Folterpartner von German Foreign Policy

Eigener Bericht - Berlin wird seine Zusammenarbeit mit den algerischen Repressionsbehörden intensivieren. Dies teilt die deutsche Botschaft in Algier anlässlich der Gespräche der Bundeskanzlerin mit dem Staatspräsidenten Algeriens mit. Die Gespräche sollen am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm geführt werden. Die Kooperation gilt dem sogenannten Anti-Terror-Kampf, bei dem die algerischen Sicherheitskräfte nach Auskunft von Menschenrechtsorganisationen Verdächtige verschleppen und foltern. Offiziell reist Staatspräsident Bouteflika nach Heiligendamm, um eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den afrikanischen Armutsstaaten zu erörtern. Tatsächlich geht es Berlin und Algier neben der Anti-Terror-Kooperation vor allem um zusätzliche algerische Erdgaslieferungen in die EU und um milliardenschwere deutsche Investitionen in Algerien. Anlass sind Befürchtungen, das nordafrikanische Land könne sich mit Moskau verbünden und wegen des europäischen Ressourcenbedarfs seine bislang abhängige Position gegenüber Deutschland und der EU aufwerten. Brüssel müsse dagegen »eine Strategie entwickeln«, heißt es in Berlin.

Energieabkommen
Zentrales Thema der aktuellen Verhandlungen zwischen Berlin und Algier ist die Energieversorgung der EU. Algerien verfügt über bedeutende Erdöl- und vor allem Erdgasvorkommen, liefert bereits jetzt mit zwei Pipelines durch das Mittelmeer Erdgas nach Europa und besitzt umfangreiche Kapazitäten zur Herstellung von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG). Die Bundesregierung will die algerischen Lieferungen nach Deutschland sowie in andere EU-Staaten ausweiten lassen, um die Abhängigkeit von den russischen Ressourcen zu verringern. Im vergangenen November hat die deutsche Eon AG eine Absichtserklärung mit der algerischen Energiegesellschaft Sonatrach unterzeichnet, die langfristige LNG-Lieferbeziehungen vorsieht. [1] Zudem sind zwei weitere Pipelines in Planung; an einer davon ist die deutsche BASF-Tochter Wintershall beteiligt. Ein Erdgasabkommen zwischen Algerien und der EU steht nach Auskunft des deutschen Botschafters in der algerischen Hauptstadt kurz vor dem Abschluss. [2]
 
Rüstungsabkommen
Ursache für die hektischen Algerien-Aktivitäten der Bundesregierung sind politische Maßnahmen Algiers, die in Berlin als Bedrohung deutscher Ressourceninteressen verstanden werden. Dabei handelt es sich zum einen um die Revision des sogenannten Kohlenwasserstoffgesetzes, das erst im März 2005 erneuert worden war und ab diesem Zeitpunkt ausländischen Konzernen in Algerien die uneingeschränkte Förderung und den Vertrieb von Erdöl gestattete. Im Oktober 2006 hat das algerische Parlament eine Staatsmehrheit in Kernbereichen wieder zur Pflicht erklärt und damit den Ausverkauf der Energiebranche an westliche Konzerne beschränkt. Deutsche Politikberater bringen den Umschwung mit Absprachen in Verbindung, in die unter anderem Venezuela einbezogen ist. [3] Russisch-algerische Vereinbarungen sind der zweite Faktor, der Berlin Sorgen bereitet. »Um die europäische Gasversorgung zu kontrollieren, würde es genügen, wenn (...) Russland und Algerien kooperieren«, warnt die Stiftung Wissenschaft und Politik. [4] Tatsächlich haben Algier und Moskau bereits 2001 eine strategische Zusammenarbeit vereinbart und inzwischen Projekte auf allen energiepolitischen Ebenen eingeleitet; sie dienen der »Harmonisierung der Energiepolitiken auf dem europäischen Markt«. [5] Die Kooperation umfasst auch russische Rüstungslieferungen im Wert von rund 7,5 Milliarden US-Dollar.
 
