Washingtons Marionetten - Bei der Globalisierung ist der Westen in den von ihm besetzten Staaten auf Strohmänner angewiesen - Von Mumia Abu-Jamal 1

Die Sonntagsreden des G-8-Gipfels noch im Ohr, ist es an der Zeit, über ein paar unbequeme Wahrheiten zu sprechen, auch deswegen, weil die Kriege, mit denen die Regierungen der USA und der anderen NATO-Staaten »der Demokratie zum Durchbruch« verhelfen wollen, weitergehen. Allgemein bekannt ist, daß die westlichen Länder keine demokratischen, sondern Marionettenregierungen eingesetzt haben. Die Völker lehnen die Regierungen von Karsai in Afghanistan, Siniora in Libanon und Al Maliki in Irak ab, weil sie wissen, daß diese Politiker Strohmänner sind und nicht die Interessen ihrer Länder, sondern ausschließlich die Interessen fremder Länder und multinationaler Konzerne vertreten.

In Afghanistan und Pakistan richtet sich die Wut gegen die Alliierten der USA, die mit Brutalität, Barbarei und Folter regieren. Für dieses zornige Aufbegehren gibt es viele Gründe, aber im Kern sind es zwei Begriffe, die die Ursachen symbolisieren: Abu Ghraib und die Irak-Besetzung. Das Vorgehen der US-Bodentruppen - die Art, wie sie die irakische Bevölkerung behandeln, das Chaos, das sie erzeugen und von dem das Land wie von einem Fieber befallen ist - hat Widerstand weit über die Grenzen des Zweistromlandes hinaus erzeugt und Proteste auf dem ganzen Globus ausgelöst. Der Irak-Krieg mit all seinen Konsequenzen bewirkte, daß die USA zu dem am meisten gefürchteten und gehaßten Land auf der Erde geworden ist.
 
Hinter der ganzen westlichen Rhetorik vom »Kampf für Demokratie« stecken die knallharten Interessen des internationalen Kapitals - oder, um es auf den derzeit gebräuchlichen Begriff zu bringen: die Globalisierung. Dabei ist »Globalisierung« weitaus mehr als der aktuelle Ausdruck des alten ökonomischen Prinzips namens Kapitalismus. Die Aufrechterhaltung oder Errichtung kapitalistischer Strukturen in den genannten Ländern bedingt immer auch die Installierung von Marionettenregierungen. Der unabhängige Journalist Dahr Jamail, der nachgewiesen hat, daß die USA Phosphorbomben im Irak und die israelische Armee die gleichen Waffen gegen den Libanon eingesetzt hat, gehört auch zu den Kritikern des Siniora-Regimes: »Nur die Reichen haben in der derzeitigen Regierung noch eine Stimme, während die Mittelschicht und die Unterklassen nicht mehr gehört werden. Diese Regierung ist von einer Klassenmentalität geprägt.« (In: Asheville Global Report, 3.–9. Mai 2007, S. 12)
 
Egal, ob in Ägypten, Saudi-Arabien, Pakistan oder Irak - das Leben unter der Herrschaft der Verbündeten der USA in dieser Region ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Wer in diesen Ländern für wahre Demokratie eintritt, erfährt während der Demonstrationen auf den Straßen oder in den finsteren Folterkellern die ganze Brutalität der Polizeien dieser Regimes am eigenen Leib. Nein, die US-Regierung unter George W. Bush hat ihre Truppen nicht nach Irak entsandt, um Demokratie und Freiheit oder irgend etwas, was auch nur im entferntesten damit zu tun hätte, dorthin zu bringen. In jedem Land dieser Erde ist der wahre Grund bekannt. Millionen und Abermillionen Menschen wissen es. Die Tragödie ist indes, daß es immer noch eine zu große Zahl von US-Amerikanern gibt, die hinter dem Wahnsinn ihrer Regierung stehen. Ginge es wirklich um Demokratie im Mittleren Osten, dann wären die Marionetten der USA arbeitslos oder würden an den Kronleuchtern ihrer Regierungspaläste baumeln. Und wenn es in den USA und England wirklich demokratische Verhältnisse gäbe, wären die Repräsentanten der seit Generationen unpopulärsten Regierungen längst entmachtet.
 
