Shraga Elam lehnt die Online-Petition "Schalom 5767" ab.

Die westlichen Imperialisten unter US-amerikanischer Führung überziehen die Welt mit Elend und Tod. Palästina wickeln sie die Nabelschnur um den Hals, und Israel treiben sie in den Selbstmord

Rolf Verleger, Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland, und über sechzig Glaubensgeschwister in Deutschland haben mit ‚Schalom 5767’ die Deutschen dazu aufgefordert, sich für einen palästinensischen Staat neben dem Judenstaat Israel einzusetzen. Shraga Elam hält die Forderung für unrealistisch und unmoralisch.
 
Sie sind seit Jahrzehnten ein entschiedener Gegner der zionistischen Politik des israelischen Staates. Die Berliner Erklärung ‚Schalom 5767’ wendet sich ebenfalls gegen die israelische Regierungspolitik. Halten Sie die Erklärung für einen Schritt in die richtige Richtung?  
Neue Ideen und Initiativen für den Israel-Palästina-Konflikt sind sehr wichtig. Die neue Petition ist leider ein Recycling etwa der Genfer Initiative mit ihren unrealistischen und unmoralischen Ansätzen. Wiederverwertung spart zwar Ressourcen, ist aber in diesem Bereich nicht sehr sinnvoll.
 
Wieso sprechen Sie von unrealistischen Ansätzen?
Auch wenn 10 Millionen Deutsche die Petition unterschreiben - sie wird die Tatsache nicht ändern, dass die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung keine Chance mehr hat. Noam Chomsky, ein bedingter oder taktischer Befürworter, nennt sie zu Recht Regelung und nicht Lösung. Ob diese Regelung jemals eine Chance hatte, verdient eine längere Diskussion.
 
Was wäre denn realistisch?
Die ethnische Säuberung schreitet voran und eine blutige israelische Wiederbesetzung des Gaza-Streifens steht bevor. Sofortige Aktionen sind nötig, um die Verbrechen zu stoppen bzw. zu verhindern. Es gibt beispielsweise palästinensische Organisationen wie Badil, die für die Stationierung auswärtiger Schutztruppen plädieren. Ein anderes Beispiel: Im Palästina-Portal bei arendt-art.de gibt es einen Aufruf an die israelischen SoldatInnen, die Kriegsverbrechen zu sabotieren, wie es das israelische Militärgesetz ausdrücklich vorschreibt. Es gilt, solche Aufrufe zu unterstützen und bekanntzumachen, denn durch sie kann unmittelbar etwas erreicht werden. Selbst wenn kein einziger Soldat dem Sabotage- Aufruf folgen würde - es gab dennoch einzelne Fälle - er wirkt abschreckend auf die israelische Führung. Er fördert die Suche nach einem nachhaltigen gerechten Frieden.
 
Wieso halten Sie die Berliner Erklärung auch für unmoralisch?
Ein Kernproblem des Konflikts ist der israelische Rassismus und der damit verbundene Nationalismus. In Israel herrscht ein Apartheidsystem. FriedensbefürworterInnen müssen die herrschende israelische Apartheid entschieden ablehnen. Das Konzept eines rein ethnischen Staates, in diesem Falle eines Judenstaates, widerspricht jedem Demokratieverständnis. Das ist ein israelisches Grundproblem, genauso wie die Besatzung, die nicht erst 1967 begann. Um neue Friedensperspektiven zu entwickeln, braucht es ANC-ähnliche Organisationen. Deshalb ist es sinnvoll, zum Beispiel von der PLO zu fordern, dass sie ihre Reihen für jüdische Mitglieder öffnet. Das würde dem Traum von einem gemeinsamen säkularen demokratischen Staat neue Chancen geben. Die Juden/Jüdinnen und die PalästinenserInnen sind wie siamesische Zwillinge. Sie sind dazu verdammt zusammenzuleben oder zusammen zu sterben.
 
Das heißt, auch an die palästinensische Seite wären Forderungen zu richten?
Ja, die Palästinensischen Autonomiebehörde müßte aufgelöst werden. Denn sie erspart dem Besatzer Israel die politischen und wirtschaftlichen Kosten einer direkten Besetzung. Die Gefahr einer blutigen Besetzung wäre gebannt und die brutale Blockade gegen die palästinensische Bevölkerung zwangsläufig beendet.
 
