Notre-Dame - Ein Nachtrag 09.05.2019 22:06
Wie einem im »Südkurier«, eine Tageszeitung für den Raum Bodensee,
Schwarzwald und Hochrhein, erschienenen Artikel zu entnehmen ist,
kursieren derzeit im Internet diverse Vorschläge für den Wiederaufbau der
Kathedrale, wobei der Vorschlag, dieser ein Glasdach zu verpassen, unter dem
ein riesiges Gewächshaus einzurichten wäre, vermutlich der skurrilste ist.
Dennoch wurde ein solches Bild im französischen Fernsehen gezeigt, sogar mit
zwei darin wandelnden Patres. Man fragt sich überhaupt, was die Vorstellung von
neu konzipierten Vorschlägen soll, ist doch davon auszugehen, dass die Mehrheit
der Franzosen nichts anderes als eine originalgetreue Wiederherstellung
verlangt. Dennoch hat Premierminister Edouard Philippe einen sogar internationalen
Architekten-Wettbewerb für den Aufbau eines neuen Spitzturms, ›der an die Techniken und Herausforderungen unserer Zeit angepasst
ist‹, ausgerufen, was bei der Frage, ob es sich um eine
identische Rekonstruktion oder um eine moderne Version handeln soll, Spielraum lässt.
Zunächst steht jedoch die Sicherung des Sakralbaus an, der durch die Flammen
und das Löschwasser stark beschädigt worden ist. Gedeckt wird die Kathedrale
inzwischen durch eine provisorische
Plane und bis zum Sommer wird eine Art von Regenschirm über den Bau gezogen,
während die Sicherung einzelner Figuren und Türme vor der Witterung bereits
erfolgt ist. [1]
Über ein offenbar verstecktes Streitobjekt bei der
Wiederherstellung von Notre-Dame legt nun Thierry Meyssan folgendes dar:
Der Elysée-Palast benutzt das Feuer von Notre-Dame, um ein Projekt
zu vollenden, das bislang in der Schublade schlummerte. Er hat außerhalb der
normalen Verfahren für die Angebotsabgabe und ohne Respekt für das Erbe
Frankreichs neue Regeln aufgestellt, nicht, um die Kathedrale zu
restaurieren, sondern um die Ile de la Cité am Vorabend der Olympischen Spiele
im Jahr 2024 in einen ersten touristischen Ort Europas zu verwandeln. Um die
rechtlichen Einschränkungen zu umgehen, hat er die Hypothese eines
Baustellenunfalls willkürlich durchgesetzt.
Als das Feuer von Notre-Dame abends am 15. April 2019 ausbrach,
schreibt Meyssan, haben sich alle französischen und viele ausländischen Medien
auf die in Brand stehende Kathedrale fokussiert. Viele ausländische Fernsehsender
begannen ihre Nachrichtensendung mit dieser Nachricht, nicht jedoch ›France2‹.
Der öffentlich-rechtliche Sender hatte geplant, seine Nachrichten
der angekündigten Rede des Präsidenten
Macron zu widmen, welche die ›große nationale
Debatte‹ abschließen sollte. Die Redaktion, die durch
diese unvorhersehbare Tragödie und die ausgelöste Bestürzung vollkommen
betroffen war, widmete zwar ihre Sendung diesem Ereignis, aber nicht ohne vorher
bedauert zu haben, dass der Präsident seine Rede auf unbestimmte Zeit vertagen
müsse, was dieselbe in den Augen der Redaktion also als eine wesentlich
wichtigere Sache erscheinen läßt.
Die Gefühlskälte der meisten Journalisten und die Dummheit der ad
hoc Kommentare der Politiker haben plötzlich den klaffenden Abgrund gezeigt,
der zwischen ihrem geistigen Universum und dem der Franzosen besteht. Die
Schönheit von Notre-Dame würde die herrschende Klasse nicht vergessen lassen, dass
sie für sie ein Denkmal des christlichen Aberglaubens ist. Im Gegenteil hierzu
ist die Kathedrale für die Öffentlichkeit der Ort, wo die Franzosen als Volk
zusammenkommen, um sich in stillem Gedenken zu versammeln oder Gott zu
huldigen.
In Sachen Kommunikation wird es wahrscheinlich ein ›Vor‹ und ein ›Nach‹ dem Brand geben;
jedenfalls ist eine Mehrheit der Franzosen durch die Katastrophe schockiert und
über die arrogante Gleichgültigkeit ihrer herrschenden Klasse empört.