Ergänzende Angaben zu den obigen Ausführungen sind einem Artikel von Rainer Rupp entnommen 2:
Am 7. 6. 07 haben sechs Menschenrechtsorganisationen in dem 21 Seiten umfassenden Bericht »Off the Record« die Namen von 39 vermissten Menschen veröffentlicht, die die CIA im Auftrag der Bush-Administration in geheimen US-Verliesen rund um die Welt spurlos verschwinden liess. Die Liste umfasst die Namen und Nationalitäten der Verschwundenen, die unter anderem aus Ägypten, Kenia, Libyen, Marokko, Pakistan und Spanien stammen. Laut Amnesty International (ai) ist den Vermissten gemeinsam, »dass sie sich zumindest eine Zeitlang in einem der weltweit verstreuten Geheimgefängnisse unter US-Verwaltung befunden haben. Der Bericht schildert auch Fälle von der Gefangennahme ganzer Familien. So wurden auch Angehörige, sogar Kinder, von Terrorverdächtigen inhaftiert. Von den US-Behörden verlangen die Organisationen Auskunft über Identität, Verbleib und Befindlichkeit derzeitiger oder früherer Geheimgefangener. Um dies zu beschleunigen, haben die Organisationen am 7. 6. 07 vor einem US-Bundesgericht eine Klage zur Herausgabe von Informationen eingereicht. Die Existenz von weltweiten CIA-Geheimgefängnissen für Verhöre von Terrorverdächtigen war 2005 von der US-Tageszeitung Washington Post enthüllt worden. Die Diskussion über geheime Gefängnisse in Europa sowie über die Praxis der »ausserordentlichen Überstellung« - ein Euphemismus für die »Überstellung an Folter-Subunternehmer« - von Terrorverdächtigen unter Nutzung europäischer Flughäfen weiter an.
Bekannt ist, dass zwischen 2001 und 2005 mindestens 1245 Flüge der CIA in Europa stattgefunden haben. Wie Clive Stafford Smith von der Menschenrechtsgruppe Reprieve erklärte, werde es für die US-Regierung Zeit, auszupacken. US-Präsident George W. Bush hatte im September vergangenen Jahres erstmals die Existenz von ausserhalb der USA gelegenen geheimen CIA-Gefängnissen im «Krieg gegen den Terror» eingeräumt, wobei keine Angaben zur Zahl der Gefangenen gemacht wurden.
 
Nach der Lektüre der obigen Berichte tritt die Heuchelei, die uns die USA in Sachen Terror  - von den restlichen Regierungen ungestört -  vorspielen kann doppelt zutage:
So hat die Kommunistische Partei der Ukraine am 18.6.07 den Bau einer »Gedenkstätte für die Opfer des US-Imperialismus«angekündigt. Das Museum soll eine Antwort auf die letzte Woche von US-Präsident Bush in Washington eingeweihte Gedenkstätte für die »Opfer des Kommunismus« sein. In seiner Rede hatte Bush den »Kommunismus« mit dem internationalen Terrorismus gleichgesetzt und für den Tod »von Zigtausenden unschuldigen Menschen« verantwortlich gemacht. Er meinte: „Wie die Kommunisten sind auch die Terroristen und Radikalen, die unsere Nation [am 11.9.] angegriffen haben [was in der USA von der breiten Masse ganz offensichtlich immer noch geglaubt wird, sonst könnte Bush sein Leib- und Magenthema nicht immer wieder öffentlich vorbringen] Anhänger einer mörderischen Ideologie, die die Freiheit verachtet und totalitäre Ziele verfolgt.« Ganz im Stil des »Schwarzbuchs des Kommunismus« machte Bush, der Initiator des völkerrechtswidrigen Krieges gegen den Irak »die brutale Hand des Kommunismus« für die Toten im chinesischen Bürgerkrieg und der Revolution verantwortlich. Der Sowjetunion warf er vor, ihre Führung habe mit Absicht »unschuldige Ukrainer zu Tode hungern« lassen. Seit Viktor Juschtschenko 2005 mit Hilfe des Westens durch die »orangene Revolution« an die Macht kam, versuchte der ukrainische Präsident wiederholt, aber bisher erfolglos, die große Hungersnot in der Ukraine 1932–1933 offiziell zu einem von der Sowjetunion begangenen Völkermord erklären zu lassen. Moskau hat diese Versuche, »eine historische Tragödie zu politisieren«, scharf verurteilt. Auch die Volksrepublik China reagierte erbost auf Bushs Auftritt und erklärte am 13. 6. 07, daß die USA versuchten, »Konflikte zwischen verschiedenen Ideologien und Gesellschaftssystemen zu provozieren«. Nicht nur die ukrainischen Kommunisten halten ein Mahnmal für Opfer des amerikanischen Imperialismus für längst überfällig. Forderungen, des Völkermords an den Ureinwohnern Nordamerikas oder der US-Kriegsverbrechen von Vietnam bis Irak angemessen zu gedenken, gibt es immer wieder. Zu erinnern wäre vor allem daran, daß das von den USA maßgeblich gestützte System der Profitmaximierung jedes Jahr den Tod von Zigmillionen Menschen in der Welt billigend in Kauf nimmt, obwohl ein Überfluß an Nahrung, sauberem Wasser und Medikamenten vorhanden ist 3.
 
 
1 http://www.jungewelt.de/2007/06-09/007.php 9. 6. 2007 
2 Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/06-08/049.php  8.6.07 In Verliesen der CIA
3 Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/06-20/025.php 20.6.07