Was können wir in Deutschland Ihrer Meinung nach tun?  
Die Bundesrepublik hat vor der Annexion des DDR-Gebiets den moralisch und politisch-historisch falschen Beschluss gefaßt, den Staat Israel als Vertreter der jüdischen Naziopfer anzuerkennen und tatkräftig zu unterstützen. Damit hat sich Deutschland für die israelischen Verbrechen gegen die PalästinenserInnen mitverantwortlich gemacht. Nicht nur konnte und durfte Israel diesem Anspruch auf Vertretung der Nazi-Opfer nie gerecht werden; die israelische Führung hat darüber hinaus die deutsche Unterstützung als Lizenz zum Töten ausgelegt. Eine vernünftige Petition muß unbedingt den Stopp der deutschen Unterstützung für Israel fordern.
 
Shraga Elam, ein Befürworter der Ein-Staat-Lösung in Palästina/Israel, ist israelischer Journalist und lebt in Zürich. Er recherchierte unter anderem über die zionistische Kooperation mit Nazi-Deutschland und die Rolle der Schweizer Banken. Er ist Friedensaktivist und Mitglied der akademischen Mailing-Liste Alef - Academic Left und Autor von ‚Hitlers Fälscher’ und Co-Autor von ‚Die Schweiz am Pranger. Banken, Bosse und die Nazis’. Er und weitere Listenmitglieder wurden kürzlich mit Mord bedroht. Das Interview führte Thomas Immanuel Steinberg;  T:I:S, 24. November 2006
Hervorhebungen durch politonline
 
Quelle: http://www.steinbergrecherche.com/frisrael.htm#Interview
Weitere Aufsätze zu diesem Thema finden Sie auf http://www.steinbergrecherche.com/
 
Kommentar von politonline: Siedlungsbau      
Auf der website des Internet-Journalisten Anis Hamdeh findet sich unter dem Datum vom 19. 11. ein lesenswerter Kommentar zu der Morddrohung gegen Shraga Elam. Wie es dort heisst, hatte eine der Drohungen folgenden Wortlaut: »Hallo Shraga, warum nimmst Du den Hörer Deines Mobilfunktelefons nicht ab? Die Henryk-M-Broder-Brigaden haben Dich zum Tod verurteilt. In Deinem Hauseingang (Adresse) wirst Du erschossen, wie [Anna] Politkowskaja, Scheisskerl, Verräter". Diese war im Oktober einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Der Anrufer sprach Deutsch mit russischem Akzent. Wie Elam berichtete, habe es später an der Tür geklingelt, doch er habe nicht aufgemacht. Der in Berlin lebende Journalist Henryk Broder hat sich im Internet mehrfach polemisch mit Shraga Elam auseinandergesetzt. Zwar ist Broder nicht dafür verantwortlich, wenn jemand vorgibt, in seinem Namen oder in Verbindung mit seinem Namen zu sprechen, jedoch schüren Broders aggressive Äusserungen ein Klima, in dem Vorfälle wie der oben dokumentierte wie eine Konsequenz wirken können, wird doch von Broder das gezielte Töten von Menschen in Palästina, im Libanon und anderswo immer wieder öffentlich gerechtfertigt.
 
Zu der aggressiven Stimmung, die Broder erzeugt und in der offenbar solche Morddrohungen möglich sind, gehört auch ein Dauerfeuer des Internetmobbings gegen die verschiedensten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. In diesem Jahr führt Broder drei Gerichtsprozesse gegen Leute, mit denen er in politische Meinungsverschiedenheiten verstrickt ist. Gewalt bis hin zu Folter wird von ihm und seinen Anhängern als Problemlösung befürwortet. Gleichzeitig gilt für diese Sippschaft jeder, der auf Deeskalation und Kommunikation mit Leuten setzt, die zum ‚Gegner’ erklärt wurden, als Dhimmi, der selbst bekämpft gehört. Und da soll man sich darüber wundern, dass in der so erzeugten Atmosphäre auch Morddrohungen gegen Andersdenkende möglich sein sollen? Henryk Broder ist Mitarbeiter des trotz aller - auch aktueller - Kritik vermutlich noch immer angesehensten deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel.
 
