Der Doppelmordversuch von Salisbury

d.a. Nach all den marktschreierischen Meldungen zu dem Anschlag auf

Skripal, die sich unmittelbar danach in ihrer Mehrheit dadurch auszeichneten, dass sie diesen Russland resp. Putin anlasteten, sind den Darlegungen, wie sie dem folgenden Bericht von German Foreign Policy zu entnehmen sind, im Gegensatz hierzu eine ausnehmende Sachlichkeit zuzubilligen: 

Mit Rückendeckung aus Berlin hat Großbritannien 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen und weitere Maßnahmen gegen Moskau in Aussicht gestellt. Offizieller Anlaß ist der Doppelmordversuch von Salisbury; zwei Opfer eines Giftanschlags kämpfen dort weiterhin um ihr Leben. Zahlreiche Unklarheiten prägen den Fall; dazu zählt, daß bereits 1995 ein Mord mit dem Nervengift Nowitschok begangen wurde - nicht von staatlichen Stellen, sondern im Umfeld des russischen Oligarchenmilieus. Wie Scotland Yard erklärt, ist eine Lösung des Falls nicht in Sicht und kann noch viele Wochen dauern. Obwohl also belastbare Erkenntnisse nicht vorliegen, hat auch Bundeskanzlerin Merkel ein gemeinsames Vorgehen des Westens gegen Rußland gefordert. Tatsächlicher Hintergrund ist, daß Moskau, wie eine deutsche Außenpolitikexpertin konstatiert, als Akteur zurück auf der Weltbühne ist. Dagegen richte sich die jüngste westliche Aggression.

Ungereimtheiten  
Im Fall der Vergiftung des Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julja in Salisbury nehmen die Unklarheiten zur Zeit eher zu als ab. Laut britischen Angaben ist der Mordversuch mit dem Nervengift Nowitschok, das einst in der Sowjetunion entwickelt worden ist, begangen worden. Rußland dringt weiterhin darauf, endlich Zugang zu der polizeilichen Untersuchung des Falles bzw. zu dem Gift zu erhalten, um selbst Nachforschungen anstellen zu können. Außenminister Sergej Lawrow begründet dies mit Vorschriften der internationalen Chemiewaffenkonvention, aber auch damit, daß Skripals Tochter eine Bürgerin von Rußland ist. Moskaus Forderung kann sich auch darauf stützen, daß  westliche Experten über die sich in diesem Fall ergebenden Ungereimtheiten öffentlich diskutieren; so weist Gwyn Winfield, ein Publizist, der sich unter anderem auf Chemiewaffen spezialisiert hat, darauf hin, daß Symptome, wie sie Skripal laut Berichten zeigt, den gängigen Kenntnissen über die Wirkung von Nowitschok nicht entsprechen. Man müsse demnach womöglich von der Nutzung eines eigentümlichen Giftcocktails ausgehen. International sprechen selbst Kommentatoren von Medien, die über die russische Politik gewöhnlich ablehnend berichten, von Zweifeln, daß russische Dienste - zumal kurz vor den Wahlen und der prestigeträchtigen Fußball-WM - im Ausland ausgerechnet ein Gift einsetzen würden, das sich unweigerlich als Spur nach Moskau interpretieren ließe. Beobachter weisen nicht zuletzt darauf hin, daß es eine der ungeschriebenen Regeln im Spionagemetier sei, daß ausgetauschte Agenten wie Skripal Immunität genießen; ein Staat, der sich nicht strikt daran halte, beraube sich für die Zukunft der Möglichkeit, inhaftierte Spione per Austausch zurückzuholen. Dies entspreche nicht der bisherigen russischen Politik.

