Fremdbestimmt - Politik-Werbung am Fernsehen - Von Ulrich Schlüer

Von welchem Standort für die Schweiz bestimmte Fernsehsendungen auch immer produziert werden: Bis heute besitzt die Schweiz gesetzlichen Einfluss auf den Inhalt solcher Sendungen. So unterstehen z.B. Werbesendungen (Werbefenster) deutscher Sendeanstalten, die speziell für das Schweizer Publikum gestaltet werden, bis heute strikt der gleichen Gesetzgebung, der auch das Werbefernsehen in der Schweiz unterworfen ist. Solches ist in Spezialverträgen festgelegt, die mit ausländischen Sendern, die Werbefenster für die Schweiz produzieren, auf der Grundlage schweizerischer Gesetze abgeschlossen worden sind. Fernsehwerbung unterliegt in der Schweiz bekanntlich anderen, strengeren Regulierungen als Werbung im Ausland. In der Schweiz gilt insbesondere ein striktes Alkohol-, Tabak- und Politikverbot für die Fernsehwerbung. Man mag über diese Einschränkungen denken, wie man will. Bis heute kommt man indessen um die Feststellung nicht herum, dass diese Regulierung von breiten Kreisen der Schweizer Fernsehkonsumenten gebilligt wird. Keine politische Kraft hat jedenfalls je ernsthaft versucht, hierzulande auf dem Weg der Gesetzgebung eine von allen Beschränkungen freie Fernsehwerbung durchzusetzen. Trotzdem: Die alkohol-, tabak- und politikfreie TV-Werbung wird in der Schweiz schon bald der Vergangenheit an gehören. Die Neuerung wird allerdings hinterrücks eingeführt. Die Schweiz lässt sich nämlich künftig in Sachen TV-Werbung fremdbestimmen. Sie unterwirft sich - am Stimmbürger vorbei - der Europäischen Union.

Das EU-Programm MEDIA

Die Unterwerfung erfolgt im Rahmen des von der EU aufgezogenen medienpolitischen Programms MEDIA. Kern dieses Programms sind äusserst grosszügig fliessende Subventionen an Fernseh- und Filmschaffende. Der Bundesrat will - unter starkem Druck der hierzulande bezüglich Subventionsnutzung gut und stramm links organisierten Medienschaffenden - auch Schweizer Filmschaffenden den Zugang zu diesem EU-Topf sichern. Dazu sind allerdings Konzessionen einzugehen: Die Schweiz hat sich in wesentlichen Belangen der EU-Gesetzgebung bezüglich Radio und Fernsehen zu unterwerfen. Und zumindest eine dieser EU-Regelungen ist einigermassen brisant: Die EU führt ein, dass, wer immer Fernsehsendungen für welchen Zuschauermarkt in welchem Land auch immer produziert, ausschliesslich jener Gesetzgebung unterworfen ist, die am Produktionsstandort in Kraft ist. Die Gesetzgebung im Empfängerland von Sendungen würde Produzenten folglich nicht mehr binden. Das gilt auch für Werbesendungen. Mit andern Worten: Werbefenster, die von ausländischen Sendern für Schweizer Publikum produziert werden, unterliegen fortan ausschliesslich jener Gesetzgebung, die im Produktionsland gilt. Die Schweizer Gesetzgebung zur Fernsehwerbung müsste für aus dem Ausland in die Schweiz ausgestrahlte Werbefenster nicht mehr berücksichtigt werden.

Wettbewerbs-Verzerrung

Die Folgen sind klar: Ausländische Werbefenster für die Schweiz werden bis in etwa zwei Jahren auch Alkoholwerbung, auch Tabakwerbung und, besonders bemerkenswert, auch Politikwerbung in die Schweiz ausstrahlen können. Die Schweizer Gesetzgebung würde für Werbefenster aus dem Ausland unwirksam. Ohne dass das Schweizer Volk sich zu dieser Neuerung äussern könnte. Weitere Konsequenzen sind absehbar: Die ausländischen Werbefenster dürften gegenüber in der Schweiz produzierter Fernsehwerbung, die noch schweizerischen Gesetzen unterworfen bliebe, eklatante Marktvorteile erringen. Wer rechnet, wird Werbung vermehrt in den ausländischen Werbefenstern für die Schweiz platzieren. Schweizer Sendeanstalten, die von Werbeeinnahmen leben, werden das Nachsehen haben. Dies trifft insbesondere die Privatsender, die fast ausschliesslich von Werbeeinnahmen leben, am Existenznerv. Werbung, die nicht nur den lokalen Markt anvisiert, würde kaum mehr aus der Schweiz gesendet. 

