Faschisten im Nadelstreifen - von Rainer Apel

Die rechtsextreme «Federalist Society», die in den USA seit zwei Jahrzehnten versucht, das «Führerprinzip« des Kronjuristen des Naziregimes, Carl Schmitt, salonfähig zu machen, will nun einen Ableger in Deutschland gründen. 1

Auch wenn einem die deutschen Medien nun weismachen wollen, jetzt sei endlich die Zeit gekommen, zusammen mit Dany Levy und Helge Schneider über Hitler zu lachen, bleibt das Thema todernst: Es sind nämlich Kräfte am Werk, nach deren Ansicht es auch an der Zeit sei, den neuen Faschismus - von seinen historischen Symbolen etwas gereinigt - wieder hoffähig zu machen. Mit ihren Ansichten über die angebliche Überholtheit des Grundgesetzes und des Sozialstaats sowie über die Notwendigkeit von Sonderermächtigungen zum Kampf gegen angeblich allgegenwärtige islamische Terroristen sind die Neocons auch in Deutschland bereits auf dem Weg, den ihre Vordenker wie Carl Schmitt beim Umsturz der Weimarer Republik schon einmal gegangen sind. Und sie haben dabei, wie ihre Vordenker damals, tatkräftige Mitstreiter und Unterstützer in gewissen anglo-amerikanischen Kreisen, wie sie sich zum Beispiel in der klerikalfaschistisch ausgerichteten Federalist Society der USA wiederfinden.
 
Die Mitteilung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. 12. 06, eben jene Society plane, ihren Fuß auch auf deutsches Territorium zu setzen, muß daher mehr als beunruhigen, denn hierzulande gibt es leider immer noch zahlreiche Anhänger von Carl Schmitt,  dessen Kampfschriften zum «Führerprinzip» und zum «Freund-Feind-Prinzip» für die «Unitary Executive» Modell gestanden haben, die die Vertreter der Federalist Society in der Regierung Bush/Cheney verwirklichen.
 
Ein gewisser John Schmitz, so meldete die FAZ, sei mit dem Aufbau eines deutschen Ablegers der Society befaßt. Es handelt sich hier um John P. Schmitz, dessen Familie nicht nur politisch, sondern auch verwandtschaftlich mit der Familie Bush verknüpft ist: Schmitz ist mit der Schwester von Columba Bush, der Ehefrau des langjährigen Governeurs von Florida, Jeb Bush, verheiratet, und Jeb ist ein Bruder des derzeitigen US-Präsidenten. Schmitz war auch Rechtsberater des Vaters der Brüder Bush während dessen Amtszeit als Vizepräsident unter Präsident Reagan. Schmitz und sein Bruder Joseph sind prominente Mitglieder der Federalist Society, und John P. Schmitz diente früher als Rechtsassistent bei Antonin Scalia, bevor dieser Richter am Obersten Gerichtshof der USA wurde. Bruder Joseph wiederum war Rechtsassistent bei James Buckley, dem Bruder eines anderen führenden radikalen Neocons, William F. Buckley. Der Vater der Brüder Schmitz, John G. Schmitz, war lange Jahre Kongreßabgeordneter für Kalifornien und für seine politisch rechtslastigen Tendenzen notorisch bekannt. 1982 sagte er in einem Fernsehinterview, es sei an der Zeit, in den USA so etwas zu machen wie den Militärputsch in Chile 1973. Da paßt ins Bild, daß Warren Carroll, ein enger Mitarbeiter von John G. Schmitz, aus Kennedy-feindlichen Kreisen in Dallas stammte - der Stadt, in der Präsident Kennedy im November 1963 ermordet wurde. Joseph E. Schmitz hat übrigens einen führenden Posten in der privaten Sicherheitsfirma Blackwater, die dem amerikanischen Militär bei der Besatzung des Iraks wichtige Dienste leistet.
 
Zurück zu John P. Schmitz. Er ist ein langjähriger Förderer des Aspen-Instituts in Berlin, dessen derzeitiger Chef, Jeffrey Gedmin, eine Reihe von Intrigen gegen LaRouche in Deutschland in Gang gesetzt hat. Gedmin wiederum saß jener New Atlantic Initiative vor, die versuchte, die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf den Kurs von Bush und Cheney auszurichten, und im übrigen über das American Enterprise Institute, einer führenden neokonservativen «Denkfabrik», eng mit den Aktivitäten von Lynne Cheney, der Ehefrau des US-Vizepräsidenten, zusammenarbeitete. Lynne Cheney sitzt wiederum wie die Spinne in dem Spitzelnetz, das zur Unterdrückung von Kritik am Bush/Cheney-Kurs über amerikanische Universitäten gezogen wurde. Die Enthüllungen darüber in der Broschüre der LaRouche-Jugendbewegung mit dem Titel «Ist Goebbels an Deiner Uni?» trugen wesentlich dazu bei, daß eine große Mehrheit der Jungwähler am 7. November für die Demokraten gestimmt und damit einen Erdrutsch im politischen System der USA ausgelöst haben.