Der erste Nowitschok-Mord
Hinzu kommt, daß die angeblich exklusive Verfügung des russischen Staates über das Gift Nowitschok nicht gegeben ist. So berichtet Séamus Martin, einstmals Rußland-Korrespondent der Irish Times, ihm gegenüber habe ein renommierter Fachmann des International Peace Research Institute SIPRI in Stockholm bereits im Herbst 1993 auf die Gefahr hingewiesen, daß in der damaligen Lage - der russische Staat war dem Kollaps nahe - Gifte wie Nowitschok in den Besitz krimineller Banden gelangt sein könnten. Der SIPRI-Experte habe verlangt, Moskau schnellstmöglich beim Versuch, seine Kontrolle über die Bestände zu sichern, finanziell zu unterstützen. Die Unterstützung blieb aus. Tatsächlich wurde in Rußland schon 1995 ein Mord mit Nowitschok verübt: Ein Bankier und seine Sekretärin wurden im Auftrag eines Geschäftspartners mit dem Nervenkampfstoff umgebracht. Der Mörder hatte es bei einem Mitarbeiter des Instituts, das Nowitschok entwickelt hatte, gekauft. Dies weist ins Milieu russischer Oligarchen, von denen viele, die mit der russischen Regierung im Streit liegen, nach London ausgewandert sind. Zudem treffe es nicht zu, daß nur Rußland Nowitschok produzierte: Im August 1999 begannen US-Experten mit dem Abbau einer Chemiewaffenfabrik in Usbekistan, in der das Gift hergestellt wurde. Abgesehen davon hat der Nowitschok-Erfinder Vil Mirzayanov mehrfach darauf hingewiesen, daß die Chemikalie einfach zu produzieren sei: Man könne sie aus handelsüblichen Düngemitteln und Pestiziden mixen. Mirzayanov floh in den 1990er Jahren in die Vereinigten Staaten und packte dort seine Kenntnisse über Nowitschok aus.

Keine Hinweise auf Verdächtige‹  
Mit Blick auf die zahlreichen Unklarheiten in dem Fall haben die britischen Polizeibehörden eine womöglich lang andauernde Fortsetzung ihrer Untersuchung angekündigt. Es sei eine mühsame Operation, alle zu identifizieren, die in Zusammenhang mit dem versuchten Giftmord stehen könnten, äußerte ein Polizeisprecher am 13. März. Die Untersuchung könne eventuell sogar viele Wochen dauern; man wisse noch nicht einmal, auf welche Weise den Opfern das Gift verabreicht worden sei. Gegenwärtig könne man keinerlei Hinweise auf Verdächtige geben.

Ausweisungen und der Bündnisfall 
Das hat die britische Regierung nicht daran gehindert, ihre Polizei offen zu brüskieren und sich auf die Täterschaft des russischen Staates festzulegen: Es gebe keinen anderen Schluß als den, daß dieser die Schuld an dem Mordversuch trage, behauptete Premierministerin Theresa May am 14. 3. Bereits am 13. März hatten Merkel und May gemeinsam erklärt, man müsse jetzt geschlossen gegen Rußland vorgehen; Beweise für die angebliche russische Täterschaft vorzulegen hielt auch die Bundesregierung für überflüssig. May forderte am 14. März 23 der 58 in Großbritannien akkreditierten russischen Diplomaten auf, binnen 7 Tagen das Land zu verlassen; die Quote von 40 % gilt als ungewöhnlich hoch. Hinzu kommen weitere Maßnahmen wie die Ausweitung der Kontrollen russischer Privatflieger und die Einstellung aller hochrangigen bilateralen Beziehungen. Indem May den Mordversuch freihändig als ungesetzliche Gewalthandlung des russischen Staates eingestuft hat, kommt sogar eine Berufung auf Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, mithin die Ausrufung des Bündnisfalls, in Betracht.

