Die Schlacht um Huawei 20.01.2019 19:49
Unter heftigem Protest der Wirtschaft, schreibt »German Foreign Policy«,
bereitet
die Bundesregierung den Ausschluß des chinesischen Huawei-Konzerns vom Aufbau
des 5G-Netzes in Deutschland vor. Wie es in einem Medienbericht heißt, soll die
Ausschreibung für 5G so formuliert werden, dass Huawei sich nicht bewerben
kann. Grundlage sind Spionagevorwürfe von US-Geheimdiensten, für die bislang
weltweit kein einziger Beleg vorgelegt worden ist. Die Trump-Administration
sucht den US-Markt gegen den Konzern und weitere chinesische
High-Tech-Unternehmen abzuschotten, um sie in den Ruin zu treiben. Von ihren
Verbündeten verlangt sie, sich anzuschließen. Mitte Dezember hat eine
US-Delegation im Auswärtigen Amt diesbezüglich Druck gemacht. Die Aggression
soll Chinas Aufstieg stoppen. Protest kommt aus der Industrie: Huawei gilt als
führend bei 5G; ein funktionierendes 5G-Netz wiederum wird zwingend benötigt,
um die modernsten Zukunftstechnologien anwenden zu können. Manager warnen, ein
Ausschluß von Huawei sei mit höheren Kosten und einem schmerzlichen Rückstand
bei 5G verbunden.
Embargopläne Die
Vereinigten Staaten starten ihre nächste Offensive im Kampf gegen Huawei. Am 16.
Januar hat eine überparteiliche Gruppe von Kongreßabgeordneten ein Gesetz auf
den Weg gebracht, das die Ausfuhr von US-Komponenten an chinesische Unternehmen
aus der Telekommunikationsbranche verbieten soll, sofern diesen Verstöße gegen
US-Sanktionen vorgeworfen werden. Das Gesetz zielt vor allem auf ein Embargo
gegen Huawei und den ebenfalls chinesischen Konzern ZTE. Beide Unternehmen
stellten ›ein signifikantes Risiko
für nationale Sicherheitsinteressen Amerikas‹ dar und müßten nun ›zur
Rechenschaft gezogen werden‹, behauptet der demokratische Senator Chris
Van Hollen. [1] Die Embargodrohung wiegt
schwer; die beiden chinesischen Konzerne sind - wie sämtliche Firmen der
Branche - eng in multinationale Lieferketten eingebunden. ZTE etwa war bereits
im Frühjahr 2018 nach einem mehrwöchigen US-Lieferboykott fast kollabiert.
Allerdings hatte das Embargo auch US-Konzernen schwer zu schaffen gemacht: Der
US-Halbleiterhersteller Qualcomm etwa hatte vor dem Embargo mindestens die
Hälfte der Chips geliefert, die ZTE für seine Smartphones nutzt; durch den
Boykott ging ihm ein strategisch wichtiges Milliardengeschäft verloren. Dementsprechend
hat der US-Präsident bereits Anfang Juni das Lieferverbot gegen Zahlung eines
drastischen Strafgelds durch Huawei zurückgezogen. Milliardenverluste drohen
Qualcomm und weiteren US-Unternehmen im Fall eines künftigen Embargos nun aber
erneut.
Solaranlagen als Sicherheitsrisiko Daneben
sind in den vergangenen Tagen weitere Vorwürfe gegen Huawei bekannt geworden.
US-Regierungsstellen insinuieren seit Jahren, der Konzern arbeite staatlichen
Behörden in Beijing zu und ermögliche damit chinesische Spionage in den USA.
