WTO-Ministerkonferenz: Kein Ausverkauf der heimischen Landwirtschaft 22.10.2017 21:38
Diesen Dezember wird in Buenos Aires die 11. WTO-Ministerkonferenz
stattfinden. Im Fokus werden zum wiederholten Mal Zugeständnisse der Landwirtschaft stehen. Vorteile für die übrige Wirtschaft werden keine erwartet. Vom Bundesrat erhält die Schweizer Verhandlungsdelegation dazu einen Freipass. Die SVP ist deshalb alarmiert, dass die Interessen der Schweizer Landwirtschaft und der Ernährungssicherheit zu wenig berücksichtigt werden könnten und verlangt vom Bundesrat eine Anpassung des Verhandlungsmandats. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats
(APK-N) hat soeben über das Verhandlungsmandat des Bundesrates für die 11.
WTO-Ministerkonferenz diskutiert. Ein zentrales Traktandum wird dabei auch die
Landwirtschaft einnehmen. Konkret geht es unter anderem darum, dass die
Möglichkeiten, die Landwirtschaft zu subventionieren, massiv eingeschränkt werden. Eine heimische produzierende
Landwirtschaft und ein entsprechendes Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern
würden dadurch praktisch verunmöglicht. In seinem Verhandlungsmandat spricht
der Bundesrat der Schweizer Delegation praktisch unbeschränkte Kompetenzen zu.
So soll die Verhandlungsdelegation die Kompetenz erhalten, einem
Arbeitsprogramm bis zur nächsten internen Reform zustimmen zu können. Das würde
sowohl massive Reduktionen von Massnahmen der ›Amber
Box‹ als auch eine Senkung des Grenzschutzes
bedeuten. Die Ausgestaltung des Arbeitsprogramms und der Fristen wären
vollständig in der Hand der Verhandlungsdelegation. Zu erwarten ist jedoch,
dass der Bundesrat nach der Unterzeichnung des Protokolls für die Ratifizierung
innenpolitisch unter starken Druck geraten würde.
Die SVP und ihre Vertreter in der APK haben erreicht,
dass das Verhandlungsmandat in Bezug auf die Landwirtschaft an der nächsten
Sitzung noch einmal diskutiert wird und verlangen vom Bundesrat, dass er
transparent und eindeutig die roten Linien kommuniziert, die die Schweizer
Delegation an der Ministerkonferenz nicht überschreiten darf. Besondere
Berücksichtigung ist dabei dem in der jüngsten Abstimmung von Volk und Ständen
angenommenen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit zu schenken. Die SVP
lehnt alle internationalen Verpflichtungen ab, die die Grundlagen für unsere
heimische landwirtschaftliche Produktion gefährden, die nationale Stellung der
Schweizer Bauern schwächen und eine standortangepasste Lebensmittelproduktion
verunmöglichen. Die SVP verlangt vom Bundesrat ein klares Bekenntnis zur produzierenden
heimischen Landwirtschaft. Notfalls hat er die Verhandlungen abzubrechen.
Leuthardscher Todesstoss gegen die Landwirtschaft Anlässlich ihrer Rede an der OLMA am 12. 10. hatte Bundespräsidentin
Doris Leuthard von der Schweizer Landwirtschaft mehr Biodiversität, eine
Anpassung an den Klimawandel und dann auch gleichzeitig eine Anpassung an die
internationale Marktfähigkeit mittels Abbau des Grenzschutzes verlangt. Im
Klartext bedeutet das den Todesstoss für die Schweizer Landwirtschaft. Etwas
mehr Blumen, von Landschaftsgärtnern in der Schweiz gepflegt, dafür keine produzierenden Betriebe mehr, sondern
Massenimporte von Getreide, Gemüse oder
vor allem von Fleisch - unter anderem
aus Argentinien - ein Land, das Frau
Leuthard neben Peru in ihrem Referat als beispielhaft hervorhebt. Und das soll
ökologisch sein? Der geneigte Zuhörer kann es nicht fassen. Wie widersprüchlich
darf eine Bundespräsidentin dahinplaudern? Dies vor allem drei Wochen nach
einer überaus klaren Annahme eines neuen Verfassungsartikels durch das Volk,
der die Ernährungssicherung zum Hauptzweck hat.
