Jerusalem: Trump und Liberman fördern Konflikt - Von Wolfgang Effenberger

Am 6. Dezember 2017 bezeichnete US-Präsident Trump Jerusalem offiziell

als Hauptstadt Israels und erkannte damit den Beschluß der Knesset vom 30. Juli 1980 an, Jerusalem zur ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels zu erklären. Das US-Außenministerium wurde angewiesen, mit dem Umzug der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen. Damit überschritt Trump für viele Araber eine rote Linie. 

Aber auch Trumps Vorgänger – Bill Clinton (30. 6. 1992), George W. Bush (22. 5. 2000) und Barack Obama (4. 6.2008) – hatten das Jerusalemgesetz der Knesset unterstützt. 1995 verabschiedete der US-Kongreß sogar den Jerusalem Embassy Act und forderte die Regierung auf, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und anzuerkennen, daß Jerusalem Israels Hauptstadt ist.  [1]   

Wie zu erwarten, flammten nach Trumps Ankündigung in den Palästinensergebieten Unruhen auf. Vom Gazastreifen wurden Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert – die Reaktion Israels folgte auf dem Fuße. Weltweit protestierten Muslime. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta demonstrierten am 10. Dezember Tausende von Menschen vor der US-Botschaft. In der libanesischen Hauptstadt Beirut kam es zu Ausschreitungen, und vor dem Brandenburger Tor wurde die Flagge Israels - ein zentral angeordneter blauer Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund, die anläßlich des zionistischen Weltkongresses 1897 in Basel entworfen worden war, verbrannt. 

Und fast bis ins 19. Jahrhundert gehen auch die Ursachen für den nicht enden wollenden Konflikt zurück! 1907 hatte der britische Premier Campbell-Bannerman ein Komitee aus Vertretern arrivierter europäischer Kolonialmächte - Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland, Portugal, Spanien und Italien  (ohne Deutschland und Rußland!)  einberufen, um die Kontinuität der Kolonialpolitik der europäischen Mitgliedsstaaten auf Dauer zu gewährleisten. Die Mitglieder des Komitees waren Fachleute auf den Gebieten Geschichte, Geographie und Wirtschaft. Ihr Bericht  - der sogenannte Campbell Bannerman Report -  kommt zu dem Schluß, daß die arabischen Länder und die muslimisch-arabische Bevölkerung eine massive Bedrohung für die europäischen Staaten darstellen. Daher müsse ihre Vereinigung unter allen Umständen verhindert werden, und zwar mit folgenden Maßnahmen:

1.  Förderung von Desintegration, Teilung und Trennung in der Region

2.  Schaffung politischer Einheiten, die den imperialistischen Ländern unterstehen

3.  Bekämpfung von Einheit  - ob intellektuell, religiös oder historisch -  und praktische Maßnahmen zur Spaltung der Bewohner der Region 

4.  Um dies zu erreichen, wurde vorgeschlagen, in Palästina einen Pufferstaat einzurichten, der von einer starken, ausländischen Präsenz besiedelt wird, die gegenüber ihren Nachbarn feindlich gesinnt und den europäischen Ländern und ihren Interessen gegenüber freundlich eingestellt ist.

Am Ende des Berichts heißt es: daß ein Fremdkörper in das Herz dieser Nation gepflanzt werden muß, um die Vereinigung ihrer Flügel zu verhindern und zwar auf eine solche Weise, daß ihre Kräfte sich in niemals endenden Kriegen erschöpfen werden.  [2]

Ein weiterer Pfahl im Fleisch der Araber ist das Sykes-Picot-AbkommenMitte Mai 1916 hatten die Regierungen von Großbritannien und Frankreich ihre gemeinsamen kolonialen Ziele in Nahost im geheimen Sykes-Picot-Abkommen festgelegt. Ohne Rücksicht auf ethnische und kulturelle Strukturen wurden Grenzen gezogen und Einflußsphären aufgeteilt. Großbritannien erhielt das heutige Jordanien, den Irak und Teile Palästinas.

Das war das Aus für die bisher funktionierenden Konfliktsicherungsmechanismen der Osmanen und dem Frieden im Nahen Osten, und für die meisten Araber liegt hier die Wurzel allen Übels. Sie glaubten damals den Versprechungen der Briten und zogen nur 3 Wochen nach dem Abkommen mit Lawrence von Arabien in die Schlacht gegen die Türken, in der Hoffnung auf einen eigenen Staat.

