Nichts Ungewöhnliches; Korruption: auch in Afghanistan

Einer Mitteilung der BBC vom 12. 10. 06 zufolge hat der Sprecher des afghanischen Oberhauses, Sibghatullah Mojaddedi, erklärt, dass er zurücktreten werde, wenn die korrupten Beamten nicht entlassen würden. Er wünscht eine Untersuchung, die aufdeckt, warum der Sicherheitschef des Flughafens von Kabul, General Aminullah Amarkhel, am Abend des 11. Oktobers vom Amt suspendiert wurde, nachdem er Beamte angeklagt hatte, heimlich mit Drogenschmugglern gemeinsame Sache zu machen. Amarkhel seinerseits betrachtet diesen Schritt als Teil eines gegen ihn gerichteten Komplotts. Laut Mojaddedi stellt die Regierung "schwache" Leute ein; er gibt der Regierung zwei Monate Zeit, den Erfordernissen entsprechend zu handeln, andernfalls wird er seinen Posten verlassen. Mojaddedis Angriff auf die Regierung erfolgte anlässlich einer Pressekonferenz in Kabul, bei der er den Journalisten mitteilte, dass Präsident Karzai ihm kein Gehör schenke. Gleichzeitig kritisierte er die Regierung auf Grund der Amtsenthebung von General Amarkhel. Mojaddedi gilt als hoher, von der afghanischen Bevölkerung und auch von Hamid Karzai respektierter Geistlicher. Es ist damit zu rechnen, dass die Äusserungen Mojaddedis ein Echo in der Bevölkerung auslösen werden, da in der Öffentlichkeit allgemein behauptet wird, dass der Drogenschmuggel ungestraft bliebe. Der Mohnanbau in Afghanistan macht weltweit 90% aus.

General Amarkhel hatte behauptet, dass Beamte des Innenministeriums angeordnet hätten,  unter Verdacht stehende Drogenschmuggler freizulassen. In den zurückliegenden 18 Monaten hatte er 60 des Drogenschmuggels verdächtigte Personen festgenommen. Über 100 kg Heroin wurden beschlagnahmt. Er selbst hat zahlreiche Todesdrohungen erhalten. Seine Entfernung aus dem Amt, erklärte er BBC gegenüber, gehöre zu einer ‚Mafiakonspiration’, die eine grosse Bande von Drogenhändlern und -schiebern umfasse. »Die Regierung sollte abklären, was ich falsch gemacht habe. Welches Vergehen habe ich mir zuschulden kommen lassen? Mir wurde immer noch kein Grund genannt.« Der Sprecher des Innenministeriums, Zmarai Bashary, liess die BBC wissen, dass die Entlassung Amarkhels mit Massnahmen zusammenhinge, die die Sicherheit des Flughafens erhöhen sollten [worunter er, ist hier einzufügen, ganz offensichtlich eine Art von Sicherheit versteht, die den Drogendealern noch mehr Freiraum verschafft]. Letztes Jahr trat Innenminister Ali Ahmad Jalali unter der Begründung, er wolle seine akademischen Studien fortsetzen, von seinem Posten zurück. Insider in der Regierung dagegen sagen, dass er ging, weil er die Drogenhändler hart anpacken wollte, was sich jedoch als unmöglich erwies [Jalali hatte die Behörden nach seinem Rücktritt dringend dazu aufgefordert, Regierung und Administration zu säubern, was in der Folge jedoch nicht ernsthaft in Angriff genommen wurde].
 
Als Ergänzung zu dieser BBC-Mitteilung bringen wir hier Ausschnitte aus einem Artikel von Joachim Hoelzgen, Hölle Helmand *. Wie er schreibt, haben die Taliban und die Drogenkönige in der Provinz Helmand eine gefährliche Allianz geschlossen: die Schlafmohn-Magnaten kaufen für die Gotteskrieger Geländewagen, Motorräder und Satellitentelefone. Dafür schützen die Kämpfer das Millionengeschäft mit dem Opium.
 
<<Die Nato hat einen neuen Gegner ausfindig gemacht hat: Mohn - in der Provinz Helmand ist ein regelrechter Opiumkrieg entbrannt. Im nächsten Mai steht dort die neue Ernte an, und die Nato möchte das verhindern. Der Kampf gegen das Opium und den Drogenhandel müsse ‚absolut’ sein, forderte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer höchstpersönlich beim jüngsten Treffen der Bündnis-Außenminister in New York. In Helmand obliegt der Kampf gegen das Opium britischen Truppen - auch das eine Ironie der Geschichte, denn beim Opiumkrieg im China des 19. Jahrhunderts waren es ausgerechnet die Engländer, die den Stoff ins Reich der Mitte brachten, um so ihre Handelsbilanz auszugleichen. In den Wüsten Helmands und entlang des Helmand-Flusses, des längsten Wasserlaufs in Afghanistan, triumphieren bisher freilich die Drogenkönige, in einer Welt des Mittelalters, in der es neben Trauben und Granatäpfeln in den Oasen nur Sommerweizen und eben den Schlafmohn gibt.
 
