Die persische Tragödie - Teil 1 - Mossadeghs Kampf um Souveränität - von Muriel Mirak-Weißbach

Wenn sich die Neokonservativen in London und Washington durchsetzen, dann droht in Persien eine Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes - eine Tragödie, die eine Kette von Entwicklungen auslösen könnte, die zu einem dritten Weltkrieg und zur Zerstörung der ganzen menschlichen Zivilisation führt. Diese neokonservativen Kreise machen die große Nation am Persischen Golf zum Hauptziel ihrer imperialistischen Politik des permanenten Krieges. Es sind hauptsächlich zwei politische Optionen, über die man in diesen anglo-amerikanischen Kreisen offen spricht: entweder ein militärischer Angriff - der Vereinigten Staaten oder Israels oder Stellvertreter - , um das Kernkraftwerk Buschehr und andere Teile des zivilen Nuklearprogramms im Iran zu zerstören, oder, wenn das nicht geht, eine politische Destabilisierung, um die Regierung zu stürzen.

Der Präzedenzfall für die militärische Option wäre Israels Bombardierung des Kernkraftwerkes Osirak im Irak im Jahr 1981; der Präzedenzfall für den Regimewechsel aber wäre der von den Anglo-Amerikanern organisierte Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Mohammed Mossadegh im Jahr 1953. John Perkins spricht in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man vom "ersten amerikanischen Staatsstreich im Ausland". Genauer gesagt wurde der Umsturz in England geplant und von den berüchtigten Brüdern Allen und John Foster Dulles in den USA bedenkenlos ausgeführt.
Ein Blick zurück auf die dramatische Geschichte dieses Staatsstreiches hat aus mehreren Gründen für die heutige Zeit große Bedeutung.
Zum einen liefert er uns einen Einblick, wie die iranische Geschichte die Weltsicht und Denkweise der Führung und Bevölkerung des Landes bis heute prägt. Damals ging es oberflächlich betrachtet um Öl: Mossadegh hatte die reichen Ölvorkommen des Landes verstaatlicht und den Briten, die diese in imperialer Weise für sich beanspruchten, Verhandlungen angeboten, was London ablehnte. Der eigentliche Streitpunkt war aber nicht das Öl allein, sondern die nationale Souveränität und das Recht des Landes auf Entwicklung allgemein. Heute wird als Grund das iranische Atomprogramm angegeben, von dem ohne entsprechenden Beweis behauptet wird, es sei ein Atomwaffenprogramm. Aber auch jetzt ist der wahre Grund die nationale Souveränität und das Recht auf moderne Technik für wirtschaftliche Entwicklung.
Zum anderen läßt die Erinnerung an Mossadeghs Zeit auch dessen einzigartiges Verständnis der politischen, kulturellen und erkenntnistheoretischen Fragen des Kampfes gegen den britischen Imperialismus wieder aufleben.
Und nicht zuletzt war der Staatsstreich ein Präzedenzfall dafür, wie die Briten die Amerikaner erfolgreich für ihre Zwecke einspannten, obwohl das Verhältnis der Vereinigten Staaten zum Iran und der ganzen Region bis dahin den aus dem 18. Jh. stammenden imperialen britischen Methoden diametral entgegengesetzt war. Präsident Franklin Delano Roosevelt hatte für den Iran der Nachkriegszeit völlig andere Pläne gehabt: Er wollte dem Land helfen, in der Region zum Modellfall für wirtschaftliche und politische Entwicklung zu werden. Roosevelts Tod war ein entscheidendes Ereignis für die Tragödie, die sich dann entfalten sollte. Die Lehren aus der Geschichte
Wie Lyndon LaRouche oft beschrieben hat, kann man die Bedeutung eines politischen Ereignisses oder Problems nicht verstehen, solange man es nicht im Rahmen der langen historischen und kulturellen Entwicklungen sieht, innerhalb derer es stattfindet. Im Falle des Iran (oder Persien, wie man es noch bis ins 20. Jh. nannte) taucht immer wieder ein Schema auf: Äußere Mächte nutzen koloniale, imperiale Unterwerfung, um die Reichtümer des Landes zu plündern, bis das schließlich eine Gegenreaktion in Form eines nationalen Aufstandes oder einer Revolution gegen die fremden Unterdrücker auslöst, um diese aus dem Land zu werfen.