L’Ile de la Cité und die
Tourismus-Branche
Der Präsident der Republik, Emmanuel Macron, entschied unmittelbar
nach dem Brand, Notre-Dame nicht zu restaurieren, sondern ein schwieriges Projekt, das seit
zweieinhalb Jahren in der Schublade ruhte,
durchzuführen.
Im Dezember 2015 war von dem damaligen Präsidenten der Republik,
François Hollande, sowie der Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, ein
Projekt auf den Weg gebracht worden, dessen Ausarbeitung ein ganzes Jahr in
Anspruch nahm. Während dieser Zeit war Emmanuel Macron Minister für Wirtschaft,
Industrie und Informatik. Daran teilgenommen haben mehrere Persönlichkeiten, darunter Audrey
Azoulay, damals Ministerin für Kultur und heute Direktorin der UNESCO, sowie der
Präfekt Patrick Strzoda, damals Kabinettdirektor des Innenministers und heute der
von Macron. Die Leitung hatte der Präsident des Zentrums der Nationaldenkmäler,
Philippe Bélaval, und der Architekt Dominique Perrault.
Mit der Feststellung, dass die Ile de la Cité seit ihrer
Umgestaltung durch Baron Haussmann im 19. Jahrhundert ein für die
Öffentlichkeit geschlossener Verwaltungskomplex ist, der die Sainte-Chapelle
und die Kathedrale Notre-Dame de Paris umfaßt, sah die Gestaltung des
Projekts vor, diese in ein ›Insel-Monument‹ umzuwandeln. Die Gelegenheit dazu ergibt sich durch die Umsiedlung
des Gerichts, die Reorganisation der Polizeipräfektur und des Hôpital de
l’Hôtel Dieu. In der Tat ermöglicht diese Umstrukturierung, insgesamt alles zu
reorganisieren.
Der Maßnahmenkatalog beinhaltet 35 koordinierte Projekte, einschließlich
der Schaffung einer unterirdischen Verkehrsader sowie die Glasüberdachung von
vielen Höfen, um aus der Insel einen obligatorischen Wanderweg für 14 Millionen
jährliche Touristen und gegebenenfalls Franzosen zu erstellen. Der Bericht über diesen Plan betont den unglaublichen
Geschäftswert des Projekts, sagt jedoch kein Wort über den Wert des patrimonialen
Erbes, allem voran des geistigen Erbes der Sainte-Chapelle und der Kathedrale Notre-Dame,
die ausschließlich als touristische Sehenswürdigkeiten und eine mögliche
Einkommensquelle betrachtet werden.
Der Ansicht seiner Autoren zufolge war es leider nicht möglich,
dieses ehrgeizige Projekt schnell genug zu verwirklichen, nicht so sehr auf
Grund fehlender finanzieller Mittel, komplizierter administrativer Vorschriften
und enormer Beschränkungen rechtlicher Natur, sondern deswegen, weil die
geringste Enteignung Jahrzehnte dauern kann, wenngleich die Ile de la Cité nur
wenige Einwohner zählt. Der Direktor des Zentrums der nationalen Denkmäler schien
das Verbot, einen Teil dieses Erbes zu zerstören, um es durch einen anderen
Teil zu ersetzen, zu bedauern.
Die Wahl des Elysée-Palastes
In den Stunden, die auf den Brand folgten, wurde es
offensichtlich, dass sehr erhebliche Mittel von Spendern, von normalen Bürgern
bis hin zu den Besitzern großer
Vermögen, verfügbar sein würden. Das Ziel des Elysées war daher, eine Behörde
einzurichten, die sowohl die Rekonstruktion von Notre-Dame als auch die
Umwandlung der Ile de la Cité durchführen könnte.