Auf der Weltbühne zurück 
Tatsächlicher Auslöser für die von Deutschland und anderen westlichen Staaten im Grundsatz mitgetragene Aggression ist nicht der Mordversuch von Salisbury; wäre er es, hätte London der Aufklärung des Falles Vorrang gegeben. Hintergrund ist vielmehr der Machtkampf des Westens gegen Rußland. Moskau sei als Akteur auf der Weltbühne zurück, hat Liana Fix, Programmleiterin für Internationale Politik der einflußreichen Hamburger Körber- Stiftung mit Blick auf die russischen Aktivitäten in Syrien, Nordafrika, Afghanistan und weiteren Staaten vor kurzem geäußert: 2018 ist das Jahr, in dem sich Rußland endgültig als globaler Player etabliert haben wird. Dabei trete Moskau gegenüber Europa und den USA ... mit neuem Selbstbewußtsein auf: Dies sei eine geopolitische Realität. Die westlichen Aggressionen seit 2014 sind der im Wesentlichen erfolglose Versuch, Rußland in die Schranken zu weisen. 

Mittlerweile genügt ein ungeklärter Mordversuch mit unbewiesenem Rußland-Bezug, um im Machtkampf gegen Moskau die nächste Runde der Aggressionen einzuleiten. Dabei wird der globale Machtkampf von innerwestlichen Rivalitäten begleitet. Indem es den NATO-Bündnisfall in den Blick nimmt, strebt London auch eine Führungsrolle unter den NATO-Staaten Europas an. Damit beißt es allerdings in Berlin auf Granit. Tatsächlich wurde in London zunächst diskutiert, nicht nur russische Diplomaten des Landes zu verweisen, sondern auch neue Wirtschaftssanktionen zu verhängen und zur Vergeltung womöglich sogar noch einen Cyberangriff auf Rußland zu starten. Der innerwestliche Machtkampf verkompliziert die eskalierende Lage noch mehr - und erhöht die Kriegsgefahr.«    [1]


Anmerkung politonline  

Wie Igor Nikulin, ein vormaliges Mitglied der UNO-Kommission für Bio- und Chemiewaffen sputniknews gegenüber ausführte  [2], »hat Russland das Nervengift Nowitschok auf seinem Territorium niemals produziert«, dies immerhin im Gegensatz zu obiger Feststellung von GFP, laut der »es nicht zutreffe, daß nur Rußland Nowitschok produzierte«.  

Ob überhaupt resp. unter welchen Umständen womöglich doch eine Produktion des Nervengifts in Rußland erfolgte, wird sich vermutlich nie mehr konkret nachweisen lassen. Um dieses Gift geht es auch in einem Artikel der New York Times vom 25. Mai 1999  [3], in dem sich diese auf Worte des bereits genannten sowjetischen Erfinders und Überläufers Vil Mirzayanov beruft; gemäss der NYT wurde »das Gas Ende der 1980er Jahre entwickelt. Es ist ein binärer Kampfstoff und besteht aus zwei Komponenten, die, voneinander getrennt, ungefährlich sind.« Wie Nikulin seinerseits hierzu festhält, »verwandeln sich diese, sobald sie in Reaktion treten, in ein tödliches Gas«; der Militärexperte spricht für diese im Jahr 1991 gemachte Entdeckung von zwei Erfindern, die dafür eine Staatsauszeichnung erhielten. »Danach floh einer derselben, nämlich Vil Mirzayanov, nach Amerika.«  

»Das Gas«, so Nikulin ferner, »sei in der Stadt Nukus in Usbekistan hergestellt worden. 1992 sei das Unternehmen unter der Kontrolle der Amerikaner demontiert worden. Demnach würde die USA über Proben dieses Stoffes verfügen. Im Fall der Nutzung von Nowitschok würde ich nach keiner russischen Spur suchen, sondern nach einer usbekischen, oder besser, nach einer US-amerikanischen. Das wird näher an der Wahrheit sein.« Dabei betonte er, dass dieses Nervengift niemals im Dienst der russischen Armee verwendet worden sei. Was die Produktion des Gases auf dem Territorium von Usbekistan betrifft, so zitiert die NYT ihrerseits Aussagen Mirzayanovs. Wie daraus hervorgeht, »hatten sich die USA und die Regierung von Islam Karimow auf eine Dekontaminierung und den Abbau des sowjetischen Forschungs- und Testgeländes in der Stadt Nukus geeinigt. Demnach sollen die Amerikaner den Zugang zu den Anlagen, die in Usbekistan von 1986 an für alle Wissenschaftler außer für sowjetische gesperrt gewesen seien, 1992 bekommen haben. Alarmiert durch die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen der sowjetischen Aktivitäten zur Produktion und großangelegter Erprobung illegaler chemischer und keimtötender Waffen in Usbekistan, verzichtete Präsident Karimow auf Massenvernichtungswaffen.« »Seitdem«, so die NYTferner, »arbeitete seine Regierung eng mit amerikanischen Verteidigungsbeamten zusammen und gewährte ihnen den Zugang zu den Lokalitäten.«  