Seit dem 18. Jh. war Persien eine Schachfigur im strategischen Machtkampf, der als das Große Spiel bekannt wurde. Das britische Empire und das Zarenreich wetteiferten um den Einfluß über das "Herzland" Eurasiens, wie es der britische Geopolitiker Halford Mackinder nannte, hauptsächlich Mittelasien, den Kaukasus und Persien. Bis ins 20. Jh. hinein wurde Persien mehrfach zwischen den beiden Mächten aufgeteilt, wobei Rußland den Norden und England den Süden beherrschte. Und immer wieder suchten patriotische nationalistische Kräfte bei den Vereinigten Staaten Unterstützung in ihrem Kampf für die nationale Souveränität gegen die beiden imperialen Großreiche.
Seit die Briten Anfang des 20. Jh. die ersten großen Ölfelder entdeckten, spielte das Erdöl im Kampf der Großmächte eine wichtige Rolle. Die herrschende persische Elite hatte wenig Skrupel, die Reichtümer und Interessen der Nation auszuverkaufen - oft in Form von Konzessionen für die Ölförderung - , und das stieß in der Gesellschaft auf Widerstand, der sich in Aufständen entlud, die zur Tabakrevolution von 1891 führte, dann zur Verfassungsrevolution von 1906 usw. Die Gesellschaftsschichten, die diese Revolten anführten, waren gewöhnlich Intellektuelle, Politiker und - besonders wichtig - die geistliche Führung der Schiiten.
Dieses Drama spielte sich in unterschiedlicher Form immer wieder ab: Führende Patrioten, oft waren es auch Könige (Schahs), bemühten sich, den britischen imperialistischen Kräften die Herrschaft zu entreißen und die Nation auf den Kurs wirtschaftlicher Entwicklung zu steuern, und immer schauten sie nach Amerika um Unterstützung gegen die Briten und die Russen - aber nie gelang ihnen die endgültige Loslösung von London.
Es gab in dieser Richtung ehrenvolle Bemühungen und auch große Fortschritte bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung. Aber alle verfehlten letztendlich das Ziel, weil die politische Führung die Natur des britischen Feindes und seiner strategischen Ziele nie ganz verstanden hatte und weil sie nicht erkannte, daß im Land selbst institutionelle politische Veränderungen hin zum Republikanismus notwendig waren.
Die Ausnahme war Mohammad Mossadegh, der dank eines tiefgehenden Verständnisses der Briten, das er durch eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte erlangte, im Kampf für die nationale Unabhängigkeit erfolgreich war, indem er die Ölindustrie verstaatlichte und die Briten aus dem Land warf. Leider war der Triumph nur von kurzer Dauer, denn die Frucht seiner erfolgreichen Führung wurde wieder zerstört, weil sich mächtige Institutionen des Landes von den Briten bestechen ließen und so der anglo-amerikanische Staatsstreich möglich wurde. Kolonialismus durch Konzessionen
Das treffendste Wort, um den Mechanismus der imperialen Machtergreifung der Briten in Persien zu beschreiben, ist "Konzessionen". Eine Konzession war ein Freibrief zum Plündern, der dann zur Grundlage für die Durchsetzung der imperialen Herrschaft wurde. Obwohl Persien nie formal eine britische Kolonie oder Teil des Empire war, wurde der gesamte Reichtum des Landes an die Briten ausverkauft, die dadurch de facto Herrscher wurden.
Dies begann unter der Dynastie der Kadscharen (1794-1924), deren Dekadenz legendär war. Schah Nasir al-din Schah (reg. 1848-96) war mit seinem Harem von über tausend Frauen, Konkubinen und Eunuchen eine Karikatur orientalischer Dekadenz. Sein Größenwahn spiegelte sich in unzähligen königlichen Ehrentiteln wider, die er sich selbst verlieh. Doch was die Bevölkerung am meisten gegen ihn aufbrachte, war der Ausverkauf der nationalen Interessen.
