Entfernt die Schweizer Armee Streubomben aus ihren Arsenalen? - von Heinrich Frei, Zürich

Wird die Schweizer Armee die Streubomben aus ihren Arsenalen entfernen, wie vor einigen Jahren die Personenminen? An einer von der norwegischen Regierung organisierten Konferenz in Oslo versuchten in der letzten Woche Menschenrechtsorganisationen und Vertreter von 49 Regierungen den Einsatz von Streumunition einzuschränken oder sogar zu verbieten. Die Schweiz hat bisher lediglich das Verbot von »unzuverlässigen« Streubomben gefordert, nicht ein vollständiges Verbot. Das Rüstungsunternehmen des Bundes, die Ruag, die für die Schweizer Armee Streumunition fabrizierte, behauptet denn auch, dass ihre Streumunition »zuverlässig« sei, dass heisst, dass beim Einsatz fast alle Ruag-Bomblets explodieren würden.

Die im Libanon von der israelischen Armee zum Einsatz gekommene Streumunition ist jedoch weitgehend identisch mit der Munition M85, die von der Ruag in der Schweiz in Lizenz für die Schweizer Armee produziert wurde. Die Blindgängerrate der israelischen Streumunition im Libanon war sehr hoch. Wenn die Ruag behauptet, fast keine der Sprengsätze ihrer Clustermunition würden nicht explodieren, stimmt dies nicht, sagte Paul Vermeulen, Direktor von Handicap International an einer Tagung über »Diskriminierende Munitionen« die von Organisation Humanitäre Schweiz am 6. Februar 2007 an der Universität Zürich organisiert wurde. (Infos unter: www.fhch.ch) Laut Vermeulen würden labormässige Einsätze dieser Munition nicht Resultate wie im Krieg ergeben. Vermeulen zeigte an der Veranstaltung Filme von Bergungseinsätzen von Streumunition im Libanon. Auf einer kleinen Fläche wurde bei diesen gefährlichen Bomben-Entschärfungsaktionen sehr viele nicht explodierte Bomblets der Israelis gefunden, und das waren praktisch die gleichen Sprengkörper wie sie die Ruag mit israelischen Lizenzen fabriziert hat. Auch der Selbstzerstörungsmechanismus funktionierte bei diesen Bomben im Libanon nicht.
 
Professor Albert A. Stahel erklärte an dieser Tagung an der Uni Zürich, Streumunition sei eine überholte Waffe des Kalten Krieges, als befürchtet wurde, Panzer aus dem Osten würden in die Schweiz eindringen. In den Arsenalen der Schweizer Armee lagern 200'000 Streumunition-Systeme. Sie stehen für den sogenannten Ernstfall bereit, mit je 24 bis 84 Streumunitionen, das heisst mit insgesamt mehreren Millionen Sprengkörpern. Im Kriegsfall würde diese Artilleriestreumunition in der Schweiz eingesetzt, riesige Flächen würden so vermint, diese Flächen wären dann nicht mehr zugänglich und landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Nur mit einer Bombe kann auf einem Grundstück, das so gross ist wie mehrere Fussballfelder, alles Leben vernichtet werden. Beim Einsatz von Streumunition kommen laut Vermeulen zu 98 % Zivilpersonen ums Leben, sehr oft Kinder. Noch heute sterben in Vietnam, in Laos, in Südostasien, Menschen an Sprengkörpern aus Clusterbomben, die in den 70er Jahren abgeworfen wurden. »Blindgänger« von Streubomben haben die gleichen schrecklichen Auswirkungen wie Minen. Für die oft Jahre nach Ende der Kriegshandlungen getöteten oder verstümmelten Menschen gibt es keinen Unterschied zwischen einer Antipersonenmine und einer nicht explodierten Streumunition. Wann wird die Schweizer Armee die Streumunition in ihren Arsenalen liquidieren?
 
Heinrich Frei, Zürich, 25.2.07; siehe auch www.streubomben.ch