John Laughland zu einer Stellungnahme von Craig Murray
Laughlands Ausführungen sind mit dem Titel versehen: »Blaming Russia for Skripal attack is similar to Jews poisoning our wells in the Middle Ages - Russland die Schuld an dem Anschlag auf Skripal zuzuweisen, ähnelt der im Mittelalter vorgebrachten Behauptung, die Juden hätten unsere Brunnen vergiftet.«  Es gibt keinen Beweis dafür, schreibt der Historiker und Politwissenschaftler Laughland, seit 2008 Studiendirektor des Institute of Democracy and  Cooperation in Paris und Autor mehrerer Bücher, dass Russland im Fall der Vergiftung von Skripal eine Schuld trifft. Das Ganze erinnert an frühere Verdächtigungen, die sich entweder als unbewiesen oder als falsch herausstellten. Laughland gratuliert Craig Murray, der der erste war, dies anzusprechen. Murray, vormals schillernder Botschafter Grossbritanniens in Usbekistan, wendete sich, als ihn das Aussenministerium 2004 entliess, vom Establishment ab. Auf seinem Blog hat er wichtige Stellungnahmen massgebender Wissenschaftler veröffentlicht, die die Inkriminierung Russlands von Seiten der britischen Regierung hinsichtlich Sergei Skripals schwer in Zweifel ziehen. Murray hat mit letzteren zusammen Texte ausgegraben, die aus den Jahren 2016, 2013 and 1995 stammen und von einem Wissenschaftler in Porton Down in Wiltshire, die geheime Einrichtung für chemische Waffen des britischen Militärs, herrühren. Porton Down ist 20 Minuten von Salisbury entfernt, wo Skripal vorgefunden wurde. Wie des weiteren dargelegt wird, hat die Regierung in London in ihrem Streit mit Moskau nicht nur das UNO-Abkommen zum Verbot von Chemiewaffen von 1997 übergangen, sondern auch die Aussagen von Vil Mirzayanov zu Nowitschok, das nun angeblich benutzt worden ist, um Skripal zu vergiften.  [4]

Der Bürgerrechtsbewegung Solidarität zufolge hat Murray darüber hinaus  erklärt, »es handle sich seiner Ansicht nach um den gleichen Versuch wie vor dem Irakkrieg: Eine Lüge zu erfinden, damals das Massenvernichtungswaffen-Dossier, wobei dieses Mal Putin persönlich für den Giftgasanschlag verantwortlich gemacht werden solle. Ferner, »daß sich Grossbritannien geweigert habe«  - was ja auch die Tagespresse so berichtet -  »Proben des angeblich verwendeten Nervengases, dessen Existenz im übrigen bislang sowohl von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, eine unabhängige internationale Organisation, die durch die Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention begründet wurde, als auch von Porton Down angezweifelt worden sei, zu übergeben.«  [5]

Im weiteren Verlauf hat Moskau seinerseits angeordnet, dass 23 britische Diplomaten das Land verlassen müssen. Zudem verbietet Moskau den Betrieb des britischen Generalkonsulats in St. Petersburg und des Kulturinstituts British Council im Land. Moskau pocht bei der Aufklärung des Skripal-Falls auf eine eigene Untersuchung durch russische Ermittler und verlangt, wie bereits vermerkt, Zugang zu Proben und den Opfern. Aus russischer Sicht gibt es nicht genügend Beweise, um eine Beteiligung Moskaus festzustellen. »Die westliche Propaganda wird leider immer primitiver und unverschämter«, sagte Außenminister Sergej Lawrow einer Mitteilung seines Ministeriums zufolge.  [6]