1872 gewährte der Schah dem deutschstämmigen britischen Baron Julius de Reuter praktisch Rechte über die gesamte Wirtschaft des Landes. Reuter saß nicht nur an der Spitze der Industrie, der Landwirtschaft und der Eisenbahn, er hatte sogar das Recht, Geld zu drucken, und gründete eine Nationalbank (unter britischer Aufsicht), die sich euphemistisch Imperial Bank of Persia nannte. Später mußte der Schah Reuters Konzession auf Druck Rußlands hin zurückziehen, und Rußland erhielt eine Konzession für Fischfang und für eine Zweigstelle der russischen Staatsbank.
Die nächste wichtige Konzession erhielt 1890 die Imperial Tobacco Corporation of Persia, ein britisches Konsortium, das damit in Persien ein Monopol auf Erzeugung, Verkauf und Ausfuhr von Tabak auf 50 Jahre innehatte. Die Bevölkerung, die unter den wirtschaftlichen Folgen der ausländischen Ausbeutung und der Verschwendung des Königshauses zu leiden hatte, revoltierte 1891 in der sogenannten Tabakrevolution. Es hatte sich ein Bündnis von Bauern, Kaufleuten, Intellektuellen und, besonders wichtig, dem Klerus gebildet, die alle das britische Monopol in Frage stellten. Das geistliche Oberhaupt der Bewegung, Scheich Mirza Mohammad Hasan Schirazi, gab eine Fatwa heraus, die das Rauchen untersagte. Das wirkte. Die Tabakkonzession mußte 1892 widerrufen werden.
Doch die Kadscharen wollten die bösen Vorzeichen nicht sehen und verkauften munter weitere Reichtümer des Landes. Den unglücklichen Nasir Schah ereilte sein Schicksal 1896, als er von einem Attentäter erschossen wurde. Sein Sohn und Nachfolger, Muzzaffar al-Din, hatte nichts daraus gelernt. 1901 handelte er den D'Arcy-Vertrag aus, die berüchtigtste aller Konzessionen an ausländische imperiale Interessen überhaupt.
William Knox D'Arcy war ein reicher Londoner Finanzier, der in Australien lebte. Ihm gewährte Muzzaffar "das besondere und ausschließliche Privileg, Erdgas und Erdöl zu erwerben, zu fördern, weiterzuverarbeiten, zu transportieren und zu verkaufen... auf einen Zeitraum von 60 Jahren". Dafür versprach D'Arcy ihm 20 000 Aktien und 16% der jährlichen Einkünfte aus dem Ölverkauf. Die Konzession galt für das ganze Land bis auf die kaspischen Provinzen und Korrasan.
Dieser unerhörte Vertrag mußte eine Reaktion der Bevölkerung auslösen. Gleichzeitig verschuldete sich der Monarch immer mehr bei den Russen, deren Einfluß im Land auch immer weiter wuchs. Ende 1905 brach der Protest der Bevölkerung gegen den ausländischen Einfluß heraus und nahm, bereichert mit demokratischem Gedankengut aus Europa, die Gestalt der politischen Forderung nach mehr Mitspracherecht der Bevölkerung in den Belangen der Nation an. Unter Druck mußte Muzzaffar die Forderung nach einer nationalen beratenden Versammlung akzeptieren. Der Schah mußte einen Verfassungsentwurf (nach dem Vorbild Belgiens) hinnehmen, der seine Macht begrenzte und Parlamentswahlen vorsah, die im Oktober stattfanden. Die erste Sitzung des Majlis (Parlament) fand am 7. Oktober 1906 statt, und am 30. Dezember wurde die Verfassung angenommen.