In diesem Zusammenhang sei auch auf einen auf der website von Thomas Immanuel Steinberg erschienenen  [von uns gekürzten] Abriss zur Israel-Lobby * in der USA hingewiesen: Wie der Nouvel Observateur schon Ende Februar 2004 berichtete, »stellt die Wählerbasis von George Bush, die  fundamentalistischen Protestanten, die sogenannten Evangelikalen, mit ihren Fernsehpredigern, der wörtlich genommenen Schöpfungsgeschichte und dem Kampf gegen Homosexuelle und Schwangerschaftsabbruch eine Massenbewegung in der USA dar. Inzwischen haben diese auch in Chile und in Brasilien erfolgreich missioniert und greifen - teilweise von Frankreich aus - gerade auf Afrika über. Beispielsweise lautet ein Ausschnitt aus dem umfangreichen Dossier wie folgt: Für Gross-Israel: Die Evangelikalen verkünden: Alle Juden müssen nach Israel zurückkehren... und sich bekehren! Steckt Zufall oder Absicht hinter der Wahl des Zeitpunkts? Am 12. Oktober 2003, gerade als israelische und palästinensische Pazifisten in Jordanien letzte Hand an den ‚Vertrag von Genf’ legten, eröffnete ein Areopag [im Athen der Antike der höchste Gerichtshof] von amerikanischen Evangelikalen und israelischen Likudniks unter der Schirmherrschaft des neokonservativen Richard Perle einen ‚Gipfel von Jerusalem’. ‚Israel ist die moralische Lösung für den orientalischen Totalitarismus und den westlichen Relativismus’, erklären sie, ‚es ist der ‚Ground Zero’ zur Entscheidungsschlacht unserer Zivilisation.’ Die Evangelikalen weisen den Juden und dem Staat Israel beim göttlichen Vorhaben am Ende der Zeiten eine entscheidende Rolle zu. Ihnen zufolge wird der Messias erst zurückkehren, wenn alle Juden wieder im Heiligen Land sind. Daher finanzieren sie die Einwanderung nach Zion, übernehmen Patenschaften für Siedlungen im West-Jordanland und vertreten in Washington den Gross-Israel-Plan. ‚Gott hat den Juden das Land Israel gegeben’, erklärt Gary Bauer, der neue Stern am Himmel der Christian Coalition. Weder die UNO, noch Europa, Russland oder irgendein Quartett oder Trio, kann über das Schicksal dieses Landes entscheiden.’ Aber das ist nicht alles: Wenn Jesus Christus ins Heilige Land zurückgekehrt ist, dann können sich die Juden dadurch freikaufen, dass sie ihn endlich als ihren Messias anerkennen! Wenn nicht, werden sie für immer vernichtet.« Es ist schon erstaunlich, welche Vorstellungen auch in der heutigen Zeit Fuss fassen können resp. überleben.
 
Bei einer feierlichen Zeremonie in Brüssel ist jetzt im November die neue Organisation ‚Europäische Freunde Israels’ http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=141 des europäischen Parlaments eingeweiht worden. Der Lobby gehören zahlreiche europäischen Parlamentarier aus 27 Ländern an. Bei der Zeremonie wurde die Video-Aufnahme einer Rede von Ministerpräsident Olmert ausgestrahlt, der die Initiative dieser neuen Lobby begrüsste. Dieser sprach von der Bedeutung der Beziehungen zwischen Israel und Europa und sagte, Europa nehme eine Schlüsselrolle bei der Schaffung einer hoffnungsvollen Zukunft im Nahen Osten ein. Benjamin Netanjahu sprach über Satellit aus Kirijat Shmona mit einer Reihe europäischer Abgeordneter und sagte zu ihnen, Israel und die europäischen Staaten verfolgten dieselben Interessen und hätten dieselben Werte.
 
