Der Griff der Großkonzerne nach der Weltherrschaft - Von Norbert Häring 08.09.2019 21:00
Das Weltwirtschaftsforum und die Vereinten Nationen haben ein »Memorandum
of Understanding«
zur Intensivierung ihrer Zusammenarbeit unterzeichnet. Es ist der UN erkennbar
peinlich - aus gutem Grund. Es ist ein weiterer Schritt der Selbstentmachtung
der UN und ein weiterer Meilenstein für den Club der Multis auf dem Weg zu
seinem erklärten Ziel - der Weltherrschaft. Zu starker Tobak? Lesen Sie selbst,
was das Weltwirtschaftsforum zu dem Thema schreibt.
Um die jüngste Kooperationserklärung zwischen dem
Weltwirtschaftsforum und den Vereinten Nationen einordnen zu können, muß man 10
Jahre zurückgehen, ins Jahr 2009. Damals hat eine ›Global
Redesign Initiative‹ (›GRI‹)
des Weltwirtschaftsforums nach 18 Monaten Arbeit vieler Arbeits- und
Beratergruppen einen Bericht veröffentlicht, wie sie sich die künftige
Weltregierung (›Global
Governance‹)
vorstellt.
Das Weltwirtschaftsforum ist eine Lobby der 1000
größten multinationalen Konzerne, die sich ›Die
internationale Organisation für öffentlich-private Kooperation‹ nennt. Das Forum zieht nach
eigener Darstellung »die wichtigsten
politischen Wirtschafs- und sonstigen Führer der Gesellschaft hinzu, um
globale, regionale und Branchen-Agenden zu bestimmen«.
Die Richtung geben die 100 größten und einflußreichsten, die das meiste Geld
beisteuern, vor. In allen wichtigen
Ländern hat das Forum in den größten Städten ›Hubs‹, in denen die ›Global
Shapers‹
miteinander vernetzt werden. Das sind vom Forum ausgesuchte, einflußreiche oder
aufstrebende Menschen aus Unternehmen, Kulturszene und Bürgerbewegungen. Die
jährlichen Treffen des Forums in Davos, bei denen das Who is Who der
internationalen Regierungschefs den Konzernmächtigen ihre Aufwartung macht, ist
also nur die Spitze eines Eisbergs an Einflußnahme.
Der ›GRI‹-Abschlußbericht hörte auf den
Namen ›Everybody‘s
Business: Strengthening International Cooperation in a More Interdependent
World‹ und
war 600 Seiten lang. Das Forum scheint ihn zwischenzeitlich von seiner Website entfernt zu haben. Der Link zum Download des
Reports auf der einschlägigen Seite des Forums funktioniert nicht mehr. [Nachtrag: Dank an Andrew McQuinn, der mir
einen funktionierenden Archiv-Link zu ›Everybody's
Business‹
zugeschickt hat, und an Jonathan Mai, von dem ich einen Link zum Bericht via
Harvard-Uni bekam] Es gibt eine
Kurzfassung in Form eines Readers‘ Guide auf der Website der University of
Massachusetts, Boston, aus der ich im Folgenden zitieren werde [jeweils meine
eigenen, inoffiziellen Übersetzungen].
Beginnen wir mit der Feststellung, dass die
Konzerne schon lange mächtiger sind als die UNO. Das wollen die Konzerne
anerkannt und in formelle Mitregierungsrechte transformiert sehen: Im O-Ton: »Im
Fall der Multinationalen Konzerne hat ihre effektive Reichweite als de-facto
Institutionen der ›globalen
Governance‹ schon
lange die Tätigkeit des UN-Systems überflügelt. (…) Multinationale Konzerne und
zivilgesellschaftliche Organisationen müssen als vollwertige Akteure im
globalen Governance System anerkannt werden, nicht nur als Lobbyisten«.
Das soll dann so aussehen, dass die Konzerne die Entscheidungen treffen und die
UN sowie die Regierungen diese Entscheidungen dann den Völkern verkaufen und
sie nachträglich legitimieren: »Die
Koalitionen der Willigen und Fähigen sollten die Führungsrolle bei der
Bewältigung ungelöster globaler Probleme übernehmen«.