Laut einhelliger Auskunft von Experten liegt bislang weltweit kein einziger
Beleg dafür vor. Im Gegenteil: Huawei arbeitet seit 2010 systematisch mit
britischen Regierungsstellen zusammen, um den Verdacht zu entkräften, seine
Telekommunikationsausrüstung weise offene Hintertüren für chinesische Agenten
auf. Involviert in die Kooperation ist auch das britische Government
Communications Headquarters (GCHQ), das in der weltweiten Internetspionage mit
der NSA kooperiert. Die beteiligten Stellen in Großbritannien bestätigten
zuletzt im Dezember, nicht den geringsten Hinweis auf unlautere Tätigkeiten von
Huawei gefunden zu haben. [2] US-Stellen
weiten ihre Vorwürfe nun dennoch aus. So behaupten republikanische und
demokratische Kongreßabgeordnete, Huawei-Elektronikteile, die in
US-Solaranlagen genutzt würden, könnten gehackt werden und stellten ein ›nationales Sicherheitsrisiko‹ dar. [3] Belege liegen, wie immer,
nicht vor; Huawei hat angeboten, zum Beweis seiner Unschuld mit US-Stellen
zusammenzuarbeiten. Allerdings hielte dies, wie das britische Beispiel zeigt,
Staatsstellen in den USA und anderen westlichen Ländern wohl kaum von weiteren
unbewiesenen Vorwürfen ab.
T-Mobile US Drittes
Element der neuen US-Offensive sind strafrechtliche Ermittlungen, die
Auswirkungen auch auf die Bundesrepublik haben könnten. Dabei wird Huawei
vorgeworfen, die Technologie eines Smartphone-Testgeräts gestohlen zu haben;
bestohlen worden sein soll die Telekom-Tochterfirma T-Mobile US. Der Fall ist
im Jahr 2014 Gegenstand eines zivilrechtlichen Verfahrens in den USA gewesen,
in dem T-Mobile US Einbußen in Höhe von hunderten Millionen US-Dollar geltend
machen wollte. Tatsächlich hat eine Jury im Jahr 2017 Huawei eines
Vertragsbruchs für schuldig befunden und der Telekom-Tochterfirma 4,8 Millionen
US-Dollar zugesprochen, während T-Mobile US in einem davon abgetrennten
Verfahren, das die angebliche illegale Nutzung von Betriebsgeheimnissen durch
Huawei zum Gegenstand hatte, leer ausging. [1] Der
Fall wird jetzt von Staatsanwälten als Strafverfahren neu aufgerollt. Dies ist,
wie es heißt, Teil einer neuen Offensive des US-Justizministeriums gegen
tatsächlichen oder angeblichen Diebstahl geistigen Eigentums durch chinesische
Konzerne. Die Rolle von T-Mobile US ist pikant. Das Unternehmen hat im Dezember
von den zuständigen US-Stellen die Erlaubnis erhalten, mit seinem Rivalen Smart
zu fusionieren. Kurz zuvor hatte die Deutsche Telekom zugesagt, sie werde ihre
bewährte Kooperation mit Huawei ›überprüfen‹. T-Mobile US will beim Ausbau von 5G
auf jegliche Zusammenarbeit mit Huawei verzichten.
Ausschluß geplant Im
Zusammenhang mit dem Aufbau eines 5G-Netzes in Deutschland hat bereits am 14.
Dezember eine US-Delegation im Auswärtigen Amt vorgesprochen. Ziel ist es
gewesen, Berlin zu einem Ausschluß von Huawei zu drängen. [4] Die
Bundesregierung zieht dies laut aktuellen Berichten inzwischen wohl tatsächlich
in Betracht. Demnach hatte der Planungsstab des Berliner Außenministeriums am 17.
1. zu einer internen Diskussionsveranstaltung eingeladen, deren Thema Huawei
gewesen sei. [5] In der Bundesregierung werde derzeit intensiv darüber
diskutiert, wie man den chinesischen Konzern vom 5G-Aufbau ausschließen könne,
heißt es. In Betracht gezogen werde dabei, bestimmte Anforderungen bei der
Ausschreibung so zu formulieren, dass Huawei sie nicht erfüllen könne.
Alternativ sei eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes denkbar.