Die Existenz eines solchen Parlaments bedrohte die britischen wie russischen imperialen Ansprüche, und so kam es nicht überraschend, daß die beiden Großmächte 1907 einen Vertrag unterzeichneten, der das Land in drei Zonen aufteilte. Der Norden wurde zur russischen Einflußsphäre erklärt, der Süden zur britischen, nur das Gebiet in der Mitte um Teheran war neutral, d.h. persisch. Die Großmächte konnten in ihrer Zone politische und wirtschaftliche Konzessionen (Öl) nutzen. Die Briten verbündeten sich mit Muzzaffars Sohn und Nachfolger, Mohammad Ali Schah Kadschar (1907-09), um nach einem erfolglosen Anschlag auf das Leben des Schahs das Parlament aufzulösen und eine Marionettenregierung einzusetzen, und damit war die Verfassung tot.
Hier kam Amerika als Faktor ins Spiel. Das persische Parlament hatte den amerikanischen Bankier Morgan Shuster als Schatzmeister angestellt, der die Steuerregelungen, die den Briten und Russen die Ausbeutung des Landes ermöglichten, überarbeiten sollte. Moskau und London forderten seine Entlassung, und 1911 schickten die Russen Truppen ins Land. Der Majlis wurde aufgelöst.
Den Briten ging es um imperiale Macht, aber auch schon um das Öl, das sich zu einem bedeutsamen Machtinstrument entwickelte. Schon Ende des 19. Jh. erhielten sie Konzessionen für die Ölsuche im Land. Am 26. Mai 1908 stieß D'Arcy mit Hilfe der Burmah Oil Company (die für die Royal Navy arbeitete) bei Masjed-e Solayman im Süden auf ein gewaltiges Ölfeld. 1909 wurde im Auftrag der britischen Admiralität die Anglo-Persian Oil Company (APOC) gegründet, die D'Arcys Konzession und die Burmah Oil Company übernahm. Fünf Jahre später ordnete Marineminister Winston Churchill an, daß die Admiralität 52,5% der Anteile an der APOC erwarb. Dies sollte den ungehinderten Fluß von Öl für die britische Marine auf einer wirtschaftlichen Grundlage sicherstellen.
Die von den Briten erbaute riesige Ölraffinerie in Abadan, die 1911 in Betrieb ging, war ein klassischer Fall imperialer Ausbeutung. Die Arbeiter wurden bei niedrigen Löhnen unter schrecklichen Arbeits- und Lebensbedingungen versklavt, und Persien erhielt nur 16% der Erlöse aus dem Öl (bis 1920).
Obwohl Großbritannien das Land nicht formell dem Empire einverleibt hatte, beherrschte es dieses völlig über wirtschaftliche "Vereinbarungen", die seine Ölinteressen in andere Bereiche ausdehnte. Mit dem berüchtigten Anglo-Persischen Vertrag vom 19. August 1919 verwandelte London das Land de facto in ein Protektorat, das von britischen "Beratern" in den Streitkräften, im Verkehrs- und Kommunikationswesen und im Finanzministerium regiert wurde. Um iranische Zweifel an dem Abkommen auszuräumen, gab es 1920 "Verhandlungen". Aber es war von Anfang an ein abgekartetes Spiel: Der Mann, der die Interessen Persiens vertreten sollte, war Sir Sydney Armitage-Smith, ein Beamter des britischen Schatzministeriums!