Man darf gespannt sein, welche Themen die neue Gruppe in Angriff nehmen wird. Zu diesen sollte im Prinzip der Siedlungsbau zählen und die Art und Weise, wie palästinensischer Boden illegal konfisziert wurde und wird, denn 40 % des Bodens, auf dem israelische Siedlungen im besetzten Westjordanland stehen, sind ursprünglich in privatem palästinensischem Besitz gewesen und von Israel konfisziert worden. Dies laut einem Bericht der israelischen Friedensorganisation Shalom Achshaw (Peace Now). Jüdische Siedler errichten unterdessen im besetzten Westjordanland weiterhin Häuser auf Grundstücken von Palästinensern. Wie die israelische Zeitung Haaretz am 24.10.06 berichtete, zeige eine als geheim eingestufte Untersuchung der israelischen Armee, dass es in jüdischen Siedlungen eine ungebremste illegale Bautätigkeit gibt. Neue Wohnviertel würden systematisch am Aussenrand jüdischer Siedlungen gebaut, schreibt das Blatt. Die Untersuchung sei dem Verteidigungsminister Amir Perez und seinem Vorgänger Shaul Mofas vorgelegt, aber nicht veröffentlicht worden. Sie enthalte ‚politischen und diplomatischen Sprengstoff’, weil die israelische Regierung einen Stopp dieses Siedlungsbaus zugesagt hatte. Mehrere Autoren der Studie hätten sich schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichten müssen.
 
Ein weiteres Thema müsste der Mauerbau auf dem Territorium der Westbank sein. Trotz des Gutachtens des Weltgerichtshofs in Den Haag vom Juli 04, das dessen Völkerrechtswidrigkeit eindeutig feststellte, ist er von der israelischen Regierung ungestört fortgesetzt worden. Auch die überwältigende Mehrheit der UN-Vollversammlung, die für die zügige Umsetzung dieses Rechtsgutachtens stimmte, konnte nicht bewirken, dass der Bau gestoppt wird. Die europäischen Regierungen haben ihren Einfluss gegen die Errichtung der Mauer in keiner Weise geltend gemacht, obwohl sie diesem UN-Votum selber zugestimmt haben. In Gaza wurden ungeachtet des einseitigen Abzugsbeschlusses der Regierung Israels und der vollzogenen Räumung der Siedlungen die Politik der Einsperrung perfektioniert und die Luftangriffe sowie gewaltsamen Anschläge der israelischen Armee weiter gesteigert. Beobachter vergleichen dieses Gebiet mit einem ‚Freiluftgefängnis.’ Hinzu kommt eine vom Zentralkommandeur Yair Naveh jetzt unterzeichnete Order, die israelischen Bürgern verbietet, Palästinenser in ihren israelischen Fahrzeugen innerhalb der Westbank mitzunehmen: also gibt es jetzt - wie dies die Berichterstatterin Amira Hess im Haaretz vom 22. 11. 06 nennt - die Apartheid nun auch im Verkehrswesen - wie man  menschliche Kontakte zwischen friedlichen Palästinensern und Israelis unmöglich macht. Die Order tritt ab 19. Januar 2007 in Kraft. Ausnahmen gibt es für jene Palästinenser, die einen Passierschein  für Israel oder die Siedlungen haben oder die ihre Verwandten 1. Grades bei sich haben. Der Grund für die neue Order ist natürlich ‚die Sicherheit’, stellte der Sprecher der Israel Defense Forces [IDF] fest. Man möchte verhindern, dass diejenigen eindringen, die terroristische Angriffe in Israel, in Judäa, Samaria und im Jordantal planen. Deshalb klingt die Order wie eine  normale ‚IDF-Granate’, bei der es um ‚Selbstverteidigung’ geht. In Wirklichkeit ist es eine weitere Komponente im Regime der nationalen und ethnischen Trennung, die in der Westbank herrscht, ein Regime mit Privilegien für die jüdische Siedlerminderheit auf Kosten der individuellen und nationalen Rechte der Palästinenser. Wie andere Militärorder oder Knessetgesetze, die klugerweise in Sicherheitsargumente eingewickelt sind, wird auch diese Order Streubomben verteilen, die auch die wenigen verbliebenen Chancen, mit Palästinensern Friedensbeziehungen aufzubauen, zunichte machen.
 
Wenn nun also - wie dies Benjamin Netanjahu darlegt - Israel und die europäischen Staaten dieselben Werte haben, dann sollte man erwarten dürfen, dass diese Fakten, die den in Anspruch genommenen Werten einwandfrei widersprechen, offen behandelt werden.
 
* http://www.steinbergrecherche.com/frisrael.htm#Interview Jacques Gevers:
Was Israel vorhat. Siehe auch Eine neue Pro-Israel-Lobby für die USA? »Christliche Zionisten« wollen beweisen, daß allein Juden über das Land zwischen Mittelmeer und Jordan herrschen sollen - von Knut Mellenthin auf politonline