John P. Schmitz hat auch prominente deutsche Verbindungen, zum Beispiel zu Friedrich Merz, jenem Erzneocon, der seit der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 nicht müde wird, das baldige Ende der Großen Koalition von Kanzlerin Merkel zu fordern. Merz ist, wie er selbst einmal erzählte, von Schmitz zum Ausstieg aus der CDU-Spitzenpolitik und zum Einsteig in die in Köln ansässige Filiale der US-Anwaltskanzlei Mayer, Brown, Rowe & Maw überredet worden. Merz machte außerdem Schlagzeilen, als er im Auftrag für den britischen Fonds TCI versuchte, die Deutsche Börse feindlich zu übernehmen. Derzeit ist Merz auch Berichterstatter der CDU für die Beratungen über die Gesundheitsreform, deren Verwirklichung eines der Vorzugsprojekte der deutschen Neocons ist. Aber auch ihr Scheitern kann schlimme Folgen haben, wenn nämlich darüber die Regierung auseinanderbrechen sollte, und diesen Ausgang der Beratungen hat Merz, der diese Regierung ohnehin nicht mag, über entsprechende Rechtsgutachten zur Verfassungswidrigkeit der Reform durchaus in der Hand - worauf ein Bericht im Hamburger Magazin Spiegel in der vergangenen Woche ziemlich unverhohlen hinwies.
 
Latham & Watkins
Die erwähnte Kölner Anwaltskanzlei ist ein Fuß, den die Federalist Society über Schmitz und Merz bereits in der Bundesrepublik gesetzt hat. Interessant ist aber auch die amerikanische Anwaltskanzlei Latham & Watkins, deren Büros in London, Paris und  Brüssel schon heute als Kontaktstellen der Federalist Society in Europa fungieren. Latham & Watkins ist eine Art Brutkasten für radikale Neocons, die es innerhalb der Administration Bush/Cheney zu Prominenz gebracht haben, wie etwa Innenminister Bruce Babbit, Heimatschutzminister Michael Chertoff und der im gleichen Ministerium tätige Philipp Perry. Der wiederum ist mit Elizabeth Cheney, einer Tochter des US-Vizepräsidenten verheiratet; diese ist wiederum im Außenministerium als Staatssekretärin für Fragen des Nahen Ostens zuständig.
 
Was wäre so eine Anwaltskanzlei ohne einträchtige Geschäfte im Interesse einflußreicher Kreise der Banken und Versicherungen, der Hedge- und Equityfonds, die mit einer Firmenübernahme nach der anderen und weiteren Tricks die spekulative Blase des jetzt schwer ins Wanken geratenen monetaristischen Systems durch immer neue Kapitalinfusionen aufrechterhalten wollen? Latham & Watkins taucht mehrfach auf, wo es um die monetaristische Zerstörung der Realwirtschaft geht, zum Beispiel beim Bankrott der Firma Delphi, dem führenden Autoteilelieferanten für General Motors. Dort vertritt die Kanzlei schlecht abgesicherte Gläubiger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche (was auf Kosten der Ansprüche der Delphi-Arbeiter geht). In einem anderen Fall, der im Jahrbuch von Latham für 2005 als «Erfolgsgeschichte» aufgeführt wird, nämlich dem des Enron-Schwindels, erwirkten die Anwälte beim Obersten Gericht der USA einen Freispruch für die Anwälte von der Kanzlei Arthur Andersen, die zuvor von einem Gericht in Houston 2002 wegen Behinderung der Justiz durch Vernichtung wichtiger Akten zum Enron-Fall verurteilt worden waren. Nun, wenn man im Obersten Gericht so prominente Mitdenker aus der Federalist Society wie Antonin Scalia sitzen hat, muß dieser Freispruch nicht verwundern. Allerdings sollte man dafür sorgen, daß solche Zustände in Deutschland gar nicht erst einreißen, und deshalb ist es am besten, wenn aus dem Plan von Schmitz, Merz & Co für eine deutsche Filiale der Society nichts wird und entsprechende Projekte zur Aushöhlung des sozialen Rechtsstaats bereits im Keim erstickt werden. Die neuen antidemokratischen Umstürzler sind, auch wenn sie keine einschlägigen Armbinden tragen und im Nadelstreifenanzug daherkommen, doch um nichts weniger gefährlich.
 
1 Quelle: http://www.information-schweiz.ch/pressedritte.html  - Der Artikel erschien zuerst in der Neuen Solidarität Nr. 3/2007 und entspricht der frei geäusserten Meinung des Verfassers