Die Briten waren die Herren über die natürlichen Reichtümer Persiens. In einer Analyse von Robert B. Stobaugh heißt es: "1925 hatte die Anglo-Persische Ölgesellschaft noch immer die vollständige Kontrolle über das in Persien geförderte Öl. Die Gesellschaft besaß und betrieb die Ölfelder, das Transportnetz und die Raffinerien. Die Geschäftsführer waren selbstverständlich Briten, keine Perser. Die Gesellschaft bestimmte, wohin exportiert wurde, die Menge und den Preis. Sie benutzte komplizierte Formeln, um den Gewinn aus dem persischen Öl zu berechnen und die Preise für die Ölverkäufe an die britische Marine festzulegen... Persiens Öleinnahmen wurden als prozentualer Anteil an den Gewinnen der Gesellschaft berechnet." Das Land bekam von der APOC nicht einmal Öl für den eigenen Verbrauch, sondern mußte es aus der Sowjetunion einführen! Der Beginn der Pahlewi-Dynastie
Um die politische Kontrolle zu festigen, organisierte London gegen Muzzaffars Nachfolger Ahmad Schah einen Putsch unter einem Offizier der Kosakenbrigade namens Reza - später Reza Schah der Große - und dem vom Journalisten zum Politiker gewandelten Seyyed Ziya ad-Din Tabatabai. Die Kosakenbrigade war 1898 gegründet worden, nachdem der Zar Nasir al-Din angeboten hatte, für ihn eine bewaffnete Leibwache auszubilden. Nach dem Putsch vom Februar 1921 übernahm Reza verschiedene Ämter: Oberbefehlshaber der Armee (1921), Ministerpräsident (1923), Kriegsminister (1923) und schließlich Staatsoberhaupt (1925). Obwohl er aus einfachen Verhältnissen stammte und keine Verbindung zum Adel hatte, wurde er (unter britischer Aufsicht) zum von Gott eingesetzten König erklärt. Das Parlament erklärte 1925 die heruntergekommene Kadscharendynastie für aufgelöst und ernannte Reza zum neuen Schah und Kopf der Pahlewi-Dynastie, die sich in männlicher Thronfolge fortsetzen sollte.
Reza Schah Pahlewi war eine vieldeutige, rätselhafte Gestalt. Einerseits versuchte er den Staatsführer der benachbarten Türkei, Kemal Atatürk, nachzuahmen und den Iran zu modernisieren. Wie jener war er ein überzeugter Nationalist, der sein Land von ausländischer Herrschaft befreien wollte. In dem Maße, in dem er ernsthaft eine Politik für Unabhängigkeit betrieb, mußte er so den Briten ein Dorn im Auge werden. Andererseits entfremdete er mit seiner Innenpolitik breite Teile der Bevölkerung.
Sein entscheidender Machtkampf mit den Briten betraf das Öl. Er lehnte das Abkommen von 1920 ab, weil es nicht vom Majlis ratifiziert war. 1929 begannen neue Verhandlungen zwischen Persien und der APOC, die zwei Jahre dauerten, ohne greifbare Ergebnisse zu liefern. Am 28. November 1932 kündigte der Schah die Konzession an die APOC auf. Persiens Öleinkünfte waren seit Beginn der Depression 1929 stärker gesunken als der Gewinn der Gesellschaft, aber das war nicht der Hauptgrund. Der lag darin, daß die Briten den Persern von 1919 bis 1930 systematisch zu wenig für das Öl gezahlt hatten und daß sie die Bilanzen gefälscht hatten, um diese Zahlungen 1931 noch weiter zu verringern.
Die Briten, deren Marine auf das billige persische Öl angewiesen war, wollten nicht nachgeben. Die Angelegenheit wurde vor den Völkerbund gebracht, aber noch bevor dieser entscheiden konnte, kamen die beiden Seiten zu einem Kompromiß. Die Briten behielten das Sagen, indem sie die Konzession bis 1993 (!) verlängerten, aber Persien erlangte einige wichtige Zugeständnisse.
Die Perser zwangen die Briten, für das Öl einen höheren Preis zu zahlen, aber das Verfügungsrecht über ihr Öl hatten sie damit noch lange nicht. 25 Jahre später faßte Rezas Nachfolger, Schah Mohammad Reza Pahlewi, die Lage so zusammen: "Man hörte, daß die Ölgesellschaft sich Marionetten schuf - Leute, die nur den Befehlen der Ölgesellschaft folgten - , und so wurde sie in unseren Augen eine Art Monster - fast eine Regierung innerhalb der iranischen Regierung."