Nach dem Mord an dem russischen Kremlkritiker und Geschäftsmann Nikolai Gluschkow hat die Polizei in Grossbritannien jetzt eine Reihe von Exil-Russen kontaktiert; ihnen wurde zu Vorsicht geraten. Damit hätten die Sicherheitsbehörden ihre bisherige Einschätzung vom geringen Risiko für Exil-Russen im Land geändert, so BBC in der Nacht zum 17. 3. Allerdings gebe es weiterhin keinen Zusammenhang mit dem Tod Gluschkows und der Giftattacke auf Skripal und dessen Tochter.

Kommentare   
Zunächst ein solcher von Klaus-Dieter Frankenberger in der FAZ online, den ich mir erlaube, als besonders hässlich und irregeleitet zu bezeichnen:  

»Gemeinsam«, schreibt er u.a. »haben die Staats- und Regierungschefs der führenden Mächte des Westens, der Vereinigten Staaten, Deutschlands, Frankreichs und Britanniens, Rußland für diesen Angriff verantwortlich gemacht. Daß die gemeinsame Reaktion der Vier so scharf ausgefallen ist, liegt zum einen an der Tat selbst: Der Einsatz eines militärischen Nervenkampfstoffs eines Typs, wie er von Rußland entwickelt wurde, stellte die erste offensive Anwendung eines solchen Nervengifts in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dar.Das ist beispiellos.« Bezüglich des beispiellos kann man Frankenberger nur recht  geben: Denn es ist beispiellos, die Anwendung von Nowitschok als Fakt darzustellen, ohne den geringsten Beweis dafür antreten zu müssen. Und natürlich gilt es, nur die russische Reaktion anzuprangern, »denn aus ihr sprechen Sarkasmus, Häme, Leugnen, Zynismus. All das hat Moskau auch bei anderer Gelegenheit an den Tag gelegt.« Die weiteren Ausführungen kann man sich ersparen, sie gleichen der üblichen primitiven Hetze, wie sie Russland seit langem vom Westen zu ertragen hat.   [7]

Auch sonst scheinen dem Fabulieren offensichtlich kaum Grenzen gesetzt zu sein: Unter dem Titel Britisch-russische Krise: Ein Angriff auf den ganzen Westen lässt uns Peter Sturm, ebenfalls in der FAZ online, wissen: »Die Tat geschah in Großbritannien. Gemeint aber waren alle im Westen.« Dies, obwohl das Motiv für die Tat, die durchaus rein privater Natur und daher ein Racheakt sein kann, noch gar nicht eruiert ist……   »Und da es sich bei dem Anschlag von Salisbury um den, wie die NATO festgestellt hat, ersten offensiven Einsatz von Nervengift in der Geschichte des Bündnisses handelt, ist auch klar, daß es nicht bei papiernen Protesten bleiben kann.« Nun habe ich nirgendwo gelesen, dass die NATO die Attacke als einen offensiven Einsatz von Nervengift kundgetan hätte, es war lediglich die Rede davon, dass, wie GFP schreibt, eine Berufung auf Artikel 5  des Nordatlantikpakts, mithin die Ausrufung des Bündnisfalls, in Betracht käme, da May den Mordversuch freihändig als ungesetzliche Gewalthandlung des russischen Staates eingestuft hat, ohne Beweise.  