Keinerlei Hinweise Bemerkenswert
ist, dass der Vorstoß der Bundesregierung nicht nur die zuständige Fachbehörde
düpiert, sondern auch massive Interessen der deutschen Industrie verletzt. Der
Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne
Schönbohm, hat mehrmals bestätigt, über keinerlei Hinweise zu verfügen, dass
die Spionagevorwürfe gegen Huawei zutreffen könnten. Tatsächlich arbeitet der
Konzern in seinem in Bonn neu eingerichteten ›Security Innovation Lab‹
sehr eng mit dem BSI zusammen und ermöglicht diesem damit die Überprüfung
seiner Technologie, darunter 5G - ein Schritt, den andere Branchenunternehmen
nicht gehen.
Vom Zurückfallen bedroht Die
deutsche Industrie ist doppelt alarmiert. Zum einen nutzen alle drei deutschen
Netzbetreiber, Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica, Huawei-Technologie. Mit
Ausnahme der Telekom-Ankündigung von Mitte Dezember, ihre Zusammenarbeit mit
Huawei zu überprüfen, haben alle drei stets Huawei das Vertrauen ausgesprochen.
[6] Müßten sie die bisherige Zusammenarbeit einstellen, wäre das mit Kosten und
spürbaren Zeitverlusten verbunden. Hinzu kommt, dass in der Branche Huawei als
nicht nur preisgünstig, sondern auch bei 5G technologisch als führend
eingestuft wird. Ein namentlich nicht genannter Manager eines der drei
Netzbetreiber wird mit der Äußerung zitiert: »Wir
können nicht auf Huawei verzichten, wenn wir beim globalen Wettrennen um 5G
nicht zurückfallen wollen«. Ein Rückstand bei 5G
träfe nicht nur Netzbetreiber und Verbraucher, sondern auch die Industrie, denn
5G gilt als Voraussetzung, um die fortgeschrittenste Technologie von
Künstlicher Intelligenz bis zu autonomem Fahren nutzen zu können. Fiele die
Bundesrepublik bei 5G zurück, dann wäre die Spitzenstellung der deutschen
Wirtschaft bedroht.
Gegen die Interessen der Industrie Hinzu
kommt, dass führende deutsche Konzerne in zentralen Entwicklungsbereichen auf
eine enge Kooperation mit Huawei setzen. Jüngstes Beispiel ist Audi. Audi und
Huawei haben am 10. Juli in Berlin eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine
strategische Zusammenarbeit bei der Entwicklung autonomer
Fahrzeuge vorsieht. [7] Bereits 2017 waren
Audi und Huawei in der chinesischen Metropole Wuxi am ersten Einsatz
einer Technologie beteiligt, die eine Kommunikation von Fahrzeugen mit ihrer
Umwelt ermöglicht.
Maßnahmen
gegen Huawei treffen damit auch Audi sowie weitere deutsche Unternehmen, die
ihrerseits mit chinesischen High-Tech-Unternehmen kooperieren. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat sich deshalb in einem kürzlich
publizierten Grundsatzpapier gegen Maßnahmen verwahrt, die darauf abzielen,
chinesische High-Tech-Konzerne auszuschließen und zu isolieren. Die
Bundesregierung bewegt sich nun offenbar auf einen ebensolchen Ausschluß zu.
Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7834/ 18. 1. 20 Die
Schlacht um Huawei (II) - Eigener Bericht)
[1] Dan Strumpf, Nicole Hong, Aruna Viswanatha: Huawei
Targeted in U.S. Criminal Probe for Alleged Theft of Trade Secrets. wsj.com
16.01.2019 [2] David Bond, Nic Fildes: Huawei caves in to UK security
demands. ft.com 07.12.2018 [3] Kiran Stacey: Huawei solar gear could threaten US
grid, warn lawmakers. ft.com 17.01.2019 [4] Patrick Donahue: U.S. Steps Up Pressure on Germany
Over Huawei Security Concerns. bloomberg.com 18.12.2018 [5] Dana Heide, Stephan Scheuer: Sorge um
Datensicherheit - Berlin erwägt Huawei beim Netzwerkausbau auszusperren [6] Achim Sawall: Bundesregierung erwägt Ausschluss
von Huawei bei 5G. golem.de 17.01.2019[7] Huawei und Audi kündigen gemeinsame Innovation im
Bereich L4 Automatic Driving an. presseportal.de 12.10.2018
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