In diese Zeit (1936) fällt es, daß Reza den Namen des Landes von Persien in Iran änderte, so daß auch aus der APOC die Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) wurde. Die Namensänderung war Teil seiner Kampagne zur Erneuerung der vorislamischen "arischen" Tradition des Landes, die mit der Erinnerung an das alte Persische Reich unter den Achämenidenkönigen Kyros, Darius und Xerxes verbunden ist. Mit dieser kulturellen Umwälzung, die einer Ablehnung der islamischen Komponente in der Geschichte des Landes und offenen Kriegserklärung an den Klerus gleichkam, brachte Reza weite Teile der Bevölkerung gegen sich auf. Zu den Säkularisierungsbestrebungen gehörten die gesetzliche Einführung westlicher Kleiderordnung (1929 und 1936) und die Streichung bestimmter religiöser Feiertage. Sein Verbot der Gewerkschaften, eine strenge Zensur, das Verbot der von den Sowjets unterstützten Tudeh-Partei und unabhängiger intellektueller Gruppierungen entfremdete ihn weiter von der Bevölkerung. Anders als Atatürk hatte Reza leider keinen Sinn für republikanische Ideen.
Zu seinen Errungenschaften zählt, daß er die Armee einte und eine Marine, Luftwaffe und Militärakademien einrichtete. Er entwickelte das Verkehrswesen: Bis 1940 baute er 15 000 Meilen Straßen und die Transiranische Eisenbahn, die 1938 ihren Betrieb aufnahm. Dieses gewaltige Eisenbahnprojekt verband den Persischen Golf über Teheran mit den nördlichen Provinzen. Verwaltungsreformen, Modernisierung des Finanzwesens und ein neues Rechtssystem waren auch sein Werk. Er förderte Industrie und Landwirtschaft und schuf ein modernes Bildungswesen, darunter die erste moderne Universität in Teheran.
1941 wurde den Briten Rezas Begeisterung für Hitler (wie Franco und Mussolini) unangenehm, vielleicht war sie auch nur ein willkommener Vorwand, ihn loszuwerden. Mit dem Argument, ein prodeutscher Iran könne zur Ausgangsbasis für einen Angriff auf die Sowjetunion werden, besetzten die Briten und Russen am 25. August 1941 das Land und blieben mehrere Jahre. Am 16. September wurde Schah Reza zur Abdankung gezwungen und ging ins Exil nach Südafrika, nachdem er die Macht seinem 22jährigen Sohn Mohammad Reza Schah übertragen hatte.
Militärisch war das Eingreifen insofern berechtigt, als der Iran den wichtigsten Landweg für die westlichen Rüstungslieferungen an die Sowjets darstellte. So weit, so gut. Doch der junge Schah war über diese Besetzung durch die alten Imperialmächte Rußland und England alles andere als glücklich. Er strebte als Gegengewicht eine amerikanische Militärpräsenz an. Am 25. August 1941 schickte er US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine Botschaft, worin er ihn bat: "Seien Sie so gütig, Ihr Interesse auf diesen Vorfall zu lenken... Ich bitte Eure Exzellenz, wirksame und dringend notwendige humanitäre Schritte zu unternehmen, um dieses aggressive Verhalten zu beenden." In diesem Zusammenhang wurde General H. Norman Schwarzkopf in den Iran geschickt, um die Versorgung mit Rüstungsgütern zu überwachen. Roosevelt versicherte, sobald der Krieg vorbei sein werde, würden Russen und Briten den Iran wieder verlassen.
Die amerikanischen Pläne für den Iran in der Nachkriegszeit waren den britischen und sowjetischen imperialen Vorstellungen vollkommen entgegengesetzt. Roosevelt entsandte General Patrick Hurley als seinen Sonderbeauftragten in den Iran, um die Iran-Erklärung vorzubereiten. Diese wurde auf der Teheraner Konferenz von Stalin, Roosevelt und Churchill angenommen und sicherte dem Iran territoriale Unversehrtheit und Souveränität zu.
Ungeachtet dessen sahen die Pläne der Briten anders aus. Am Ende des Krieges standen die Briten zwar noch im Land, sahen sich aber einer wachsenden Welle sozialer Proteste gegenüber. Die sowjetisch-britische Besatzung hatte Land und Bevölkerung völlig ausgeblutet. Im Norden gab es Hungersnöte. Die Arbeiter der Raffinerie Abadan organisierten 1946 Streiks für bessere Arbeitsbedingungen, Wohnungen und Gesundheitsversorgung. Die Briten antworteten mit rücksichtsloser Unterdrückung.