Am nächsten Tag, am 16. April, während eines TV-Auftritts,
erklärte Präsident Macron: »Ja, wir werden die Kathedrale Notre-Dame
wieder aufbauen, noch schöner, und ich will, dass dies innerhalb von 5 Jahren
abgeschlossen sein wird«. Übergehen wir das ›ich will‹, das typische Merkmal
nicht eines gewählten republikanischen Beamten, sondern eines
Industriekapitäns. 5 Jahre ist sehr kurz, vor allem im Vergleich zu den 150
langen Jahren des Baus der Kathedrale. Es ist jedoch der für die rechtzeitige
Fertigstellung nötige Zeitaufwand für die Touristen der Olympischen Spiele von
2024. Das war das vorhergesehene Datum der Mission Bélaval-Perrault.
Zwei Tage später, am 17. April, wurde die Sitzung des Ministerrats
ausschließlich den Folgen des
Feuers gewidmet. Es wurden drei wichtige Entscheidungen getroffen:
- Die Ernennung des ehemaligen
Stabschefs der Streitkräfte, General Jean-Louis Georgelin, damit dieser vom
Elysée-Palast aus eine spezielle repräsentative Aufgabe schultere, um die ›Weiterführung
der einzuleitenden Verfahren und der zu unternehmenden Arbeiten zu überwachen‹;
- Das Parlament dazu zu bewegen,
ein Gesetz zu verabschieden, das über die Verwaltung der Geldspenden
entscheidet, die Ernennung von General Georgelin, der die Altersgrenze erreicht
hat, regelt, und vor allem dafür sorgt, dass er hinsichtlich seiner Aufgabe von
allen üblichen Verfahrensauflagen, Denkmalschutz-Gesetzen und von allen möglichen
Abhängigkeiten, die entstehen könnten, befreit wird;
- Einen internationalen
Architekturwettbewerb zu starten, um Notre-Dame wieder aufzubauen. Ein weiterer
Beschluß, der gefaßt wurde, soll jegliche
Debatte über die Ursache des Feuers ersticken, um zu vermeiden, dass eine gerichtliche
Untersuchung das entworfene Projekt stören könnte.
Die Lüge des Staates
Der durch die persönliche Intervention von Emmanuel Macron neu
ernannte Staatsanwalt von Paris, Remy Heitz, hat sofort versichert, dass die
kriminelle Spur im Zusammenhang mit dem Brand nicht bevorzugt behandelt werden
wird, und dass das Feuer mit einem Bauunfall zusammenhängt. Erstere Zusicherung
hat unter den Experten des Denkmals, der Feuerwehr, der Handwerker und der Architekten,
für die kein mit den Bauarbeiten zusammenhängendes Element zu solch einem Feuer
an diesem Ort und mit dieser Geschwindigkeit führen konnte, einen Aufruhr bewirkt.
Das Beharren des Staatsanwalts und des Polizeipräfekten, Didier
Lallement, zu einem Zeitpunkt Stellung zu nehmen, zu dem noch kein Ermittler
den Brand vor Ort untersuchen konnte, zeugt von der Erstellung einer
offiziellen Version, die keinen Anlass zu langen blockierenden Untersuchungen geben
sollte.
Dies verschärft auch die Fragen hinsichtlich einer willkürlich beseitigten Spur
einer anti-christlichen oder anti-religiösen Tat, besonders im Zusammenhang mit
dem Vandalismus gegen die Kirchen [878
Schändungen in 2017], der Brandstiftung in der Kirche Saint-Sulpice am 17. März
oder des Brandes der Moschee Al-Marwani auf der Esplanade von Al-Aqsa in
Jerusalem.
Da man weiß, dass die meisten großen Brände Teil von
Immobilienprojekten sind, muß darüber hinaus die Hypothese einer gewollten
Handlung zwecks Ermöglichung der Umwandlung der Ile de la Cité geprüft werden.
Diese Fragen sind alle legitim, aber in Ermangelung einer
Untersuchung ist auch nicht eine einzige definitive Antwort legitim. [2]
[1] https://www.suedkurier.de/ueberregional/panorama/Kuriose-Plaene-fuer-den-Wiederaufbau-des-Pariser-Wahrzeichens-Ein-Dach-aus-Glas-fuer-Notre-Dame;art409965,10132570 30. 4. 19 Kuriose Pläne für den Wiederaufbau des Pariser Wahrzeichens: Ein
Dach aus Glas für Notre-Dame? - Von Birgit Holzer und David Bäuerle
[2] https://www.voltairenet.org/article206343.html 29. 4. 19 Das versteckte Streitobjekt bei der Wiederherstellung von
Notre-Dame - von Thierry Meyssan - leicht gekürzt
Original auf https://www.voltairenet.org/article206324.html 27. 4. 19 L’enjeu caché de la restauration de
Notre-Dame par Thierry Meyssan
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