Was also wünscht sich hier Herr Sturm? Etwa einen Krieg, der uns dem entfesselten Wahnsinn preisgäbe, oder die Verschärfung von Sanktionen gegen Russland, die ohnedies die EU weitaus mehr als Russland selbst treffen. Danach fällt Sturm dem uns von der Presse so oft gebotenen Röntgenblick anheim: »Dinge wie in Salisbury können jederzeit überall passieren.« Und schon treten, wie erwartet, die Sanktionen ins Spiel. »Über die wahrscheinlich wirkungsvollste Sanktion wird einstweilen nur verhalten gesprochen. Wieso eigentlich sollten in drei Monaten Fußballspieler aus England, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern die Kulisse für das Spektakel Weltmeisterschaft abgeben? Ein Boykott wäre für den prestigebewußten Wladimir Putin die schwerste denkbare, aber hochverdiente Strafe.«  [8]

Wie tief muss eigentlich die Häme in Journalisten verankert sein, um sich mit derart infantilen Vorschlägen der Lächerlichkeit preiszugeben…..

Während China und Russland wirtschaftlich erstarken, steht die transatlantische Welt vor der nächsten Finanzkrise. Unter Bezugnahme auf den Fall Skripal und Theresa Mays Behauptung, Russland sei dafür verantwortlich, meint Helga Zepp-LaRouche von der Bürgerrechtsbewegung Solidarität: »Tatsächlich könnte der Mordversuch in Wirklichkeit ein schmutziger Trick der britischen Geheimdienste sein, um Rußland dadurch zu diskreditieren. Dieser Vorfall sähe nach der Erfindung eines weiteren Litwinenko-Falles aus, als Vorwand für eine weitere anti-russische Eskalation.« Marcello Ferrada de Noli, Gründer des von Schwedischen Ärzten für Menschenrechte herausgegebenen Magazins Indicter, »bezeichnete die Anschuldigung, Rußland habe einen früheren Spion, der nicht länger eine Gefahr für Rußlands Sicherheit darstellt, in Großbritannien mit einer aufsehenerregenden Aktion beseitigen wollen, als absurd. Auch de Noli erklärt zu Nowitschok, »daß dieses ursprünglich nicht in Rußland, sondern in Usbekistan produziert worden sei. Nach 1991 habe Usbekistan mit der USA bei der Reinigung der Labors zusammengearbeitet. Es sei nicht auszuschließen, daß das Nervengas aus Usbekistan herausgeschmuggelt worden sei.« Laut dem früheren Direktor des Russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) »sieht es so aus, als seien britische Geheimdienste darin verwickelt. Überläufer stehen unter einer totalen Überwachung... Die Geheimdienste verfolgen sie, sie wissen, wo sie sind und kennen ihre Termine. Und dann gibt es solche eigenartigen Ereignisse [eine Serie von Mordanschlägen] hintereinander…..«  [5]

Wenigstens hat Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, am 15. 3. »vor einer Vorverurteilung gewarnt und mit Blick auf die Vorwürfe gegen Rußland zu Augenmaß aufgefordert. Ich glaube, wir müssen die Fakten von den Vermutungen trennen. Denkbar sei, daß versprengte russische Ex-Geheimdienstler hier aktiv geworden seien. Das macht die Sache auch nicht schöner.« Da Russland die Vorwürfe zurückgewiesen hat, meint Ischinger sehr richtig: »Die Briten sollten der Sache erst auf den Grund gehen, und dann werden wir darüber diskutieren.«  [9]

Bekanntlich hat Aussenminister Boris Johnson am 16. 3. erklärt, dass es »äußerst wahrscheinlich sei, daß es seine  [Putins]  Entscheidung war«, den Nervengas-Einsatz auf Strassen des Vereinigten Königreichs anzuordnen. Man habe nichts gegen die Russen an sich, sagte er, man streite aber mit dem Kreml und mit Putin.  [10]

Die Antwort Putins ist eindeutig: »Jegliche Anschuldigungen gegen Rußland zu der Vergiftung des Ex-Agenten seien absolut unbegründet und in ihrer Logik absolut nicht nachzuvollziehen: Ich denke, daß jeder vernünftige Mensch versteht, daß das völliger Quatsch, Unsinn, Nonsense ist, daß sich jemand in Rußland am Vorabend der Präsidentschaftswahlen und der Fußball-Weltmeisterschaft solche Aktionen erlauben könnte. Das ist undenkbar.«, so Putin diesen Sonntag.  [11]  