Die Briten wollten die iranische Forderung nach besseren Bedingungen entschärfen, indem sie ein Zusatzabkommen zur Verlängerung der D'Arcy-Konzession der APOC (die der Schah 1932 unterzeichnet hatte) anboten. Dieser beinhaltete eine Garantie von 4 Mio. Dollar an Einkünften, versagte dem Iran aber immer noch Einsicht in die Geschäftsbücher oder jede andere Form von Kontrolle.
Der Schah befahl der Regierung, den Vertrag zu billigen, was diese auch tat, aber das Parlament verweigerte die Zustimmung. Mit endlosen Reden wurde die Debatte vier Tage lang hinausgezögert, bis die Legislaturperiode endete, so daß die Angelegenheit erst vom nächsten Parlament entschieden werden konnte. Mossadegh tritt auf
Die Wahl des 16. Majlis 1949 bestimmte das Schicksal der Nation. Bei dieser Wahl tauchte eine neue politische Kraft auf, die Jebhe Melli oder Nationale Front, die von Mohammad Mossadegh angeführt wurde. Ihre Hauptforderung im Wahlkampf war die Verstaatlichung der Ölgesellschaft. 1947 hatte Mossadegh einen Gesetzesentwurf verfaßt, dem der Majlis zustimmte, wonach es keine Konzessionen mehr geben würde und über die AIOC neu verhandelt werden müsse. Bei der Wahl 1949 wurden Mossadegh und sechs weitere Mitglieder der Nationalen Front, darunter Ajatollah Abolkasem Kaschami, ins Parlament gewählt.
Wer war Mohammad Mossadegh?
Am 19. Mai 1882 geboren, war er der Sohn einer Kadscharenprinzessin (der Enkelin des Kronprinzen Abbas Mirza) und von Hejdajat Aschtiani, einem Finanzminister von Nasir al-Din Schah (der mit den tausend Frauen im Harem). Er wuchs am Hofe in einem elitären, hochpolitischen Umgebung auf und erlebte im Alter von acht Jahren die Tabakrevolution mit. Er beteiligte sich politisch an der Verfassungsrevolution von 1906 und wurde in Isfahan für das Parlament gewählt, durfte aber sein Mandat nicht antreten, weil er noch nicht 30 Jahre alt war.
Nach der Entmachtung des ersten Parlaments 1909 ging er ins Ausland, um am Institut für Politische Wissenschaften in Paris sowie am Rechtsinstitut Neuchatel in der Schweiz zu studieren, wo er 1914 einen Doktortitel in Jura erwarb. Schon in dieser frühen Zeit hatte er sich zum Ziel gesetzt, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit für sein Land zu schaffen. In seinem ersten Buch Wie der Iran sich entwickeln kann behandelte er rechtliche Möglichkeiten, die iranische und ausländische Wirtschaftstätigkeit zu regeln. Er schrieb außerdem Bücher über Zivilrechtliche Verfahren und Kapitulation.
Nach der Rückkehr in sein Heimatland wurde Mossadegh schon bald stellvertretender Finanzminister (1916) und begann einen Feldzug gegen Verschwendung und Korruption, der ihm Morddrohungen einbrachte. 1919 stellte er sich energisch gegen das Anglo-Persische Abkommen mit dem Argument, es werde das Land in ein britisches Protektorat verwandeln. Er reiste wieder nach Europa. Nachdem Ministerpräsident Vosough al-Doleh, der das Abkommen unterschrieben hatte, abgesetzt wurde, kehrte Mossadegh wieder nach Persien zurück, wo er Gouverneur der Provinz Fars wurde - bis zum Putsch von Seyed Ziya und Reza Khan 1921, dessen Rechtmäßigkeit er in Frage stellte. Als Ziya als Ministerpräsident von Ghavam al-Saltaneh abgelöst wurde, wurde Mossadegh 1922 Finanzminister. 1923 übernahm er das Amt des Außenministers. Während der Herrschaft von Schah Reza Khan, dessen politische Ansichten er überhaupt nicht teilte, zog sich Mossadegh ins Privatleben zurück, wurde später verhaftet, für mehrere Monate ins Exil gezwungen und dann unter Hausarrest gestellt.