»Der Ansatz des Forums besteht
darin, das Davos-Modell in den Status einer neuen expliziten Form der globalen
Governance zu erheben. ›Multi-Stakeholder-Gruppen‹, ›Öffentlich-Private-Partnerschaften‹ oder ›Koalitionen der Willigen und
Fähigen‹, wie
sie im Report ›Everybody’s
Business‹
genannt werden, sollten die Führungsrolle bei der Bewältigung ungelöster
globaler Probleme übernehmen. Es ist nicht nötig, zu warten, bis das
Interregierungssystem allgemeinen Konsens erreicht hat, um zu handeln. Das
offizielle Interregierungssystem kann dem ›Multi-Stakeholder‹-Prozeß de-facto-Anerkennung
verschaffen und es kann, nachträglich, die Ergebnisse einer bestimmten ›Öffentlich-Privaten-Partnerschaft‹ mit juristischer Legitimation
ausstatten«.
Warum das besser ist als das bisherige System, wird
so begründet: »Identifizierte Probleme können
schneller angegangen werden, ohne zögerliche Regierungen, altmodische,
engstirnige Manager und abweichende Meinungen in der Zivilgesellschaft.
Diejenigen, die die richtige Kombination von Partnern finden, gehen voran,
solange die anderen Schlüsselinstitutionen der internationalen Governance nicht
allzu sehr aufbegehren«.
Die Rolle, die für die Vereinten Nationen bleiben
soll, hat das Forum noch etwas genauer ausformuliert. Es sieht vier ›essentielle neue Rollen‹ für die UN vor:
- Sie
können in verschiedenen Rollen als Spieler in Multi-Stakeholder-Koalitionen
außerhalb des UN-Systems [also ohne
irgendwelche demokratische Kontrolle und Aufsicht - N.H.] teilnehmen;
- sie
können ihren Segen oder ihr Einverständnis zu globalen Öffentlich-Privaten-Partnerschaften
und deren Ergebnissen geben;
- sie
können sich um diejenigen globalen Angelegenheiten kümmern, die nicht von
Multi-Stakeholder-Koalitionen oder den G20 angegangen werden;
- und sie
können ihre Türen für nichtstaatliche Akteure öffnen, insbesondere für besorgte
multinationale Konzerne, damit diese der UN helfen, ihre eigenen Politiken zu
entwickeln und um zu helfen, UN-Programme in Entwicklungsländern auszuführen.
(…) Wenn man
Manager Multinationaler Konzerne und ausgewählte Führer der
Zivilgesellschaft in die formelle Führung globaler Institutionen aufnimmt,
steigert das die Effektivität dieser globalen Organisationen und die
Legitimität der Globalisierung«.
Wenn immer wieder ›zivilgesellschaftliche
Organisationen‹ neben
den Konzernen genannt werden, dann soll das wohl den Eindruck erwecken, es gehe
den Konzernen nicht ausschließlich darum, die eigene Macht zu mehren. Doch das
täuscht, wie man schnell feststellt, wenn man sich dem Kapitel zuwendet, das
die Rolle beschreibt, die das Forum diesen Organisationen zugedacht hat. Sie
besteht zum einen darin, dass sie den Topmanagern der Multis Informationen aus
ihrem Aktionsbereich zukommen lassen und zum anderen darin, einen Kanal für die
Propaganda des internationalen Kapitals zu bieten: »Diese
Führer der Zivilgesellschaft können wichtige Kanäle sein, um zu helfen,
wichtige ideologische Botschaften von
den internationalen Eliten an unterschiedlichste Gemeinschaften auf der ganzen
Welt zu senden«.
Das folgende Zitat macht deutlich, was die Vorteile
der Zusammenarbeit mit der UN für die Konzerne sind, und deutet gleichzeitig
an, dass man langfristig mit einer gleichberechtigten Rolle nicht zufrieden
ist, sondern die Führung übernehmen will: »Die
Vorteile des Zusammenführens des informellen, marktbasierten Systems mit dem
offiziellen, staatenzentrierten System wären, dass Multis nicht länger
außerhalb der Tore wären, sondern als gleiche oder gar mehr als gleiche Partner
in ein transformiertes UN-System eintreten würden«.
Aber was sind die Vorteile für die Vereinten
Nationen aus ihrer Selbstentmachtung zugunsten der Konzerne? Da gibt es nicht
viele. Es ist ja auch keine freiwillig gewählte Selbstentmachtung. Vielmehr
werden die Vereinten Nationen von den reichen Industrienationen, allen voran
den USA, finanziell immer knapper gehalten. Sie werden gedrängt, sich das
fehlende Geld von den reichen Konzernen zu besorgen, die aus diesen reichen
Industrieländern, allen voran den USA, gesteuert werden. Dieses Geld gibt es
natürlich nicht umsonst, und so haben die Konzerne einen sehr langen Hebel, ihr
Geld gegen Macht und direkte Beteiligung an der ›global
Governance‹, auch
als Weltherrschaft oder Weltregierung bekannt, einzutauschen.