Das Land am Hindukusch - ein beispielloser Drogenstaat
Im Schatten des Krieges gegen den Terrorismus haben die Bauern von Helmand zuletzt eine Rekordernte von 1100 Tonnen Rohopium eingefahren. Helmand führt damit alle anderen Provinzen an, die das Land am Hindukusch in einen beispiellosen Drogenstaat verwandelt haben. Die Gesamtproduktion von Opium machte bei der diesjährigen Ernte 6100 Tonnen aus, was wiederum weltweit 92 % entspricht. Am gefährlichsten ist das Zusammenspiel zwischen den Gotteskriegern der Taliban und den Drogenbaronen. Sie sind mit ihren Interessen untereinander derart verflochten, dass sie die strategisch ohnehin labile Lage der Nato und der Isaf-Schutztruppe im Süden zusätzlich erschüttern. Die Taliban treiben bei den Schlafmohnbauern "Zakat" ein - Almosen, die eigentlich für die Armen bestimmt sind. Die Summe ist am Ende aber nicht unbeträchtlich, da ein Drittel der Bevölkerung Helmands mit dem Mohnanbau beschäftigt ist. Insgesamt leben in Helmand eine Million Menschen in etwa 1000 Dörfern.
 
Das Rohopium wird problemlos zu Heroin verhüttet
Die Opiummagnaten wiederum, die von den Paschtu sprechenden Bauern mit dem englischen Begriff Tycoon beschrieben werden, rüsten die Taliban auf. Die Tycoone überlassen den radikalislamischen Kämpfern auch Behausungen in den Dörfern - und Frauen, berichtet die englische Strategiezeitschrift Jane's Intelligence Review in ihrer Septemberausgabe. Die Taliban und die Tycoone haben auch gemeinsam Schmuggelrouten in den äußersten Süden eingerichtet, wo sich die Grenze zur pakistanischen Provinz Belutschistan befindet. Auf der afghanischen Seite der Grenze gibt es kaum Grenzposten, die stören könnten, so dass das Verhütten des Rohopiums in Heroin hier problemlos vonstatten gehen kann. In die Gegenrichtung würden Waffen für die Taliban gebracht. Kuttenkrieger bewachen die Schmuggelrouten und die Karawanen, die das Opium und auf dem Rückweg die Waffen transportieren.
 
Die Taliban sind in Helmand die Könige der Nacht
Und damit es auf der Teerstraße von Lashkar Gah, der Hauptstadt Helmands, zur Basarmetropole Kandahar keine Probleme gibt, kaufen die Drogenkönige ganz einfach Stellen bei der Straßenpolizei - und dazu Polizeifahrzeuge samt den einschlägigen Uniformen. Ein solcher Pseudo-Posten kostet 1,5 Millionen pakistanische Rupien, die Währung der Wahl, was 25.000 US-Dollar ausmacht. So fällt es den englischen Nato-Truppen in Helmand schwer, zwischen Freund und Feind zu entscheiden. Währenddessen sind die Talibankämpfer in Helmand Könige der Nacht. Sie errichten Straßensperren, besetzen Dörfer und machen die Piste von Lashkar Gah nach Kandahar nur während des Tages passierbar. Im nordöstlichen Distrikt Sangin belegen sie den britischen Stützpunkt mit Mörsergranaten und berennen ihn manchmal geradezu. Sie rücken gegen die britischen Fallschirmjäger und Gurkha-Truppen mit Geländewagen an und beharken die Festung mit Maschinengewehren oder schießen panzerbrechende Waffen auf sie ab. Weil Hubschrauber knapp sind, konnten die Verteidiger in der Sommerhitze von bis zu 50° nur sporadisch mit Wasser, Proviant und Munition versorgt werden. Seit der Entsendung britischer Truppen nach Helmand im Mai sind allein im Norden der Provinz 16 Soldaten gefallen.>>
 
Solange den Forderungen - diejenigen Beamten sowie die Verwandten von Präsidenten Hamid Karzai, die in den Drogenhandel verstrickt sind, restlos zu entfernen - nicht stattgegeben wird, und solange wir über die UNO gezwungen sind, als Internationale Gemeinschaft sowohl Karzai als auch die NATO, und damit die anglo-amerikanische Ölmacht, finanziell zu stützen, ist nicht zu erwarten, dass sich an den geschilderten Verhältnissen irgendetwas ändern wird. Die auf dem Sektor Drogen gegebene Korruption ist in dem nachfolgenden Artikel ‚Blick auf Afghanistan und den dortigen Drogenhandel’ genauer aufgezeigt. Es hat unglücklicherweise nicht den Anschein, als käme der gegen das Land gerichtete Krieg, den man nur noch als Terrorkrieg gegen Afghanistan bezeichnen kann, zum Erliegen.
 
* Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,438678,00.html  26. 9. 06