Als Reza Khan 1941 abdankte und ins Exil ging, kehrte Mossadegh ins öffentliche Leben zurück und wurde zum Abgeordneten von Teheran in den 14. Majlis gewählt. Bei der 15. Majliswahl, bei der Wahlbetrug im Spiel gewesen sein soll, wurde Mossadegh nicht wiedergewählt. Es war dieses Parlament, das der verheerenden Verlängerung des Ölvertrages von 1933 zustimmte.
Doch mit der historischen Wahl des 16. Majlis kam er wieder ins Parlament, um zusammen mit seinen Kollegen von der Nationalen Front für die Verstaatlichung der Ölindustrie zu kämpfen.
Die Briten taten alles, um das Zusatzabkommen durchzudrücken; sie setzen sogar ihren Kandidaten General Ali Razmara als Ministerpräsidenten durch, doch es nutzte nichts. Mossadegh wurde Vorsitzender des Ölausschusses im Parlament, der den Auftrag hatte, das Zusatzabkommen zu prüfen. Ihm ging es dabei vorrangig nicht um das Öl an sich, sondern um die Verteidigung der Ressourcen des Landes als Ausdruck nationaler Souveränität und Unabhängigkeit.
Das Bündnis politischer Kräfte, das Mossadegh um sich scharte, spiegelte das wider, was in der iranischen Geschichte immer wiederkehrt: die führende Rolle der religiösen Autoritäten. Diesmal war die Schlüsselfigur Ajatollah Kaschani, ein Mann, den Mohamad Reza Schah ins Exil geschickt hatte und der nun für den Majlis von Beirut aus kandidierte und gewann.
Als am 25. November 1950 das Zusatzabkommen im Ausschuß zur Abstimmung kam, entschied dieses patriotische Bündnis mit einem klaren Nein. Da aber die Briten weiter unnachgiebig blieben und Verhandlungen verweigerten, veranstalteten die nationalistischen Kräfte um Mossadegh und Kaschani im Januar 1951 eine Demonstration, die zur Verstaatlichung der AIOC aufrief. Wie schon bei der Tabakrevolution war die Rolle der Geistlichkeit entscheidend: Es wurde eine Fatwa herausgegeben, welche die Regierung der britischen Marionette Razmara verurteilte.
Der Ruf nach Verstaatlichung wurde immer lauter, und obwohl die Briten in letzter Sekunde noch verzweifelt "Halbe-Halbe" anboten - wozu die Amerikaner sie gedrängt hatten - , stimmte am 15. März 1951 eine Mehrheit von 96 Mitgliedern des Majlis für die Verstaatlichung. Eine begeisterte Menge von 2 000 Menschen trug anschließend die Abgeordneten auf den Schultern.
Am 20. März gab der Senat seine Zustimmung, und am 1. Mai unterzeichnete der Schah das Gesetz zum Widerruf der Konzession an die AIOC und zur Umbenennung der Gesellschaft in National Iranian Oil Company (Nationale Iranische Ölgesellschaft). Razmara wurde durch wochenlange Streiks aus dem Amt gejagt, später wurde er von einem Mitglied der nationalistischen religiösen Organisation Fedajin-I-Islam, Khalil Talmsibi, ermordet. Der neue Ministerpräsident, Hussein Alaa, trat schon bald wieder zurück. Am 6. Mai 1951 wurde er auf Ersuchen des Majlis und Befehl des Schahs durch Mossadegh ersetzt.
wird fortgesetzt 
 

Neue Solidarität Nr. 49 vom 7.12.2005 Die persische Tragödie - Teil 1
Mossadeghs Kampf um Souveränität
Von Muriel Mirak-Weißbach



Die Lehren aus der Geschichte
Kolonialismus durch Konzessionen

Der Beginn der Pahlewi-Dynastie

Mossadegh tritt auf