Die OLMA-Eröffnung fand wie jedes Jahr im gewohnten
Rahmen mit einer Ansprache einer Vertretung der Landesregierung statt, dieses
Jahr von Bundespräsidentin Leuthard. Mit ihrer Ansprache hat Frau Leuthard die
Feststimmung des 75. Jahrjubiläums der OLMA arg getrübt. Die von Leuthard
aufgeführten Ansprüche an die Landwirtschaft – mehr Biodiversität, Anpassung an
den Klimawandel und Anpassung an das internationale Marktumfeld – sind schlichtweg
nicht gleichzeitig erfüllbar. Höhere Ansprüche an die Ökologie erhöhen die
Produktionskosten, während der Abbau des Grenzschutzes die Erlöse einbrechen
lässt. Die Schweizer Höfe würden verschwinden: Mit Ausnahme industrieller
Betriebe im Mittellandgürtel und vielleicht einiger Biobetriebe mit
Spezialitäten im Berggebiet. In ihrem Referat zieht Frau Leuthard auch
unverhohlen heran, was zum Beispiel in Argentinien und in Peru betreffend
Landwirtschaft geschieht. Es liegt aber auf der Hand, dass die dortigen
Verhältnisse nicht ganz mit der Schweiz vergleichbar sind. Dass sie dann die
Aufhebung der Milchkontingentierung als Tüpfelchen aufs ›i‹ als Erfolg verkaufen will, muss für die
betroffenen Milchproduzenten, die seither ihre Milch weit unter den
Gestehungskosten verkaufen müssen, wie blanker Hohn tönen. Die Ansage der
Bundespräsidentin ist umso skandalöser,
als sie drei Wochen nachdem 80 % der Schweizer Bevölkerung die
Ernährungssicherung mit in die Verfassung festgeschrieben hat, erfolgt. Dieses
Resultat verlangt eine Sicherung und nicht eine Gefährdung der heimischen
Produktion, von der mehrfachen Ablehnung des Agrarfreihandels durch das
Parlament gar nicht zu reden. Offenbar gilt für die Bundespräsidentin in diesem
Fall: Was interessieren mich Volk und Parlament, ich bin die Präsidentin.
Die Aussagen der Bundespräsidentin müssen die ganze
Landwirtschaft in Alarmstimmung und Opposition bringen, wenn wir unsere intakte
Lebensgrundlage erhalten wollen, von der auch der Tourismus lebt. Hier ist der
ganze ländliche Raum gefordert, insbesondere auch der Schweizerische
Bauernverband, der noch vor drei Wochen auf einen Sieg anstossen konnte. Wenn
er nicht unmissverständlich und rasch reagiert, wird das zu einem Pyrrhussieg.
So erklärte auch der Sekretär von Uniterre, Rudi
Berli, Ende September: »Der gesunde
Menschenverstand sagt uns, dass unsere Nahrung aus einer bäuerlichen
Landwirtschaft kommen muss, welche regional produziert, was regional produziert
werden kann. Das ist die Grundlage der Ernährungssicherheit und -souveränität,
und dies ist auch die Empfehlung des Weltagrarberichts.«
Die SVP wird daher weiterhin für eine produzierende
heimische Landwirtschaft kämpfen.
Prof. Karl
Albrecht Schachtschneider hat die WTO in seiner Analyse Das Welthandelsrecht als rechtsfreier Raum für die Wirtschaft als einen Staat ohne Legitimation bezeichnet.
Hinzu kommt - legt er dar - die grenzenlose Kapitalverkehrsfreiheit, welche seit 1994
gilt. Sie ermöglicht im Verbund mit den Verträgen der Welthandelsordnung den
rücksichtslosen Standortwechsel der Unternehmen in Billiglohnregionen und damit
den Verlust von Arbeitsplätzen und des erwirtschafteten Kapitals, das woanders
investiert wird.
Die
Vereinigten Staaten bestimmen in der WTO die Spielregeln, fordern weltweit den
Abbau aller Zollschranken und Handelshemmnisse, um den eigenen Multis den
Zugriff auf alle Volkswirtschaften zu ermöglichen, während Washington nach
eigenem Bedarf Strafzölle auf Importe verhängt. Sie zwingen andere Länder, die
US-Exporte von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Hormonfleisch zu
kaufen und nehmen für sich Rechte in Anspruch, für die sie andere Staaten
militärisch angreifen würden. Wenn US-Wirtschaftsinteressen auf dem Spiel
stehen, wird militärisch ›interveniert‹ und man erwartet dabei die Gefolgschaft
der Staatengemeinschaft im ›Krieg
gegen den Terrorismus‹, und wer da
nicht mitmacht, wird leicht selbst zum Ziel amerikanischer Anschuldigungen. [1]
[1] Inter Info Linz Folge 286
September 2002
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