Strategie, die Beijing im Jahr 2000 verkündete;
Investitionen im Ausland sollten von nun an die schnell wachsenden chinesischen
Exporte begleiten. In lediglich eineinhalb Jahrzehnten legte China
diesbezüglich eine rasante Entwicklung hin. Kamen im Jahr 2000 nur 0,1 % der
weltweit getätigten ausländischen Direktinvestitionen aus der Volksrepublik [Platz
32 auf der Weltrangliste], so waren es im Jahr 2015 schon 8,7 % [Platz drei]. Damit gelangte China beim
Gesamtbestand an Auslandsdirektinvestitionen
auf Platz zehn weltweit. Mit einer weiteren Investitionstätigkeit chinesischer
Unternehmen ist fest zu rechnen. Hinzu kommt, dass ihr tatsächlicher Anteil
schon jetzt wohl deutlich über den offiziellen Angaben liegt:
Auslandsinvestitionen in nicht genau bekannter, aber vermutlich signifikanter
Höhe werden entweder über Hongkong oder über Steuerparadiese wie die Cayman
Islands abgewickelt. Ihr Volumen geht aber aus den gängigen Statistiken nicht
hervor.
2014
überschritten Chinas Investitionen in der EU den Wert derjenigen von
Unternehmen aus der EU in der Volksrepublik. 2015 lagen mit den Niederlanden
und dem Vereinigten Königreich immerhin bereits zwei EU-Länder unter den Top
Ten-Standorten chinesischer Direktinvestitionen. Bis heute halten die EU-Länder
lediglich 5,9 % an Chinas gesamtem, immer noch überwiegend auf Asien
fokussierten Investitionsbestand. [1]
Eine
Investition Chinas in Griechenland Hier geht es um
den Einstieg der China Ocean Shipping Company (COSCO) bei der
Betreibergesellschaft des Hafens von Piräus, den die griechische Regierung auf Druck aus Brüssel und
Berlin zur Schuldentilgung veräussern musste. COSCO baut den Hafen, an dem es
bereits seit 2009 einen kleinen Anteil hält, mit 3stelligen
Millionensummen aus; mittlerweile ist er zum achtgrössten Hafen Europas
aufgestiegen und befindet sich unter den Top 40 weltweit. Die COSCO zahlte im
April letzten Jahres für 51 % des Hafenbetreibers 280,5 Millionen Euro; 2021
kann sie für 88 Millionen € weitere 16 % übernehmen, sofern sie bis dahin
mindestens 300 Millionen € in den Hafen investiert hat.
Nach aktuellen
Plänen wird COSCO sogar 600 Millionen € investieren. Das chinesische
Unternehmen war zuletzt der einzige Bieter für den Hafen von Piräus gewesen:
Mit Blick auf den Totalkollaps der griechischen Wirtschaft in der Krise hatte
niemand Investitionen in einen griechischen Handelsplatz erwogen.
Zielhafen
der ›Seidenstrasse‹ COSCO hingegen
hat grosse Pläne mit dem Hafen von Piräus. Er ist als Endpunkt der Seeroute der
›Neuen Seidenstrasse‹ vorgesehen, eines Bündels von Transportkorridoren, die China über Land und
Meer mit Europa verbinden sollen. Das
Gesamtprojekt trägt den offiziellen Namen ›One Belt, One Road‹; Piräus ist als Endpunkt der Seeroute besonders
geeignet, weil es unter den europäischen Häfen dem Suezkanal, durch den Waren
aus China nach Europa transportiert werden, am nächsten liegt. Während Kürzungsdiktate
die griechische Wirtschaft umfassend strangulierten, investierte der
chinesische Konzern 600 Millionen €, engagierte 1.000 neue Arbeiter und
steigerte das Volumen der umgeschlagenen Waren von 880.000 TEU im Jahr 2010 auf
3,47 Millionen TEU im Jahr 2016. Im nächsten Schritt ist der Bau eines riesigen
Schwimmdocks geplant, das Piräus Reparaturaufträge sichern soll.
Chinas rasch
wachsender Wirtschaftseinfluss lässt Athen mittlerweile Rücksichten auf
politische Interessen der Volksrepublik nehmen. Zum ersten Mal deutlich wurde
dies im Juni, als die EU wie schon so oft beim UN-Menschenrechtsrat eine gegen
Beijing gerichtete Stellungnahme einbringen wollte. Dies scheiterte nicht nur,
aber auch am Widerstand Griechenlands: »Unproduktive und oftmals selektive Kritik gegenüber
bestimmten Ländern erleichtert die Förderung der Menschenrechtslage in diesen
Staaten nicht«, wird die Begründung eines griechischen Diplomaten zitiert. Die EU konnte
sich erstmals nicht auf einen gemeinsamen Text einigen.
Dabei gewinnt
China mittlerweile auch in weiteren Staaten Südosteuropas neuen Einfluss. Ein Beispiel bietet Serbien. Das Land leidet unter krasser
Armut: Das Durchschnittseinkommen liegt bei rund 350 €;
die Arbeitslosigkeit wird auf 18 % der Erwerbsbevölkerung beziffert, die
Jugendarbeitslosigkeit auf 44 %; China plant nun den Ausbau der Schienenstrecke
von Belgrad nach Budapest; sie soll auch mit Hochgeschwindigkeitszügen befahren
werden können, die für die gut 350 km lange Route nicht mehr acht, sondern nur
noch drei Stunden benötigen. Der Plan ist Teil des Vorhabens, einen
Verkehrskorridor aus Griechenland ins Zentrum Europas auszubauen, um die in
Piräus entladenen Waren zu ihren Kunden weitertransportieren zu können. Für
Belgrad bietet dies neue Chancen - nicht nur im Rahmen der Baumassnahmen,
sondern wegen der eventuell dauerhaften Aufwertung des durch Serbien verlaufenden
Verkehrskorridors. Entsprechend gross ist das Interesse der serbischen
Regierung an dem Milliardenprojekt. Wie
es heisst, hat Brüssel jetzt Ermittlungen gegen das Ausbauprojekt
eingeleitet. [2]
[1] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59641 19. 7. 17
In der Defensive - auszugsweise – [2] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59640 17. 7. 17
Die Grenzen der Diktate - auszugsweise -
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