Doch am 2. November 1917 verfaßte der britische Außenminister Lord Balfour eine Sympathie-Erklärung an Lord Lionel Walter Rothschild, den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Die Regierung seiner Majestät, hieß es darin, betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen. Man werde größte Anstrengungen  unternehmen, um die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern. Die Briten hatten somit Palästina sowohl den Arabern als auch den Zionisten versprochen, die es schließlich erhielten, obwohl die Bevölkerung dort in der Hauptsache arabischen Ursprungs war.  

Nach wie vor entzweit diese 100 Jahre alte Balfour-Deklaration Israelis und Palästinenser. Im Streit um Jerusalem hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Israel als terroristischen Staat attackiert, der Kinder tötet.  [4] Palästina sei ein unschuldiges Opfer. Er werde mit allen Mitteln gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die USA kämpfen.

Da kann er sogar auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hoffen. Sie hat sich von der Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA distanziert. »Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer 2-Staaten-Lösung auszuhandeln ist.«  [5]

Nachdem sich die Hoffnung des israelischen Verteidigungsministers Avigdor Liberman, daß »sich alles beruhigt und wir zum normalen Leben zurückkehren“  (wo gibt es im Nahost ein normales Leben?), nicht erfüllt hat, forderte er nun einen Boykott der Geschäfte in Orten, deren Bewohner demonstriert haben. »Ich rufe die Bürger des Staates Israel dazu auf, dort nicht mehr einzukaufen, keine Dienstleistungen mehr in Anspruch zu nehmen - Wadi Ara einfach zu boykottieren.«   [6]

Die Ankündigung Trumps und die unversöhnliche Botschaft Libermans sorgen nun dafür, daß die Forderungen aus dem Campbell-Bannerman Report von 1907 weiter am Leben gehalten werden - doch für welche Interessen? Hat Trumps Ankündigung etwa damit zu tun, daß sich vor einiger Zeit die Hamas und die Fatah wieder versöhnt haben? Oder daß Trump mit Prinz Mohamed bin Salman ein Bündnis zur Vernichtung der Schiitenmilizen geschlossen hat?  

Die einzige Konstante seit 110 Jahren scheint der Forderungskatalog aus dem Campbell-Bannerman Report zu sein. Unter den Feindseligkeiten und der Besatzung von Palästinensergebieten leiden alle Menschen aus dieser Region! Einen Ausweg wird es nur geben, wenn die Menschen die Zusammenhänge erkennen können und sich die Einsicht durchsetzt, daß das Recht auf Frieden, Unversehrtheit und Gleichbehandlung vor dem Gesetz für alle gelten muß. Das würde aber von Israel die Abkehr von seiner nationalistisch-religiösen Eretz Israel Politik bedeuten. Sie ist weder zeitgemäß, noch dient sie den Menschen.

Für den dynamischen Avi Gabbay, israelischer Oppositionspolitiker und Vorsitzender der Arbeitspartei (Awoda), ist das höchste Gut nicht die Einheit Jerusalems. Er glaubt an die Lösung des israelisch-palästinensische Konflikts und will einen Frieden mit den Palästinensern. Dazu ist er bereit, auch heiße Eisen wie Jerusalem anfassen. Er erklärte sogar bereits, daß er befürworte, einige arabische Bezirke der Stadt an die Palästinensische Autonomiebehörde zu übergeben.  [7]   Da kann man ihm nur Erfolg wünschen!  

Denn das höchste Gut sind Menschenleben und Menschenrechte. Und dies für alle, ob Juden, Moslems oder Christen.

 

[1]  http://www.ad-hoc-news.de/politik/washington-us-praesident-donald-trump-hat-jerusalem-am-mittwoch-als/55590569

[2]  Dan Bar-On/Sami Adwan et al: Das historische Narrativ des Anderen kennen lernen. Palästinenser und Israelis - März 2003, S. 10

[3] http://www.fr.de/politik/israel-balfour-brief-ohne-gutes-ende-a-1378911

[4]  http://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-erdoan-bezeichnet-israel-als-terroristischen-staat-1.3785749
Erdogan bezeichnet Israel als terroristischen Staat

[5]  Schrieb am 6. Dezember 2017 Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen der Kanzlerin bei Twitter: 
https://www.welt.de/politik/ausland/article171348052/Merkel-Die-Bundesregierung-unterstuetzt-diese-Haltung-nicht.html

[6]  http://www.handelsblatt.com/politik/international/jerusalem-entscheidung-wut-der-muslime-auf-trump-kocht-weiter/20692718.html

[7] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/29097