»
Seit Tony Blair«, erklärt Willy Wimmer, »wissen wir auf dem Kontinent, daß Lügen an der Themse zum Standard-Repertoire gehören, wenn es um den nächsten Krieg geht, bei dem britische Generale deutsche Soldaten befehligen können. Wenn die britische und andere Regierungen in der NATO oder der EU die europäischen Bürger seit dem verbrecherischen Krieg gegen Jugoslawien - und damit seit gut zwanzig Jahren - nicht so gnadenlos von einem Krieg in den nächsten gelogen haben würden, könnte man den Anschuldigungen von Theresa Bond in London gegen ein anderes Land noch etwas abgewinnen. Die Glaubwürdigkeit haben die NATO-Regierungen jedoch dauerhaft verspielt und die verheerende Erkenntnis für uns alle in der NATO und in EU-Europa ist die Tatsache, daß dies unseren Regierungen auch gleichgültig ist. Sie haben die Macht zum organisierten Krieg in der Hand und nutzen diese Macht auf Befehl - von wem auch immer.«  [12]

Die EU wird sich nun bei ihrem Gipfel in der kommenden Woche hinsichtlich des Giftanschlags auf Skripal klar positionieren. Dies kündigte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitagabend, 17. März, an. Er teilte über Twitter mit, er habe mit Premierministerin May ein Telefonat geführt, um eine klare Botschaft der EU zu der Attacke von Salisbury, die am Donnerstagabend, 22. 3., auf der Tagesordnung stehen wird, vorzubereiten.  

Jedenfalls darf man gespannt sein, was Brüssel ausbrüten wird….

 

 

[1]  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7563/
15. 3. 16  Auf dem Weg in den Weltkrieg   - auszugsweise –  
[2]  https://de.sputniknews.com/politik/20180315319934863-skripal-usa-usbekistan-gas-herkunft-russland-spion/  15.
3. 18
[3] 
https://mobile.nytimes.com/1999/05/25/world/us-and-uzbeks-agree-on-chemical-arms-plant-cleanup.html?referer=  May 25, 1999 
The New York Times - U.S. and Uzbeks Agree on Chemical Arms Plant Cleanup   By Judith Miller  
[4] 
https://www.rt.com/op-ed/421434-skripal-poisoning-russia-uk/
15. 3. 18  Blaming Russia for Skripal attack is similar to
Jews poisoning our wells in Middle Ages  
[5]  http://www.bueso.de/der-fall-skripal-was-verbirgt-london  17. 3. 18    
Der Fall Skripal: Was verbirgt London?  
[6] 
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/skripal-affaere-russland-weist-britische-diplomaten-aus-15499648.html   17. 3. 18 
[7]  http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kommentar-zur-krise-mit-moskau-russisches-muster-15496014.html  15. 3. 18  Streit mit Moskau : Russisches Muster – Klaus-Dieter Frankenberger  
[8]  http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russlands-krise-mit-grossbritannien-angriff-auf-den-westen-15494571.html   15. 3. 18 
Ein Angriff auf den ganzen Westen – Von Peter Sturm
[9]  http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ursula-von-der-leyen-russland-muss-gift-anschlag-aufklaeren-15495292.html   15. 3. 18  
[10]  https://www.focus.de/politik/ausland/fall-skripal-im-news-ticker-krise-um-gift-attacke-weitet-sich-aus-moskau-weist-23-britische-diplomaten-aus_id_8627542.html   17. 3. 18
[11]  https://de.sputniknews.com/politik/20180318319977665-putin-kommentiert-nowitschok-vorwuerfe-westen/   18. 3. 18
[12]  https://www.cashkurs.com/wirtschaftsfacts/beitrag/themse-luegner/
15. 3. 18   Themse-Lügner  -  Willy Wimmer