Atomabkommen
Berlin flankiert die Energieabsprachen mit neuen Investitionen in Milliardenhöhe. Wie es in der algerischen Hauptstadt unter Berufung auf den Vorsitzenden der deutsch-algerischen Industrie- und Handelskammer heißt, wollen deutsche Unternehmen bis zu 8 Milliarden Euro in dem nordafrikanischen Land investieren. Die Vorhaben und ihr voraussichtlicher Beginn werden geheim gehalten, doch sind den Ankündigungen zufolge auch Projekte in der Petrochemiebranche vorgesehen. Die Konkurrenz ist stark; neben der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und dem strategischen Partner Russland entfalten auch die Vereinigten Staaten umfangreiche Aktivitäten. Washington und Algier haben für den kommenden Samstag die Unterzeichnung eines Protokolls über atomare Zusammenarbeit angekündigt; demnach werden US-Firmen Nuklearkooperationen mit algerischen Unternehmen einleiten. [6] Berlin bemüht sich mitzuhalten und hat kürzlich einen Erfolg erzielt: Algier genehmigte den Kauf des staatlichen Industriegaseherstellers »Entreprise Nationale Algérienne des Gaz Industriels«  durch den deutschen Anlagenbauer Linde. Linde war es gelungen, den französischen Konkurrenten Air Liquide auszustechen, der wegen seiner Kollaboration mit den französischen Kolonialbehörden belastet ist.
 
Repressionsabkommen
Parallel hierzu intensiviert die Bundesregierung ihre Zusammenarbeit mit den algerischen Repressionsbehörden. Bereits Anfang des Jahres hatte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium August Hanning in Algier ein Abkommen vorbereitet, das im Herbst unterzeichnet werden soll. Es sieht vor, eine Arbeitsgruppe aus Polizei- und Geheimdienstspezialisten beider Länder einzusetzen, die den sogenannten Anti-Terror-Kampf koordinieren soll. [7] Hanning war bis zum Regierungswechsel im Herbst 2005 Präsident der deutschen Auslandsspionage, ihm werden im Zusammenhang mit Verschleppung und Folter an deutschen Staatsbürgern schwere Vorwürfe gemacht. [8] Nach Auskunft der Botschaft ist in den vergangenen Tagen ein hochrangiger deutscher Sicherheitsbeamter nach Algier gereist, um die Verhandlungen weiterzuführen. Gegenstand sind auch die Abschottung der EU-Außengrenze und die Deportation unerwünscht eingereister Migranten. Zudem unterstützt Berlin ein sogenanntes Anti-Terror-Zentrum in der algerischen Hauptstadt (Centre d’études et de recherches contre le terrorisme, CAERT) mit 80.000 Euro. [9]
 
Ausnahmezustand
Beobachtern zufolge hat der sogenannte Anti-Terror-Kampf hohe Bedeutung für die in Algerien faktisch herrschenden Militärs. Mit der Behauptung, gegen islamistische Attentäter vorgehen zu müssen, »können sie weiter den Ausnahmezustand aufrechterhalten - und damit jegliches demokratisches Leben im Keim ersticken«, urteilt der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner Ruf. [10] Dabei werden sie Berliner Unterstützung erhalten. Über die algerischen Repressionsapparate, mit denen die Bundesregierung ein Abkommen über polizeilich-geheimdienstliche Zusammenarbeit abschließen will, heißt es etwa bei amnesty international: »Journalisten, Anwälte, Künstler und zivilgesellschaftliche Gruppen, die öffentlich Kritik an der Regierung äußern (...), müssen in Algerien mit massiven Einschüchterungsversuchen seitens der Machthaber rechnen und riskieren, inhaftiert und bestraft zu werden. « [11]
 
Hängefolter
Vor allem »der Militärgeheimdienst DRS hält Berichten zufolge weiterhin Personen in geheimer Haft und wendet Folter an«, schreibt amnesty international über den möglichen Anti-Terror-Partner der deutschen Bundesregierung. »Die Folterer bleiben straflos; Foltervorwürfen wird in der Regel nicht nachgegangen. (...) Gefangene des DRS wurden nach ihren eigenen Berichten geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert, an der Decke aufgehängt und gezwungen, große Mengen von dreckigem Wasser, Urin oder Chemikalien zu schlucken.«  Der UN-Sonderberichterstatter über Folter bittet angesichts der gravierenden Vorwürfe schon seit 1997 wiederholt vergeblich um eine Einreiseerlaubnis. [12] Jederzeit werden dagegen algerische Visa dagegen Repressionsexperten des deutschen Innenministeriums erteilt.
 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56873 06.06.2007