Rechtsgleichheit müsste geschaffen werden

Um Ebenbürtigkeit bezüglich Marktchancen zu garantieren, müssten den Schweizer Werbeproduzenten im Sinne der Rechtsgleichheit wohl umgehend die gleichen Bedingungen für Werbesendungen eingeräumt werden, wie sie durch das MEDIA-Programm der EU schon bald für ausländische Werbefenster gelten werden. Alles andere hätte Marktverzerrungen zur Folge, welche alle Fernsehanstalten in der Schweiz, am schwersten zweifellos die Privatsender, materiell empfindlich treffen dürften. So wird, als Folge der Unterwerfung der Schweiz unter die EU-Mediengesetzgebung, die Zeit schon sehr bald zu Ende gehen, in der der Schweizer Konsument Fernsehwerbung ohne Alkohol, ohne Tabak und ohne Politik vorgesetzt bekommt. Es sei denn, man wollte sich zu Bern auf die doch recht pikante Situation einstellen, dass Schweizer (und ausländische!) Parteien, Komitees und andere Kräfte künftig via ausländische Werbefenster Abstimmungspropaganda in die Schweizer Stuben senden könnten - derweil die Schweizer Sender zum Stillesitzen verurteilt blieben. Freuen wir uns, bis die EU via deutsche Werbefenster ihre erste Breitseite gegen den Schweizer Steuerföderalismus völlig ungehindert in alle Schweizer Haushalte pfeffern kann . . . 

Am Volk vorbei

Äusserst stossend - wenn auch EU-konform - ist die Art und Weise, wie es dem Bundesrat gelingt, diese den TV-Konsumenten zweifellos störende Neuerung hinter dem Rücken des Volkes durchzusetzen. Das bundesrätliche Vorgehen folgt bewährten EU-Mustern: Zuerst werden Termine verschlampt, ist doch sowohl die Revision des MEDIA-Programms als auch die EU-Mediengesetzgebung in der Europäischen Union bereits seit langem in Diskussion und Beratung. Der Bundesrat hat mit der Beratungsaufnahme bis in den Frühsommer dieses Jahres zugewartet. Dann wählte er hastig das Dringlichkeitsverfahren, bei welchem er vor Beschlussfassung bloss die Präsidenten zuständiger Parlamentskommissionen orientieren  muss. Äussern diese - was bezüglich MEDIA der Fall war - Bedenken, werden die Einwände in den Wind geschlagen. Dann, wenn das Parlament - was frühestens im September der Fall sein kann - insgesamt Stellung nehmen möchte, ist der Beitritt zu MEDIA vom Bundesrat bereits beschlossen. Und, fast nur zwischen den Zeilen, orientiert der Bundesrat die Parlamentarier, dass der Beitritt zu MEDIA bis in etwa zwei Jahren die hier erwähnten Konsequenzen auf die Fernsehwerbung haben dürfte . . . Weil alle Linken aber all ihren Freunden in der Kulturszene unbedingt die überquellenden Subventionstöpfe der EU zugänglich machen wollen, ist klar, dass wirksame Opposition gegen die Unterstellung der Schweiz unter die Mediengesetzgebung der EU chancenlos ist. 

Nebenbei: Die gleichen Kräfte, die gegenwärtig unermüdlich Bundesrat Blocher anpflaumen, weil die Schweiz gegen aus den fernsten Winkeln der Welt in unser Land eindringende kriminelle Internet-Inhalte weitgehend machtlos ist, betreiben, um des Geldbeutels ihrer mehr oder weniger künstlerischen Freunde Willen, hemmungslos den Ausverkauf schweizerischer Souveränität bezüglich Mediengesetzgebung. Das Volk wird zur ganzen Angelegenheit überhaupt nicht befragt. Die EU exportiert ihr oft beklagtes Demokratiedefizit mithilfe der Verwaltung, der politischen Linken und einigen kopflosen Mitte-Politikern in die Schweiz. Ende der Vorstellung. 

Erschienen in Schweizerzeit vom 24. 8. 07