Ausführlich und kritisch analysiert haben diese
Strategie und die großen Fortschritte, die die Konzerne auf diesem Weg schon
gemacht haben, Barbara Adams und Jens Martens in der 2015 veröffentlichten
Studie ›Fit
for whose purpose? Private funding and corporate influence in the United
Nations‹ sowie
in der 2018 veröffentlichen Studie ›The UN
Foundation – A Foundation for the UN?‹.
Adams war unter anderem stellvertretende Koordinatorin der UN für die
Beziehungen zu Nichtregierungsorganisationen und Leiterin ›Strategische Partnerschaften
und Kommunikation‹ des ›United Nations Development Fund
for Women‹
(UNIFEM‹).
Weil kein Konzern gezwungen ist, mitzumachen,
sondern das strikte Freiwilligkeitsprinzip gilt, enthalten die Vereinbarungen
des Forums mit der UN nichts, was die Konzerne stören könnte. Beim Thema
Finanzierung von Entwicklung und anderem wird zum Beispiel nie erwähnt, dass
die Multis dazu übergehen sollten, Steuern zu zahlen, anstatt ihre Gewinne in
karibische Steueroasen zu verschieben. Sie werden lediglich eingeladen, ein
bisschen von den nicht gezahlten Steuern zweckgebunden der UN zu überlassen,
damit sie einige der Aufgaben erledigt, für die den künstlich knapp gehaltenen
Entwicklungsländern das Geld fehlt.
Weil die Unterwerfung der UN unter die Konzerne
keine gute Presse hat [siehe obige
Studien] und von vielen der weniger
mächtigen Länder kritisch gesehen wird, ist es kein Wunder, dass die UN einen
Mantel des Schweigens über das Memorandum legt, das sie mit der Konzernlobby geschlossen
hat. Auf der Website der UN findet man nichts zum Inhalt oder gar das Memorandum
selbst. Nicht einmal die Unterzeichnungszeremonie mit den beteiligten Personen
wird gezeigt. Lediglich ein Foto eines Füllhalters, der angeblich zur
Unterzeichnung des Abkommens verwendet wurde, ist auf der Website zu finden.
Für Informationen zum Inhalt muß man sich auf die Website des
Weltwirtschaftsforums begeben. Dort wird den Mitgliedern der jüngste Erfolg
stolz präsentiert.
UN-Generalsekretär António Guterres verzichtete
auch vorsorglich darauf, das Abkommen vorab den Mitgliedsländern zur Diskussion
und Abstimmung zu stellen. Das wäre durchaus angezeigt gewesen, weil die immer
engere Einbindung der Konzerne in die Arbeit und Entscheidungsfindung der UN der
Charta der Vereinten Nationen zuwider läuft. Zumindest sieht das
Weltwirtschaftsforum das so. So heißt es im Readers’ Guide zur Studie ›Everybody’s Business‹:
»Die Vereinten Nationen haben eine Rolle - wenn auch eine, die nicht in der UN-Charta
vorgesehen ist - in der Umgestaltung der
globalen Governance im Sinne des Weltwirtschaftsforums. Die richtige Balance zu
finden, zwischen dem in der UN-Charta vorgesehenen staatenzentrierten
Governance-System und einem firmenzentrierten,
Multi-Stakeholder-Governance-System wird
- in den Augen des Weltwirtschaftsforums - beide Systeme effektiver machen«.
Hinweis: Zuerst
hat Harris Gleckman auf ›Open
Democracy‹ über
das jüngste Memorandum zwischen UN und Weltwirtschaftsforum geschrieben:
How the United Nationas is quietly being turned into a
public-private partnership.
Mehr Texte von mir
zu den Allmachtsallüren und Umtrieben des Weltwirtschaftsforums:
Wie die Konzerne die Vereinten Nationen unter ihre Kontrolle
brachten (Januar 2019)
Wozu sich Deutschland mit dem UN-Migrationsabkommen wirklich
verpflichtet und was das Weltwirtschaftsforum damit zu tun hat
(Juli 2018)
Das Weltwirtschaftsforum lässt eine totalitäre Horrorvision
wahr werden
(Febuar 2018)
QUELLE: http://norberthaering.de/de/27-german/news/1154-wef-un
7. 7. 2019 Der Griff der Großkonzerne
nach der Weltherrschaft
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